Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.08.2013


BPatG 29.08.2013 - 28 W (pat) 36/12

Markenbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerde - "DEUTSCHER FEINSCHMECKER CLUB (Wort-Bild-Marke) /DER FEINSCHMECKER DAS INTERNATIONALE GOURMET-JOURNAL (Wort-Bild-Marke)/ DER FEINSCHMECKER (Gemeinschaftswortmarke)/DER FEINSCHMECKER DAS INTERNATIONALE GOURMET-JOURNAL (Wort-Bild-Marke, Gemeinschaftsbildmarke)/der-feinschmecker-club.de (Unternehmenskennzeichen)/DER FEINSCHMECKER (Werktitel für Zeitschriften und Bücher)" – Verschulden der Beschwerdeführerin und ihrer Verfahrensbevollmächtigten – Fehlen einer zuverlässigen Ausgangskontrolle – keine Wiedereinsetzung - Kostenauferlegung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
29.08.2013
Aktenzeichen:
28 W (pat) 36/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 008 036

(hier: Wiedereinsetzung)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. August 2013 durch die Vorsitzende Richterin Klante und die Richterinnen Kopacek und Dorn

beschlossen:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Widersprechende zu tragen.

4. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.

Gründe

I.

1

Die am 8. Februar 2010 angemeldete Wort-/Bildmarke

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2

ist am 21. Juni 2010 unter der Nummer 30 2010 008 036 für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Konfitüren, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;

4

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Senf, Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze;

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Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

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Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten;

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Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen

8

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 23. Juli 2010.

9

Gegen diese Eintragung hat die Widersprechende am 25. Oktober 2010 Widerspruch erhoben, und zwar aus

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1. ihrer für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 24, 30, 31 und 39 am 23. Februar 2010 eingetragenen Wort-/Bildmarke DE 30 2009 048 495

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2. ihrer für diverse Waren der Klassen 08, 09, 14, 16, 20, 21, 25 und 34 am 15. Oktober2003 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke EM 001 942 192

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DER FEINSCHMECKER

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3. ihrer für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 08, 09, 14, 16, 20, 21, 25, 33, 34, 35, 38 und 41 am 16. Mai 2002 eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke EM 002 180 529

Abbildung

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4. ihrem Unternehmenskennzeichen

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der-feinschmecker-club.de

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sowie

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5. aus ihrem Werktitel für Zeitschriften und Bücher

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DER FEINSCHMECKER.

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Mit Beschluss vom 15. Februar 2012 hat die Markenstelle für Klasse 29 des DPMA die Widersprüche zurückgewiesen. Zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken zu 1. – 3. sei eine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu verneinen. Der Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen sei schon deswegen unbegründet, weil ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen mangels Nutzung als solches nicht entstanden sei. Der Widerspruch aus dem Werktitel sei ebenfalls zurückzuweisen, weil ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 12, 15 MarkenG aus diesem gegen die angegriffene Marke nicht bestehe.

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Gegen diesen, den Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden am 24. Februar 2012 zugestellten, Beschluss richtet sich die am 6. März 2012 beim DPMA eingegangene Beschwerde der Widersprechenden.

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Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. April 2012, den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt am 20. April 2012, wurden diese darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegebühr in Höhe von 200,- € nicht gezahlt wurde.

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Nachdem der Beschwerdeführerin antragsgemäß die Frist zur Stellungnahme bis zum 20. Juni 2012 verlängert wurde, haben ihre Verfahrensbevollmächtigten sodann am 11. Juni 2012 einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Zur Begründung ist ausgeführt, sie, die Beschwerdeführerin, habe erst am 20. April 2012 aufgrund des gerichtlichen Hinweises Kenntnis von der unterbliebenen Zahlung erlangt. Die Beschwerdegebühr in Höhe von 200,- € sei mittlerweile gezahlt. Die Zahlung sei zunächst unterblieben, weil die entsprechende Anweisung intern "verloren gegangen" sei. Der Justiziar der G… VERLAGSGRUPPE, mit der die Beschwerdeführerin rechtlich verbunden sei, habe die Anweisung bereits am 7. März 2012 freigezeichnet, diese Anweisung habe sodann die Justiziariatsmitarbeiterin Frau B… am 7. März, jedenfalls aber am 8. März 2012 intern an das Buchhaltungsunternehmen, die G… SERVICE GmbH, per Hauspost übermittelt. Die G… SERVICE GmbH habe bislang solche Anweisungen stets sorgfältig, zeitnah und fristwahrend ausgeführt. Die hier relevante Anweisung sei jedoch nicht mehr auffindbar und auch nicht bei der G… SERVICE GmbH registriert worden; es ließe sich auch nicht mehr feststellen, ob die Anweisung in der Hauspost oder bei der G… SERVICE GmbH verloren gegangen sei. Üblicherweise sei der Ablauf bei der G… SERVICE GmbH so ausgestaltet, dass die zuständige Sachbearbeiterin, Frau K…, die Anweisungen darauf prüfe, ob die Sache eilig sei. Solche Anweisungen würden von ihr dann unmittelbar gebucht, während zeitlich unkritische Anweisungen zunächst dem zuständigen Geschäftsführer vorgelegt würden. Zur Glaubhaftmachung hat die Beschwerdeführerin eidesstattliche Versicherungen des Justiziars der G… VERLAGS-GRUPPE GmbH, Herrn G…, der Justiziariatsmitarbeiterin Frau B… und der für die Überweisungen zuständigen Sachbearbeiterin Frau K… sowie einen Einzahlungsbeleg vorgelegt.

