Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.08.2015


BPatG 10.08.2015 - 24 W (pat) 35/13

Markenbeschwerdeverfahren – Kostenantrag – Kostenentscheidung – keine Kostenauferlegung – keine Verletzung des rechtlichen Gehörs


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
10.08.2015
Aktenzeichen:
24 W (pat) 35/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke …

(hier: Kostenantrag)

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. August 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Heimen und Schmid

beschlossen:

Der Antrag des Markeninhabers, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 25.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenauferlegung in einem durch Rücknahme der Beschwerde beendeten Widerspruchsbeschwerdeverfahren.

2

Die Widersprechende hatte aus der seit dem 28. August 2008 eingetragenen Wortmarke EM … „M…“, die derzeit noch für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 8 bis 11, 28, 42 und 44 Schutz genießt, beschränkt Widerspruch eingelegt gegen die am 30. Juli 2010 veröffentlichte Wort-Bildmarke … „M…“, die für Waren der Klassen 3 und 10 eingetragen ist. Der Markeninhaber hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 1. Februar 2011 und 15. Juni 2011 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Benutzungsunterlagen hat die Widersprechende nicht vorgelegt. Die Widersprechende hatte gegen die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3, mit denen der Widerspruch zurückgewiesen wurde, Beschwerde eingelegt.

3

Vor der anberaumten mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten am 20. Mai/17. Juni 2015 eine Abgrenzungsvereinbarung getroffen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

4

Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2015 ist die Widersprechende der in Ziffer 4. der Abgrenzungsvereinbarung genannten Verpflichtung nachgekommen und hat die Beschwerde gegen die Widerspruchsentscheidungen der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 31. Juli 2012 und vom 15. Juli 2013 zurückgenommen. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Kosten haben die Beteiligten nicht getroffen.

5

Auf den Kostenantrag des Markeninhabers hat der Senat mit Hinweisverfügung vom 17. Juni 2015 den Beteiligten seine vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass nach dem damaligen Sach- und Streitstand für eine Kostenauferlegung auf die Widersprechende kein Anlass gesehen werde, sondern dass ein Fall des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG vorliegen dürfte.

6

Der Markeninhaber ist dagegen der Auffassung, nach der vereinbarten Rücknahme der Beschwerde sei die Widersprechende nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen zur Übernahme der Verfahrenskosten verpflichtet, dies sei auch ein wesentlicher Grund dafür gewesen, der vergleichsweisen Regelung zuzustimmen.

7

Der Markeninhaber ist ferner der Ansicht, der Senat habe das Recht auf rechtliches Gehör und das Gebot des fairen Verfahrens verletzt, weil der Vorsitzende in einem Telefonat mit dem Vertreter der Widersprechenden eine Zurückweisung des Kostenantrages in Aussicht gestellt habe.

8

Der Markeninhaber beantragt,

9

die Kosten des Widerspruchs- und des Beschwerdeverfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen.

10

Die Widersprechende beantragt,

11

den Antrag zurückzuweisen.

12

Die Widersprechenden beruft sich dazu im Wesentlichen auf die gesetzliche Kostenregelung. Gründe, aus Billigkeitsgesichtspunkten eine davon abweichende Kostentragung anzuordnen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

14

Die Entscheidung über die Auferlegung von Kosten kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, § 128 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG.

15

Eine Auferlegung von Kosten zu Lasten der Widersprechenden aus Billigkeitsgründen ist im vorliegenden Fall nicht veranlasst, § 71 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 MarkenG. Diese Bestimmungen haben als spezielle Kostenregelungen für das markenrechtliche Beschwerdeverfahren Vorrang vor den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen.

16

Das Vorliegen eines Billigkeitsgrundes setzt voraus, dass besondere Umstände eine Abweichung von der als Regelfall vorgesehenen Kostenaufhebung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG rechtfertigen. Ein derartiger Sonderfall kann regelmäßig nicht bereits angenommen werden, weil ein Beteiligter den Widerspruch oder die Beschwerde aus eigenem Antrieb oder - wie hier - aufgrund einer außergerichtlichen Vereinbarung zurückgenommen hat.

