Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.05.2016


BPatG 12.05.2016 - 35 W (pat) 410/14

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – "Gitter an Lüftungsanlagen" – abschließender Beschluss des DPMA gelangt nicht innerhalb von fünf Monaten, gerechnet von der Verkündung an, zu den amtlichen Akten - Verletzung der Begründungspflicht – wesentlicher Mangel des Verfahrens – Entscheidungsreife der Hauptsache - Beurteilung der gesamten Verfahrenslage durch das BPatG im Rahmen des gesetzlichen Ermessens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
35. Senat
Entscheidungsdatum:
12.05.2016
Aktenzeichen:
35 W (pat) 410/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

„Gitter an Lüftungsanlagen“

1. Es stellt eine Verletzung der Begründungspflicht der Gebrauchsmusterabteilung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GebrMG dar, wenn die begründete und unterzeichnete bzw. signierte Fassung eines verkündeten, ein Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren abschließenden Beschlusses nicht innerhalb von fünf Monaten, gerechnet von der Verkündung an, zu den patentamtlichen Akten gelangt. Das begründet einen wesentlichen Mangel des Verfahrens vor dem Patentamt i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG.

2. Ein solcher Verfahrensmangel macht nicht schon für sich genommen eine Aufhebung des verkündeten Beschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt notwendig. Vielmehr hat das Patentgericht die gesamte Verfahrenslage im Rahmen seines gesetzlichen Ermessens zu beurteilen. Dabei kommt der Frage, ob das Verfahren in der Hauptsache entscheidungsreif ist, in der Regel besondere Bedeutung zu.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2010 017 097

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richter Dipl.-Ing. Schlenk und Dr.-Ing. Krüger

beschlossen:

Beschluss:

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des am 10. Oktober 2013 verkündeten Beschlusses der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts und Zurückverweisung des Verfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Auf den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin hin wird der am 10. Oktober 2013 verkündete Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 20 2010 017 097 wird gelöscht.

3. Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen zu der Frage, ob es (a) einen wesentlichen Mangel des patentamtlichen Verfahrens i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG darstellt, wenn in einem Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren die begründete schriftliche Fassung eines von der Gebrauchsmusterabteilung verkündeten Beschlusses erst später als fünf Monate nach der Verkündung zu den Verfahrensakten des Deutschen Patent- und Markenamts gelangt und dies von einem der Verfahrensbeteiligten gerügt wird, und ob, wenn (a) zu bejahen ist, im Beschwerdeverfahren in jedem Fall ohne Berücksichtigung weiterer tatsächlicher oder verfahrensrechtlicher Umstände eine Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt notwendig ist.

Gründe

A.

1

I. Der Gebrauchsmuster-Inhaber, Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) ist der eingetragene Inhaber des Gebrauchsmusters 20 2010 017 097 (im Folgenden: Streitgebrauchsmuster), das am 30. Dezember 2010 angemeldet und am 3. März 2011 mit 12 Ansprüchen in das Register eingetragen worden ist. Das Streitgebrauchsmuster trägt die Bezeichnung

2

„Gitter an Lüftungsanlagen“.

3

Es wurde in Gestalt der Gebrauchsmusterschrift DE 20 2010 017 097 U1 veröffentlicht. Die Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters wurde auf 6 Jahre verlängert. Es ist in Kraft.

4

Schutzanspruch 1 lautet in seiner eingetragenen Fassung:

5

„1. Lüftungsgitter (1) zum Anbringen an einem Ende einer Abluftleitung, wobei das Lüftungsgitter (1) einen Rahmen (2) aufweist, der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung (3) und an seiner von der Abluftleitung abgewandten Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung (4) aufweist, wobei in dem Rahmen (2) zwischen der Ablufteintrittsöffnung (3) und der Abluftaustrittsöffnung (4) mindestens drei sich über den Querschnitt der Abluftaustrittsöffnung (4) erstreckende und zueinander parallele Lamellen (5) feststehend angeordnet sind,

6

dadurch gekennzeichnet,

7

dass die Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen (2) einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen, wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden, und wobei die Lamellen (5) an deren über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen.“

8

Auf Schutzanspruch 1 sind die Schutzansprüche 2 bis 9 rückbezogen. Für deren Wortlaut wird Bezug genommen auf die Streitgebrauchsmuster-Schrift.

9

Der nebengeordnete Schutzanspruch 10 lautet in seiner eingetragenen Fassung:

10

„10. Mauerkasten (13), dadurch gekennzeichnet, dass der Mauerkasten (13) ein Lüftungsgitter (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 9 aufweist.“

11

Auf Schutzanspruch 10 sind die Schutzansprüche 11 und 12 rückbezogen. Für deren Wortlaut wird Bezug genommen auf die Streitgebrauchsmuster-Schrift.

12

Mit Schriftsatz vom 14. April 2011 hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) die Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt und hat zur Begründung u.a. den Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 GebrMG geltend gemacht.

13

Dieser Löschungsantrag ist dem Antragsgegner am 27. Mai 2011 zugestellt worden. Der Widerspruch des Antragsgegners ist am 15. Juni 2011 und damit rechtzeitig beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangen.

14

Auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2013 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA den Löschungsantrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückgewiesen. In der schriftlichen Fassung dieses Beschlusses ist die Gebrauchsmusterabteilung zur Begründung ihrer Entscheidung nur auf die Dokumente D1, D5 und M1 näher eingegangen; die weiteren im Verfahren befindlichen Dokumente wurden summarisch als weiter abliegend bezeichnet.

15

Die Neuheit und der erfinderische Schritt beim Streitgebrauchsmuster wurden damit begründet, dass keine der drei oben genannten Schriften die folgenden drei Merkmale (gemeinsam) offenbare und dass es auf deren Zusammenwirken ankomme:

16

(a) [dass die Lamellen …] eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen,

17

(b) wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden,

18

(c) wobei die Lamellen (5) an deren Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen.

19

Damit sei sowohl die Neuheit als auch der erfinderische Schritt beim Streitgebrauchsmuster vorhanden und der Löschungsantrag zurückzuweisen.

20

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27. März 2014, am selben Tage per Fax eingegangen beim DPMA, Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass ihr bis zum 27. März 2014 keine begründete, schriftliche Ausfertigung des Beschlusses vom 10. Oktober 2013 zugestellt worden war.

21

Ausweislich des für dieses Beschwerdeverfahren maßgeblichen Aktenstandes der elektronisch geführten, dem Senat nur im Wege des File-Transfers zur Verfügung gestellten patentamtlichen Akten mit Stand vom 3. Juni 2014 ist die begründete schriftliche Fassung des am 10. Oktober 2013 verkündeten Beschlusses am 12. März 2014 in die elektronische Akte eingestellt und am 2. April 2014 von dem Vorsitzenden der Gebrauchsmusterabteilung und den beiden Beisitzern signiert worden. Ausweislich der bei den patentamtlichen Akten befindlichen Empfangsbekenntnisse beider Verfahrensbeteiligten ist ihnen der begründete Beschluss jeweils am 7. April 2014 zugestellt worden.

