Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 18.09.2018


BGH 18.09.2018 - XI ZR 74/17

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
18.09.2018
Aktenzeichen:
XI ZR 74/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:180918BXIZR74.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 12. Januar 2017, Az: 32 U 1437/16vorgehend LG München I, 22. Februar 2016, Az: 34 O 9367/12
Zitierte Gesetze
Art 103 Abs 1 GG

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 32. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis 30.000 €.

Gründe

I.

1

Die Klägerin, eine Fondsgesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, nimmt den Beklagten auf Feststellung in Anspruch, dass er hinsichtlich einer ihm Zug um Zug zu erbringenden Leistung befriedigt ist.

2

In einem Vorprozess wurde der Beklagte mit Urteil des Landgerichts München vom 6. Februar 2012 verurteilt, an die Klägerin 21.250.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen "Übergabe und Übertragung des Eigentumes" an 2.500.000 Stück Aktien der C.     AG zu zahlen. Der Verurteilung lagen folgende Feststellungen zugrunde: Die Parteien schlossen am 28. Mai 2008 eine "Abtretungsvereinbarung und Optionsvereinbarung zum Erwerb von Aktien an der C.     AG" (im Folgenden: Optionsvereinbarung), mit der der Beklagte sämtliche Rechte und Pflichten einer anderen Gesellschaft aus einer Put-Optionsvereinbarung mit der Klägerin übernahm und der Klägerin zugleich unwiderruflich anbot, bis zu 2.500.000 Stück Aktien der C.     AG zu einem Preis von 8,50 € pro Aktie zu erwerben. Dieses Angebot nahm die Klägerin spätestens am 31. März 2009 an. Die Berufung und die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wurden zurückgewiesen. Der Beklagte hatte in diesem Prozess u.a. erfolglos eingewandt, am 28. Mai 2008 und am 31. März 2009 geschäftsunfähig gewesen zu sein.

3

In Abschnitt D. § 4 der Optionsvereinbarung heißt es u.a., dass der Ausübungspreis Zug um Zug gegen Lieferung der verkauften Aktien zu zahlen ist und die Aktien in ein vom Beklagten benanntes Depotkonto zu liefern sind. Zudem haben die Parteien in den Schlussbestimmungen festgelegt, dass die Vereinbarung deutschem Recht unterliegt.

4

Der Beklagte verweigerte die Zahlung des Kaufpreises sowie die Annahme der ihm angebotenen Gegenleistung. Mit einem an den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten gerichteten Schreiben vom 23. November 2012 forderte die Klägerin den Beklagten unter Hinweis auf Abschnitt D. § 4 Abs. 3 der Optionsvereinbarung auf, Daten eines Depots mitzuteilen, in das die Klägerin die Aktien übertragen bzw. umbuchen kann. Dem kam der Beklagte nicht nach. Mit einem weiteren an den Beklagten persönlich gerichteten Schreiben vom 29. Januar 2013 drohte die Klägerin den freihändigen Verkauf der Aktien gemäß § 373 Abs. 2 HGB an. Mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Februar 2013 verkaufte die Klägerin die Aktien im Wege des Selbsthilfeverkaufs für 6.250.000 € an die K.   D.      AG.

5

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte durch den freihändigen Verkauf der Aktien hinsichtlich der ihm Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Aktien befriedigt ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - ausgeführt:

6

Der Beklagte könne im hiesigen Verfahren nicht mehr einwenden, bei Abgabe seines bindenden Kaufangebots in der Vereinbarung vom 28. Mai 2008 sowie bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin im März 2009 geschäftsunfähig gewesen zu sein. Dem stehe die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegen. Dort sei die synallagmatische Verbindung von Forderung und Gegenforderung rechtskräftig festgestellt. Dies versage es den Parteien, sich in der vorliegenden Klage zu dieser Feststellung in Widerspruch zu setzen.