17

Eine grundsätzliche Pflicht zur Übernahme der Kosten aufgrund allgemeiner prozessualer Grundsätze bei Rücknahme des Widerspruchs oder der Beschwerde ist mit § 71 Abs. 4 MarkenG, der für das im wesentlichen registerrechtliche Markenbeschwerdeverfahren eine spezielle Regelung enthält, die eine regelmäßige Kostenpflicht des Zurücknehmenden verneint, nicht vereinbar. Denn entgegen der Auffassung des Markeninhabers hat der Verfahrensausgang allein im registerrechtlichen Widerspruchsverfahren keinen maßgeblichen Einfluss auf die Kostenverteilung (allg. M., vgl. dazu nur Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71, Rn. 11 m. w. N.). Demnach ist es für die Frage der Kosten unerheblich, ob und in welchem Umfang das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke bestehen bleibt, zumal der Grad des Obsiegens bzw. Unterliegens nicht an der bloßen Anzahl der Waren und Dienstleistungen festgemacht werden kann.

18

Besondere Umstände, um gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise aufzuerlegen, können hingegen darin liegen, dass der Beteiligte die prozessuale Sorgfalt missachtet hat oder in einer nach anerkannten Maßstäben kaum Erfolg versprechenden Situation sein Interesse durchzusetzen versucht hat.

19

Eine Kostenauferlegung kann danach der Billigkeit entsprechen, wenn der Widersprechende auf die Einrede der Nichtbenutzung keine ernsthaften Anstrengungen unternimmt, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu belegen. Da hier aber die Nichtbenutzungseinrede noch innerhalb der Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke erhoben wurde, war sie rechtlich unerheblich (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 43 Rn. 29). Da sie auch später nicht rechtswirksam wiederholt wurde, bedurfte es keines weiteren Vortrags der Widersprechenden und eine Kostenauferlegung ist danach nicht veranlasst.

20

Auch die Kollisionslage rechtfertigt keine Kostenauferlegung unter Billigkeitsgesichtspunkten. Die Wortelemente der Kollisionszeichen haben sich lediglich in einem Buchstaben unterschieden, die Vergleichswaren haben unterschiedliche Ähnlichkeitsgrade aufgewiesen, so dass die Frage der Verwechslungsgefahr eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Faktoren des Einzelfalls erfordert hätte, die den Widerspruch jedenfalls nicht von vorne herein aussichtslos erscheinen lässt. Dagegen spricht auch die getroffene Abgrenzungsvereinbarung. Bei diesem Sach- und Streitstand sind keine hinreichenden Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gegeben.

21

Eine vergleichsweise Kostenregelung, die im Rahmen der Billigkeitserwägungen berücksichtigt werden könnte, haben die Beteiligten nicht getroffen.

22

Andere Umstände, die es billig erscheinen lassen, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

23

Soweit der Markeninhaber vorträgt, er sei bei Rücknahme der Beschwerde von einer Kostenpflicht der Widersprechenden nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln ausgegangen, ist dieser Irrtum über die grundsätzliche markenrechtliche Kostenregelung weder für die Billigkeitserwägungen noch für die Wirksamkeit der Abgrenzungsvereinbarung von Bedeutung.

24

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder des Gebot des fairen Verfahrens ist nicht ersichtlich. Beide maßgeblichen Beteiligten sind durch Verfügung des Vorsitzenden vom 17. Juni 2015 u. a. auf die Bedenken hinsichtlich des Kostenantrages des Markeninhabers und die Geltung des § 71 MarkenG hingewiesen worden. Beide Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, insbesondere zum Vortrag ihrer Auffassung zu den hier maßgebenden Billigkeitserwägungen. Der Umstand, dass nach Lage der Akten der Verfahrensbevollmächtigte des Markeninhabers den gerichtlichen Hinweis trotz gleichzeitiger Aufgabe zur Post ausweislich des Empfangsbekenntnisses erst ca. zwei Wochen später erhalten hat, liegt außerhalb des Einflusses des Senates.

25

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 33 Abs. 1 i. V. m. 23 Abs. 2 S. 1 RVG (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG a. a. O., § 71 Rn. 33; BPatG, B. v. 11.11.2014, 24 W (pat) 25/14 - Lumicell).