Entscheidungsdatum: 06.04.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke …
(hier: Kostenfestsetzung)
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. April 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
I.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2013 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Löschung der Wortmarke „…“ unter der Registernummer … zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt. Hinsichtlich der gegen diesen Beschluss von der Antragstellerin eingelegten Beschwerde hat die Rechtspflegerin des Gerichts mit Beschluss vom 13. März 2014 festgestellt, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Die Erinnerung gegen diesen Beschluss ist vom Senat mit Beschluss, der am 2. Mai 2014 an Verkündungs Statt zugestellt worden ist, zurückgewiesen worden.
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das DPMA mit Beschluss vom 30. Juni 2014 auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 50.000 € die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 13. Mai 2014 festgesetzt.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 wendet sich die Antragstellerin gegen diesen Beschluss mit der Begründung, der Streitwert sei unangemessen, weil die Antragsgegnerin bei der Trinkwasserversorgung hoheitlich handele und das Markengesetz deshalb keine Anwendung finde. Der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin sei nicht vertretungsberechtigt und überschreite seine Vertretungsmacht, weil dem Leiter der Gemeindewerke I… durch Satzung Vertretungsmacht eingeräumt sei. Die Antragsgegnerin habe weder eine umfangreiche bzw. adäquate Benutzung der angegriffenen Marke noch die Annahme nachvollziehbar nachgewiesen, dass die Marke wertvoll sei.
Die Antragsgegnerin behauptet, es handele sich um eine von ihr umfangreich benutzte wertvolle Marke (vgl. Benutzungsbeispiele von 2015 und 2016 als Anlagen zum Schriftsatz vom 3. März 2016, Bl. 105 – 112 GA). Der hier angesetzte Wert von 50.000 € sei als Regelstreitwert angemessen (vgl. BGH GRUR 2006, 704; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rdnr. 35).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Das Schreiben vom 8. Juli 2014, in dem der im Kostenfestsetzungsbeschluss des DPMA vom 30. Juni 2014 zugrunde gelegte Gegenstandswert von 50.000 € beanstandet wird, ist als Beschwerde auszulegen. Diese ist gemäß §§ 63 Abs. 3 Satz 3 und 4, 66 Abs. 1 MarkenG zulässig, insbesondere rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des DPMA eingelegt worden.
2. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg
a) Der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin ist gemäß Art. 38 Abs. 1 BayGO berechtigt, die Gemeinde nach außen zu vertreten. Dies gilt unabhängig davon, ob noch weitere Vertreter bevollmächtigt worden sind.
b) Die Antragsgegnerin kann als rechtsfähige Gebietskörperschaft und juristische Person des öffentlichen Rechts nach § 7 Nr. 2 MarkenG Inhaberin einer Marke sein (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 29; Ingerl/Rhonke, MarkenG, 3. Aufl., § 7 Rdnr. 9; Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 7 Rdnr. 4).
c) Das DPMA hat zu Recht die erstattungsfähigen Kosten auf 1.379,80 € festgesetzt.
aa) Dabei hat es für die Gebührenbemessung im vorliegenden Löschungsverfahren zutreffend den Gegenstandswert von 50.000 € zugrunde gelegt.
Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem BPatG für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegenstandswert gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen.
aaa) Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Löschungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke. Dieses Interesse wird vom BGH seit 10 Jahren bei unbenutzten Marken regelmäßig mit 50.000 € bemessen (vgl. BGH, Beschl. v. 16. März 2006 – I ZB 48/05, GRUR 2006, 704 – Markenwert; Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6 m. w. N.). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung der Mehrheit der Senate des BPatG (30 W (pat) 1/14 - Titanshield; 27 W (pat) 57/07 – MAUI SPORTS; 27 W (pat) 103/12 – jugend forscht Schüler experimentieren; 28 W (pat) 58/12 - Lactec; 29 W (pat) 39/09 – Andernacher Geysir; 29 W (pat) 15/10 – Wasserkraft; 24 W (pat) 20/07 – SAMADHI; 24 W (pat) 45/12 – FAGUMIT; 26 W (pat) 128/03 – Dual Mode; 26 W (pat) 2/10 – ErblühTee; 26 W (pat) 47/12).
bbb) Der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 16/10 = GRUR 2012, 1172 – pjur; 25 W (pat) 25/11; Ströbele/Hacker/Knoll, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rdnr. 35), dass im Löschungsverfahren bei unbenutzten Marken der 6,25-fache des alten bzw. der 6-fache Satz des neuen Regelwerts gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu veranschlagen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens nach dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des neuen, ab dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 € insgesamt 30.000 € ausmachen würde, kann sich der Senat nicht anschließen.
(1) Ein Regelwert von 30.000 € wird der tatsächlichen Bedeutung eingetragener Marken im Wirtschaftsleben nicht gerecht (vgl. 27 W (pat) 75/08).
Denn das wirtschaftliche Interesse am Erhalt der angegriffenen Marke umfasst die Kosten für die Entwicklung und die Eintragung der Marke, die bereits insgesamt einen Betrag von 50.000 € und mehr ausmachen können, insbesondere, wenn man externe Beratung in Anspruch nimmt oder die Markenentwicklung Drittfirmen überlässt. Ferner kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke auch darauf richtet, Umsatzausfälle zu vermeiden, die durch die Verzögerung des Vertriebs der Marke zu befürchten sind.
