Entscheidungsdatum: 14.12.2010
fehlende Einzugsermächtigung
1. Es ist kausal für ein Versäumen der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr, wenn der die Sache bearbeitende Anwalt trotz des Fehlens der üblicherweise vorbereiteten Einzugsermächtigung keine Anweisung zu deren Erstellung erteilt.
2. Dies ist auch eine Sorgfaltspflichtverletzung, die es als billig erscheinen lässt, der Beschwerdeführerin nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 004 647
(hier Wiedereinsetzung)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Dezember 2010 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin am Landgericht Werner
beschlossen:
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.
III. Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Widersprechende zu tragen.
IV. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
I
Den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Marke der Antragsgegnerin hat die Markenstelle mit Beschluss vom 8. April 2010 mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Dieser Beschluss wurde den Bevollmächtigten der Antragstellerin am 12. April 2010 zugestellt.
Dagegen hat die Antragstellerin am 10. Mai 2010 Beschwerde einlegen lassen.
Die Rechtspflegerin des Senats hat den Bevollmächtigten der Widersprechenden mit Schreiben vom 22. Juli 2010 mitgeteilt, dass die Beschwerdegebühr noch nicht bezahlt sei.
Am 25. August 2010 hat die Antragstellerin Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt. Dazu haben ihre Bevollmächtigten ausgeführt, eine ihrer Mitarbeiterinnen, eine gelernte Speditionskauffrau, die seit 1. Dezember 1991 ununterbrochen in der Kanzlei tätig sei, dort angelernt worden sei und immer zuverlässig gearbeitet habe, habe es übersehen, dem Beschwerdeschriftsatz eine Einzugsermächtigung beizufügen.
Sie hat hierzu in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 24. August 2010 erläutert, sie fertige die Amtsschriftsätze sowie die Einzugsermächtigung an, lasse diese Unterlagen unterschreiben und faxe sie an das Amt. Normalerweise bereite sie den Schriftsatz zusammen mit der Einzugsermächtigung vor. Am 10. Mai 2010 habe sie keine Einzugsermächtigung geschrieben und gefaxt. Sie könne nicht mehr sagen, warum sie zu diesem Vorgang keine Einzugsermächtigung geschrieben und gefaxt habe.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat ausgeführt, es läge kein unverschuldetes Versäumen der Frist vor.
Die Antragstellerin hat am 27. Oktober 2010 ergänzend vorgetragen, der sachbearbeitende Anwalt habe seiner Kanzleikraft den Beschwerdeschriftsatz mit der Maßgabe fristgerechter Einreichung und Zahlung übergeben.
II
1.
Da die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr für die Widersprechende am Mittwoch, dem 12. Mai 2010, abgelaufen war, nachdem deren Verfahrensbevollmächtigten die angefochtene Entscheidung am 12. April 2010 zugestellt worden war, die Beschwerdegebühr aber erst nach dem 22. Juli 2010 gezahlt wurde, gilt die Beschwerde als nicht eingelegt. Nach § 64 a MarkenG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 PatKostG gilt bei Nichtzahlung einer fälligen Gebühr die Handlung als nicht vorgenommen, hier die Einlegung der Beschwerde.
Nach § 66 Abs. 2 MarkenG ist die Beschwerde gegen die Entscheidung der mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzten Markenstelle innerhalb eines Monats einzulegen. Gleichzeitig ist innerhalb dieser Frist nach §§ 3, 6 PatKostG die Beschwerdegebühr zu entrichten. Die dem Bescheid vom 8. April 2010 beigefügte Rechtsmittelbelehrung weist darauf zutreffend hin.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil kein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt.
Aus der Regelung, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt, hat die Antragstellerin einen rechtlichen Nachteil und eine Verschlechterung ihrer Rechtslage erfahren.
Die Frist von zwei Monaten für den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 91 Abs. 2 MarkenG begann spätestens mit der Mitteilung vom 22. Juli 2010 und lief somit bis Ende September 2010, so dass das Wiedereinsetzungsgesuch vom 25. August 2010 fristgemäß ist. Da die Antragstellerin innerhalb der vorgenannten Frist auch die versäumte Handlung nach § 91 Abs. 4 MarkenG durch Zahlung der Beschwerdegebühr nachgeholt hat und Gründe für das Versäumen der Zahlungsfrist darlegen ließ, ist der Wiedereinsetzungsantrag zulässig.
