Entscheidungsdatum: 22.05.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2009 042 431
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie der Richterin Grote-Bittner und des Richters kraft Auftrags Portmann
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
2. Der Widersprechenden werden die Kosten auferlegt, die der Inhaberin der angegriffenen Marke aufgrund der Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2014 entstanden sind. Im Übrigen wird der Kostenantrag der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückgewiesen.
I.
Die am 17. Juli 2009 angemeldete Wortmarke
Tebo
ist am 30. November 2009 unter der Nummer 30 2009 042 431 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden und ist derzeit noch für folgende Waren geschützt:
Klasse 3:
Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Putzmittel;
Klasse 5:
pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Präparate zur Behandlung des Nervensystems, des alimentären Systems und des Stoffwechsels, des cardiovaskulären Systems und des gastrointestinalen Systems, Homöopathika und Anthroposophika, vorstehende Erzeugnisse jeweils ausgenommen Präparate zur Behandlung von Erkrankungen der Lunge; Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke;
Klasse 29:
Fleischextraktes; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gelees, Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Lebensmittel, nämlich diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke jeweils auf der Basis von Eiweißen, Fetten unter Beigabe von Fettsäuren, soweit in Klasse 29 enthalten;
Klasse 30:
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Würzmittel; Gewürze; diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke jeweils auf der Basis von Kohlenhydraten, soweit in Klasse 30 enthalten;
Klasse 31:
land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten; lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Futtermittel, Malz;
Klasse 32:
Biere; Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33:
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).
Nach Veröffentlichung der Eintragung am 31. Dezember 2009 hat hiergegen die Widersprechende mit dem am 29. März 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Telefax Widerspruch eingelegt aus der am 1. April 1996 angemeldeten und am 30. März 1998 unter der Nummer 000 077 503 eingetragenen Gemeinschaftsmarke
TOBI,
die Schutz genießt für folgende Waren und Dienstleistungen:
Klasse 1:
Katalysatoren; Synthone; chirale Verbindungen, alle zur Verwendung bei der Herstellung von wissenschaftlichen und pharmazeutischen Erzeugnissen;
Klasse 5:
Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; Baby- und Krankenkost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Unkraut- und Ungeziefervertilgungsmittel;
Klasse 42:
Dienstleistungen in Bezug auf Forschung, Entwicklung und Herstellung auf pharmazeutischem Gebiet; Beratungsdienste auf diesem Gebiet.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 10. Mai 2010 die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Ausnahme eines „Präparats zur Langzeitbehandlung der chronischen Infektion der Lunge mit Pseudomonas aeruginosa bei Patienten mit Mukoviszidose ab 6 Jahre“ bestritten.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2012 hat die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Beamtin des höheren Dienstes eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Unter Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten erweiterten Minimallösung sei davon auszugehen, dass die Benutzung für eine Spezialware als Benutzung auch für den, diese Spezialware umfassenden Warenoberbegriff gelte, welcher im Bereich der Pharmazeutika der jeweiligen Arzneimittelhauptgruppe in der Roten Liste aufgeführt sei. Daher könne zugunsten der Widersprechenden von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für „Antibiotika/Antiinfektiva“ ausgegangen werden. Diese Waren kämen den für die angegriffene Marke geschützten Waren, nämlich „Präparate zur Behandlung des Nervensystems, des alimentären Systems und des Stoffwechsels, des cardiovaskulären Systems und des gastrointestinalen Systems, Homöopathika und Anthroposophika, vorstehende Erzeugnisse jeweils ausgenommen Präparate zur Behandlung von Erkrankungen der Lunge; Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ am nächsten. Diese Vergleichswaren seien zwar ohne weiteres ähnlich, wiesen aber einen deutlichen Indikationsunterschied auf. Eine sehr hohe Warenähnlichkeit sei zu verneinen. Zwar sei eine ergänzenden Anwendung der beiderseitigen Waren möglich. Die beiderseitigen Waren seien in den Wirksubstanzen und in der Indikation verschieden. Hinzu komme, dass es sich jeweils um rezeptpflichtige oder zumindest apothekenpflichtige Produkte handele, so dass Fachkreise bei dem Erwerbsvorgang beteiligt seien, die naturgemäß weniger zu Verwechslungen neigen würden. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei mangels anderer Anhaltspunkte durchschnittlich. Ausgehend von diesen Umständen sei eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. In schriftbildlicher Hinsicht seien die abweichenden Buchstaben „e“ und „o“ bzw. „o“ und „i“ sowohl bei Groß- als auch bei Kleinschreibung optisch gut zu erkennen. Unter Berücksichtigung der Kürze der Wörter bestehe auch keine die Verwechslungsgefahr begründende klangliche Ähnlichkeit. Die sich gegenüberstehenden Vokale seien nicht klangverwandt. Die Vokale „e“ und „i“ seien hell klingend, während der Vokal „o“ einen dunklen Klang besitze. Die Klangunterschiede, welche besonders in den zweiten Worthälften deutlich nachklingen würden, bewirkten deshalb einen ausreichend abweichenden Klangeindruck.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Es bestehe zwischen den sich gegenüberstehenden Marken eine hohe Zeichenähnlichkeit. Beide Marken müssten in jeder üblichen Schreibweise miteinander verglichen werden. Die Buchstaben „t“ und „b“ seien in beiden Marken identisch enthalten und die gegenüberstehenden, jeweils kreisförmigen Buchstaben „o“ und „e“ seien im Schriftbild hochgradig ähnlich. Lediglich im letzten Buchstaben der Markenwörter bestehe ein bemerkenswerter Unterschied. Dieser sei jedoch nicht ausreichend. Daher müsse eine schriftbildliche Ähnlichkeit bejaht werden. In klanglicher Hinsicht sei das Konsonantengerüst der sich gegenüberstehenden Marken identisch. In beiden Marken sei der Vokal „o“ enthalten. Die Vokale „e“ und „i“ seien hochgradig klangverwandt. Insbesondere aus dem oft undeutlichen Erinnerungsbild heraus sei daher von einer klanglichen Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zudem bestehe eine hochgradige Warenähnlichkeit, die bis in eine Warenidentität hinein reiche. Die Widerspruchsmarke werde in Form eines Antibiotikums zur Behandlung von Atemwegserkrankungen benutzt. Für Antibiotika sei es typisch, zur Behandlung von bakteriellen Erkrankungen verschiedener Organe eingesetzt zu werden. Da die angegriffene Marke, insbesondere auch z.B. zur Behandlung von Erkrankungen des gastrointestinalen Systems vorgesehen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass dasselbe Antibiotikum zur Behandlung einer Erkrankung des Magendarmtrakts sowie der Lunge eingesetzt werde. Demzufolge sei sogar Warenidentität gegeben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es bei der Einnahme von Antibiotika zur Behandlung von Lungenerkrankungen zu allergischen Reaktionen kommen könne. Daher müssten viele Patienten häufig gleichzeitig Antiallergika oder Präparate zur Stärkung des Immunsystems einnehmen. Dann würden sich auch insoweit die Anwendungsgebiete der sich gegenüberstehenden Waren überschneiden. Aufgrund der Zeichenähnlichkeit sowie der Warenidentität bzw. hochgradigen Warenähnlichkeit bestehe eine Verwechslungsgefahr. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die beiderseitigen Marken auch für nicht verschreibungspflichtige Präparate verwendet werden könnten, so dass auch durchschnittliche Verbraucher als angesprochener Verkehrskreis in Betracht zu ziehen seien. Bei Bestellungen über das Internet oder über das Telefon werde der Verbraucher außerdem nicht von Fachleuten unterstützt. Insbesondere im Bereich der chronischen Erkrankungen sei zu berücksichtigen, dass die Verbraucher aufgrund der regelmäßigen Arzneimittelbeschaffung und der dadurch bedingten Gewöhnung beim Erwerb geringere Aufmerksamkeit walten lassen würden.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Mai 2012 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren keine Stellung genommen. Im Verfahren vor der Markenstelle des DPMA hat sie vorgetragen, dass aufgrund der Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke eine Indikationsverschiedenheit der sich gegenüberstehenden Waren gegeben sei. Bei Marken, die lediglich aus vier Buchstaben bestünden, seien schon geringe Abweichungen von erheblicher Bedeutung. Die Verschiedenheiten in den Vokalfolgen „-E-O“ und „-O-I“ würden deutlich unterschiedliche Klangbilder schaffen. Zudem würden insbesondere die auslautenden Vokale „O“ bzw. „I“ sowohl klanglich als auch schriftbildlich hinreichend zur Unterscheidbarkeit der Marken beitragen.
Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 25. Juli 2012 eine mündliche Verhandlung beantragt. Auf Antrag der Widersprechenden ist nach mehrfacher Terminsverlegung zuletzt Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. Mai 2014 um 13.30 Uhr anberaumt worden. Mit dem am Tag der mündlichen Verhandlung um 8.23 Uhr bei Gericht eingegangenen Telefax hat die Widersprechende erklärt, dass sie im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen in diesem Fall auf die mündliche Verhandlung verzichte. Mehrere Versuche des Senatsvorsitzenden am Vormittag des 22. Mai 2014 einen telefonischen Kontakt mit dem Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden herzustellen, sind erfolglos geblieben, weil dieser sich nach Aussage seiner Kanzleikraft in einer Besprechung befunden und der Bitte um einen Rückruf auch bis zum Sitzungsbeginn um 13.30 Uhr nicht Folge geleistet hat. Die telefonische Rücksprache beim Verfahrensbevollmächtigen der Inhaberin der angegriffenen Marke hat auch keine Klärung in Bezug auf die im Telefax angesprochenen „weiteren Entwicklungen“ ergeben, wobei der Verfahrensbevollmächtigte der Inhaberin der angegriffenen Marke erklärt hat, dass er sich auf den anberaumten Termin vorbereitet habe und diesen wahrnehmen werde, zumal er auch keine anderslautende Weisung von seiner Mandantin erhalten habe. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist daraufhin aufrechterhalten und wie anberaumt durchgeführt worden.
Mit dem am 27. Mai 2014 eingegangenen Telefax hat die Widersprechende erklärt, dass sie die Beschwerde zurücknehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die mit Telefax vom 27. Mai 2014 nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung der Beschwerdeentscheidung am 22. Mai 2014 erklärte Beschwerderücknahme kann keine Rechtswirkung entfalten. Die Rücknahme einer Beschwerde ist nach Verkündung der Entscheidung nicht mehr möglich (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 66 Rdnr. 66).
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist aber unbegründet. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Markenstelle den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke Nummer 000 077 503 zu Recht zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
1.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z.B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; vgl. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdnr. 40 ff. m.w.N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u.a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Beim Vergleich der gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ist zunächst zu berücksichtigen, dass auf Seiten der Widerspruchsmarke aufgrund der durchgreifenden beschränkten Nichtbenutzungseinrede nicht von der Registerlage auszugehen ist. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat bereits im Verfahren vor der Markenstelle des DPMA mit Schriftsatz vom 10. Mai 2010 die Benutzung der Widerspruchsmarke beschränkt bestritten, nämlich für alle Waren mit Ausnahmen eines „Präparats zur Langzeitbehandlung der chronischen Infektion der Lunge mit Pseudomonas aeruginosa bei Patienten mit Mucoviszidose ab einem Alter von 6 Jahren“ (mit entsprechenden Präparaten ist die Widerspruchsmarke auch in der Roten Liste aufgeführt, vgl. Rote Liste 2013, Nr. 10 110 und 10 111). Eine über die zugestandene Benutzung hinausgehende Benutzung ihrer Marke hat die Widersprechende nicht geltend gemacht. Bei der Entscheidung zur Verwechslungsgefahr und dem dort relevanten Faktor der Warenähnlichkeit bzw. des Warenähnlichkeitsgrades sind grundsätzlich nur diese benutzten bzw. unstreitigen Waren zu berücksichtigen, § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG. Zugunsten der Widersprechenden ist allerdings im Rahmen der sog. Integrationsfrage aufgrund der „erweiterten Minimallösung“ zunächst ganz allgemein von einer Benutzung für Waren der entsprechender Hauptgruppe, also Hauptgruppe 10 der Roten Liste (Antibiotika/Antiinfektiva) ohne Beschränkung auf bestimmte Wirkstoffe, Darreichungsformen oder auf eine Rezeptpflicht auszugehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 26 Rdnr. 194 ff., insbesondere Rdnr. 202 ff., insbesondere Rdnr. 204; so auch die st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. GRUR 2001, 513, 515 – CEFABRAUSE/CEFASEL; MarkenR 2004, 361 f. CYNARETTEN/Circanetten). Bei dieser von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung der Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i.S.d. „erweiterten Minimallösung“ kommt die im Markenrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise zum Tragen, nach der die berechtigten Interessen des Markeninhabers an einer angemessenen wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit in Bezug auf die (auch künftige) Benutzung seiner Marke zu berücksichtigen sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 26 Rdnr. 201).