Auch wenn die vom 25. Senat angesprochene Möglichkeit besteht, dass es sich nur um Vorratsmarken handelt, kann dieser Umstand nicht als einziger wirtschaftlicher Hintergrund einer Markenanmeldung unterstellt werden. Es muss vielmehr unter Berücksichtigung aller möglichen Fallgestaltungen ein angemessener Mittelwert gefunden werden, der auch steigende Kosten einbezieht und für einen längeren Zeitraum gelten kann. Letztlich stellt eine Versechsfachung des gesetzlichen Regelwerts ebenso eine Schätzung dieses Mittelwertes dar wie eine Verzehnfachung. Im Hinblick darauf, dass der BGH einen Regelwert von 50.000 € ansetzt und sich das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Schutz der angegriffenen Marke nicht instanzabhängig steigert, sondern der Verfahrenswert derselbe bleibt, erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ein Regelgegenstandswert von 50.000 € angemessen.
(2) Soweit der 25. Senat seine gegenteilige Rechtsauffassung darauf stützt, dass die Vorschriften für den Gegenstandswert im Instanzenzug voneinander abweichen, weil die für den BGH anzuwendende Vorschrift des § 51 Abs. 1 GKG weder einen Regelgegenstandswert noch eine Wertobergrenze enthalte, wie dies in der für das Bundespatentgericht maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Fall sei, hat der BGH klargestellt, dass auch für die Gegenstandswertfestsetzung im Rechtsbeschwerdeverfahren die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist (Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6).
(3) Auch wenn mit der Festsetzung des Regelgegenstandswertes auf 50.000 € die Kostenbelastung steigt bzw. bereits gestiegen ist, dürfte dies gerade im Fall von Vorratsmarken, Unternehmen treffen, die sich diese Kosten leisten können. Für den seltenen Fall, dass ein bedürftiger Privatmann oder ein finanzschwacher Kleinunternehmer höhere als die bei einem Regelwert von 50.000 € anfallenden Anwaltskosten nicht aufbringen kann, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe nach § 81a MarkenG zu beantragen. § 81a MarkenG ist durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) eingefügt worden und ist seit dem 1. Januar 2014 in Kraft, auch wenn diese Regelung nur die Rechtsprechung des BGH seit dem Jahre 2008 umsetzt, wonach Prozesskostenhilfe auch in markenrechtlichen Verfahren zu gewähren sei (GRUR 2009, 88 Rdnr. 9 ff. – ATOZ I; GRUR 2010, 270 Rdnr. 26 – ATOZ III).
(4) Eine deutliche Überteuerung des Verfahrens durch den höheren Regelwert von 50.000 € ist auch deshalb nicht erkennbar, weil er keine proportionale Erhöhung der Kosten zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die vom 25. Senat befürwortete restriktive Gegenstandswertfestsetzung den Druck von Seiten der Rechts- und Patentanwälte auf ihre Mandanten zum Abschluss den Nachteil ausgleichender Honorarvereinbarungen erhöht (vgl. Hoffmann/Albrecht, GRUR-Prax 2015, 96) und so zum Gegenteil der beabsichtigten Kostendeckelung führt.
ccc) Abgesehen davon, dass die Beschwerdegegnerin einen höheren Gegenstandswert als 50.000 € gar nicht geltend macht, die wenigen vorgelegten Benutzungsbeispiele aus einem Zeitraum stammen, der weit hinter dem analog § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des ursprünglichen Löschungsbeschwerdeverfahrens liegt, und weitere konkrete Anhaltspunkte für eine umfangreiche Benutzung oder einen besonderen Wert der angegriffenen Marke weder vorgetragen worden noch ersichtlich sind, hält der erkennende Senat einen (Regel-) Gegenstandswert von 50.000 € für angemessen, aber auch ausreichend.
Eine Reduzierung des Gegenstandswertes allein unter dem von der Antragstellerin angeführten Gesichtspunkt, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts Inhaberin der angegriffenen Marke ist, die hoheitlich handeln kann, kommt nicht in Betracht, weil das Markenrecht unabhängig davon besteht, ob es einer natürlichen Person, einer juristischen Person des Privatrechts oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zusteht, zumal es jederzeit an einen Dritten übertragen werden kann.
bb) Ausgehend von einem Gegenstandswert von 50.000 € waren die beantragte 1,3-fache Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 Nr. 3100 VV RVG unter Zugrundelegung der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Gebührentabelle und für Post- und Telekommunikationsentgelte die unverändert gebliebene Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG festzusetzen:
1.359,80 € |
|
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Summe |
1.379,80 € |
cc) Die festgesetzten Kosten sind auf Antrag der Antragsgegnerin mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erst seit der am 13. Mai 2014 eingetretenen Rechtskraft der Kostengrundentscheidung zu verzinsen (§ 71 Abs. 5 MarkenG, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Da die Beschwerdeführerin in vollem Umfang unterliegt, erscheint es angemessen, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
In Nebenverfahren, zu denen auch Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse zählen, entspricht es in der Regel der Billigkeit, die entstandenen Kosten in Anlehnung an den Erfolg des Rechtsmittels zu verteilen. Nur auf diese Weise werden wirtschaftlich akzeptable Ergebnisse erzielt, da ansonsten der in einem Nebenverfahren Obsiegende durch die Belastung mit seinen eigenen Kosten letztlich gleichwohl einen wirtschaftlichen Schaden erleiden würde, was ihn von der Durchsetzung und der Verteidigung berechtigter Ansprüche abhalten könnte (BPatG 28 W (pat) 52/13; 33 W (pat) 74/06; BPatG 24 W (pat) 13/07; BPatG 27 W (pat) 68/02).