Der Antrag hat aber keinen Erfolg, weil kein Wiedereinsetzungsgrund nach § 91 Abs. 1 MarkenG vorgetragen und glaubhaft gemacht ist. Nach dem Vorbringen der Bevollmächtigten der Antragstellerin kann nämlich nicht festgestellt werden, dass diese ohne Verschulden an der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr verhindert waren. Dabei ist der Antragstellerin auch das Verschulden ihrer Vertreter zuzurechnen.
Kein Verschulden läge vor, wenn die Bevollmächtigten der Antragstellerin die übliche Sorgfalt aufgewendet hätten, die im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen zumutbar war. Dazu muss jedoch zusätzlich ein objektiver Vergleichsmaßstab herangezogen werden. So kommt es letztlich darauf an, was objektiv von einer dem Säumigen vergleichbaren Person im konkreten Einzelfall an Sorgfalt zu erwarten ist. An die Sorgfalt eines Anwalts, die auch die Büroorganisation umfasst, stellt die Rechtsprechung im Allgemeinen strenge Maßstäbe. So obliegen alle Aufgaben, welche der ordnungsgemäßen Fristwahrung dienen, grundsätzlich dem Anwalt persönlich; eine Delegation auf das Büropersonal ist nur zulässig, soweit es sich um einfache und wenig bedeutsame Funktionen handelt und die beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut ausgebildet und zuverlässig sind.
Nach diesen Grundsätzen lässt sich aufgrund des Vorbringens vorliegend nicht feststellen, dass die verspätete Zahlung der Beschwerdegebühr unverschuldet war.
Dabei kann dahinstehen, warum die Büroangestellte im vorliegenden Fall - anders als nach ihrer eidesstattlichen Versicherung üblich - keine Einzugsermächtigung erstellt hat und warum ihr deren Fehlen nach der Unterschrift nicht aufgefallen ist. Es hätte nämlich schon der Anwalt beim Unterschreiben erkennen müssen, dass ihm entgegen sonstiger Handhabung keine Einzugsermächtigung zur Unterschrift vorgelegt worden war. Dass er dies beanstandet habe und wie er die Zahlung anderweitig angewiesen haben könnte, lässt sich seiner Erklärung vom 26. Oktober 2010 nicht entnehmen.
Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass die mit dem Versand beauftragte Büroangestellte eine Einzugsermächtigung später beifügen werde. Dass ihr dazu Blanko-Formulare zur Verfügung standen, ist nicht vorgetragen.
Die verspätete Zahlung der Beschwerdegebühr beruht damit auf einem Verschulden des Anwalts.
Anders als in den zitierten Fällen, die den Entscheidungen des 26. Senats vom 28. April 2010, Az.: 26 W (pat) 27/10, und vom 14. Juli 2010, Az.: 26 W (pat) 51/10, zu Grunde lagen, ist vorliegend für das Versäumen der Frist zur Zahlung der Gebühr nicht kausal, dass eine Sachbearbeiterin entgegen einer ausdrücklichen generellen Büroanweisung für die Handhabung von Fristensachen die zutreffend gesondert notierte Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr fälschlich gestrichen hat, obwohl sie hätte erkennen können und müssen, dass der Beschwerdeschrift keine Einzugsermächtigung oder ein sonstiger Zahlungsauftrag für die Gebühr beilag. Vielmehr ist hier kausal für die Fristversäumung, dass der die Sache bearbeitende Anwalt trotz des Fehlens der üblicherweise vorbereiteten Einzugsermächtigung keine Anweisung zu deren Erstellung erteilt hat. Die Erstellung einer Einzugsermächtigung und die Prüfung, ob eine solche Ermächtigung rechtzeitig erstellt und unterzeichnet wurde, war nicht allein Sache damit beauftragter Kanzleimitarbeiter. Vielmehr war die Einzugsermächtigung zusammen mit dem Beschwerdeschriftsatz zu erstellen und zur Unterschrift vorzulegen, so dass der Anwalt die Erstellung überprüfen konnte und durch seine Unterschrift erst gültig machen musste.
Dass lediglich der Versand (Fax) unterblieben ist, ist nicht vorgetragen.
2.
Da die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren allein durch die unzulässige Beschwerde veranlasst war, entspricht es der Billigkeit, der Antragstellerin abweichend vom Grundsatz, dass die Beteiligten an einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), der Antragstellerin nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die Verfahrenskosten einschließlich der der Antragsgegnerin erwachsenen notwendigen Kosten aufzuerlegen. Die dafür maßgebliche Sorgfaltspflichtverletzung ergibt sich aus den unter 1. genannten Gesichtspunkten.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen, da für die als nicht eingelegt geltende Beschwerde eine Gebühr nicht geschuldet und daher die verspätet gezahlte Gebühr ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 66 Rn. 47).