Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.07.2012


BPatG 10.07.2012 - 9 W (pat) 391/06

Einspruchsverfahren – Mängel des Erteilungsbeschlusses – Unterzeichnung der Begründung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
10.07.2012
Aktenzeichen:
9 W (pat) 391/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Einspruchsache

betreffend das Patent P 44 29 520

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Pontzen sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Reinhardt und Dipl.-Ing. Univ. Nees

beschlossen:

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

1

Gegen das am 19. August 1994 angemeldete und am 23. März 2006 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

2

"Verfahren und Vorrichtung zur Temperierung von

3

Temperierflüssigkeit in Druckmaschinen"

4

ist von der T… AG am 22. Juni 2006 schriftlich mit Begründung Einspruch erhoben worden.

5

Der auf den 2. April 2012 festgesetzte Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht wurde aufgehoben, nachdem sowohl die Patentinhaberin (Schriftsatz vom 7. März 2012) als auch die Einsprechende (Schriftsatz vom 14. März 2012) ihr Fernbleiben von der Verhandlung angekündigt hatten.

6

Die Einsprechende macht schriftsätzlich mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik geltend. Dazu verweist sie u. a. auf die Druckschrift EP 0 383 295 A2 sowie zum Bedeutungsinhalt des Begriffs "Thermostat" auf "Lueger Lexikon der Technik", Taschenbuchausgabe 1970, Verlag Girardet, Band 29, Seiten 498, 499, 1060, 1061 (im Folgenden bezeichnet mit "Lexikon").

7

Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2006 stellt die Einsprechende den Antrag,

8

das Patent zu widerrufen.

9

Die Patentinhaberin stellt mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2006 sinngemäß den Antrag,

10

das Patent aufrechtzuerhalten.

11

Sie hält den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig. Eine Begründung im Einzelnen dazu hat sie nicht vorgelegt.

12

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

13

" 1. Verfahren zur Temperierung von Temperierflüssigkeit in Druckmaschinen, bei welchem

14

- innerhalb eines geschlossenen Temperierflüssigkeitskreislaufs (2) Temperierflüssigkeit von einer Temperiereinheit (4) zu einem zu temperierenden Druckmaschinenteil (1) entlang einer Vorlaufleitung (6) des Temperierflüssigkeitskreislaufs (2) und von dem Druckmaschinenteil (1) zur Temperiereinheit (4) entlang einer Rücklaufleitung (14) des Temperierflüssigkeitskreislaufs (2) zirkuliert wird,

15

- die durch die Temperiereinheit (4) erzeugte Ist-Temperatur (T ist1 ) der in die Vorlaufleitung (6) abgegebenen Temperierflüssigkeit durch einen Thermostaten (8) geregelt oder gesteuert wird, welcher auf eine Soll-Temperatur (T ST ) eingestellt wird, wobei diese Ist-Temperatur (T ist1 ) sich in einem von der Soll-Temperatur (T ST ) abhängigen Bereich zwischen einer unteren Grenztemperatur (T u ) und einer oberen Grenztemperatur (T o ) hin- und herbewegt,

16

- in Abhängigkeit von einer momentanen Ist-Temperatur (T ist2 ), welche die Temperierflüssigkeit in der Vorlaufleitung (6) vor Eintritt in das Druckmaschinenteil (1) hat, ein bestimmter Teil der von dem Druckmaschinenteil (1) erhitzten oder abgekühlten Temperierflüssigkeit von der Rücklaufleitung (14) abgezweigt wird und entlang einer Bypassleitung (16) unter Umgehung der Temperiereinheit (4) in die Vorlaufleitung (6) zurückgeführt wird derart, dass den aus der Bewegung der durch die Temperiereinheit (4) erzeugten Ist-Temperatur (T ist1 ) in dem Bereich zwischen der unteren Grenztemperatur (T u ) und der oberen Grenztemperatur (T o ) sich ergebenden Temperaturschwankungen der Temperierflüssigkeit entgegengewirkt wird."