22

Die Antragstellerin meint sinngemäß, dass der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2008, Az.: I ZB 62/08 – In-Travel-Entertainment/TRAVELTAINMENT, der zu den Vorschriften in § 83 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG über die Rechtsbeschwerde in markenrechtlichen Verfahren ergangen ist, analog auch auf die verkündeten abschließenden Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilung im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren anzuwenden sei. Nach der zitierten Entscheidung genügt ein Beschluss der Markensenate des Bundespatentgerichts, der auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, nur dann der Begründungspflicht nach § 79 Abs. 2 MarkenG, wenn die von den Richtern unterschriebene Entscheidung mit den Gründen übereinstimmt, die nach dem Ergebnis der auf die mündliche Verhandlung folgenden Urteilsberatung für die richterliche Überzeugung und für die von dieser getragenen Entscheidung maßgeblich waren. Damit von einer solchen Übereinstimmung ausgegangen werden könne, sei es notwendig, dass zwischen der Beratung und Verkündung eines noch nicht vollständig abgefassten Beschlusses und der Niederlegung, Unterzeichnung und Übergabe des ganzen Beschlusses an die Geschäftsstelle eine nicht zu große Zeitspanne liege. Unter Rückgriff auf die gesetzliche Wertung des § 548 ZPO sei diese Zeitspanne auf längstens fünf Monate zu begrenzen. Da das richterliche Erinnerungsvermögen abnehme, sei jedenfalls nach Ablauf von fünf Monaten nicht mehr gewährleistet, dass der Eindruck von der mündlichen Verhandlung und das Ergebnis der Beratung noch zuverlässigen Niederschlag in den so viel später abgefassten Gründen der Entscheidung finden. Diese Frist gelte für alle Gerichtsbarkeiten, da im Hinblick auf das Erinnerungsvermögen der Richter keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Gerichtsbarkeiten bestünden (vgl. auch Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993 – GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603 ff., BGH, Urt. v. 15.07.1999 – zu § 551 Nr. 7 ZPO a. F. [§ 547 Nr. 6 ZPO]).

23

Bei analoger Anwendung dieser Entscheidung und der damit korrespondierenden weiteren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur rechtzeitigen Absetzung verkündeter gerichtlicher Entscheidungen auf den vorliegenden Fall – so meint die Antragstellerin – müsse die Tatsache, dass die begründete und signierte Fassung des Beschlusses der Gebrauchsmusterabteilung vom 10. Oktober 2013 fünf Monate und 23 Tage nach seiner Verkündung zu den patentamtlichen Akten gelangt und fünf Monate und 28 Tage nach seiner Verkündung den Verfahrensbeteiligten zugestellt worden ist, als ein wesentlicher Mangel des patentamtlichen Verfahrens i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG eingeordnet und in analoger Anlehnung an § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG in entsprechender Auslegung durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs als eine Art von absolutem Beschwerdegrund behandelt werden mit der Folge, dass das Verfahren zwingend an das DPMA zurückverwiesen werden müsse.

24

In der Hauptsache verfolgt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde ihren Löschungsantrag weiter. Die Antragstellerin meint, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe und hat dazu im Beschwerdeverfahren neuen Stand der Technik eingeführt.

25

Die Antragstellerin hat beantragt,

26

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Oktober 2013 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen,

27

hilfsweise:

28

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Oktober 2013 aufzuheben, das Gebrauchsmuster 20 2010 017 097 zu löschen und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen aufzuerlegen.

29

Für den Fall der Zurückweisung ihres Hauptantrages hat die Antragstellerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.

30

Der Antragsgegner hat beantragt,

31

die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen,

32

hilfsweise:

33

die Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen,

34

hilfsweise:

35

den Löschungsantrag im Umfang der Hilfsanträge I bis IV aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 18. Februar 2016 und, weiter, im Umfang des Hilfsantrages V aus der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2016 zurückzuweisen

36

und der Antragstellerin einen entsprechenden Anteil der Verfahrenskosten aufzuerlegen.

37

Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 18. Februar 2016 lautet:

38

„1. Lüftungsgitter (1) zum Anbringen an einem Ende einer Abluftleitung, wobei das Lüftungsgitter (1) einen Rahmen (2) aufweist, der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung (3) und an seiner von der Abluftleitung abgewandten Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung (4) aufweist, wobei in dem Rahmen (2) zwischen der Ablufteintrittsöffnung (3) und der Abluftaustrittsöffnung (4) mindestens drei sich über den Querschnitt der Abluftaustrittsöffnung (4) erstreckende und zueinander parallele Lamellen (5) feststehend angeordnet sind,

39

dadurch gekennzeichnet, dass wobei

40

die Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen (2) einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen, wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden, und wobei die Lamellen (5) an deren über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen,

41

dadurch gekennzeichnet,

42

dass die abgewinkelten Abschnitte (9) der Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen einströmenden Abluft senkrechten Ebene nach vorne eine Neigung mit einem Winkel (10) in dem Bereich zwischen 1° und 30° aufweisen.“

43

(Durchstreichungen und Unterstreichungen kennzeichnen die Abweichungen vom Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag.)

44

Nach Hilfsantrag I wird das Kennzeichen des eingetragenen Schutzanspruches 3, ergänzt um die Bereichsangabe „zwischen 1° und 30°“, in den eingetragenen Schutzanspruch 1 aufgenommen. Darauf ist der eingetragene Schutzanspruch 2 rückbezogen.

45

Der neue Schutzanspruch 3 lautet:

46

„3. Lüftungsgitter (1) nach Anspruch 1 oder 2,

47

dadurch gekennzeichnet,

48

dass die abgewinkelten Abschnitte (9) der Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen einströmenden Abluft senkrechten Ebene nach vorne eine Neigung mit einem Winkel (10) > 0° in dem Bereich zwischen 1° und 10° aufweisen.“

49

(Durchstreichungen und Unterstreichungen kennzeichnen die Abweichungen vom Schutzanspruch 3 nach Hauptantrag.)

50

Auf den neuen Schutzanspruch 3 folgen die auf die Schutzansprüche 1 ff. rückbezogenen Schutzansprüche 4 bis 9 sowie der nebengeordnete Schutzanspruch 10 mit den auf ihn rückbezogenen Schutzansprüchen 11 und 12, jeweils in ihren eingetragenen Fassungen.

51

Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 18. Februar 2016 lautet:

52

„1. Lüftungsgitter (1) zum Anbringen an einem Ende einer Abluftleitung, wobei das Lüftungsgitter (1) einen Rahmen (2) aufweist, der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung (3) und an seiner von der Abluftleitung abgewandten Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung (4) aufweist, wobei in dem Rahmen (2) zwischen der Ablufteintrittsöffnung (3) und der Abluftaustrittsöffnung (4) mindestens drei sich über den Querschnitt der Abluftaustrittsöffnung (4) erstreckende und zueinander parallele Lamellen (5) feststehend angeordnet sind,

53

wobei

54

die Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen (2) einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen, wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden, und wobei die Lamellen (5) an deren über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen,

55

dadurch gekennzeichnet,

56

dass die abgewinkelten Abschnitte (9) der Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen einströmenden Abluft senkrechten Ebene nach vorne eine Neigung mit einem Winkel (10) in dem Bereich zwischen 1° und 30° aufweisen, wobei die Lamellen (5) so angeordnet sind, dass in einer Vorderansicht die Abluftaustrittsöffnung (4) vollständig verdeckt ist.“

57

(Durchstreichungen und Unterstreichungen kennzeichnen die Abweichungen vom Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I.)

