Entscheidungsdatum: 12.12.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke …
(hier: Gegenstandswertfestsetzung)
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel am 12. Dezember 2016
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke “…” (…) hat die Widersprechende aus der prioritätsälteren Unionswort- marke „…“ (…) Widerspruch erhoben. Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat mit Beschluss vom 10. Dezember 2015 den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde erhoben. Nachdem der Beschwerdegegner auf Vorschlag des Senats auf die Dienstleistungen der Klasse 40 verzichtet hat, hat die Beschwerdeführerin ihren Widerspruch zurückgenommen. Auf entsprechenden Hinweis des Senats haben die Verfahrensbeteiligten auch ihre wechselseitigen Kostenanträge zurückgenommen.
Die Widersprechende beantragt nunmehr sinngemäß,
den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren festzusetzen.
Sie vertritt die Ansicht, ein Gegenstandswert in Höhe von 50.000 € sei angemessen und entspreche dem Mindestwert, der im Rahmen von Widerspruchsverfahren nach der bisherigen Rechtsprechung anzusetzen sei.
Der Beschwerdegegner hat sich hierzu nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Beschwerdeführerin nach § 33 Abs. 1 RVG, den Gegenstandswert für das Widerspruchsbeschwerdeverfahren festzusetzen, ist zulässig.
1. Die Widersprechende war in diesem Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten, dessen Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG fällig geworden ist, weil das Beschwerdeverfahren seinen Abschluss gefunden hat, woraus sich gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG auch die Zulässigkeit des Antrages auf Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt.
2. Der Gegenstandswert war auf 50.000 € festzusetzen.
a) Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem BPatG für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegenstandswert gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Widerspruchsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke an der Aufrechterhaltung seiner Marke (BGH GRUR 2006, 704 – Markenwert). Dieses wirtschaftliche Interesse bemisst der Bundesgerichtshof bei unbenutzten Marken regelmäßig mit 50.000 € (BGH a. a. O.).
b) Der erkennende Senat hält mit der Mehrheit der Senate des Bundespatentgerichts einen Regelgegenstandswert von 50.000 € für angemessen (27 W (pat) 14/13, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 99/12, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 108/10, 27 W (pat) 90/11, 27 W (pat) 34/11, 27 W (pat) 109/11; 28 W (pat) 13/11, 28 W (pat) 36/12, 28 W (pat) 7/12; 29 W (pat) 67/13; 29 W (pat) 59/12, 29 W (pat) 115/11 = GRUR 2012, 1174 – Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren; 30 W (pat) 113/11, 30 W (pat) 57/11; 26 W (pat) 19/12, 26 W (pat) 516/14; 26 W (pat) 34/13, 26 W (pat) 59/13, 26 W (pat) 573/10, 26 W (pat) 72/11 und 26 W (pat) 47/12).
c) Der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 79/12 = GRUR-RR 2015, 229 – Gegenstandswert im Widerspruchs(beschwerde)verfahren, 25 W (pat) 16/10 = GRUR 2012, 1172, 25 W (pat) 510/11 = BlPMZ 2012, 421; 25 W (pat) 73/04 – GRUR 2007, 176 - Gegenstandswert für Widerspruchs-Beschwerdeverfahren), die auch der 24. Senat teilt (24 W (pat) 35/13, 24 W (pat) 25/14), dass bei unbenutzten angegriffenen Marken grundsätzlich der Regelwert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu verfünffachen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens nach dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des ab dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 € insgesamt 25.000 € ausmachen würde, kann sich der Senat nicht anschließen.
aa) Der BGH hatte schon 2006 die der Entscheidungspraxis des BPatG im Widerspruchsbeschwerdeverfahren entsprechende Gegenstandswertfestsetzung von 10.000 € ausdrücklich abgelehnt, weil sie für den Normalfall nicht dem wirtschaftlichen Interesse des Inhabers der jüngeren Marke am Bestand des Schutzrechts entspreche (BGH a. a. O.).
bb) Aber auch ein Wert von 25.000 € (bzw. 20.000 € bei Zugrundelegung des bis zum 31. Juli 2013 geltenden Regelwertes von 4.000 €) wird der tatsächlichen Bedeutung eingetragener Marken im Wirtschaftsleben nicht gerecht (so schon 27 W (pat) 75/08).