17

Diesem Patentanspruch 1 schließen sich der rückbezogene Patentanspruch 2 sowie der nebengeordnete Patentanspruch 3 mit den auf diesen rückbezogenen Patentansprüchen 4 bis 9 an. Zum Wortlaut dieser Ansprüche wird auf die Akte verwiesen.

II.

18

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

19

1. Der Einspruch ist zulässig. Es liegt ein wirksam erteiltes Patent vor, auch wenn im Erteilungsverfahren vor der Prüfungsstelle Mängel aufgetreten sind, wie der Senat im Wege der Amtsermittlung festgestellt hat.

20

Die Mängel sind durch den Verlust von Teilen der Amtsakte ausgelöst worden und im Zuge der anschließenden Rekonstruktion und Weiterbearbeitung entstanden. Im Rahmen einer Anhörung am 30. März 2004 ist zu der Anmeldung P 44 29 520.0-27 ein ab 20. August 1994 laufendes Patent unter der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur Temperierung von Temperierflüssigkeit in Druckmaschinen" durch mündliche Verkündung erteilt worden. Allerdings wurde das entsprechende Beschlussdokument (A 9114), wie der Amtsakte (Bl. 81) zu entnehmen ist, laut Stempelung erst am 26./27. September 2005 weiterbearbeitet, also rund 18 Monate nach der Anhörung. Hintergrund war der Verlust der gesamten Amtsakte nach Durchführung der Anhörung, vermutlich auf dem Wege zur Schreibkanzlei. Sowohl die Niederschrift über die Anhörung am 30. März 2004, die damals - das übliche Procedere unterstellt - auf dem üblichen Formular vom Prüfer vor Abgabe an die Geschäftsstelle unterzeichnet worden war, als auch die Beschlussbegründung konnten über die beim seinerzeit zuständigen Prüfer noch vorhandenen Dateien rekonstruiert werden. Zu diesem Zeitpunkt war dieser Prüfer jedoch nicht mehr im Deutschen Patent- und Markenamt tätig, so dass dessen Nachfolger auf der Prüfungsstelle die Niederschrift mit Datum vom 26. September 2005 "i. V." unterschrieben hat. Den Beschluss im Anschluss an die Anhörung und Verkündung hat er auf dem Formblatt P 2718, wie vorgesehen, mit Namenskürzel und Stempel unterzeichnet, den aus den elektronischen Dateien rekonstruierten, nunmehr als Aktenexemplar abgelegten Beschluss über dem Namen des nun nicht mehr zuständigen Prüfers wieder mit "i. V." unterzeichnet. Gegen diesen am 10. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat die Anmelderin kein Rechtsmittel eingelegt. Nach Veröffentlichung der Patenterteilung ist dann von dritter Seite Einspruch gegen das Patent eingelegt worden.

21

Der verspätet zugestellte Beschluss, unterzeichnet von einem Prüfer mit dem Zusatz „i. V.“, ist mängelbehaftet.

22

Mündlich verkündete Beschlüsse - wie hier - werden im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe, z. B. im Rahmen der Anhörung (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 PatG) wirksam, jedenfalls existent (vgl. BGH NJW 2006, 1881; Schulte, PatG 8. Aufl. 2008, § 47 Rdn. 13; van Hees/Braitmayer, - "Verfahrensrecht in Patentsachen", 4. Aufl. 2010, Rdn. 366; Stein/Jonas, ZPO, 2008, § 315 Rdn. 11). Daran ist das Deutsche Patent- und Markenamt gebunden (Schulte a. a. O., Rdn. 28, 30). Auch ein solcher Beschluss muss allerdings begründet und zugestellt werden, wie sich aus § 47 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz PatG ergibt. Diese Begründung verlangt ebenfalls die Unterschrift des Prüfers, der hier die Begründung seines in der Anhörung verkündeten Beschlusses ersichtlich nicht unterschrieben hat, so dass es sich bis dahin nur um einen Entwurf handelt. Diesen kann auch ein Vertreter im Amt unterschreiben; dabei muss er jedoch in eigener Verantwortung handeln, was durch den Zusatz „i. V.“ aber nicht gewährleistet ist und jedenfalls in Frage gestellt ist (vgl. Mes, PatG, 3. Aufl. 2011, § 47 Rdn. 7; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2011, § 61 MarkenG, Rdn.5 m. w. N). Denn die Unterzeichnung mit einem solchen Zusatz deutet eher darauf hin, dass er keine eigene Entscheidung treffen, sondern nur die Fortführung des Verfahrens ermöglichen wollte. Bei der Beschlussfassung durch die Prüfungsstelle, die für die Begründung der Beschlüsse nach § 47 Abs.1 S. 1 PatG zuständig ist, besteht jedoch keine Möglichkeit für ein solches Vertretungsverhältnis. Vielmehr muss der Vertreter diesen Beschluss als ihm selbst zurechenbar begründen, was der Zusatz „i. V.“ gerade in Frage stellt.