58

Nach diesem Hilfsantrag wird das Kennzeichen des eingetragenen Schutzanspruches 6 in den Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I aufgenommen. Die auf den neuen Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II rückbezogenen Schutzansprüche 2 bis 5 entsprechen den Schutzansprüchen 2 bis 5 nach Hilfsantrag I. Die eingetragenen, auf Schutzanspruch 1 und alle weiteren jeweils vorangehenden Schutzansprüche rückbezogenen Schutzansprüche 7 bis 9 werden zu den neuen Schutzansprüchen 6 bis 8, die eingetragenen Schutzansprüche 10 bis 12 werden zu den neuen Schutzansprüchen 9 bis 11.

59

Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 18. Februar 2016 lautet:

60

„1. Lüftungsgitter (1) zum Anbringen an einem Ende einer Abluftleitung, wobei das Lüftungsgitter (1) einen Rahmen (2) aufweist, der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung (3) und an seiner von der Abluftleitung abgewandten Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung (4) aufweist, wobei in dem Rahmen (2) zwischen der Ablufteintrittsöffnung (3) und der Abluftaustrittsöffnung (4) mindestens drei sich über den Querschnitt der Abluftaustrittsöffnung (4) erstreckende und zueinander parallele Lamellen (5) feststehend angeordnet sind,

61

dadurch gekennzeichnet,

62

dass die Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen (2) einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen, wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden, wobei die Lamellen (5) an deren über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen, und wobei bei einer vorgegebenen in Strömungsrichtung gemessenen Länge der Lamellen (5) der Abstand zweier benachbarten Lamellen (5) und die Länge des abgewinkelten Abschnitts (9) so gewählt sind, dass die Unterkante (11) des abgewinkelten Abschnitts (9) in einer Seitenansicht des Rahmens (2) auf Höhe der obersten Kante (12) der darunter angeordneten Lamelle (5) abschließt.“

63

(Durchstreichungen und Unterstreichungen kennzeichnen die Abweichungen vom Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag.)

64

Nach diesem Hilfsantrag wird das Kennzeichen des eingetragenen Schutzanspruches 5 in den eingetragenen Schutzanspruch 1 aufgenommen. Darauf sind die eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 4 rückbezogen. Die eingetragenen, auf Schutzanspruch 1 und alle weiteren jeweils vorangehenden Schutz-ansprüche rückbezogenen Schutzansprüche 6 bis 9 werden zu den neuen Schutzansprüchen 5 bis 8, die eingetragenen Schutzansprüche 10 bis 12 zu den neuen Schutzansprüchen 9 bis 11.

65

Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag IV aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 18. Februar 2016 lautet:

66

„1. Lüftungsgitter (1) zum Anbringen an einem Ende einer Abluftleitung, wobei das Lüftungsgitter (1) einen Rahmen (2) aufweist, der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung (3) und an seiner von der Abluftleitung abgewandten Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung (4) aufweist, wobei in dem Rahmen (2) zwischen der Ablufteintrittsöffnung (3) und der Abluftaustrittsöffnung (4) mindestens drei sich über den Querschnitt der Abluftaustrittsöffnung (4) erstreckende und zueinander parallele Lamellen (5) feststehend angeordnet sind,

67

dadurch gekennzeichnet, dass wobei

68

die Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen (2) einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen, wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden,

69

und wobei die Lamellen (5) an deren über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen,

70

dadurch gekennzeichnet,

71

dass die abgewinkelten Abschnitte (9) der Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen einströmenden Abluft senkrechten Ebene nach vorne eine Neigung mit einem Winkel (10) in dem Bereich zwischen 1° und 30° aufweisen, wobei bei einer vorgegebenen in Strömungsrichtung gemessenen Länge der Lamellen (5) der Abstand zweier benachbarten Lamellen (5) und die Länge des abgewinkelten Abschnitts (9) so gewählt sind, dass die Unterkante (11) des abgewinkelten Abschnitts (9) in einer Seitenansicht des Rahmens (2) auf Höhe der obersten Kante (12) der darunter angeordneten Lamelle (5) abschließt.“

72

(Durchstreichungen und Unterstreichungen kennzeichnen die Abweichungen vom Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III.)

73

Nach diesem Hilfsantrag wird das Kennzeichen des Schutzanspruches 1 nach Hilfsantrag I in den Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III aufgenommen. Auf den neuen Schutzanspruch 1 sind die Schutzansprüche 2 bis 4 in der Fassung nach Hilfsantrag I rückbezogen. Die eingetragenen, auf Schutzanspruch 1 und alle weiteren jeweils vorangehenden Schutzansprüche rückbezogenen eingetragenen Schutzansprüche 6 bis 12 werden zu den neuen Schutzansprüchen 5 bis 11.

74

Hilfsantrag V vom 12. Mai 2016 ist auf eine Zurückweisung des Löschungsantrages im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 10 bis 12 gerichtet.

75

Seinen Hauptantrag auf Verwerfung der Beschwerde als unzulässig begründet der Antragsgegner mit der Rechtsauffassung, dass die Beschwerde nach § 18 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 73 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PatG erst mit Zustellung des angegriffenen Beschlusses bei dem beschwerten Verfahrensbeteiligten zulässig werde. Eine Beschwerde, die wie hier schon vor der Zustellung eingelegt werde, sei daher unzulässig. § 517 ZPO und insbesondere der letzte Halbsatz dieser Vorschrift fänden auf die Beschwerde gegen abschließende Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilung in Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren keine Anwendung.

76

Soweit der Antragsgegner mit seinem ersten Hilfsantrag auch beantragt hat, den Hauptantrag der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen, hat der Antragsgegner diesen Teil seines ersten Hilfsantrages wie folgt begründet:

77

Eine Aufhebung des angegriffenen Beschlusses im Wege einer direkten oder analogen Anwendung von § 517 ZPO komme nicht in Betracht, weil § 517 ZPO eine solche Rechtsfolge nicht vorsehe. Sachliche Gründe für die Übertragbarkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Sicherung des Begründungszwanges bei verkündeten richterlichen Urteilen durch eine Frist für die Absetzung des verkündeten Urteils von höchstens fünf Monaten ab der Verkündung auf verkündete abschließende Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilung in Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren seien nicht erkennbar. Die Begründungspflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GebrMG habe die Gebrauchsmusterabteilung erfüllt, indem sie den Verfahrensbeteiligten eine vollständig und in sich schlüssig begründete Beschlussfassung zugestellt habe. Auch wenn der Senat darin einen Begründungsmangel sehen sollte, dass diese begründete Beschlussfassung den Verfahrensbeteiligten nicht innerhalb von fünf Monate nach der Verkündung des Beschlusses zugestellt worden ist, mache das eine Zurückverweisung des Verfahrens an das DPMA nicht zwingend. Es bliebe bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG. Dabei müsse der Senat berücksichtigen, dass das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache entscheidungsreif sei und dass die Antragstellerin nur einen verfahrensrechtlichen, aber keinen sachlichen Begründungsmangel geltend mache.

