Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.04.2016


BPatG 27.04.2016 - 26 W (pat) 77/13

Markenbeschwerdeverfahren - Kostenfestsetzung im Löschungsverfahren - "Schmetterling Riesling (Wort-Bild-Marke)" - zur Festsetzung des Gegenstandswertes im Löschungsverfahren - zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten – Kostenentscheidung im Nebenverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
27.04.2016
Aktenzeichen:
26 W (pat) 77/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke …

(hier: Kostenfestsetzung)

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. April 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 19. März 2013 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Löschung der Wort-/Bildmarke Nr. … „…“

Abbildung

2

zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt. Auf Antrag der Antragsgegnerin hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA mit Beschluss vom 1. August 2013 auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 50.000 € die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem Antragseingang, dem 4. Juni 2013, festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem rechtskräftigen Beschluss vom 19. März 2013 sei zu entnehmen, dass das Vorbringen der Antragstellerin als Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Markenanmeldung und damit als Berufung auf das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG auszulegen sei. Die Bestimmung des Gegenstandswerts richte sich daher nach den für Löschungsverfahren üblichen Regeln. In jüngerer Zeit sei der Regelgegenstandswert in Löschungsverfahren vom BPatG generell auf 50.000 € angehoben worden. Besondere Umstände, davon abzuweichen, seien nicht vorgetragen, so dass dieser Wert als angemessen erachtet werde.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sinngemäß beantragt,

4

den Gegenstandswert auf 10.000 € festzusetzen.

5

Sie ist der Ansicht, der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 50.000 € sei deutlich überhöht. Angemessen sei allenfalls ein Wert von 10.000 €. Es habe sich zwar de facto um einen Löschungsantrag gehandelt, diesen habe sie aber als Inhaberin älterer Rechte in Verkennung der Rechtslage wegen Versäumung der Widerspruchsfrist gestellt. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes sei daher nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der von der Rechtsordnung missbilligten Beeinträchtigung und Störung des Wettbewerbs durch die angegriffene Marke maßgeblich, sondern wie in einem Widerspruchsverfahren ihr Interesse an der Durchsetzung älterer Markenrechte an dem italienischen Wortbestandteil „Farfalla“ für „Schmetterling“. Ausgehend von dem üblichen Gegenstandswert in Widerspruchsverfahren von 20.000 € (BPatG 25 W (pat) 73/04) sei der vorliegende herabzusetzen, weil die Antragsgegnerin die angegriffene Marke nicht benutzen könne, ohne die älteren Rechte der Antragstellerin zu verletzen, so dass es nur um den Erhalt eines nicht benutzbaren Scheinrechts gehe.

6

Die Antragsgegnerin hat sich auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des DPMA im Beschluss vom 1. August 2013 berufen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

9

Das DPMA hat zu Recht die erstattungsfähigen Kosten auf 1.379,80 € festgesetzt. Dabei hat es für die Gebührenbemessung im vorliegenden Löschungsverfahren zutreffend den Gegenstandswert von 50.000 € zugrunde gelegt.

10

1. Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem BPatG für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegenstandswert gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen.

11

a) Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Löschungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke. Dieses Interesse wird vom BGH seit 10 Jahren bei unbenutzten Marken regelmäßig mit 50.000 € bemessen (vgl. BGH, Beschl. v. 16. März 2006 – I ZB 48/05, GRUR 2006, 704 – Markenwert; Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6 m. w. N.). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung der Mehrheit der Senate des BPatG (30 W (pat) 1/14 - Titanshield; 27 W (pat) 57/07 – MAUI SPORTS; 27 W (pat) 103/12 – jugend forscht Schüler experimentieren; 28 W (pat) 58/12 - Lactec; 29 W (pat) 39/09 – Andernacher Geysir; 29 W (pat) 15/10 – Wasserkraft; 24 W (pat) 20/07 – SAMADHI; 24 W (pat) 45/12 – FAGUMIT; 26 W (pat) 128/03 – Dual Mode; 26 W (pat) 2/10 – ErblühTee; 26 W (pat) 47/12, 26 W (pat) 50/14 - Ismaqua).