23

Die Begründung des Beschlusses war auch nicht nach § 47 Abs.1 S. 3 PatG entbehrlich, denn in der Anhörung ist das Patent nur auf den Hilfsantrag der Anmelderin erteilt worden, die damit beschwert war (vgl. Schulte a. a. O. § 47 Rdn. 23).

24

Eine Heilung des Mangels durch Nachholung der Unterschrift scheidet aus. Denn unabhängig davon, ob der erlassende Prüfer oder der jetzt zuständige Prüfer eigenverantwortlich unterschreibt, ist die Nachholung einer Unterschrift nach den allgemeinen prozessualen Regeln, die auch im Patenterteilungsverfahren zu beachten sind, ausgeschlossen, wenn seit der Verkündung des Beschlusses fünf Monate verstrichen sind (vgl. BGH NJW 2006, 1881; Stein/Jonas a. a. O., Rdn. 16), was auf den vorliegenden Fall zutrifft.

25

Diese Mängel führen aber nicht zur Nichtigkeit des im Rahmen der Anhörung ergangenen Erteilungsbeschlusses.

26

Während bei nicht verkündeten Beschlüssen die fehlende Unterschrift unter der Urschrift zu einem Nicht-Beschluss führt, kann bei verkündeten Beschlüssen nur ein besonders schwerer Fehler diese Bewertung herbeiführen; die fehlende Begründung (sei es mangels Unterschrift, sei es wegen Missachtung der 5-Monats-Frist) macht den Beschluss angreifbar, aber nicht nichtig (vgl. Schulte, a. a. O. § 49 Rdn. 29ff.; van Hees/Braitmayer a. a. O., Rdn. 383, 384). Denn die Fehlerhaftigkeit ist nicht für jeden Dritten bei verständiger Würdigung der Umstände, insbesondere der Rekonstruierung der Akte, offensichtlich. Die Wirksamkeit der Verkündung wird durch falsche Unterschriften oder Fehlen der Unterschriften nicht beeinträchtigt (vgl. Stein/Jonas/Leipold, a. a. O., § 315 Rdn. 15; BGH NJW 1998, 609f.).

27

Auch die formwidrige Unterschrift des Protokolls führt nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses. Das Protokoll über die Anhörung war zwar auch nachträglich wiederhergestellt und vom Nachfolger auf der Prüfungsstelle unterzeichnet. Da das Protokoll in diesem Fall aber keine konstitutive Funktion hat, sondern als öffentliche Urkunde (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 46 Rn. 55) nur Auskunft über den Ablauf der Anhörung einschließlich der Beschlussverkündung gibt und dieses Protokoll durchaus rekonstruierbar war, steht dessen Beweiswert außer Frage; zudem ist der dort wiedergegebene Beschlusstenor völlig unstreitig. Nichtsdestotrotz bleibt ein  ohne  Unterschrift des Einzelrichters ausgefertigter und zugestellter Beschluss nach §§ 315, 317 ZPO anfechtbar, was aber dem beschwerten Anmelder obliegt (vgl. Stein/Jonas/Leipold, a. a. O. Rdn. 11).

