Entscheidungsdatum: 09.02.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die angegriffene Marke 307 70 103
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. Februar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Widersprechenden auferlegt.
I. |
Am 29. Oktober 2007 angemeldet, am 8. Januar 2008 eingetragen und am 8. Februar 2008 veröffentlicht worden unter der Nummer 307 70 103 ist die Marke Gesundo. Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet:
„Datenverarbeitungsgeräte und Computer; ärztliche Apparate; Druckereierzeugnisse; Werbung; Telekommunikation; medizinische Dienstleistungen“.
Gegen die Eintragung ist am 7. Mai 2008 Widerspruch erhoben worden aus der am 19. September 2007 angemeldeten Marke 307 61 473 BIG gesund, die am 10. Januar 2008 für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen der Klassen 10, 16, 36, 39, 41 und 44 eingetragen worden ist, unter Anderem für:
„chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, … Druckereierzeugnisse; … medizinische Dienstleistungen, nämlich Erkennung und Verhütung von Zahnerkrankungen; medizinische Dienstleistungen, nämlich Gruppenprophylaxe, Individualprophylaxe, …“.
Zur Begründung des Widerspruchs hatte sich die Widersprechende auf teilweise identische Waren und Dienstleistungen sowie auf die nahezu identische Übereinstimmung der angegriffenen Marke mit dem Bestandteil „gesund“ der Widerspruchsmarke bezogen und deren hohe Kennzeichnungskraft wegen weitreichender Bekanntheit behauptet.
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch Erstbeschluss wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von jedenfalls teilweise identischen Waren und Dienstleistungen und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit hat die Markenstelle unter Zugrundelegung strenger Anforderungen bei Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit den Markenabstand für in jeder Hinsicht ausreichend erachtet; eine selbständig kollisionsbegründende Stellung komme dem Wort „gesund“ der Widerspruchsmarke nicht zu, da es wegen Schutzunfähigkeit ohne Verkehrsdurchsetzung den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke nicht prägen könne. Auch andere Arten der Verwechslungsgefahr kämen wegen Schutzunfähigkeit des Bestandteils „gesund“ nicht in Betracht. Weiter hat der Erstprüfer der Widersprechenden antragsgemäß die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dies komme in Betracht, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erlöschen des Schutzes der gegnerischen Marke durchzusetzen versuche. Das Verhalten eines Widersprechenden gebe dabei Anlass für eine Kostenauferlegung, wenn zum Beispiel eine mehrgliedrige Widerspruchsmarke nur in einem schutzunfähigen Bestandteil rein tatsächliche Ähnlichkeit mit der angegriffenen Marke aufweise, wie es vorliegend der Fall sei.
Die gegen diesen Erstbeschluss allein wegen der Kostenauferlegung eingelegte Erinnerung der Widersprechenden war erfolglos. Ausgehend von der Zulässigkeit der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung und der Nachprüfung in vollem Umfang, hat sich die Erinnerungsprüferin mit näheren Ausführungen der Ansicht des Erstprüfers angeschlossen; Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht auferlegt worden, weil die allein zur Überprüfung der Kostenentscheidung eingelegte Erinnerung nicht als von vornherein aussichtslos zu bewerten gewesen sei.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie meint mit näheren Ausführungen, die Markenstelle sei zu Unrecht von einer erkennbar aussichtslosen Rechtslage ausgegangen, zumal der Markenbestandteil „gesund“ nicht für sämtliche Waren und Dienstleistungen glatt beschreibend sei; außerdem liege erkennbare Aussichtslosigkeit nur dann vor, wenn es um Rechtsprobleme gehe, deren Beurteilung keine umfassenden Ausführungen oder abwägenden Bewertungen erforderten. Das Patentamt habe indessen sechs Seiten zur Begründung der fehlenden Verwechslungsgefahr benötigt, was gegen offensichtliche Aussichtslosigkeit spreche.
Eine Stellungnahme des Inhabers der angegriffenen Marke ist im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Der Erinnerungsprüfer ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung statthaft ist und in vollem Umfang, nicht nur hinsichtlich der pflichtgemäßen Ermessensausübung der Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren unterliegt (vgl. Ströbele/Hacker, 10. Aufl., § 63 Rdn. 6 i. V. m. § 71 Rdn. 9; BPatG 33 W (pat) 9/09 zur isolierten Kostenbeschwerde - veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts). Die Erinnerung ist auch aus zutreffenden Gründen zurückgewiesen worden.
Im vorliegenden Verfahren entsprach es gemäß § 63 Abs. 1 MarkenG der Billigkeit, der Widersprechenden durch Erstbeschluss die Kosten des (Erst-)Verfahrens aufzuerlegen. Dabei ist das Patentamt zutreffend davon ausgegangen, dass eine Kostenauferlegung rechtfertigende besondere Umstände vorliegen. Auf die Begründung der angefochten Beschlüsse wird Bezug genommen. Die Widersprechende hat schuldhaft gegen die jedem Beteiligten obliegende allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht verstoßen, indem sie in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation versucht hat, ihr eigenes rechtliches Interesse durchzusetzen. Im Bereich der für eine Verwechslungsgefahr in Betracht kommenden Waren und Dienstleistungen des Bereichs Gesundheit bzw. Heilkunde ist der Markenbestandteil „gesund“, der allein Übereinstimmungen mit der angegriffenen Marke aufweist, schutzunfähig (vgl. BPatG 25 W (pat) 115/09 - gelb.rund.gesund/Rot, rund, halsgesund; BPatG 32 W (pat) 159/00 - GANZ SCHÖN GESUND/GANZ SCHÖN GESUND, beide veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts). Bei einem Widerspruch aus einer mehrgliedrigen Marke, die nur in einem offensichtlich schutzunfähigen Bestandteil mit der gegenüberstehenden Marke übereinstimmt, ist die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos; das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts (vgl. BGH GRUR 1990, 435, 455 - L-Thyroxin; GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder; GRUR 2007, 1066, 1069, Nr. 39 - 43 - Kinderzeit; BPatG 33 W (pat) 156/04 - FINANZ-PARTNER HAMBURG/FinanzPartner DE; BPatG 24 W (pat) 16/07 - MCI Haar Plus/PLUS; BPatG 33 W (pat) 223/04 - OSPlus/PLUS; BPatG 33 W (pat) 141/04 - One System Plus/PLUS; alle veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts; Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rdn. 300 m. w. N.). Hinzu kommt, dass weder für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke noch für eine Verkehrsgeltung des Bestandteils „gesund“ die erforderlichen relevanten Umstände vorgetragen worden sind (vgl. dazu Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 138 ff.).
Die Kostenauferlegung durch den Erstprüfer entsprach damit der Billigkeit. Soweit sich die Widersprechende darauf beruft, dass die mehrseitige Begründung des Patentamts dafür spräche, dass die Einlegung des Widerspruchs nicht von vornherein als aussichtslos zu beurteilen gewesen sei, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde. Das Vorliegen der Verwechslungsgefahr hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, die zu prüfen sind und umfassende Ausführungen bedingen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 30; 40 m. w. N.); daher spricht der Umfang von Begründungen nicht von vornherein gegen fehlende Aussichtslosigkeit.
Es entspricht der Billigkeit, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Das Vorliegen der auch hierfür erforderlichen besonderen Umstände ergibt sich aus den obigen Ausführungen.