Entscheidungsdatum: 13.06.2013
1. Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.
2. Der Schuldner hat umfassend über seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit Auskunft zu geben, wenn er geltend macht, im Hinblick auf mangelnde Erträge keine oder wesentlich niedrigere Beträge, wie nach dem fiktiven Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO geboten ist, an die Insolvenzmasse abführen zu können.
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. Februar 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen Antrag am 13. März 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Während des Insolvenzverfahrens übte der Schuldner, der 1959 geboren wurde, eine Beschäftigung als selbständiger Handelsvertreter aus. Mit Schreiben vom 14. April 2008 gab der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit frei. Er unterrichtete den Schuldner darüber, dass er verpflichtet sei, die Gläubiger durch Zahlungen an den Verwalter so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Auskunft über das im Rahmen einer angemessenen unselbständigen Tätigkeit erzielbare Nettoeinkommen erteilte der Schuldner nicht. Er wies ohne nähere Angaben darauf hin, aus seiner selbständigen Tätigkeit keinen den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Gewinn erzielt zu haben. Seine Bemühungen, eine angestellte Tätigkeit als Handelsvertreter zu erhalten, seien erfolglos geblieben.
In seinem Schlussbericht vom 23. Januar 2009 führte der Verwalter aus, der Schuldner hätte im Hinblick auf seinen erlernten Beruf als Industriekaufmann sowie nicht bestehender Unterhaltspflichten ein jedenfalls im pfändbaren Bereich liegendes Nettoeinkommen in Höhe von 990 € monatlich erzielen können. Im Schlusstermin vom 31. März 2009 beantragten die weiteren Beteiligten zu 1 und zu 2 unter Bezugnahme auf den Schlussbericht des Verwalters, dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen Verstoßes gegen § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu versagen.
Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner unter Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse die Zurückweisung der Versagungsanträge.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 4, 6 InsO, § 7 InsO aF, Art. 103f Satz 1 EGInsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die gestellten Versagungsanträge seien zulässig, insbesondere sei unter Bezugnahme auf den Schlussbericht der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO glaubhaft gemacht worden. Er liege auch der Sache nach vor. Der Schuldner habe seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt. Er sei verpflichtet gewesen, an der Ermittlung und Bestimmung eines aus einem angenommenen angemessenen Dienstverhältnis zu erzielenden Einkommens mitzuwirken. Insbesondere hätte er dem Insolvenzverwalter Bewerbungsunterlagen vorlegen müssen, damit dieser hätte überprüfen können, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen dem Schuldner Dienstverhältnisse angeboten worden seien. Dies hätte den Verwalter und das Gericht in die Lage versetzt, ein von dem Schuldner im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu erzielendes Einkommen zu ermitteln. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
2. Den Schuldner trifft im laufenden Insolvenzverfahren nicht die Pflicht, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.
Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter, wenn der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt oder beabsichtigt, eine entsprechende Tätigkeit aufzunehmen, zu erklären, ob Vermögen aus dieser Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört. Dem Verwalter steht eine Entscheidungsalternative zu. Er kann sich entweder dafür entscheiden, dass das Vermögen des Schuldners aus der selbständigen Tätigkeit in der Masse verbleibt und die sich hieraus ergebenden Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten geltend gemacht werden können, oder, dass das sich aus der selbständigen Tätigkeit ergebende Vermögen massefrei wird. Für diesen Fall ordnet § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO an, dass § 295 Abs. 2 InsO entsprechend gilt. Inhalt und Reichweite dieser Verweisung werden in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.
a) Für den Gesetzgeber war entscheidend, dass mit der Möglichkeit der Freigabe der selbständigen Tätigkeit keine Besserstellung der Selbständigen gegenüber den abhängig Beschäftigten verbunden sein sollte. Während Einkünfte des abhängig beschäftigten Schuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens, soweit sie die Pfändungsfreigrenzen übersteigen, unmittelbar vom Insolvenzbeschlag erfasst werden (§ 36 Abs. 1 InsO), flössen bei einer auflagenfreien Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners die hieraus sich ergebenden Einkünfte ohne eine Sonderregelung unmittelbar dem Schuldner oder dessen Neugläubigern zu. Um die Gleichbehandlung beider Gruppen von Schuldnern im Allgemeinen zu erreichen, hat der Gesetzgeber die Freigabe mit einer Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO verknüpft. Die mit der Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolges und mit der Ermittlung des Gewinns aus der wirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen Probleme sollten hierdurch ohne besonderen Verwaltungs- und Kontrollaufwand gelöst werden können (vgl. BT-Drucks. 16/3227 S. 17).
b) Im Anschluss hieran wird überwiegend die Ansicht vertreten, die Verweisung des § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf § 295 Abs. 2 InsO beinhalte eine Rechtsfolgenverweisung auf die Rechtslage in der Wohlverhaltensphase. Danach habe der Schuldner nach der Freigabe zum Ausgleich das fiktive pfändbare Einkommen abzuführen, welches er nach seiner beruflichen Qualifikation aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis hätte verdienen können (LG Göttingen, NZI 2011, 775; MünchKomm-InsO/Lwowski/Peters, 2. Aufl., § 35 Rn. 47; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 3. Aufl., § 35 Rn. 25; HmbKomm-InsO/Lüdtke, 4. Aufl., § 35 Rn. 264; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 35 Rn. 162). Die Masse profitiere nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners, nehme aber auch nicht an dessen Risiko teil (HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO). Der Schuldner habe deshalb wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 295 Abs. 2 InsO dem Insolvenzverwalter die hierfür notwendigen Angaben zu machen; über sein tatsächliches Einkommen als Selbständiger müsse er dagegen nicht berichten (vgl. LG Göttingen, NZI 2011, aaO; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO Rn. 163).