7

Durch den handelsrechtlichen Selbsthilfeverkauf gemäß § 373 Abs. 2 HGB, der für Rechnung des Beklagten erfolgt sei, habe die Klägerin die ihr obliegende Gegenleistung erbracht. Indem der Beklagte dem klägerischen Antrag auf Verurteilung Zug um Zug im Vorprozess wiederholt entgegengetreten sei, habe er sich gemäß §§ 293, 295, 298 BGB in Annahmeverzug gesetzt. Das wörtliche Angebot der Klägerin habe in der auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageerhebung gelegen. Die Übertragung von in einer Globalurkunde verbrieften und sammelverwahrten Aktien könne durch Umbuchen zwischen Depots vollzogen werden. Auf den Gewahrsam an der Wertpapierurkunde komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Gegenleistung nach Maßgabe des Titels vom 6. Februar 2012 sei durch die Übertragung des anteiligen Miteigentums und die Begründung des mittelbaren Besitzes an der Sammelurkunde ordnungsgemäß erbracht. Davon abgesehen hätten die Parteien in der Vereinbarung vom 28. Mai 2008 auch geregelt, dass die Aktien in ein vom Beklagten zu benennendes Depotkonto zu liefern seien. Das klägerische Angebot durch entsprechende Antragstellung im Ausgangsverfahren habe damit den Anforderungen der §§ 294, 295 Satz 2 BGB genügt und den Beklagten folglich schon damals in Annahmeverzug gesetzt.

8

Jedenfalls sei der Beklagte spätestens durch das Angebot der Klägerin vom 23. November 2012 in Annahmeverzug gesetzt worden. In diesem Schreiben habe die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dessen Vorleistung verlangt, sondern vertragsgemäß die Übertragung der Aktien auf ein vom Beklagten zu benennendes Depot angeboten.

9

Auch der Einwand des Beklagten, das Angebot sei deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen, weil die Aktien nicht im Eigentum der Klägerin gestanden hätten, bleibe ohne Erfolg. Das Landgericht habe sich in zutreffender Weise die Überzeugung gebildet, dass sich an der Rechtslage seit der Durchführung des Ausgangsverfahrens, in dem das Eigentum der Klägerin bereits ausführlich geprüft worden sei, keine Änderung ergeben habe. Dafür spreche auch das Schreiben der D…-Bank vom 21. Januar 2013, wonach sich die Aktien in einem Depot befänden, dessen Inhaberin die Klägerin sei.

10

Die Klägerin habe mit Schreiben vom 29. Januar 2013 den freihändigen Verkauf der Aktien nach § 373 Abs. 2 HGB angedroht. Auf diese einseitige, empfangsbedürftige Erklärung seien die Vorschriften der §§ 116 ff. BGB jedenfalls entsprechend anwendbar. Soweit der Beklagte sich darauf berufe, zum Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens geschäftsunfähig gewesen zu sein, sei der Vortrag hierzu nicht hinreichend substantiiert. Ausweislich des vom Beklagten selbst vorgelegten psychiatrischen Gutachtens vom 28. April 2011 bestehe bei ihm eine rezidivierende depressive Störung, die zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchungen im Januar 2011 durch Therapiemaßnahmen deutlich verbessert gewesen sei. Für diesen Zeitraum habe es nach den gutachterlichen Feststellungen keine ausreichenden Hinweise für eine "psychopathologisch begründbare Verursachung geschäftlicher Entscheidungen" gegeben. Für die Behauptung einer Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Zugangs der Androhung "vom 29. Januar 2012" hätte es daher nachvollziehbarer Angaben zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. zum Auftreten einer erneuten schweren depressiven Episode in diesem Zeitraum bedurft. Der Beklagte führe aber lediglich unter anderem unter Verweis auf eine Begutachtung vom 30. November 2012 aus, dass es zu einer Verschlechterung seines Zustands gekommen sei. Der dortige Gutachter habe jedoch am Untersuchungstag (9. November 2012) Bewusstseinsklarheit und keinen Hinweis auf eine produktive psychotische Symptomatik festgestellt. Eine erneute stationäre Behandlung des Beklagten habe erst wieder im Mai 2013 stattgefunden. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aufgrund dieser Ausführungen keine weitere Beweiserhebung zur Geschäftsfähigkeit bei Zugang des Androhungsschreibens "vom 29. Januar 2012" durchgeführt habe.

