Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 15.09.2010


BGH 15.09.2010 - IV ZB 41/09

Kostenfestsetzungsverfahren: Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Altfällen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
15.09.2010
Aktenzeichen:
IV ZB 41/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Bamberg, 9. November 2009, Az: 8 W 99/09, Beschlussvorgehend LG Schweinfurt, 25. August 2009, Az: 23 O 187/09, Beschlussvorgehend LG Schweinfurt, 21. Juli 2009, Az: 23 O 187/09, Beschluss
Zitierte Gesetze
Nr 2300 RVG-VV
Nr 3100 RVG-VV

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. November 2009 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 25. August 2009 geändert. Die vom Kläger aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Schweinfurt vom 21. Juli 2009 an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 3. August 2009.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.

Beschwerdewert: 375,92 €

Gründe

1

I. Der Beklagte begehrt im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Kläger den Ansatz einer ungeminderten Verfahrensgebühr.

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Nach Klagerücknahme hat der Kläger aufgrund des Beschlusses des Landgerichts vom 21. Juli 2009 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Beklagte begehrte mit einem am 3. August 2009 beim Landgericht eingegangenen Antrag die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 10.000 €. Da der Prozessbevollmächtigte für den Beklagten bereits außergerichtlich tätig war, brachte der Rechtspfleger eine hierdurch angefallene 1,3-Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG unter Berufung auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte bei der Verfahrensgebühr in Abzug. Die dem Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wurden auf 399,72 € festgesetzt.

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Der vom Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser erstrebt der Beklagte die uneingeschränkte Berücksichtigung der geltend gemachten Verfahrensgebühr.

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II. Das Beschwerdegericht meint, eine entstandene außergerichtliche Geschäftsgebühr sei teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, soweit es sich um denselben Gegenstand handle. § 15a Abs. 2 RVG sei gemäß dem in § 60 Abs. 1 RVG bestimmten Grundsatz dagegen auf Altfälle nicht anzuwenden, denn die Regelung enthalte nicht nur eine Klarstellung, sondern sei als Gesetzesänderung anzusehen. Sie sei eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, deren Auswirkungen für die Zukunft korrigiert werden sollten, und verhindere - erstmals - unerwünschte Auswirkungen einer Anrechnung.

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III. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

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1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die durch die Tätigkeit des Anwalts im Rechtsstreit entstanden ist, ist im Verfahren der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht auf Grund der Vorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen.

7

Diese Regelung zur Anrechnung der Geschäftsgebühr betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten und wirkt sich daher im Verhältnis zu Dritten - also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren - grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 f.; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16). Eine Anrechnung findet im Rahmen der Kostenfestsetzung allein in den Fällen statt, die nunmehr in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelt sind.

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§ 15a RVG stellt nur eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage dar und findet somit auch dann Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift - erfolgte. Dies hat der XII. Zivilsenat im Beschluss vom 9. Dezember 2009 (aaO Rn. 15 ff.) im Einzelnen dargelegt; dem tritt der erkennende Senat bei (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - XII ZB 251/10 Rn. 6; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 79/10 Rn. 6; vom 23. Juni 2010 - XII ZB 58/10 Rn. 6; vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09 Rn. 5; vom 29. April 2010 aaO; vom 31. März 2010 - XII ZB 20/10 Rn. 6 f.; vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09, AGS 2010, 256 f.; vom 11. März 2010 aaO und vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806 Rn. 10 ff.; offen gelassen in BGH, Beschlüsse vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76 Rn. 25 und vom 9. September 2009 - Xa ZB 2/09, FamRZ 2009, 2082 Rn. 7).

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Der Senat hält an seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vertretenen Auffassung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, 9; vom 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08, VersR 2008, 1666 Rn. 8 und vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, VersR 2009, 236 Rn. 7) nicht mehr fest und erachtet wie der VIII. Senat (vgl. Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 unter II 2 c) ein Vorgehen nach § 132 GVG für nicht geboten.

10

2. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.

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Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, kann sich der Kläger auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht berufen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ist für die Kostenausgleichung in voller Höhe zu berücksichtigen, der Beschluss des Beschwerdegerichts daher aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts zu ändern. Die vom Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten sind somit antragsgemäß auf 775,64 € nebst Zinsen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festzusetzen.

Terno                                                Wendt                                                  Dr. Kessal-Wulf

                        Felsch                                                  Lehmann