78

Zur fehlenden Begründetheit des Hilfsantrages der Antragstellerin in der Hauptsache führt der Antragsgegner sinngemäß aus, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters insbesondere gegenüber den Gegenständen der Patentschrift D7a und der Geschmacksmuster M1 bis M3, wie auch gegenüber den weiteren Entgegenhaltungen, neu sei. Auch sei der notwendige erfinderische Schritt gegenüber dem Stand der Technik gegeben.

79

Dem Lüftungsgitter gemäß Druckschrift D7a fehle insbesondere das Merkmal 1A5 (Überstand der Lamellen) und somit auch das Merkmal 1A6 (über die Vorderseite des Rahmens hinausragende Vorderkante der Lamellen). Das Überstehen von Lamellen und Kanten, wie es beispielsweise bei Dächern oder Abdeckungen von Mauern und Pfosten zum allgemeinen Fachwissen gehören könne, sei für den Fachmann ohne Anregung oder ohne weitergehenden Hinweis auf ein Lüftungsgitter gemäß D7a nicht übertragbar. Somit sei für den Fachmann eine Übertragung von Merkmalen oder Erkenntnissen zwischen diesen beiden völlig verschiedenen beanspruchten Fachgebieten ausgeschlossen. Auch hätte der Fachmann, ausgehend von der D7a, keine Veranlassung, diese mit der D1 oder den Geschmacksmustern M1, M2 zu kombinieren. Insoweit beruhe die Argumentation der Antragstellerin auf einer rückschauenden Beurteilung.

80

Da sich bei Bauten vielmehr die thermodynamischen und Isolationsanforderungen geändert hätten, solle durch die Lüftungsgitter gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis V sowohl eine strömungsdynamische Optimierung des Luftstroms, insbesondere zur Energieersparnis beim Antriebsmotor erreicht, wie auch das Eindringen von Kaltluft und Fremdkörpern sowie von Wasser verhindert werden.

81

Im patentamtlichen Löschungsverfahren hat die Antragstellerin u. a. die nachfolgenden Druckschriften in das Verfahren eingeführt:

82

D1 DE 295 08 531 U1

83

D2 DE 35 00 218 A1D5 DE 20 2006 015 382 U1D6 DE 6919980 UM1 Geschmacksmuster CH00134972-001M2 Geschmacksmuster EM01699091-001.

84

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin u. a. folgende weitere Druckschrift in das Verfahren eingeführt:

85

D7 FR 2 328 164 A.

86

Zu der D7 hat der Senat die Druckschrift DE 26 46 180 A1 (D7a) in das Beschwerdeverfahren eingeführt.

87

II. Mit Beschluss vom 26. August 2015 hat der Senat der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 77 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG anheimgestellt, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts ist dem Verfahren bisher nicht beigetreten. Sie hat jedoch zu den hier in Rede stehenden verfahrensrechtlichen Fragen mit Schriftsatz vom 28. September 2015, Blatt 116 ff. der Gerichtsakten, im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

88

Eine entsprechende Anwendung von §§ 517, 548 ZPO oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG auf die patentamtlichen Verfahren komme nicht in Betracht, weil die genannten gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung dazu gerichtliche Verfahren beträfen und nicht die Verfahren vor dem DPMA. §§ 73 ff. PatG i. V. m. § 18 GebrMG gäben für eine solche entsprechende Anwendung keine Anknüpfungspunkte und eine § 99 PatG entsprechende Vorschrift fehle in den gesetzlichen Regelungen für die Verfahren vor dem DPMA. Auch wenn einzelne dieser Verfahren teilweise justizähnlich ausgestaltet seien, so sei das DPMA eine Verwaltungsbehörde und die von dieser Behörde geführten Verfahren ihrem Wesen nach Verwaltungsverfahren.

89

Selbst wenn der Senat zu der grundsätzlichen Auffassung kommen sollte, dass es einen wesentlichen Mangel des Verfahrens vor dem Patentamt i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG darstellen könne, wenn die begründete Fassung eines im patentamtlichen Gebrauchsmuster-Löschungsverfahrens verkündeten Beschlusses nicht innerhalb von fünf Monaten, berechnet von der Verkündung an, zu den patentamtlichen Akten gelangt, käme eine Zurückverweisung des Verfahrens an das DPMA vorliegend aus Gründen der Prozessökonomie nicht in Betracht. Denn das Verfahren sei in der Hauptsache entscheidungsreif.

90

Für die weiteren Einzelheiten der Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts wird auf Blatt 116 ff. der Gerichtsakten Bezug genommen.

91

Zu den weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des DPMA und des Gerichts.

B.

92

I. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Mit seiner Verkündung am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung wurde der angegriffene Beschluss erlassen und damit existent. Von diesem Moment an war der Beschluss mit der Beschwerde angreifbar. Einer Ingangsetzung der Beschwerdefrist nach § 18 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 73 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PatG bedurfte es dafür nicht (ständige Rechtsprechung, für die Beschwerde im patentrechtlichen Verfahren vgl. BPatG Mitt. 1969, 153; BPatGE 20, 27, 28; BPatG, Beschluss vom 09.09.2010, Az.: 10 W (pat) 19/09 BlPMZ 2011, 231 Ls; h.M. in der Kommentarliteratur: vgl. Bühring GbmG, 8. Auflage 2010, § 18 Rdnr. 37; Busse/Engels Patentgesetz, 7. Auflage 2013, § 73 Rdnr. 117; Benkard/Schäfers/Schwarz Patentgesetz, 11. Auflage 2014, § 73 Rdnr. 52; für den Fall des markenrechtlichen Beschwerdeverfahrens: Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage 2015, § 66 Rdnr. 39 a. E.; für den Fall der Berufung im Zivilprozess: Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 37. Auflage 2016, § 517, Rdnr. 1). Auf die entsprechenden Hinweise des Senats in seinem Anheimgabe-Beschluss vom 26. August 2015, dort auf Seite 9 oben unter IV., wird hingewiesen.

93

Auf die Frage, ob für die Einlegung der Beschwerde gegen einen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren eine analoge Anwendung von § 517 ZPO in Frage kommt, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn § 517 ZPO – wie auch § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG – bestimmt nur die Zeitpunkte, zu denen die Berufung spätestens eingelegt werden muss, um wirksam zu sein; vorliegend kommt es dagegen auf die Frage an, ab welchem Zeitpunkt die Beschwerde frühestens wirksam eingelegt werden kann. Dafür bedarf es nur der Existenz des angegriffenen Beschlusses.

94

II. Der Antrag der Antragstellerin, den am 10. Oktober 2013 verkündeten Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG wegen eines wesentlichen Mangels des patentamtlichen Verfahrens aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das DPMA zurückzuverweisen, war als unbegründet zurückzuweisen.

95

II.1 Allerdings bewertet der Senat die Tatsache, dass die begründete und signierte Fassung des verkündeten Beschlusses nicht innerhalb von fünf Monaten, gerechnet von der Verkündung an, zu den patentamtlichen Akten gelangt ist, als einen wesentlichen Mangel des Verfahrens vor der Gebrauchsmusterabteilung i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG (so auch für das patentrechtliche Einspruchsverfahren: Die Beschlüsse des Bundespatentgerichts vom 28.10.2015 mit Aktenzeichen 9 W (pat) 43/09, vom 19.02.2014 mit Aktenzeichen 19 W (pat) 16/12 und mit Berichtigungsbeschluss vom 02.04.2014 unter demselben Aktenzeichen, vom 26.03.2012 mit Aktenzeichen 15 W (pat) 14/11 und vom 10.07.2012 mit Aktenzeichen 9 W (pat) 391/06).