11

Auch die Berufungsbegründung vom 11. Mai 2016 enthalte nur die pauschale Behauptung, der Beklagte sei auch nach dem 28. Mai 2008 und zum Zeitpunkt des Zugangs der Androhung "im Januar 2012" geschäftsunfähig gewesen.

12

Inhaltlich genüge die Androhung vom 29. Januar 2013 den gesetzlichen Anforderungen. Es habe auch ein Handelskauf im Sinne des § 373 HGB zugrunde gelegen, weil der Kaufvertrag über die Lieferung von Aktien zumindest für die Klägerin ein Handelsgeschäft gewesen sei.

13

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten.

II.

14

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f., vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 9 und vom 10. Januar 2017 - XI ZR 365/14, BKR 2017, 164 Rn. 8).

15

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zwar angenommen, dass die Klägerin mit ihrem wörtlichen Angebot, den Aktienbestand in ein vom Beklagten zu benennendes Depot zu übertragen, die ihr obliegende Leistung - die Wirksamkeit des Kaufvertrages unterstellt - gemäß § 295 Satz 1 Fall 2, Satz 2 BGB in einer den Annahmeverzug begründenden Weise ordnungsgemäß angeboten hat.

16

a) Die Parteien haben mit der Regelung in Abschnitt D. § 4 Abs. 3 Satz 2 der Optionsvereinbarung, nach der die Aktien in ein vom Beklagten benanntes Depotkonto zu liefern sind, die Übertragung der in einer Globalurkunde verbrieften, sammelverwahrten Aktien im Wege des im heutigen Massengeschäft ohnehin üblichen Effektengiroverkehrs, d.h. ohne die körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden, sogar ausdrücklich in ihren Willen aufgenommen. Dabei wird die Besitzverschaffung mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Umbuchung von Girosammeldepotgutschriften ersetzt (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2004 - XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189, 191 f. mwN und BGH, Urteil vom 24. September 2015 - IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23 Rn. 15). Die für die Übertragung des anteilmäßigen Miteigentums nach Bruchteilen am Sammelbestand nach § 929 Satz 1 BGB erforderliche Übergabe wird in der Weise vollzogen, dass die Wertpapiersammelbank als unmittelbare Fremdbesitzerin des Sammelbestands auf entsprechendes Geheiß den Besitzmittlungswillen bezogen auf diesen Miteigentumsanteil umstellt und nunmehr nicht mehr der Depotbank des Veräußerers den Besitz mittelt, sondern der Depotbank des Erwerbers, die neue mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe wird und ihrerseits den Besitz ihrem Kunden - dem Erwerber - als mittelbarem Eigenbesitzer zweiter Stufe mittelt (vgl. Senatsurteil vom 22. April 1997 - XI ZR 127/96, WM 1997, 1136; BGH, Urteil vom 24. September 2015, aaO Rn. 15 ff.; MünchKommHGB/Einsele, Band 6, 3. Aufl., Depotgeschäft Rn. 108; Gätsch in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 5.67 und 5.81; Klanten in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 72 Rn. 104 f.; Will in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 18.96 und 18.113).

17

b) Aus der Tenorierung des Zug-um-Zug-Vorbehalts im Vorprozess (Zug um Zug gegen "Übergabe" und Übertragung) ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nichts Abweichendes. Wie die Auslegung anhand der Urteilsgründe zweifelsfrei ergibt, ist die Formulierung im Antrag und Urteilsausspruch nicht so aufzufassen, dass der Kaufpreiszahlungsanspruch der Klägerin über die in der Optionsvereinbarung getroffene Regelung (Zahlung Zug um Zug "gegen Lieferung" der verkauften Aktien) hinaus in dem Sinne eingeschränkt werden soll, dass sie tatsächlichen Gewahrsam an Einzelurkunden verschaffen muss. Letzteres wäre nur dann überhaupt möglich gewesen, wenn die Einzelverbriefung nicht gemäß § 10 Abs. 5 AktG satzungsmäßig ausgeschlossen gewesen wäre (§ 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG; vgl. Senatsurteil vom 30. November 2004 - XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189, 191 f.). Für die Frage, welche Leistung die Klägerin dem Beklagten aus dem Kaufvertrag schuldet, ist der Urteilsausspruch zum Zug-um-Zug-Vorbehalt ohne Bedeutung, weil er nicht in Rechtskraft erwächst (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 2 f.).