28

Nachdem hier die Anmelderin kein Rechtsmittel gegen den zugestellten Beschluss "ohne Begründung" eingelegt hat, ist er trotz Mängeln unanfechtbar geworden (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 49 Rdn. 8). Unbemerkt gebliebene Mängel des Erteilungsverfahrens werden durch die rechtskräftige Patenterteilung geheilt (vgl. BPatG PMZ 84, 380). Die darauf beruhende Erteilung des vorliegend angegriffenen Patentes und dessen Veröffentlichung sind daher wirksam. Einwendungen können auch nicht mehr im Rahmen des Einspruchsverfahrens geltend gemacht werden. Insbesondere kann die Einsprechende in diesem Zusammenhang nicht nachträglich bemängeln, die in der Akte enthaltenen Unterlagen wichen möglicherweise von den tatsächlich eingereichten ab. Denn die Einsprechende muss von den Umständen der nachträglichen Aktenrekonstruierung gewusst haben, wenn sie in ihrer Einspruchsbegründung (S. 12, in der GA S. 18) auf das Anhörungsformular eingeht. Die ursprüngliche Offenbarung hat sie dabei nicht in Zweifel gezogen.

29

Ohnehin ist Gegenstand des Einspruchsverfahrens das Patent und nicht das Erteilungsverfahren. Die Einspruchsgründe sind gesetzlich limitiert. In diesem Rahmen kann hinsichtlich der aufgetretenen Mängel allenfalls gerügt werden, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Andere Mängel können nicht geltend gemacht werden, selbst wenn es im Erteilungsverfahren gerechtfertigt gewesen wäre, wegen prozessualer Mängel die Anmeldung gemäß § 48 PatG zurückzuweisen (vgl. Schulte a. a. O. § 21 Rdn. 23ff.; dort auch Beispiele unzulässiger Gründe wie Verfahrensmängel etc.).

30

Nach alledem liegt ein wirksamer Erteilungsbeschluss vor, der Einspruch ist diesbezüglich und auch im Übrigen zulässig.

31

2. Das Patent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Temperierung von Temperierflüssigkeit in Druckmaschinen.

32

In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass bei Druckmaschinen die Oberflächen der Rotationskörper wie Druckplattenzylinder, Gummituchzylinder, Gegendruckzylinder, Rollen und Walzen von Feucht- und Farbwerken von Offset-Druckmaschinen ständig auf einer Temperatur oder innerhalb eines Temperaturbereichs gehalten werden müssten, welche von der jeweiligen Funktion des Rotationskörpers abhingen. Bei unterschiedlichen Einsatz- und Randbedingungen der Druckmaschine könne diese Bedingung nur dann erfüllt werden, wenn der Rotationskörper als Ganzes oder seine Oberfläche je nach Betriebssituation durch eine Temperiervorrichtung gekühlt oder beheizt würde (Streitpatentschrift Absatz 0005).

33

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht darin (Absatz 0006),

34

die Temperierung von Druckmaschinen so weiterzubilden, dass auf einfache Weise und mit einfachen Mitteln unerwünschte Temperaturschwankungen einer Temperierflüssigkeit reduziert werden, so dass die Druckqualität verbessert wird und unerwünschte Farbablagerungen auf Zylindern und Walzen der Druckmaschine reduziert werden.

35

Dieses Problem soll durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 sowie durch die Vorrichtung nach Patentanspruch 3 gelöst werden.

36

3. Für die Interpretation des Anspruchsgegenstandes sowie für seine Beurteilung im Hinblick auf den Stand der Technik ist das Verständnis des zuständigen Fachmanns zugrunde zu legen.

37

Als Fachmann sieht der Senat einen Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Hersteller von Druckmaschinen oder einem Zulieferer mit der Entwicklung von Temperiersystemen für die druckbilderzeugenden Maschinenkomponenten beauftragt ist und über mehrere Jahre Berufserfahrung auf diesem Gebiet verfügt.