96

Das Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren ist justizförmig gestaltet; das gilt insbesondere für das Erkenntnisverfahren nach § 17 Abs. 2, 3 und 4 GebrMG. Es ist als prozessähnliches kontradiktorisches Verfahren angelegt, in dem wesentliche Regeln der Zivilprozessordnung zur Anwendung kommen (Keukenschrijver/Busse, a. a. O., § 17 GebrMG Rdnr. 18). Danach ist u. a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung obligatorisch und für die auf der Grundlage dieser Verhandlung getroffene Entscheidung besteht – ähnlich wie für bestimmte kontradiktorische Gerichtsurteile – Begründungszwang, § 17 Abs. 3 Satz 1 und 3 GebrMG. Für eine etwaige Beweisaufnahme gelten im Wesentlichen die Vorschriften der Zivilprozessordnung. Für das Verfahren nach § 17 Abs. 2 bis 4 GebrMG ist die Gebrauchsmusterabteilung zuständig, die mit einem rechtskundigen und mit zwei technischen Mitgliedern des DPMA besetzt ist, § 10 Abs. 3 GebrMG.

97

Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für geboten, die höchstrichterliche Rechtsprechung zur richterlichen Begründungspflicht bei verkündeten Urteilen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993, GmS-OGB 1/92, NHW 1993, 2603 ff.; BGH, Urteil vom 15.07.1999 - I ZR 118/99 – zu § 551 Nr. 7 ZPO a. F. [§ 547 Nr. 6 ZPO]; für das erstinstanzliche Verfahren im Zivilprozess: BGH, Urteil vom 09.07.2009, IX ZR 197/08), wie sie u. a. bestätigt und weiter fortgesetzt worden ist mit dem von der Antragstellerin in das Beschwerdeverfahren eingeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.12.2008 zu § 83 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG (Az.: I ZB 62/08, Rz. 8 bis 10 – In-Travel-Entertainment/TRAVELTAINMENT), sinngemäß auf die Begründungspflicht der Gebrauchsmusterabteilung bei verkündeten Beschlüssen nach § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 GebrMG anzuwenden. Danach ist unter Rückgriff auf die gesetzliche Wertung des § 548 ZPO nach Ablauf von fünf Monaten, berechnet von der Verkündung an, nicht mehr gewährleistet, dass der Eindruck von der mündlichen Verhandlung und das Ergebnis der Beratung noch zuverlässigen Niederschlag in den so viel später abgefassten Gründen der Entscheidung finden. Diese Frist gilt für alle Gerichtsbarkeiten, da – so die höchstrichterliche Rechtsprechung – im Hinblick auf das Erinnerungsvermögen der Richter keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Gerichtsbarkeiten bestehen. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren sind für den Senat keine empirischen Erkenntnisse und keine logischen Gründe erkennbar geworden, mit denen sich Unterschiede zwischen den Richtern deutscher Gerichte einerseits und den Mitgliedern der Gebrauchsmusterabteilung andererseits im Hinblick auf deren Erinnerungsvermögen begründen ließen.

98

Die begründete und signierte Fassung des am 10. Oktober 2013 verkündeten Beschlusses hätte also spätestens innerhalb von fünf Monaten ab der Verkündung zu den patentamtlichen Akten gelangen müssen. Das wäre am Montag, den 10. März 2014, gewesen. Tatsächlich ist der vollständig abgesetzte und signierte Beschlusstext erst am 2. April 2014 zu den Akten gelangt. Das wird weder von der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts noch von den Verfahrensbeteiligten in Abrede gestellt. Damit leidet der angegriffene Beschluss an einer Verletzung der Begründungspflicht der Gebrauchsmusterabteilung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GebrMG, der mit Rücksicht auf die Bedeutung der mündlichen Verhandlung nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GebrMG für das Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung einen wesentlichen Mangel des Verfahrens vor dem Patentamt i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG darstellt.

99

II.2 Nach der Überzeugung des Senats zwingt der festgestellte Verfahrens-mangel im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG jedoch nicht dazu, das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das DPMA zurückzuverweisen (so auch für das patentrechtliche Einspruchsverfahren: Die Beschlüsse des Bundespatentgerichts vom 28.10.2015 mit Aktenzeichen 9 W (pat) 43/09, vom 19.02.2014 mit Aktenzeichen 19 W (pat) 16/12 und mit Berichtigungsbeschluss vom 02.04.2014 unter demselben Aktenzeichen, vom 26.03.2012 mit Aktenzeichen 15 W (pat) 14/11 und vom 10.07.2012 mit Aktenzeichen 9 W (pat) 391/06). Vielmehr hatte der Senat in der Hauptsache zu entscheiden.

100

Das folgt zunächst aus der Rechtslage: Anders als die gesetzlichen Vorschriften für die Rechtsbeschwerde in § 100 PatG i. V. m. § 18 Abs. 4 GebrMG bestimmen die Vorschriften für das patentgerichtliche Beschwerdeverfahren einen Begründungsfehler der Gebrauchsmusterabteilung oder der Patentabteilungen des Deutschen Patent- und Markenamts bei den von ihnen verkündeten Beschlüssen nicht als unbedingten Aufhebungs- und Zurückverweisungsgrund. Höchstrichterliche Rechtsprechung, mit der die Rechtsprechung zu den zeitlichen Grenzen für die Erfüllung der richterlichen Begründungspflicht bei verkündeten Entscheidungen auf die Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts im Sinne eines zwingenden Zurückverweisungsgrundes ausgedehnt worden wäre, hat der Senat nicht festgestellt.

101

Damit bleibt es bei der Ermessensentscheidung nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Danach ist das Bundespatentgericht grundsätzlich nicht daran gehindert, auch bei Vorliegen eines schweren Verfahrensverstoßes abschließend in der Sache zu entscheiden, das gilt insbesondere dann, wenn das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache entscheidungsreif ist (std. Rspr., vgl. BGH BlPMZ 2001, 108 ff., 109, 110, und Engels/Busse a. a. O., § 79 Rdnr. 75, Benkard/Schäfers/Schwarz a. a. O., § 79 Rdnr. 41, Schulte/Püschel Patentgesetz, 9. Auflage 2014, § 79 Rdnr. 18, jeweils mit weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung).

102

Das entspricht der Stellung des Bundespatentgerichts im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren als erstinstanzliches Gericht und gerichtliche Tatsacheninstanz ohne Präklusion in einem zweistufigen gerichtlichen Instanzenzug. Bei dieser Funktion des Beschwerdeverfahrens verlangt eine effiziente Verfahrens-führung, dass das Bundespatentgericht möglichst abschließend über die Hauptsache entscheidet und in den Fällen von § 100 Abs. 2 PatG die Rechts-beschwerde zum Bundesgerichtshof zulässt. Ähnliche Gewichtungen treffen § 113 VwGO für das erstinstanzliche Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und § 538 ZPO für die Berufungsverfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten.