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Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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ihr wegen Versäumens der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdegegnerin beantragt,

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den Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet zurückzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, das Versäumen der Frist sei verschuldet, da vor dem Hintergrund der dargestellten Organisation bei der Beschwerdeführerin jedenfalls eine telefonische Rückfrage beim Beschwerdegericht über den rechtzeitigen Eingang der Beschwerdegebühr angezeigt gewesen wäre.

II.

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Die Beschwerde gilt gemäß § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, da die Beschwerdeführerin die Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig gezahlt hat und Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann.

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1. Die Beschwerdeführerin hat die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr versäumt. Nach § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG ist, wenn für die Stellung eines Antrags oder die Vornahme einer Handlung eine gesetzliche Frist bestimmt ist, die Gebühr hierfür innerhalb derselben Frist zu zahlen. Nach § 66 Abs. 2 MarkenG beträgt die Frist zur Einlegung der Beschwerde einen Monat ab Zustellung des Beschlusses. Der angefochtene Beschluss des DPMA ist den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 24. Februar 2012 mittels Empfangsbekenntnis gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG, § 5 Abs. 4 VwZG zugestellt worden. Die Frist begann somit am 25. Februar 2012 und endete gemäß § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG, § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 26. März 2012, einem Montag, als nächsten Werktag im Sinne des § 222 Abs. 2 ZPO. Die Beschwerdeführerin hat diese Frist durch die Zahlung unter dem 24. Mai 2012 daher nicht gewahrt.

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2. Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG ist unbegründet.

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Nach dieser Norm ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Ohne Verschulden ist eine Frist nur dann versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage 2012, § 91 Rdnr. 10 m. w. N.). Dabei kann sowohl eigenes Verschulden der Beteiligten, als auch Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten (§ 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG, § 85 Abs. 2 ZPO) sowie Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (§ 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG, § 51 Abs. 2 ZPO) vorliegen.

32

Im vorliegenden Fall liegt sowohl ein Verschulden der Beschwerdeführerin, als auch ein Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten vor.

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a) Im Unternehmen der Beschwerdeführerin ist ungeklärt, weshalb die fristgebundene Zahlung nicht bei Gericht eingegangen ist. Es ist mithin nicht glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumung auf Umständen beruht, die nicht verschuldet sind (vgl. BGH Urteil vom 21. Februar 1983 – VIII ZR 343/81 – juris, Rdnr. 9; vgl. auch BGH NJW 1957, 790 f., wonach jedenfalls erforderlich ist, dass glaubhaft gemacht wird, dass der Verlust mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in dem Bereich, für den die Beteiligte verantwortlich ist, eingetreten ist).

34

Im Büro eines Verfahrensbevollmächtigten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine zuverlässige Ausgangskontrolle erforderlich; ihr Fehlen stellt einen verschuldensbegründenden Organisationsmangel dar (vgl. BGH Urteil vom 21. Februar 1983 – VIII ZR 343/81 – juris, Rdnr. 10). Erforderlich ist, dass (in einem Fristenkalender) ein entsprechender Fristeintrag erst dann gestrichen wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist (vgl. BGH Beschluss vom 28. November 1990 – XII ZB 19/90 – juris, Rdnr. 9, der eine solche Organisation bei Schriftsätzen als unumgänglich bezeichnet).