18

2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass die Klägerin Inhaberin eines entsprechenden Miteigentumsbruchteils am Sammelbestand war (§ 286 ZPO), so dass dem mit der Nichtzulassungsbeschwerde wiederholten Einwand des Beklagten, die Klägerin sei nicht imstande gewesen, die angebotene Leistung zu erbringen (§ 297 BGB), die tatsächliche Grundlage fehlt. Überdies wäre der für das fehlende Leistungsvermögen der Gegenseite darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. MünchKommBGB/Ernst, 7. Aufl., § 297 Rn. 4; Palandt/ Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 297 Rn. 3) beweisfällig geblieben. Er hat für seine Behauptung, die Beklagte habe die Aktien weder selbst innegehabt noch sei sie mangels entsprechender Geldmittel in der Lage gewesen, die Aktien zu erwerben, keinen Beweis angeboten.

19

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt jedoch zu Recht, dass das angegriffene Urteil den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es seinem unter Beweis gestellten Vortrag, er sei sowohl bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin vom 31. März 2009 als auch beim Zugang der unter dem 29. Januar 2013 erfolgten Androhung des Selbsthilfeverkaufs geschäftsunfähig gewesen, nicht nachgegangen ist.

20

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Bei Auslegung und Anwendung der Präklusionsvorschriften sind die Gerichte einer strengeren verfassungsrechtlichen Kontrolle unterworfen als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist. Die Überprüfung geht insoweit über eine bloße Willkürkontrolle hinaus (BVerfG, NJW 2000, 945, 946). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann verletzt ist, wenn das Berufungsgericht Tatsachenvortrag unter offensichtlich fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift für ausgeschlossen erachtet hat (BGH, Beschlüsse vom 3. März 2015 - VI ZR 490/13, NJW-RR 2015, 1278 Rn. 7, vom 6. April 2016 - VII ZR 40/15, BauR 2016, 1209 Rn. 8 und vom 13. Dezember 2017 - IV ZR 319/16, VersR 2018, 890 Rn. 10, jeweils mwN). Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, gilt derselbe Maßstab; sie verletzt Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn sie offenkundig unrichtig ist (BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 5 und vom 11. September 2013 - IV ZR 259/12, NJW 2014, 149 Rn. 15; Senatsbeschluss vom 5. Juni 2018 - XI ZR 388/16, juris Rn. 15; vgl. auch BVerfG, NJW 2001, 1565). Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht Tatsachenvortrag unberücksichtigt gelassen hat, weil es sich offensichtlich fehlerhaft gemäß § 314 ZPO an eine tatsächlich nicht getroffene tatbestandliche Feststellung der Vorinstanz gebunden erachtet hat (BGH, Beschluss vom 14. November 2017 - VI ZR 92/17, NJW 2018, 866 Rn. 16).

21

b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

22

aa) Zwar zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf, dass der Beklagte auch in der Berufungsinstanz noch vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, bereits am 28. Mai 2008 bei Abschluss der Optionsvereinbarung und Abgabe seines Kaufangebots geschäftsunfähig gewesen zu sein. Das von der Beschwerdebegründung zur Darlegung ihrer Gehörsrüge hierfür in Bezug genommene Vorbringen in der Berufungsbegründung weist im Gegenteil aus, dass der Beklagte auf seinen beweisbewehrten Vortrag erster Instanz lediglich insoweit Bezug genommen hat, als er dort vorgebracht hat, "jedenfalls in der Zeit von September 2008" geschäftsunfähig gewesen zu sein (GA III 576). Damit ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör insoweit zumindest nicht den Anforderungen des § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechend dargelegt.