a)
Dann können sich die Vergleichsmarken auf teilweise identischen Waren begegnen. Den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren „Antibiotika/Antiinfektiva“ stehen u.a. die durch Verwendung des Wortes „nämlich“ konkret bezeichneten Waren in Klasse 5 der angegriffenen Marke „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Präparate zur Behandlung des Nervensystems, des alimentären Systems und des Stoffwechsels, des cardiovaskulären Systems und des gastrointestinalen Systems, Homöopathika und Anthroposophika, vorstehende Erzeugnisse jeweils ausgenommen Präparate zur Behandlung von Erkrankungen der Lunge; Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ gegenüber. Bei einem Teil dieser von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren, z.B. bei den auf das gastrointestinale System bezogenen Präparaten, kann es sich um „Antibiotika“ bzw. „Antiinfektiva“ handeln, etwa bei den Mitteln gegen bakterielle Infektionen des Magen-Darm-Trakts. Ob darüber hinaus, insbesondere zu den Waren „Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ eine Ähnlichkeit anzunehmen ist, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn selbst bei Warenidentität hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein, so dass dies erst recht bei Warenähnlichkeit gilt.
b)
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Hinreichende Tatsachen, die eine erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke und eine daraus resultierende gesteigerte Kennzeichnungskraft belegen könnten, sind ebenso wenig ersichtlich, wie solche, die zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führen könnten.
c)
Ausgehend von teilweise identischen Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind insoweit grundsätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Verwechslungsmindernd ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr kritischsten Vergleichswaren, nämlich den identischen Waren, jeweils um Arzneimittel handelt. In diesem Warenbereich ist einerseits der in Bezug auf Arzneimittelkennzeichnungen regelmäßig sehr sorgfältige Fachverkehr der Ärzte und Apotheker beteiligt. Andererseits bringen auch die angesprochenen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auf diesem Warensektor einen relativ hohen Grad an Aufmerksamkeit auf. Denn auch der allgemeine Verkehr widmet allen Produkten, die mit der Gesundheit zu tun haben, mehr Aufmerksamkeit als vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (st.Rspr., vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - INDOREKTAL/INDOHEXAL). Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist in diesem Zusammenhang auch nicht verwechslungsfördernd zu berücksichtigen, dass chronisch erkrankte Verbraucher bei der Beschaffung der zur Behandlung ihrer Erkrankungen benötigten Arzneimittel regelmäßig einen geringeren Grad an Aufmerksamkeit walten lassen. Ein solcher Erfahrungssatz existiert nicht. Außerdem dürfte das Gegenteil der Fall sein, weil diese Patienten durch ihre Erkrankung langjährig und in besonderer Weise betroffen sind und deshalb im Laufe der Jahre häufig eher fachkundig werden und regelmäßig besonders sorgfältig sind. Jedenfalls kann insoweit keine reduzierte Aufmerksamkeit angenommen werden.
Eine für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9, Rdnr. 224 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Vergleichszeichen sich verwechselbar nahe kommen, der Umstand wesentlich zu berücksichtigen, dass es sich bei „Tebo“ und „TOBI“ um relativ kurze Vergleichswörter handelt, bei denen auch einzelne Unterschiede stärker ins Gewicht fallen als bei längeren Vergleichsbezeichnungen.
aa)
Auch wenn die Vergleichswörter klanglich in der Silbenzahl, im Sprechrhythmus, in der Betonung der ersten Sprechsilbe, im Anfangskonsonanten und im Konsonantengerüst übereinstimmen sowie an unterschiedlicher Stelle im Wort übereinstimmend den Vokal „o“ aufweisen, heben sie sich in der Vokalfolge und insbesondere auch im Vokallaut der betonten Anfangssilbe am grundsätzlich stärker beachteten Wortanfang markant voneinander ab. Die Vergleichswörter weisen zwar bei formaler Betrachtungsweise einige klangliche Übereinstimmungen auf. Die genannten Unterschiede führen nach Auffassung des Senats aber zu einem deutlich unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter, wodurch ein ausreichender Markenabstand herstellt wird.