103

Vorliegend lässt der festgestellte Verfahrensmangel die Existenz des angegriffenen Beschlusses unberührt; denn der Beschluss ist mit seiner Verkündung am 10. Oktober 2013 erlassen worden und damit existent geworden. Daher liegt kein Fall vor, in dem das Patentamt noch nicht in der Sache selbst entschieden hätte, § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG. Es sind auch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden, die für eine abschließende Entscheidung wesentlich gewesen wären, § 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG. Vielmehr war das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache entscheidungsreif. Das hat die Antragstellerin - vorbehaltlich ihrer Einwände gegen die verfahrensrechtliche Zulässigkeit einer solchen Entscheidung durch das Bundespatentgericht – auch so gesehen. Die von der Antragstellerin eingeforderte Rechtsweggarantie nach Artikel 19 Abs. 4 GG ist durch das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht erfüllt worden.

104

III. Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin hin war der am 10. Oktober 2013 verkündete Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA aufzuheben und das Streitgebrauchsmuster war zu löschen. Denn das Streitgebrauchsmuster war nicht i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG schutzfähig, weil sein Gegenstand weder in seiner eingetragenen Fassung noch in den hilfsweise verteidigten Fassungen nach den Hilfsanträgen I bis V auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

105

1. Laut Beschreibung der Gebrauchsmuster-Schrift, vgl. Abs. [0001], betrifft das Streitgebrauchsmuster ein am Ende der Abluftleitung anzubringendes Lüftungsgitter, wobei das Lüftungsgitter einen Rahmen aufweist, der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung und an seiner Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung aufweist. Dabei befinden sich im Rahmen zwischen der Ablufteintrittsöffnung und der Abluftaustrittsöffnung mindestens drei feststehende, sich über den Querschnitt der Ablufteintrittsöffnung erstreckende und zueinander parallele Lamellen. Dabei soll das Lüftungsgitter die Be- und Entlüftung, also hier den Luftstrom, nicht beeinträchtigen, vgl. Abs. [0002] bis [0004]. Wenn der Lufttransport dabei z. B. im Wesentlichen von innen nach außen erfolgt, soll ein Luftstrom von außen in das Innere des Gebäudes genauso verhindert werden, wie beispielsweise das Eindringen von Regen oder sonstigen Umwelteinflüssen sowie das Eindringen von Gegenständen oder Lebewesen, wie z. B. Vögeln, Mäusen oder Ähnlichem.

106

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitgebrauchsmuster die Aufgabe zugrunde, ein Lüftungsgitter bereitzustellen, bei dem zum einen die Strömungseigenschaften optimiert sind und zum anderen auch das übermäßige Eindringen von kalter Außenluft vermieden wird, vgl. Abs. [0005].

107

Diese Aufgabe wird im Streitgebrauchsmuster dadurch gelöst, dass die feststehend angeordneten Lamellen gegenüber einer zu der Hauptströmung der durch die Ablufteintrittsöffnung in den Rahmen einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung eine strömungstechnisch optimierte Neigung mit einem Winkel von 50° bis 55° aufweisen. Weiterhin sollen die Lamellen über die Vorderseite des Rahmens hinaus ragen und so einen Überstand bilden und an ihrer über die Vorderseite des Rahmens hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt aufweisen.

108

Unter einer feststehenden Anordnung der Lamellen im Rahmen wird hier verstanden, dass nach der Montage im Rahmen keine Bewegung der Lamellen mehr möglich ist, insbesondere keine Rotation und Translation der Lamellen relativ zum Rahmen durch den Luftstrom, vgl. Abs. [0008]. Der nach unten abgewinkelte Abschnitt der Lamellen soll eine gute Abtropfkante für Regen- und Kondenswasser bilden und außerdem als Schwerkraftsperre ein ungewolltes Eindringen von kühlerer Luft wenigstens teilweise verhindern, vgl. Abs. [0009].

109

2. Als zuständiger Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die Beurteilung des Standes der Technik ankommt, ist ein Techniker für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik anzusetzen.

110

3.0 (a) Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der eingetragenen und nach dem Hauptantrag des Antragsgegners geltenden Fassung war gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG zu löschen, weil der Gegenstand dieses Schutzanspruches nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

111

In seiner eingetragenen Fassung lautet der Schutzanspruch 1 mit hinzugefügten Merkmalsnummerierungen entsprechend der Gliederung, die nach Vorlage durch den Senat im Einvernehmen mit beiden Verfahrensbeteiligten Grundlage der mündlichen Verhandlung war:

112

1A1 Lüftungsgitter (1) zum Anbringen an einem Ende einer Abluftleitung,

113

1A2 wobei das Lüftungsgitter (1) einen Rahmen (2) aufweist,

114

1A2.1 der an seiner der Abluftleitung zugewandten Rückseite eine Ablufteintrittsöffnung (3) und an seiner von der Abluftleitung abgewandten Vorderseite eine Abluftaustrittsöffnung (4) aufweist,

115

1A3 wobei in dem Rahmen (2) zwischen der Ablufteintrittsöffnung (3) und der Abluftaustrittsöffnung (4) mindestens drei sich über den Querschnitt der Abluftaustrittsöffnung (4) erstreckende und zueinander parallele Lamellen (5) feststehend angeordnet sind,

116

dadurch gekennzeichnet, dass

117

1A4 die Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen (2) einströmenden Abluft senkrechten Ebene in Strömungsrichtung

118

1A4.1 eine Neigung mit einem Winkel (7) von 50° bis 55° aufweisen,

119

1A5 wobei die Lamellen (5) über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen und so einen Überstand bilden,

120

1A6 wobei die Lamellen (5) an deren über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt (9) aufweisen.

121

Die Druckschrift D7a zeigt und beschreibt ein Lüftungsgitter mit Rahmen und im Winkel von ca. 55° feststehend angeordneten Lamellen entsprechend den Merkmalen 1A1 bis 1A4.1, vgl. Fig. 2 i. V. m. S. 9, Abs. 1 – 3.

122

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der eingetragene Schutzanspruch 1 durch die Merkmale 1A5 und 1A6 („wobei die Lamellen über die Vorderseite des Rahmens (2) hinaus ragen“ bzw. „an deren über die Vorderseite des Rahmens hinaus ragenden Vorderkante einen nach unten abgewinkelten Abschnitt aufweisen“). Dazu wird im Streitgebrauchsmuster, Abs. [0003], letzte 6 Zeilen, ausgeführt, dass bei Lüftungsgittern das Eindringen von Regen verhindert werden soll. Dieses Überstehen von „Abtropfkanten“ als einfache und überschaubare Maßnahme verbessert jedoch lediglich in bekannter Weise den Schlagregenschutz. Sie ist eine für den Regenschutz z. B. bei Dachüberständen oder Fensterbrettern allgemein bekannte handwerkliche Ausbildung. Dazu führt der Antragsgegner aus, dass nach seiner Auffassung für den Fachmann eine Übertragung von Merkmalen oder Erkenntnissen zwischen den völlig verschiedenen Fachgebieten von Lüftungsgittern und dem Schlagregenschutz beim Dachbau ausgeschlossen sei. Somit habe der Fachmann ausgehend von der D7a auch keine Veranlassung, diese allgemein für den Schlagregenschutz und den Schutz der darunter liegenden Teile gegen abtropfendes Wasser verwendeten handwerklichen Maßnahmen für ein Lüftungsgitter hinzuziehen. Insoweit beruht diese Argumentation nach Auffassung des Antragsgegners auf einer rückschauenden Beurteilung.