38

Nach dem Verständnis dieses Fachmanns zirkuliert bei dem beanspruchten Verfahren eine Temperierflüssigkeit innerhalb eines geschlossenen Kreislaufs zwischen einer Temperiereinheit und dem zu temperierenden Druckmaschinenteil. Der geschlossene Kreislauf enthält eine von der Temperiereinheit zum Druckmaschinenteil führende Vorlaufleitung sowie eine von dem Druckmaschinenteil zur Temperiereinheit führende Rücklaufleitung. Über eine Bypassleitung kann Temperierflüssigkeit aus der Rücklaufleitung abgezweigt und unter Umgehung der Temperiereinheit in die Vorlaufleitung zurückgeführt werden. Die Temperiereinheit bringt die Temperierflüssigkeit auf eine Temperatur innerhalb eines durch einen unteren und einen oberen Grenzwert begrenzten Temperaturbereichs und gibt sie mit dieser Temperatur in die Vorlaufleitung ab. Die Temperiereinheit wird mittels eines Thermostaten ein- und ausgeschaltet. Sie wird eingeschaltet, sobald die Ist-Temperatur der Temperierflüssigkeit in der Temperiereinheit den unteren Grenzwert unterschreitet und ausgeschaltet, sobald die Ist-Temperatur den oberen Grenzwert erreicht (Streitpatentschrift Absätze 0016, 0020, 0021). Auf diese Weise findet ein Hin- und Herschwingen der Ist-Temperatur zwischen dem oberen und dem unteren Grenzwert um einen Sollwert herum statt, wobei dieses Regelverhalten für einen Thermostaten typisch ist (Absatz 0022).

39

Der über die Bypassleitung abgezweigte Mengenstrom ist in seinem Betrag abhängig von einer weiteren Ist-Temperatur, gemessen in der Vorlaufleitung vor Eintritt in das Druckmaschinenteil.

40

4. Die Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche kann dahinstehen. Ebenfalls bedarf es keiner Beurteilung der gewerblichen Anwendbarkeit sowie der Neuheit des beanspruchten Gegenstands. Denn das Patent kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

41

Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachfolgend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

42

1. Verfahren zur Temperierung von Temperierflüssigkeit in Druckmaschinen,

43

2. die Temperierflüssigkeit wird innerhalb eines geschlossenen Temperierflüssigkeitskreislaufs (2) von einer Temperiereinheit (4) zu einem zu temperierenden Druckmaschinenteil (1) entlang einer Vorlaufleitung (6) des Temperierflüssigkeitskreislaufs (2) und von dem Druckmaschinenteil (1) zur Temperiereinheit (4) entlang einer Rücklaufleitung (14) des Temperierflüssigkeitskreislaufs (2) zirkuliert,

44

3. die durch die Temperiereinheit (4) erzeugte Ist-Temperatur (T ist1 ) der in die Vorlaufleitung (6) abgegebenen Temperierflüssigkeit wird geregelt oder gesteuert,

45

4. die Regelung oder Steuerung erfolgt durch einen Thermostaten (8), welcher auf eine Soll-Temperatur (T ST ) eingestellt wird,

46

5. dabei bewegt sich die Ist-Temperatur (T ist1 ) in einem von der Soll-Temperatur (T ST ) abhängigen Bereich zwischen einer unteren Grenztemperatur (T u ) und einer oberen Grenztemperatur (T o ) hin und her,

47

6. ein bestimmter Teil der von dem Druckmaschinenteil (1) erhitzten oder abgekühlten Temperierflüssigkeit wird von der Rücklaufleitung (14) abgezweigt und entlang einer Bypassleitung (16) unter Umgehung der Temperiereinheit (4) in die Vorlaufleitung (6) zurückgeführt,

48

7. der abgezweigte Teil der Temperierflüssigkeit ist abhängig von einer momentanen Ist-Temperatur (T ist2 ), welche die Temperierflüssigkeit in der Vorlaufleitung (6) vor Eintritt in das Druckmaschinenteil (1) hat,

49

8. derart, dass den aus der Bewegung der durch die Temperiereinheit (4) erzeugten Ist-Temperatur (T ist1 ) in dem Bereich zwischen der unteren Grenz-temperatur (T u ) und der oberen Grenztemperatur (T o ) sich ergebenden Temperaturschwankungen der Temperierflüssigkeit entgegengewirkt wird.