bb)
In schriftbildlicher Hinsicht dürfte der Markenabstand sogar noch deutlicher ausgeprägt sein als in klanglicher Hinsicht, zumal zu berücksichtigen ist, dass das Schriftbild von Marken – anders als dies beim schnell verklingenden gesprochenen Wort der Fall ist – erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnungen gestattet (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rdnr. 251 m.w.N.) so dass schon aus diesem Grund bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr vergleichsweise größere Annäherungen der Vergleichsbezeichnungen hinzunehmen sind. Auch bei der Beurteilung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr führen die unterschiedlichen Vokalbuchstaben der relativ kurzen Vergleichswörter zu einem ausreichend unterschiedlichen Gesamteindruck, wobei hier insbesondere auch die abweichenden Schlussbuchstaben, welche die Umrisscharakteristik verhältnismäßig stark beeinflussen, von Bedeutung sind.
cc)
In begrifflicher Hinsicht sind keine relevanten Ähnlichkeiten festzustellen.
d)
Nachdem auch aus sonstigen Gesichtspunkten das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr nicht ersichtlich ist, war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
2.
Der Widersprechenden waren gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen die Kosten aufzuerlegen, die der Inhaberin der angegriffenen Marke aufgrund der Durchführung der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Die Vorschrift ermöglicht nicht nur eine quotenmäßige Auferlegung von Kosten, sondern auch die Auferlegung einzelner Kostenpositionen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rdnr. 7). Dazu gehören auch Kostenpositionen, die durch eine unsachgemäße, nicht der prozessualen Sorgfalt entsprechende Verfahrensführung verursacht werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rdnr. 17), wie z.B. die Kosten einer mündlichen Verhandlung. Diese Kosten können einem Beteiligten auferlegt werden, der an einer nur auf seinen Antrag hin anberaumten mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht teilnimmt, weil dadurch dem in der mündlichen Verhandlung erschienenen Gegner Kosten entstehen, die allein durch diesen Antrag bedingt und deshalb vermeidbar und (schuldhaft) zurechenbar sein können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rdnr. 17 mit weiteren Nachweisen, insbesondere BPatG Mitt. 1972, 99; 1978, 76; 1999, 198). Unter dem Aspekt der Kostenverursachung ist der Fall des unentschuldigten Fernbleibens vergleichbar mit einer Rücknahme des Terminsantrags, die so kurzfristig erfolgt, dass der Termin nicht mehr in einer prozessordnungsgemäßen Weise abgesetzt werden kann (siehe dazu z.B. BPatG Beschluss vom 17. Januar 2012, 27 W (pat) 90/11 – MONKEE PLATEZ / THE MONKEES; diese Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts zugänglich; in dieser Sache erfolgte die konkludente Rücknahme des Terminsantrags am Tag vor der mündlichen Verhandlung). Die Voraussetzungen für eine entsprechende Kostenauferlegung sind nach Auffassung des Senats vorliegend erfüllt, da die Rücknahme des Terminsantrags sogar erst am Tag der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen ist und zudem eine Kontaktaufnahme mit dem Vertreter der Widersprechenden nicht möglich war. Hinzu kommt, dass die Widersprechende in der mehr als drei Monate vor dem Termin zugestellten Ladung in einem ausführlich begründeten Ladungszusatz auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde hingewiesen worden war.
Es bestand aber kein Anlass, der Widersprechenden weitere Verfahrenskosten aufzuerlegen. Im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 71 Abs. 1 MarkenG die Regel, dass jeder Beteiligte unabhängig vom Ausgang des Verfahrens seine Kosten grundsätzlich selbst zu tragen hat. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände, die eine Kostenauferlegung aus Billigkeit angezeigt erscheinen lassen. Solches wäre vorliegend dann in Betracht gekommen, wenn die Widersprechende in einer nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen aussichtlosen oder kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation ihr Interesse an der Löschung der angegriffenen Marke durch die Einlegung der Beschwerde weiterverfolgt hätte (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rdnr. 12). Gerade davon kann aber nicht ausgegangen werden. Bei möglicher Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gab es angesichts der vorhandenen Gemeinsamkeiten der Markenwörter durchaus beachtliche Argumente für die Bejahung einer klanglichen und schriftbildlichen Verwechslungsgefahr. Dass der Senat bei dem vorliegenden engeren Fall die Frage der Verwechslungsgefahr anders beurteilt und entschieden hat, kann der Widersprechenden unter dem Kostengesichtspunkt letztlich nicht zum Nachteil gereichen.