12

Vorliegend hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Löschungsantrag unter Verwendung des entsprechenden Formulars und Angabe des Löschungsgrundes gemäß „§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 MarkenG“ ein Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse eingeleitet. Der Umstand, dass sie diesen Antrag als Inhaberin älterer Markenrechte nur wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist gestellt hat, ändert nichts an diesem Verfahrenscharakter, zumal nach Ablauf dieser Ausschlussfrist ohne die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung (§ 91 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) die Einleitung eines Widerspruchsverfahrens endgültig ausgeschlossen war.

13

b) Der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 16/10 = GRUR 2012, 1172 – pjur; 25 W (pat) 25/11; Ströbele/Hacker/Knoll, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rdnr. 35), dass im Löschungsverfahren bei unbenutzten Marken der 6,25-fache des alten bzw. der 6-fache Satz des neuen Regelwerts gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu veranschlagen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens nach dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des neuen, ab dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 € insgesamt 30.000 € ausmachen würde, kann sich der Senat nicht anschließen.

14

aa) Ein Regelwert von 30.000 € wird der tatsächlichen Bedeutung eingetragener Marken im Wirtschaftsleben nicht gerecht (so schon 27 W (pat) 75/08).

15

Denn das wirtschaftliche Interesse am Erhalt der angegriffenen Marke umfasst die Kosten für die Entwicklung und die Eintragung der Marke, die bereits insgesamt einen Betrag von 50.000 € und mehr ausmachen können, insbesondere, wenn man externe Beratung in Anspruch nimmt oder die Markenentwicklung Drittfirmen überlässt. Ferner kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke auch darauf richtet, Umsatzausfälle zu vermeiden, die durch die Verzögerung des Vertriebs der Marke zu befürchten sind.

16

Auch wenn die vom 25. Senat angesprochene Möglichkeit besteht, dass es sich nur um Vorratsmarken handelt, kann dieser Umstand nicht als einziger wirtschaftlicher Hintergrund einer Markenanmeldung unterstellt werden. Es muss vielmehr unter Berücksichtigung aller möglichen Fallgestaltungen ein angemessener Mittelwert gefunden werden, der auch steigende Kosten einbezieht und für einen längeren Zeitraum gelten kann. Letztlich stellt eine Versechsfachung des gesetzlichen Regelwerts ebenso eine Schätzung dieses Mittelwertes dar wie eine Verzehnfachung. Im Hinblick darauf, dass der BGH einen Regelwert von 50.000 € ansetzt und sich das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Schutz der angegriffenen Marke nicht instanzabhängig steigert, sondern der Verfahrenswert derselbe bleibt, erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ein Regelgegenstandswert von 50.000 € angemessen.

17

bb) Soweit der 25. Senat seine gegenteilige Rechtsauffassung darauf stützt, dass die Vorschriften für den Gegenstandswert im Instanzenzug voneinander abweichen, weil die für den BGH anzuwendende Vorschrift des § 51 Abs. 1 GKG weder einen Regelgegenstandswert noch eine Wertobergrenze enthalte, wie dies in der für das Bundespatentgericht maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Fall sei, hat der BGH klargestellt, dass auch für die Gegenstandswertfestsetzung im Rechtsbeschwerdeverfahren die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist (Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6).

18

cc) Auch wenn mit der Festsetzung des Regelgegenstandswertes auf 50.000 € die Kostenbelastung steigt bzw. bereits gestiegen ist, dürfte dies gerade im Fall von Vorratsmarken, Unternehmen treffen, die sich diese Kosten leisten können. Für den seltenen Fall, dass ein bedürftiger Privatmann oder ein finanzschwacher Kleinunternehmer höhere als die bei einem Regelwert von 50.000 € anfallenden Anwaltskosten nicht aufbringen kann, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe nach § 81a MarkenG zu beantragen. § 81a MarkenG ist durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) eingefügt worden und ist seit dem 1. Januar 2014 in Kraft, auch wenn diese Regelung nur die Rechtsprechung des BGH seit dem Jahre 2008 umsetzt, wonach Prozesskostenhilfe auch in markenrechtlichen Verfahren zu gewähren sei (GRUR 2009, 88 Rdnr. 9 ff. – ATOZ I; GRUR 2010, 270 Rdnr. 26 – ATOZ III).