23

bb) Das Berufungsgericht hat aber den beweisbewehrten Vortrag des Beklagten, bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin vom 31. März 2009 aufgrund einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen, wegen der er vom 16. Februar bis zum 8. April 2009 in der Klinik rechts der Isar mit einer Elektrokrampftherapie behandelt worden sei, geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB) gewesen zu sein, gehörswidrig übergangen. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit diesem Tatsachenvorbringen sei der Beklagte durch die aus der Rechtskraft folgende Präklusionswirkung des Urteils im Vorprozess ausgeschlossen, weil dort die synallagmatische Verknüpfung von Forderung und Gegenforderung und die sich hieraus ergebende Beschränkung des Klageanspruchs auch für den vorliegenden Prozess bereits bindend festgestellt worden sei, ist offenkundig fehlerhaft.

24

(1) Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage dient dazu, mittels öffentlicher Urkunde den Nachweis führen zu können, dass der Beklagte befriedigt ist, um so die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO herzustellen. Sachlich läuft sie damit auf eine Wiederholung der Leistungsklage aus dem Vorprozess ohne einschränkenden Zug-um-Zug-Vorbehalt hinaus (vgl. RGZ 100, 197, 199). Diesem uneingeschränkten Leistungsbegehren konnte der Beklagte entgegen der Annahme des Berufungsgerichts entgegenhalten, sich bei Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin (§ 131 Abs. 1 BGB) in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden zu haben.

25

Richtig ist zwar, dass die rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den Parteien als notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Juni 2017 - V ZR 134/16, WM 2018, 684 Rn. 8 ff.). Im Folgeprozess können Tatsachen aber nur insoweit ausgeschlossen sein, als sie den Streitgegenstand betreffen, über den auch im Vorprozess rechtskräftig entschieden worden ist. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, selbst wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden (BGH, Urteil vom 30. Juni 2017, aaO Rn. 11). Danach steht die Rechtskraft des Berufungsurteils im Vorprozess dem hier verfolgten Begehren auf unbedingte Verurteilung des Beklagten offenkundig nicht entgegen, weil beiden Prozessen im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde liegen. Im Vorprozess hatte die Klägerin nämlich nicht auf unbedingte Verurteilung des Beklagten, sondern auf Verurteilung Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Aktien angetragen. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ist daher durch den rechtskräftigen Abschluss des Vorprozesses über die sich aus der synallagmatischen Verknüpfung ergebende Beschränkung des Zahlungsanspruchs nicht rechtskräftig entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 2 f.).

26

(2) Überdies hat das Berufungsgericht verkannt, dass es sich bei der Frage, ob der Kaufvertrag über die Aktien wirksam zustande gekommen ist, lediglich um eine Vorfrage handelt. Die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO setzt der Rechtskraft des Urteils bewusst enge Grenzen dergestalt, dass diese sich auf die im Hinblick auf den Streitgegenstand ausgesprochene Rechtsfolge beschränkt, nicht jedoch die einzelnen Tatsachen, präjudiziellen Rechtsverhältnisse und sonstigen Vorfragen erfasst, aus welchen das Gericht diese Rechtsfolge abgeleitet hat. Das Gericht des Zweitprozesses ist daher nicht gebunden, wenn nicht die im ersten Prozess rechtskräftig ausgesprochene Rechtsfolge im Folgeprozess präjudiziell ist, sondern beiden Prozessen lediglich eine gemeinsame Vorfrage zugrunde liegt (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059, vom 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Rn. 22 und vom 5. November 2009 - IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Rn. 9). So liegt der Fall hier. Dass der Beklagte an die Klägerin den ausgeurteilten Geldbetrag zahlen muss, spielt für die hier aufgeworfene Frage, ob der Beklagte hinsichtlich der an ihn zu erbringenden Leistung durch den Selbsthilfeverkauf befriedigt ist, keine Rolle. Der Umstand, dass es bereits im Vorprozess entscheidungserheblich darauf ankam, ob der Kaufvertrag wirksam ist, bindet das Gericht des Folgeprozesses nicht.