35

Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Es ist nicht ersichtlich, wieso an Beteiligte weniger strenge Anforderungen zu stellen wären, als an einen Verfahrensbevollmächtigten. Wenn die Beschwerdeführerin selbst die Organisation für die Zahlung der Beschwerdegebühr übernimmt, so muss auch sie die entsprechende Sorgfalt aufwenden. Zu ihren Gunsten kann nicht deswegen ein milderer Sorgfaltsmaßstab im Rahmen der Wiedereinsetzung angelegt werden, nur weil sie selbst die Zahlung übernimmt und aufgrund ihrer internen Organisation die Arbeitsabläufe auf mehrere Stellen verteilt.

36

Bei der Beschwerdeführerin fehlte eine zuverlässige Ausgangskontrolle. Es wäre jedenfalls für den Justiziar – als für die Erledigung der fraglichen Aufgabe Verantwortlichen – geboten gewesen, nach Art eines Fristenkalenders sich darüber sichere Kenntnis zu verschaffen, ob die Anweisungen auch tatsächlich rechtzeitig gebucht werden. Ihm ist auch bekannt oder hätte bekannt sein müssen, dass es sich dabei um fristwahrende Zahlungen handelt. Dass keinerlei interne Kontrollmechanismen vorhanden sind, ist gerade deswegen sorgfaltswidrig, weil nach dem internen Ablauf die Anweisungen durch mindestens zwei weitere Stellen (hier: Frau B… – Frau K…) laufen, wodurch die Fehleranfälligkeit noch erhöht ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die interne Organisation bislang immer reibungslos verlief. Das bloße Vertrauen darauf, dass in Zukunft alles weiterhin fehlerfrei verlaufen werde, ersetzt nicht die gebotenen Sicherungsmaßnahmen.

37

Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich der konkrete Ablauf des Verlusts nicht rekonstruieren. Allerdings ist die Anweisung entweder in der Hauspost oder aber bei der G… SERVICE GmbH verloren gegangen. Demnach wäre entsprechendes Vorbringen insbesondere zur konkreten Anweisung und Überwachung der zuständigen Sachbearbeiterin bei der G… SERVICE GmbH (Frau K…) erforderlich gewesen, ferner – wenn auch nur in geringerem Maße – bezüglich etwaiger Mitarbeiter der Hauspost. Der allgemein gehaltene Vortrag geht allerdings nur dahin, dass die Organisation bislang reibungslos über mehrere Jahre verlaufen sei und die G… SERVICE GmbH die Anweisungen stets sorgfältig, zeitnah und fristwahrend ausgeführt habe; Frau K… habe Anweisungen bisher stets fristgerecht ausgeführt. Damit ist insbesondere weder zur Qualifikation, noch zur Unterweisung, vor allem aber nicht zur (gegebenenfalls stichprobenartigen) Überwachung vorgetragen. Es wurde auch - abgesehen von Frau K… – nicht zu konkreten Mitarbeitern vorgetragen, sondern nur pauschal auf den bisherigen problemlosen Ablauf bei der GmbH verwiesen. Zu etwaigen Mitarbeitern der Hauspost schließlich fehlt jegliches Vorbringen.

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b) Des Weiteren liegt ein Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden vor, die für diese Beschwerde eingelegt, sich aber nicht selbst um die rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr gekümmert haben. Es gehört zu den grundlegenden Sorgfaltspflichten eines mandatierten Rechts- oder Patentanwalts, dass er, wenn er die Zahlung der Beschwerdegebühr schon nicht selbst vornimmt, zumindest die Wahrung der Einzahlungsfrist als maßgebliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Beschwerde in jedem Einzelfall selbst überwacht und sich über den rechtzeitigen Eingang erkundigt.

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3. Bei dieser Sachlage waren der Widersprechenden und Beschwerdeführerin gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, weil dies der Billigkeit entspricht. Die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin wurde nur durch die nicht wirksam eingelegte Beschwerde veranlasst (vgl. auch BPatG 27 W (pat) 88/10 – fehlende Einzugsermächtigung).

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4. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr folgt aus der Nichtvornahmefiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG. Diese bewirkt, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt; damit greifen aber auch die kostenrechtlichen Folgen einer Beschwerdeerhebung nicht (vgl. BPatGE 45, 201 – Kosten bei Nichterhebungsfiktion; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 66 Rdnr. 50; Schulte/ders. PatG, 8. Auflage 2008, dort Anhang 15 : § 6 PatKostG Rdnr. 26).