123

Jedoch ist auch bei Lüftungsgittern die Verwendung von Lamellen mit über die Vorderseite des Rahmens hinaus ragenden Vorderkanten bekannt, vgl. beispielsweise die Ausbildung der Lüftungsgitter nach den Geschmacksmustern M1 und M2. In dieser Maßnahme erkennt der Fachmann eine Formgebung, durch die bei Lüftungsgittern das Eindringen von Regen, wie im Streitgebrauchsmuster, Abs. [0003], letzte 6 Zeilen, gefordert, und das Herablaufen von Wasser an der Außenfassade mit entsprechenden Schäden verhindert werden kann.

124

3.0 (b) Der selbständige eingetragene Schutzanspruch 10 war gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG ebenfalls zu löschen, weil der Gegenstand dieses Schutzanspruches nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

125

Schutzanspruch 10 lautet in der eingetragenen Fassung, die nach Hauptantrag und Hilfsantrag V verteidigt wird:

126

Mauerkasten (13),

127

dadurch gekennzeichnet,

128

dass der Mauerkasten (13) ein Lüftungsgitter (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 9 aufweist.

129

Der Begriff „Mauerkasten“ bezeichnet im Zusammenhang mit einer Abluftleitung, wie sie vorliegend durch den Rückbezug des Anspruches 10 auf den Anspruch 1 und das Merkmal 1A1 gegeben ist, den Teil der Abluftleitung, der sich durch die Außenwand eines Gebäudes bis zur Außenseite der Wand erstreckt. Dadurch ergibt sich aus der Angabe „Mauerkasten mit Lüftungsgitter“ des Anspruchs 10 gegenüber dem Anspruch 1 die zusätzliche Beschränkung, dass das Lüftungsgitter am Ende einer durch eine Außenwand eines Gebäudes führenden Abluftleitung angebracht sein muss. Geschützt ist also weder ein Lüftungsgitter allein noch ein innen in einem Gebäude am Ende einer Abluftleitung angebrachtes Lüftungsgitter.

130

Zur Gestaltung des Mauerkastens selbst enthält der Anspruch 10 keine Angaben, insoweit kann jede beliebig gestaltete Leitung als Mauerkasten im Sinne des Anspruchs 10 bezeichnet werden, wenn diese dazu geeignet ist, sich als Abluftleitung gemäß Anspruch 1, Merkmal 1A1, durch eine Außenwand eines Gebäudes zu erstrecken, und wenn sich am außenseitigen Ende ein Lüftungsgitter anschließt.

131

M1, siehe „Sorting number: 1, Image no. 1/3“, und M2, siehe die Figur links oben, zeigen jeweils Leitungen, die als Mauerkasten im Sinne des Anspruchs 10 bezeichnet werden können, mit daran anschließenden Lüftungsgittern. Dass die jeweils gezeigten Leitungen dazu geeignet sind, als Abluftleitung eingesetzt zu werden, ergibt sich dabei aus der Angabe „Ansaug-/Ausblasgitter“ oben auf Seite 1 der M1 und aus der Angabe „Hoods for ventilation“ oben auf der einzigen Seite der M2. Dass die jeweils gezeigten daran anschließenden Lüftungsgitter dazu vorgesehen sind, außen an einem Gebäude angebracht zu werden, ergibt sich einerseits für den Fachmann aus der Gestaltung der jeweiligen Regenschutz-lamellen und darüber hinaus aus der Angabe „Blinds [outdoor]“ oben auf der einzigen Seite der M2.

132

Auch die Kombination des Lüftungsgitters mit einem Mauerkasten kann daher keinen erfinderischen Schritt begründen.

133

3.1 (a)Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der nach dem Hilfsantrag I des Antragsgegners geltenden Fassung war gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG zu löschen, weil der Gegenstand dieses Schutzanspruches nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

134

In der nach dem Hilfsantrag I des Antragsgegners geltenden Fassung kommt gegenüber der Fassung nach dem Hauptantrag am Ende des kennzeichnenden Teils, eingeleitet durch die Worte

135

dadurch gekennzeichnet, dass …

136

folgendes Merkmal hinzu:

137

1A7 die abgewinkelten Abschnitte (9) der Lamellen (5) gegenüber einer zu der Hauptströmungsrichtung (6) der durch die Ablufteintrittsöffnung (3) in den Rahmen einströmenden Abluft senkrechten Ebene nach vorne eine Neigung mit einem Winkel (10) in dem Bereich zwischen 1° und 30° aufweisen.

138

Hinsichtlich des angegebenen Winkels von 1° bis 30° muss der Fachmann beachten, dass sich dieser Winkel nicht auf eine Ebene bezieht, die durch die Rahmenvorderseite des Lüftungsgitters selbst aufgespannt wird, sondern auf eine Ebene, die senkrecht zur Hauptströmungsrichtung der aus der Abluftleitung kommenden, durch die Ablufteintrittsöffnung in den Rahmen des Lüftungsgitters eintretenden Luft ist.

139

Die Bezugsebene wird also nicht durch das Lüftungsgitter allein bestimmt, sondern auch durch den Anbau des Lüftungsgitters an der äußeren Gebäudewand und durch den Verlauf, d. h. die Richtung der Abluftleitung durch die äußere Gebäudewand, aus der sich die Hauptströmungsrichtung der in den Rahmen des Lüftungsgitters eintretenden Luft ergibt.

140

In den tatsächlichen Winkel der abgewinkelten Abschnitte (9) gehen daher nicht nur Fertigungstoleranzen des Winkels zwischen den abgewinkelten Abschnitten (9) und den eigentlichen Lamellen (5) sowie Fertigungs- bzw. Montagetoleranzen des Winkels zwischen den Lamellen (5) und dem Rahmen (2) ein, sondern auch Montagetoleranzen, die sich bei der Befestigung des Lüftungsgitters an der Außenseite einer eventuell unebenen Gebäudewand ergeben können. Darüber hinaus wird in der Praxis eine Abluftleitung eher mit Gefälle nach außen als nach innen in eine äußere Gebäudewand eingebaut, damit eventuell von außen eingedrungenes Wasser oder Kondenswasser nach außen ablaufen kann. Auch ein solches Gefälle der Abluftleitung führt aber zu einer entsprechenden, d. h. gleich großen Neigung der abgewinkelten Abschnitte (9) nach vorn im Sinne des Merkmals 1A7.

141

Selbst wenn also die abgewinkelten Abschnitte (9) eines Lüftungsgitters wie aus D7a, Figur 2, exakt parallel zur Rahmenvorderseite angeordnet sind, d. h. bei senkrecht eingebautem Lüftungsgitter ebenfalls senkrecht, gibt es eine erhebliche Überschneidung mit dem im Merkmal 1A7 angegebenen, bei nur 1° Neigung nach vorn beginnenden Bereich.