Denn das wirtschaftliche Interesse am Schutz der angegriffenen Marke umfasst die Kosten für die Entwicklung und die Eintragung der Marke, die bereits insgesamt einen Betrag von 50.000 € und mehr ausmachen können, insbesondere, wenn man externe Beratung in Anspruch nimmt oder die Markenentwicklung Drittfirmen überlässt. Ferner kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke auch darauf richtet, Umsatzausfälle zu vermeiden, die durch die Verzögerung des Vertriebs der Marke zu befürchten sind.
Auch wenn die vom 25. Senat angesprochene Möglichkeit besteht, dass es sich nur um Vorratsmarken handelt, kann dieser Umstand nicht als einziger wirtschaftlicher Hintergrund einer Markenanmeldung unterstellt werden. Es muss vielmehr unter Berücksichtigung aller möglichen Fallgestaltungen ein angemessener Mittelwert gefunden werden, der auch steigende Kosten einbezieht und für einen längeren Zeitraum gelten kann. Letztlich stellt eine Verfünffachung des gesetzlichen Regelwerts ebenso eine Schätzung dieses Mittelwertes dar wie eine Verzehnfachung. Im Hinblick darauf, dass der BGH schon seit fast 10 Jahren einen Regelwert von 50.000 € ansetzt und sich das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Schutz der angegriffenen Marke nicht instanzabhängig steigert, sondern der Verfahrenswert derselbe bleibt (vgl. 27 W (pat) 29/13; Ingerl/Rhonke, MarkenG, 3. Aufl., § 71 Rdnr. 29), erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ein Regelgegenstandswert von 50.000 € angemessen.
Soweit der 25. Senat seine gegenteilige Rechtsauffassung darauf stützt, dass die Vorschriften für den Gegenstandswert im Instanzenzug voneinander abweichen, weil die für den BGH anzuwendende Vorschrift des § 51 Abs. 1 GKG weder einen Regelgegenstandswert noch eine Wertobergrenze enthalte, wie dies in der für das Bundespatentgericht maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Fall sei, hat der BGH kürzlich klargestellt, dass auch für die Gegenstandswertfestsetzung im Rechtsbeschwerdeverfahren die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist (Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6; a. A. Knoll, MarkenR 2016, 229, 231, der § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG für maßgeblich hält).
cc) Soweit mit der Festsetzung des Regelgegenstandswertes auf 50.000 € die Kostenbelastung steigt bzw. bereits gestiegen ist, dürfte dies gerade im Fall von Vorratsmarken, Unternehmen treffen, die sich diese Kosten leisten können. Für den seltenen Fall, dass ein bedürftiger Privatmann oder ein finanzschwacher Kleinunternehmer höhere als die bei einem Regelwert von 25.000 € anfallenden Anwaltskosten nicht aufbringen kann, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe nach § 81a MarkenG zu beantragen. § 81a MarkenG ist durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) eingefügt worden und ist seit dem 1. Januar 2014 in Kraft, auch wenn diese Regelung nur die Rechtsprechung des BGH seit dem Jahre 2008 umsetzt, wonach Prozesskostenhilfe auch in markenrechtlichen Verfahren zu gewähren sei (GRUR 2009, 88 Rdnr. 9 ff. – ATOZ I; GRUR 2010, 270 Rdnr. 26 – ATOZ III).
Eine deutliche Überteuerung des Verfahrens durch den höheren Regelwert von 50.000 € ist auch deshalb nicht erkennbar, weil die Verdoppelung des Gegenstandswertes nur einen unterproportionalen Anstieg, aber nicht die Verdoppelung der Kosten zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die vom 24. und 25. Senat befürwortete restriktive Gegenstandswertfestsetzung den Druck von Seiten der Rechts- und Patentanwälte auf ihre Mandanten zum Abschluss den Nachteil ausgleichender Honorarvereinbarungen erhöht (vgl. Hoffmann/Albrecht, GRUR-Prax 2015, 96) und so zum Gegenteil der beabsichtigten Kostendeckelung führt.
c) Eine Erhöhung dieses Regelgegenstandswertes von 50.000 € kommt nicht in Betracht, weil keine konkreten gegenstandswerterhöhenden Umstände vorgetragen worden sind.
III.
Das Verfahren über den Antrag auf Gegenstandswertfestsetzung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG)
IV.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.