Entscheidungsdatum: 05.07.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 029 077
(hier: Kosten des Verfahrens)
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 5. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
I. Auf die Beschwerde des Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 2009 und vom 28. Februar 2011 insoweit aufgehoben, als darin die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Widersprechenden auferlegt worden sind.
II. Der Antrag des Markeninhabers, dem Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Markeninhaber auferlegt.
I. |
Gegen die am 17. September 2008 für
„Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft“
farbig (rot, grün) eingetragene Wort-/Bildmarke 30 2008 029 077
ist Widerspruch erhoben worden aus der farbigen (blau) Bildmarke 30 2008 012 751
die u. a. für folgende Dienstleistungen eingetragen ist:
„Klasse 37: Qualitative Verbesserung durch Renovierung, Erweiterung und Neubau von Kindertagesstätten, Heimen und ähnlichen Einrichtungen;
Klasse 41: Berufsausbildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, vornehmlich in Kindertagesstätten, Heimen, children-new-life-centers, Schülerwohnheimen, Rehabilitationszentren für behinderte Mädchen und Jungen, Behinderteneinrichtungen und Berufausbildungsstätten oder in Gastfamilien ohne Unterschied von Geschlecht, Rasse und Religion durch schulische Grundbildung, Ausbildung von Betreuungskräften für hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche, Ausbildungsmaßnahmen zur Qualifizierung der Arbeit, Berufsberatung, Berufsausbildung, Ausbildung zur Erleichterung des Einstiegs in die berufliche Existenz von hilfsbedürftigen Kindern und Jugendlichen, insbesondere durch Alphabetisierung, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Betreuung von Frauengruppen durch Ausbildung und Unterhaltung;
Klasse 43: Unterbringung von Not leidenden und hilfsbedürftigen Kindern und Jugendlichen in Schülerwohnheimen und Spezialeinrichtungen im Rahmen von Hilfsprogrammen; Verpflegung von Not leidenden Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Hilfsprogrammen; Ausgabe von Nahrungsmitteln an Not leidende und hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche im Rahmen von Hilfsprogrammen; Betreuung von Frauengruppen durch Bereitstellung von Verpflegung und Unterkunft.“
Auf diese Dienstleistungen war der Widerspruch gestützt.
Die Markenstelle für Klasse 44 hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 25. November 2009 und vom 28. Februar 2011 - letzterer ist im Erinnerungsverfahren ergangen - zurückgewiesen und dem Widersprechenden jeweils die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die von der angegriffenen Marke erfassten „Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft“ keine Ähnlichkeit zu den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke, insbesondere zu den in der Klasse 41 registrierten Ausbildungsdienstleistungen aufwiesen. Auch zwischen den Zeichen bestehe keine relevante Ähnlichkeit. Da der Widerspruch von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe, entspreche es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens dem Widersprechenden aufzuerlegen.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die auf die Kostenauferlegung beschränkte Beschwerde des Widersprechenden. Es bestehe zumindest assoziative Zeichenähnlichkeit und die unter der Widerspruchsmarke erbrachten Hilfen beim Berufseinstieg und bei der Berufsausbildung erfolgten auch im Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft.
Der Widersprechende beantragt (sinngemäß),
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle insoweit aufzuheben, als darin dem Widersprechenden die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt worden sind.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Er ist der Ansicht, dass eine Verwechslungsgefahr mangels Zeichen- und Dienstleistungsähnlichkeit von Anbeginn erkennbar nicht bestanden habe.
Die Anträge beider Beteiligter auf mündliche Verhandlung sind mit Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren zurückgenommen worden.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig sowie in der Sache begründet.
Aus § 63 Abs. 1 MarkenG folgt der Grundsatz, dass in mehrseitigen markenrechtlichen Verfahren jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Zu einer Abweichung von diesem Grundsatz bedarf es - wie die Markenstelle im Ansatz zutreffend angenommen hat - besonderer Umstände. Der Verfahrensausgang allein, also die Tatsache des Unterliegens, genügt hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass darüber hinausgehende Umstände vorliegen, die eine Kostenauferlegung nach billigem Ermessen angebracht erscheinen lassen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rn. 5, 11, 14 m. w. N.). Das kommt in Betracht, wenn ein Widerspruch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BPatG 33 W (pat) 9/09 - IGEL PLUS/plus; 33 W (pat) 547/10 - Omega/OMEGA; 30 W (pat) 94/11 - Gesundo/Big gesund), insbesondere wegen erkennbar fehlender Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen oder ersichtlich fehlender Ähnlichkeit der Zeichen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rn. 14).
Entgegen der Auffassung der Markenstelle lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit der Dienstleistungen der angegriffenen Marke mit den von der Widerspruchsmarke u. a. erfassten Dienstleistungen der Klasse 37, welche die Markenstelle nicht in Betracht gezogen hat, nicht verneinen. Denn beim Bau bzw. bei der Renovierung oder Erweiterung von Kindertagesstätten etc. werden häufig auch Gartengestaltungen vorgenommen. Auch kann im Hinblick auf eine gewisse Markanz sowie - wie amtsbekannt ist - Bekanntheit des blauen Halbkreuzes der Widerspruchsmarke nicht jede Zeichenähnlichkeit verneint werden, zumal die Wortbestandteile der angegriffenen Marke weitgehend beschreibender Natur sind. Ob dies für die Annahme von Verwechslungsgefahr ausgereicht hätte - dagegen sprechen die unterschiedlichen Farbstellungen und Ausrichtungen der Halbkreuze -, kann dahinstehen. Von einem offensichtlich unbegründeten Widerspruch kann bei der gegebenen Sachlage jedenfalls nicht ausgegangen werden. Die Kostenentscheidung kann daher keinen Bestand haben.
Da die Beschwerde des Widersprechenden Erfolg hat, war der Kostenantrag des Markeninhabers zurückzuweisen. Darüber hinaus waren ihm gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG von Amts wegen die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Insbesondere bei - wie hier - isolierten Kostenbeschwerden entspricht es im Regelfall der Billigkeit, das Unterliegensprinzip anzuwenden, weil andernfalls der durch die erfolgreiche Beschwerde erzielte Vorteil durch die Belastung mit den eigenen im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten aufgezehrt würde (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 18 m. w. N).