50

Aus der EP 0 383 295 A2 ist eine Temperiereinrichtung für Druckmaschinen bekannt. Funktion und Arbeitsweise dieser Temperiereinrichtung kennzeichnen ein Verfahren zur Temperierung von Temperierflüssigkeit in Druckmaschinen (--> Merkmal 1).

51

Bei diesem Verfahren wird die Temperierflüssigkeit innerhalb eines geschlossenen Temperierflüssigkeitskreislaufs (Spalte 4, Zeile 2) zwischen einer Temperiereinheit (Wärmetauscher 19, Behälter 21, Heizelement 24) und einem zu temperierenden Druckmaschinenteil (Farbwalze 1) entlang einer Vorlaufleitung (Leitungen 23, 10) und einer Rücklaufleitung (Leitungen 11, 18) zirkuliert (vgl. hier wiedergegebene Figur; --> Merkmal 2).

52

Die durch die Temperiereinheit 19/21/24 erzeugte Ist-Temperatur der in die Vorlaufleitung 23 abgegebenen Temperierflüssigkeit wird geregelt oder gesteuert (Spalte 6, Zeile 44 bis Spalte 7, Zeile 7; Ansprüche 1, 2; --> Merkmal 3). Dies erfolgt durch ein Steuergerät 13 mit einem Mikrocomputer (Spalte 6, Zeilen 54 bis 56; Anspruch 1), wobei eine Soll-Temperatur eingestellt werden kann, auf die die Temperierflüssigkeit durch die Temperiereinheit 24 erwärmt werden soll (Spalte 6, Zeile 54 bis Spalte 7, Zeile 7; Anspruch 2).

53
Abbildung

54

Eine Hin- und Herbewegung der solchermaßen erzeugten Ist-Temperatur zwischen einem oberen und einem unteren Grenzwert wird in dieser Druckschrift zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings ist ein Überschwingen (Über-/Unterschreiten) über den vorgegebenen Sollwert zwischen oberen und unteren Grenzwerten für derartige Regelungen typisch. Die Grenzwerte sind bestimmt zum einen durch Art und Ausgestaltung der jeweiligen Regelungseinrichtung und zum anderen durch einen bewusst in Kauf genommenen "Toleranzbereich", um unentwegte Stellvorgänge zu vermeiden. In letzterem Fall ist auch das Ein- und Ausschalten der angesteuerten Aggregate (hier Temperiereinrichtung) durchaus übliche Betriebsweise. Die vorbekannte Temperiereinrichtung soll zudem ein schnelles Regelverhalten aufweisen (Spalte 3, Zeilen 49 bis 57). Das bedeutet, dass der angestrebte Sollwert zwar schnell erreicht wird, dabei allerdings auch um einen höheren Betrag überschritten wird als bei einer weniger schnellen Regelung. In Kenntnis dieser Zusammenhänge liest der Fachmann die Hin- und Herbewegung der Ist-Temperatur in einem von der Soll-Temperatur abhängigen Bereich zwischen einer unteren und einer oberen Grenztemperatur demnach unwillkürlich mit (--> Merkmal 5).

55

Des weiteren wird bei der vorbekannten Temperiereinrichtung auch ein bestimmter Teil der "beladenen" Temperierflüssigkeit von der Rücklaufleitung 11 abgezweigt und unter Umgehung der Temperiereinheit 19/21/24 in die Vorlaufleitung 10 zurückgeführt (Spalte 4, Zeilen 35 bis 42; Anspruch 1). Dabei entspricht der Mischer 16 einer Bypassleitung, denn er bildet einen Strömungskanal für die an der Temperiereinheit vorbeizuführende Temperierflüssigkeit aus (--> Merkmal 6).

56

Die Einstellung des Mischers 16 und damit des Mengenstroms der abgezweigten Temperierflüssigkeit wird durch das Steuergerät 13 vorgenommen, welches dazu eine am Eintritt in das Druckmaschinenteil 1 vorliegende Ist-Temperatur in der Vorlaufleitung 10 berücksichtigt (Spalte 5, Zeilen 38 bis 45 i. V. m. Spalte 6, Zeilen 29 bis 32; Temperatursensor 14). Somit ist der abgezweigte Teil der Temperierflüssigkeit abhängig von der momentanen Ist-Temperatur, welche die Temperierflüssigkeit in der Vorlaufleitung vor Eintritt in das Druckmaschinenteil hat (--> Merkmal 7).