27

cc) Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet darüber hinaus mit Erfolg, dass die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe den Selbsthilfeverkauf wirksam angedroht, Vortrag des Beklagten gehörswidrig übergeht. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass nur ein ordnungsgemäß angedrohter Selbsthilfeverkauf die Erfüllungswirkung herbeiführt und dass die Vorschriften über Willenserklärungen auf die Androhung als geschäftsähnliche Handlung jedenfalls entsprechend anzuwenden sind (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 374 Rn. 13, 15, 23, 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., § 373 Rn. 51, 62, 67; Oetker/Koch, HGB, 5. Aufl., § 374 Rn. 77, 93). Daher wäre - wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat - die Androhung nicht wirksam, wenn der Beklagte, wie von ihm behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt, bei Zugang der Erklärung gemäß § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig gewesen wäre (§ 131 Abs. 1 BGB entsprechend). Die schriftliche Androhung ist, wie unter Ziffer I. der Gründe noch zutreffend festgestellt und aus der konkret in Bezug genommenen Anlage K 21 ersichtlich, unter dem 29. Januar 2013 erfolgt. Soweit das Berufungsgericht - offenbar von dem in den Entscheidungsgründen stellenweise falsch wiedergegebenen Datum "29. Januar 2012" beeinflusst - gemeint hat, dem Beweisangebot sei nicht nachzugehen, weil der Vortrag des Beklagten nicht hinreichend substantiiert sei, hat es die Anforderungen an das Vorbringen offenkundig überspannt.

28

(1) Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BGH, Beschluss vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, WM 2017, 950 Rn. 13). Substantiiert dargelegt ist ein solcher Ausschluss nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 14 mwN) dann, wenn das Gericht auf Grund des tatsächlichen Vorbringens der Partei in die Lage versetzt wird zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB vorliegen. Auf die Wahrscheinlichkeit des Vortrags kommt es nicht an (BGH, Beschluss vom 14. März 2017, aaO).

29

(2) Gemessen hieran ist der Vortrag des Beklagten hinreichend substantiiert. Er hat in der Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen, u.a. durch Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag Bezug genommen, aufgrund seiner depressiven Erkrankung auch zum Zeitpunkt der Androhung des Selbsthilfeverkaufs Ende Januar 2013 so schwer erkrankt gewesen zu sein, dass er geschäftsunfähig gewesen sei. Er hat dazu unter Bezugnahme auf das vom Amtsgericht Bergisch Gladbach in zeitlichem Zusammenhang eingeholte Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr.      O.  vom 30. November 2012 (Anlage B 37) vorgetragen, aufgrund seiner Depression und seiner Gedächtnisstörung damals nicht in der Lage gewesen zu sein, eigenständig eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Er hat ferner bereits in der Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf das am 10. Juni 2013 erstellte Gutachten des Dr.      G.       (Anlage B 38) geltend gemacht, es habe ein komplexes neurologisch-psychiatrisches Krankheitsbild bestanden, welches durch hirnorganische Auffälligkeiten in Verbindung mit einer schweren chronifizierten Depression gekennzeichnet gewesen sei und mit einer völligen Gedächtnisunfähigkeit einhergegangen sei. Der Beklagte hat zudem unter Verweis auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29. Juli 2013 eine ärztliche Bescheinigung der Universitätsklinik M.     vom 7. Juni 2013 (Anlage B 36) in Bezug genommen, die ausweist, dass sich der Beklagte seit dem 6. Mai 2013 aufgrund einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung in stationärer Behandlung befunden hat, damals prozess- und verhandlungsunfähig und nicht in der Lage gewesen ist, eine korrekte eidesstattliche Versicherung abzugeben. Damit hat der Beklagte die vom Berufungsgericht vermissten "nachvollziehbare[n] Angaben zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands bzw. zum Auftreten einer erneuten schweren depressiven Episode in diesem Zeitraum" gemacht. An diesen Vortrag hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 11. November 2016, nachdem das Berufungsgericht in der Verfügung vom 10. Oktober 2016 darauf hingewiesen hatte, dass es den Vortrag für nicht hinreichend substantiiert halte, nochmals erinnert.

30

c) Das Berufungsurteil beruht auf den Gehörsverletzungen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrags, der sich gegen das Zustandekommen des Kaufvertrags und die ordnungsgemäße Durchführung des Selbsthilfeverkaufs richtet, anders entschieden hätte (BVerfGE 60, 247, 250; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.).

III.

31

Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 171/12, BKR 2014, 295 Rn. 6).

Ellenberger     

      

Grüneberg     

      

Matthias

      

Derstadt     

      

Dauber