142

Auf die Toleranzproblematik ist auch die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung mit ihrem Hinweis eingegangen, die Angabe „etwa vertikal“ der D6, vergl. Anspruch 3, umfasse auch eine Neigung von 1°.

143

Damit begründet auch die Merkmalskombination nach Hilfsantrag I mit dem neuen Merkmal 1A7 keinen erfinderischen Schritt.

144

3.1 (b) Für den nebengeordneten Schutzanspruch 10 und die auf ihn rückbezogenen Schutzansprüche 11 und 12 gilt das zu Schutzanspruch 10 nach Hauptantrag Gesagte entsprechend, vgl. Abschnitt 3.0 (b).

145

3.2 (a) Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der nach dem Hilfsantrag II des Antragsgegners geltenden Fassung war gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG zu löschen, weil der Gegenstand dieses Schutzanspruches nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

146

In der nach dem Hilfsantrag II des Antragsgegners geltenden Fassung kommt gegenüber der Fassung nach dem Hilfsantrag I am Ende des kennzeichnenden Teils folgendes Merkmal hinzu:

147

1A8 wobei die Lamellen (5) so angeordnet sind, dass in einer Vorderansicht die eine Abluftaustrittsöffnung (4) vollständig verdeckt ist.

148

Das Merkmal 1A8 wird in der Fig. 2 der D7a aufgezeigt, der der Fachmann entnimmt, dass die Abluftöffnung vollständig verdeckt ist. Dieser Ausgestaltung wird er umso mehr Aufmerksamkeit schenken, als gemäß D7a, Seite 6 unten, mit den in Fig. 2 dargestellten Lamellen Regen abgehalten werden soll, und gerade diese aus der D7a, Fig. 2, bekannte Ausgestaltung das in einfacher und überschaubarer Weise zu leisten vermag.

149

Damit begründet die Merkmalskombination nach Hilfsantrag II mit dem neuen Merkmal 1A8 ebenfalls keinen erfinderischen Schritt.

150

3.2 (b) Für den nebengeordneten Schutzanspruch 9 und die auf ihn rückbezogenen Schutzansprüche 10 und 11 gilt das zu Schutzanspruch 10 nach Hauptantrag Gesagte entsprechend, vgl. Abschnitt 3.0 (b).

151

3.3 (a) Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der nach dem Hilfsantrag III des Antragsgegners geltenden Fassung war gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG zu löschen, weil der Gegenstand dieses Schutzanspruches nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

152

In der nach dem Hilfsantrag III des Antragsgegners geltenden Fassung kommt gegenüber der Fassung nach dem Hauptantrag am Ende des kennzeichnenden Teils folgendes Merkmal hinzu:

153

1A9 und wobei bei einer vorgegebenen in Strömungsrichtung gemessenen Länge der Lamellen (5) der Abstand zweier benachbarten Lamellen (5) und die Länge des abgewinkelten Abschnitts (9) so gewählt sind, dass die Unterkante (11) des abgewinkelten Abschnitts (9) in einer Seitenansicht des Rahmens (2) auf Höhe der obersten Kante (12) der darunter angeordneten Lamelle (5) abschließt.

154

D7a offenbart in Fig. 2 ein Lüftungsgitter, bei dem die Unterkante des nach unten abgewinkelten Abschnittes einer Lamelle jeweils etwas tiefer als die oberste Kante der darunter angeordneten Lamelle abschließt, in Fig. 3 dagegen ein Lüftungsgitter, bei dem die Unterkante des nach unten abgewinkelten Abschnittes einer Lamelle jeweils etwas höher als die oberste Kante der darunter angeordneten Lamelle abschließt. Damit wird für den Fachmann ein Bereich möglicher Gestaltungen aufgespannt, mit denen gemäß D7a, Seite 6 unten, Regen abgehalten werden kann. Die mit dem Merkmal 1A9 beanspruchte Anordnung liegt mitten in diesem Bereich und ergibt sich deswegen in naheliegender Weise.

155

Damit begründet auch die Merkmalskombination nach Hilfsantrag III mit dem neuen Merkmal 1A9 keinen erfinderischen Schritt.

156

3.3 (b) Für den nebengeordneten Schutzanspruch 9 und die auf ihn rückbezogenen Schutzansprüche 10 und 11 gilt das zu Schutzanspruch 10 nach Hauptantrag Gesagte entsprechend, vgl. Abschnitt 3.0 (b).

157

3.4 (a) Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der nach dem Hilfsantrag IV des Antragsgegners geltenden Fassung war gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG zu löschen, weil der Gegenstand dieses Schutzanspruches nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

158

In der nach dem Hilfsantrag IV des Antragsgegners geltenden Fassung kommen gegenüber der Fassung nach dem Hauptantrag am Ende des kennzeichnenden Teils, eingeleitet durch die Worte

159

dadurch gekennzeichnet, dass …

160

die Merkmale 1A7 und 1A9 hinzu.

161

Die technische Lehre der Merkmale 1A7 und 1A9 ist bereits in den Ausführungen zu Hilfsantrag I und Hilfsantrag III dargestellt worden. Diese beiden Merkmale betreffen jeweils verschiedene Aufgaben, nämlich Merkmal 1A7 die strömungs-günstige Gestaltung des Lüftungsgitters, Merkmal 1A9 dagegen den Regenschutz. Beide Merkmale werden hier nur kumulativ miteinander verbunden. Deswegen begründet auch die Merkmalskombination nach Hilfsantrag IV keinen erfinderischen Schritt.

162

3.4 (b) Für den nebengeordneten Schutzanspruch 9 und die auf ihn rückbezogenen Schutzansprüche 10 und 11 gilt das zu Schutzanspruch 10 nach Hauptantrag Gesagte entsprechend, vgl. Abschnitt 3.0 (b).

163

3.5 Hilfsantrag V des Antragsgegners ist auf eine Zurückweisung des Löschungsantrages im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 10 bis 12 gerichtet. Dass die eingetragenen Schutzansprüche 10 bis 12 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhen, ist bereits oben unter 3.0 (b) festgestellt worden. Daher war das Streitgebrauchsmuster auch im Umfang des Hilfsantrages V des Antragsgegners zu löschen.

164

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

165

V.1 Entsprechend der Anregung der insoweit unterlegenen Antragstellerin war in dem aus Nr. 4 des Tenors ersichtlichen Umfang gemäß § 100 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 PatG i. V. m. § 18 Abs. 4 GebrMG die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Denn der Senat misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, welche verfahrensrechtliche Bedeutung es hat, wenn die begründete, signierte Fassung eines verkündeten Beschlusses der Gebrauchsmusterabteilung nicht innerhalb von fünf Monaten, gerechnet von der Verkündung an, zu den patentamtlichen Akten gelangt, und über diese Frage ist bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden worden.

166

V.2. Nicht gefolgt ist der Senat dagegen der Anregung des Antragsgegners aus dessen Schriftsatz vom 2. März 2015, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der Senat bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde § 517 ZPO analog anwenden sollte. Insoweit fehlte es an den Voraussetzungen von § 100 Abs. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 4 GebrMG. Der Senat hat seine Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde nicht auf eine analoge Anwendung von § 517 ZPO gestützt, im Übrigen beruht diese Entscheidung auf der ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Kommentarliteratur. Etwas anderes hat auch der Antragsgegner nicht vorgetragen.