57

Schließlich ist mit dem Mischen der rücklaufenden und der vorlaufenden Temperierflüssigkeit zwangsläufig eine Dämpfung der aus der zwischen den Grenzwerten hin- und herpendelnden Ist-Temperatur resultierenden Temperaturschwankungen verbunden. Denn die Differenz zwischen den Temperaturen am Eintritt in das Druckmaschinenteil und am Austritt aus letzterem wird verringert. Demnach wird diesen Temperaturschwankungen entgegengewirkt (--> Merkmal 8).

58

Das Verfahren nach dem streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem aus EP 0 383 295 A2 entnehmbaren Verfahren insofern, als zur Regelung der durch die Temperiereinheit erzeugten Ist-Temperatur ein Thermostat benutzt wird (Merkmal 4). Bei der vorbekannten Temperiereinrichtung wird dagegen ein Mikrocomputer eingesetzt.

59

Dieser Unterschied vermag jedoch eine Patentfähigkeit nicht zu begründen. Denn zum einen war der Einsatz von Thermostaten als Temperaturregler am Anmeldetag seit vielen Jahren bekannt (vgl. "Lexikon", Stichworte "Thermostat", "Temperaturwächter"). Aufgrund dessen muss auch die Kenntnis über das Regelverhalten von Thermostaten sowie über die grundsätzliche Eignung derselben für die Regelung eines Temperierkreislaufs für ein Druckmaschinenteil dem am Anmeldetag präsenten Fachwissen des Fachmanns zugerechnet werden. Zum anderen war am Anmeldetag ein Thermostat im Vergleich zu einem Mikrocomputer erheblich kostengünstiger, so dass der bei jeder Weiterbildung grundsätzlich immer auch eine Kostenreduzierung anstrebende Fachmann (vgl. Streitpatentschrift Absatz 0008) Veranlassung hatte, die Notwendigkeit eines Mikrocomputers in Frage zu stellen und eine Verwendung desselben nach Möglichkeit zu vermeiden.

60

Eine solche Möglichkeit ist vorliegend gegeben. Denn die Regelvorgänge beider Regelorgane, sowohl des Thermostats als auch des Mikrocomputers, haben für eine Regelung der hier in Rede stehenden Art in dem Fachmann bewusster Weise prinzipiell gleiche Auswirkungen auf die Ist-Temperatur der Temperierflüssigkeit. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei einem Thermostaten möglicherweise besonders hohe Abweichungen vom Sollwert - höhere als bei einem Mikrocomputer – auftreten. Denn durch Beimischung von rücklaufender Temperierflüssigkeit in den Vorlauf können die Temperaturschwankungen reduziert werden, was der Fachmann aus EP 0 383 295 A2 ohne weiteres entnimmt. Dort ist nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beimischung von Temperierflüssigkeit aus dem Rücklauf in den Vorlauf unter Umgehung der Temperiereinheit dazu dient, sprunghafte Temperaturänderungen zu vermeiden (Spalte 4, Zeilen 1 bis 12). Diese grundsätzliche Maßnahme ist ohne weiteres ersichtlich sowohl bei größeren als auch bei kleineren Temperaturschwankungen durchführbar, dabei kommt es lediglich auf das Mengenverhältnis von vorlaufender und beigemischter Temperierflüssigkeit an.

61

Bei dieser Sachlage ist in der Verwendung eines Thermostaten anstelle eines Mikrocomputers für die Temperaturregelung des Druckmaschinenteils nicht mehr als eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme zu sehen (--> Merkmal 4).

62

Aus Vorstehendem folgt, dass der von einer Temperiereinrichtung nach Art der EP 0 383 295 A2 ausgehende Fachmann zu dem Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch 1 hat kommen können, ohne dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte.

63

5. Die Patentansprüche 2 bis 9 teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1, da über einen Antrag nur in seiner Gesamtheit entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 ff, "Elektrisches Speicherheizgerät").