Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 01.06.2011


BGH 01.06.2011 - XII ZB 363/10

Rechtsanwaltskosten: Gebührennachfestsetzung trotz rechtskräftiger Kostenfestsetzung; Anrechnung der Geschäftsgebühr nach neuem Recht in Altfällen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
01.06.2011
Aktenzeichen:
XII ZB 363/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 29. Juni 2010, Az: 4 W 105/10, Beschlussvorgehend LG Hamburg, 20. April 2010, Az: 316 O 253/09, Beschluss
Zitierte Gesetze
Nr 3100 RVG-VV

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Juni 2010 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Rechtspflegers der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 20. April 2010 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 25. Februar 2010 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Hamburg - 316 O 253/09 - vom 18. November 2009 von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 347,22 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 23. Dezember 2009.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

3. Beschwerdewert: 408 €.

Gründe

I.

1

Die Kläger begehren im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Beklagte im Wege der Nachfestsetzung den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.

2

Das Klagverfahren wurde im Juli 2009 eingeleitet und durch Vergleich beendet. Mit Beschluss vom 18. November 2009 hat das Landgericht den Klägern 2/3 und der Beklagten 1/3 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 150.000 € festgesetzt.

3

Nachdem im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar 2010 entsprechend dem Antrag der Kläger lediglich eine 0,65-Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht wurde, haben sie die Nachfestsetzung auf eine 1,3-Verfahrensgebühr beantragt. Diesen Antrag hat der Rechtspfleger des Landgerichts zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beschluss mit der Begründung bestätigt, der Rechtspfleger habe die zusätzlich geltend gemachte  0,65-Verfahrensgebühr zu Recht nicht berücksichtigt, weil die Geschäftsgebühr teilweise anzurechnen und § 15 a RVG auf den vorliegenden Fall, einen sogenannten Altfall, nicht anzuwenden sei.

4

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft. An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass auch bei einem rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschluss eine Nachfestsetzung möglich ist, wenn ein bisher nicht begehrter Posten - wie hier die 0,65-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG - erstmals geltend gemacht wird. Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge und steht daher einer Nachfestsetzung nicht entgegen (BGH Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 - AGS 2010, 580, 581 f. mwN).

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b) Die Rechtsbeschwerde führt aber zur Abänderung der Entscheidung des Oberlandesgerichts und Nachfestsetzung. Die 0,65-Verfahrensgebühr wurde zu Unrecht nicht berücksichtigt.

9

Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden, dass die Vorschrift des § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt, so dass die Vorschrift auch in sogenannten Altfällen, also Verfahren, in denen die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor Inkrafttreten der Vorschrift am 5. August 2009 erfolgt war, Anwendung findet (Senatsbeschlüsse vom 7.  Juli 2010 - XII ZB 79/10 - AGS 2010, 460, 461; vom 23. Juni 2010 - XII ZB 58/10 - FamRZ 2010, 1431 Rn. 6; vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09 - AGS 2010, 256, 257 und XII ZB 20/10 - juris Rn. 6; vom 24. März 2010 - XII ZB 227/09 - FamRZ 2010, 1068 Rn. 6; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09 - FamRZ 2010, 806 Rn. 10 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456 Rn. 15 ff. mwN). Dieser Auffassung hat sich inzwischen die überwiegende Zahl der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH Beschlüsse vom 7. Februar 2011 - I ZB 95/09 - Magazindienst 2011, 313 Rn. 10; vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10 - AGS 2010, 474, 475; IV ZB 41/09 - AGS 2010, 475, 476 und IV ZB 3/08 - juris Rn. 9; vom 17.  Juni 2010 - V ZB 176/09 - AGS 2010, 459, 460; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10 - AGS 2010, 263 f.; vom 7. Dezember 2010 - VI ZB 45/10 - AGS 2011, 6, 7; vom 19. Oktober 2010 - VI ZB 26/10 - juris Rn. 8; vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 - AGS 2010, 580, 581; VII ZB 99/09 - JurBüro 2011, 78 und VII ZB 55/09 - juris Rn. 5; vom 14. September 2010 - VIII ZB 33/10 - AGS 2010, 473, 474; vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 - AnwBl. 2010, 878 Rn. 10; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08 - AGS 2010, 159 und vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10 - juris Rn. 8; offen gelassen: BGH Beschlüsse vom 9. September 2009 - Xa ZB 2/09 - FamRZ 2009, 2082 Rn. 7 und vom 29. September 2009 - X ZB 1/09 - NJW 2010, 76 Rn. 25).

10

Der vorliegende Sachverhalt gibt keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Mit den vom Oberlandesgericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in seinen vorstehend genannten Beschlüssen befasst.

11

c) Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache abschließend zu entscheiden. Nachdem auch keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, ist die 1,3-Verfahrensgebühr in voller Höhe zu berücksichtigen.

12

Die von den Klägern der Beklagten zu erstattenden Kosten sind somit auf insgesamt 347,22 € nebst Zinsen festzusetzen.

Hahne                                                 Weber-Monecke                                            Dose

                         Klinkhammer                                                       Günter