19

dd) Eine deutliche Überteuerung des Verfahrens durch den höheren Regelwert von 50.000 € ist auch deshalb nicht erkennbar, weil er keine proportionale Erhöhung der Kosten zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die vom 25. Senat befürwortete restriktive Gegenstandswertfestsetzung den Druck von Seiten der Rechts- und Patentanwälte auf ihre Mandanten zum Abschluss den Nachteil ausgleichender Honorarvereinbarungen erhöht (vgl. Hoffmann/Albrecht, GRUR-Prax 2015, 96) und so zum Gegenteil der beabsichtigten Kostendeckelung führt.

20

c) Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Benutzung hält der erkennende Senat daher einen (Regel-)Gegenstandswert von 50.000 € für angemessen.

21

Eine Reduzierung des Gegenstandswertes auf 10.000 € bzw. 25.000 € käme auch dann nicht in Betracht, wenn es sich um ein Widerspruchsverfahren gehandelt hätte. Denn der Senat hält in Übereinstimmung mit dem BGH (GRUR 2006, 704 – Markenwert) und der Mehrheit der Senate des BPatG (27 W (pat) 99/12, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 108/10, 27 W (pat) 90/11, 27 W (pat) 34/11, 27 W (pat) 109/11; 28 W (pat) 13/11, 28 W (pat) 36/12, 28 W (pat) 7/12; 29 W (pat) 59/12, 29 W (pat) 115/11 = GRUR 2012, 1174 – Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren; 30 W (pat) 113/11, 30 W (pat) 57/11) auch in Widerspruchs(beschwerde)verfahren bei unbenutzten Marken einen Regelgegenstandswert von 50.000 € für angemessen (26 W (pat) 516/14, 19/12, 59/13, 34/13, 573/10, 72/11 und 47/12).

22

Der Senat folgt aus den bereits dargelegten Gründen nicht der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 79/12 = GRUR-RR 2015, 229 – Gegenstandswert im Widerspruchs(beschwerde)verfahren, 25 W (pat) 16/10 = GRUR 2012, 1172, 25 W (pat) 510/11 = BlPMZ 2012, 421; 25 W (pat) 73/04 – GRUR 2007, 176 - Gegenstandswert für Widerspruchs-Beschwerdeverfahren), die auch der 24. Senat teilt (24 W (pat) 25/14), dass bei unbenutzten angegriffenen Marken grundsätzlich der Regelwert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu verfünffachen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens nach dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des ab dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 € insgesamt 25.000 € ausmachen würde.

23

2. Ausgehend von einem Gegenstandswert von 50.000 € waren die beantragte 1,3-fache Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 Nr. 3100 VV RVG unter Zugrundelegung der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Gebührentabelle und für Post- und Telekommunikationsentgelte die unverändert gebliebene Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG festzusetzen:

24

1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 13 RVG i. V. m. Nr. 3100 VV RVG

 1.359,80 €

Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

   20,00 €

Summe 

1.379,80 €

25

Die festgesetzten Kosten sind auf Antrag der Antragsgegnerin mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit dem Eingang des nach Eintritt der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung gestellten Antrages, dem 4. Juni 2013, zu verzinsen (§ 71 Abs. 5 MarkenG, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Da die Beschwerdeführerin in vollem Umfang unterliegt, erscheint es angemessen, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

27

In Nebenverfahren, zu denen auch Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse zählen, entspricht es in der Regel der Billigkeit, die entstandenen Kosten in Anlehnung an den Erfolg des Rechtsmittels zu verteilen. Nur auf diese Weise werden wirtschaftlich akzeptable Ergebnisse erzielt, da ansonsten der in einem Nebenverfahren Obsiegende durch die Belastung mit seinen eigenen Kosten letztlich gleichwohl einen wirtschaftlichen Schaden erleiden würde, was ihn von der Durchsetzung und der Verteidigung berechtigter Ansprüche abhalten könnte (BPatG 28 W (pat) 52/13; 33 W (pat) 74/06; BPatG 24 W (pat) 13/07; BPatG 27 W (pat) 68/02).