Entscheidungsdatum: 14.07.2010
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 306 47 028
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung am 14. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Lehner
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. April 2010 aufgehoben.
2. Dem Markeninhaber wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr gewährt.
I
Mit Beschluss vom 21. April 2008 hat die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts dem Widerspruch der Widersprechenden aus der Bildmarke EM 005 596 011
gegen die Wortmarke 306 47 028 „MERNAYA“ stattgegeben und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
Hiergegen legte der Markeninhaber mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 27. Mai 2008 Erinnerung ein.
Die Erinnerungsgebühr wurde erst am 26. September 2008 entrichtet. Mit Schriftsatz vom selben Tage hat der Markeninhaber Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr beantragt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die mit der Überwachung der Fristen in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten des Markeninhabers beauftragte, stets zuverlässige Büroleiterin H… habe unter Missachtung einer entsprechenden Weisung von Rechtsanwalt S… versäumt, neben der Frist zur Einlegung der Erinnerung auch die Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr im Fristenkalender zu vermerken. Die ausstehende Einzahlung der Erinnerungsgebühr sei infolgedessen erst nach Fristablauf entdeckt worden.
Mit Beschluss vom 1. April 2010 hat die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und festgestellt, dass die Erinnerung des Markeninhabers als nicht erhoben gelte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Versäumnis liege ein Organisationsverschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Markeninhabers zugrunde, das sich dieser zurechnen lassen müsse. Dessen Vortrag lasse sich nämlich nicht entnehmen, dass ein Erledigungsvermerk hinsichtlich der Bezahlung der Erinnerungsgebühr in die Handakte einzutragen sei, um dem Anwalt bei Vorlage der Fristsache vor Fristablauf eine wirksame Fristenkontrolle anhand der Handakte zu ermöglichen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers. Seiner Auffassung nach stelle das Deutsche Patent- und Markenamt zu hohe Anforderungen an die im Zusammenhang mit der Fristenkontrolle einzuhaltenden Sorgfaltspflichten eines Anwalts. Diesem sei unbenommen gewesen, die Büroleiterin mit der selbständigen Erledigung der Zahlungsfristen zu beauftragen. Nach Erteilung der Anweisung, die Zahlungsfristen in den Fristenkalender einzutragen, sei sein Verfahrensbevollmächtigter nicht gehalten gewesen, die ordnungsgemäße Ausführung dieser Anweisung anhand eines Erledigungsvermerks in der Handakte im Einzelfall zu überwachen.
Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,
den angegriffenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. April 2010 aufzuheben und ihn in die Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr wiedereinzusetzen.
II
Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers ist begründet.
1. Der Markeninhaber hat die Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr versäumt. Gemäß § 64a MarkenG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG wird die Erinnerungsgebühr mit der Einlegung der Erinnerung fällig. Sie ist nach § 64a MarkenG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG innerhalb der einmonatigen Erinnerungsfrist des § 64 Abs. 2 MarkenG einzubezahlen (vgl. Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl. 2009, § 64 Rn. 6). Der mit der Erinnerung angegriffene Beschluss der Markenstelle vom 21. April 2008 ist dem Markeninhaber über seinen Verfahrensbevollmächtigten am 30. April 2008 zugestellt worden. Die Einzahlung der Erinnerungsgebühr vom 26. September 2008 erfolgte nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses vom 21. April 2008 und war mithin verspätet.
2.a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragsfrist des § 91 Abs. 2 MarkenG eingehalten. Der Wegfall des Hindernisses tritt ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wirkung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, also wenn der Säumige oder sein Vertreter bei der Aufwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. Schulte , PatG, 8. Aufl. 2008, § 123 Rn. 27). Hindernis für die versäumte Zahlung der Erinnerungsgebühr war der fehlende Eintrag der Zahlungsfrist in den Fristenkalender, der den Angaben des Markeninhabers zufolge erst nach Zugang der Mitteilung des Markenstelle vom 31. Juli 2008, wonach die Erinnerungsgebühr nicht einbezahlt sei, am 6. August 2008 entdeckt wurde. Hiervon ausgehend ist der Wiedereinsetzungsantrag vom 26. September 2008 rechtzeitig. Dies gilt auch für die am 29. September 2008 erfolgte Zahlung der Erinnerungsgebühr, mit der die versäumte Handlung nachgeholt wurde (§ 91 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
b) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach den gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Dem Antragsteller ist dabei das Verschulden eines Bevollmächtigten im Sinne von § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Bei der Beurteilung des Verschuldens ist als Maßstab die Beachtung der üblichen, im Einzelfall zumutbaren Sorgfalt zugrunde zu legen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH NJW 1985, 1709, 1710; BPatGE 24, 127, 129; BPatGE 24, 140, 142; Schulte a. a. O., § 123 Rn. 78 m. w. N.).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Anwalt einfache Verrichtungen wie die Notierung und Überwachung der üblichen und häufig vorkommenden Fristen grundsätzlich seinem Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen kann, sofern es sich hierbei - was den glaubhaft gemachten Ausführungen des Markeninhabers in Richtung auf die Büroleiterin H… zutrifft - um geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handelt (vgl. BGH GRUR 2008, 837, 838 - Münchner Weißwurst ; BGH NJW 2006, 1070; NJW 2006, 1520; NJW 2007, 1453). Aufgrund - wie ebenfalls glaubhaft gemacht wurde - entsprechender Arbeitsanweisungen und weiterer im Rahmen der Büroorganisation getroffener Maßnahmen wie das Führen eines Fristenkalenders war in ausreichendem Maße dafür Sorge getragen worden, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr gewahrt worden wäre (vgl. Kober-Dehm in Ströbele/Hacker a. a. O., § 91 Rn. 15). Bei dieser Sachlage bedurfte es entgegen der Auffassung der Markenstelle keiner Überprüfung durch den Verfahrensbevollmächtigten des Markeninhabers, ob seine Anweisungen zur Führung des Fristenkalenders im Einzelfall von seinem Personal auch beachtet wurden. Ebenso wenig war der Anwalt des Markeninhabers gehalten, auf einen Erledigungsvermerk in Richtung auf die Bezahlung der Erinnerungsgebühr in der Handakte hinzuwirken.
Mangels eines dem Markeninhaber zuzurechnenden Verschuldens seines Verfahrensbevollmächtigten am verfahrensgegenständlichen Fristversäumnis war der Beschwerde stattzugeben und gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG der Markeninhaber in die Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr wiedereinzusetzen.