Nach anderer Auffassung sind die Grundsätze des § 295 Abs. 2 InsO im Hinblick auf die im Insolvenzverfahren fehlende Verpflichtung, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu müssen, für die Abführungspflicht des § 35 Abs. 2 InsO nicht maßgeblich. Wegen der strukturellen Unterschiede zwischen dem Insolvenzverfahren und der Wohlverhaltensphase sei nur auf das tatsächlich erzielte Einkommen aus selbständiger Tätigkeit abzustellen. Was über den Pfändungsfreigrenzen liege, müsse abgeführt werden (AG Wuppertal, ZInsO 2011, 2150; Wischemeyer, ZInsO 2010, 2068).
c) Zutreffend ist eine vermittelnde Ansicht. Der Schuldner muss nur dann etwas abführen, wenn er tatsächlich Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt hat. Die Abführungspflicht ist aber der Höhe nach beschränkt gemäß dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO.
aa) Nach den vom Senat zu § 295 Abs. 2 InsO entwickelten Grundsätzen muss sich der Schuldner in der Wohlverhaltensphase im Rahmen seiner Erwerbsobliegenheit um ein Anstellungsverhältnis bemühen, wenn der Ertrag aus seiner selbständigen Tätigkeit hinter demjenigen zurückbleibt, was dem Treuhänder bei einer angemessenen abhängigen Beschäftigung aus der Abtretungserklärung zufließen würde (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009 - IX ZB 133/07, WM 2009, 1291 Rn. 5; vom 14. Januar 2010 - IX ZB 242/06, WM 2010, 426 Rn. 5; vom 19. Mai 2011 - IX ZB 224/09, NZI 2011, 596 Rn. 7; vom 19. Juli 2012 - IX ZB 188/09, ZVI 2012, 386 Rn. 16). Der Schuldner, der sich trotz mangelnden Erfolgs seiner selbständigen Tätigkeit nicht bemüht hat, eine nach seiner Qualifikation und den Verhältnissen des Arbeitsmarkts mögliche Beschäftigung zu erlangen, kann sich nicht darauf berufen, aufgrund fehlender Einnahmen hätten ihm keine Zahlungen an den Treuhänder oblegen. Vermag der Schuldner hingegen - etwa aufgrund seines Alters oder seines gesundheitlichen Zustandes - nicht, durch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis pfändbare Bezüge zu erwirtschaften, so obliegen ihm keine Zahlungen an den Treuhänder gemäß § 295 Abs. 2 InsO, wenn die ausgeübte selbständige Beschäftigung ebenfalls keine solchen Erträge hervorbringt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 8; vom 19. Juli 2012, aaO).
bb) Diese Grundsätze können im Hinblick auf die systematischen Unterschiede zwischen dem Insolvenzverfahren und der sich anschließenden Wohlverhaltensphase nicht unmittelbar auf den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO übertragen werden. Insbesondere ist der Schuldner, der sich die Möglichkeit der Restschuldbefreiung erhalten will, nicht verpflichtet, notfalls eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen.
(1) Die Regelung des § 35 Abs. 2 InsO bezieht sich ausschließlich auf das Insolvenzverfahren. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Erklärungsrecht des Insolvenzverwalters, weil eine Erklärung im Restschuldbefreiungsverfahren im Hinblick auf die Aufhebung des Insolvenzbeschlags gegenstandlos wäre (vgl. Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, Rn. 133).
(2) Die Obliegenheiten des § 295 Abs. 1 InsO unterscheiden sich zudem inhaltlich von den Pflichten, welche den Schuldner im eröffneten Verfahren treffen. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Schuldner eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich um eine solche zu bemühen. Im Insolvenzverfahren gilt dies nicht. Die Arbeitskraft des Schuldners gehört nicht zur Insolvenzmasse. Der Schuldner kann zu einer Erwerbstätigkeit nicht gezwungen werden (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 16; Beschluss vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07, WM 2009, 361 Rn. 11). Auch ist nach geltendem Recht eine Erwerbsobliegenheit für den Schuldner während des Insolvenzverfahrens nicht vorgesehen (vgl. aber § 290 Abs. 1 Nr. 7 RegE-InsO, BT-Drucks. 17/11268 S. 7, 17/13535 S. 12).
cc) Im Hinblick auf die fehlende Erwerbsverpflichtung kann zwar die Grundlage der nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Beträge nur der von dem Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn sein; Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.
(1) Die Vorschrift des § 295 Abs. 2 InsO löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus einem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 13; vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 6; vom 17. Januar 2013 - IX ZB 98/11, WM 2013, 380 Rn. 10; vom 26. Februar 2013 - IX ZB 165/11, WM 2013, 579 Rn. 7; vgl. auch Urteil vom 18. April 2013 - IX ZR 165/12, WM 2013, 1129 Rn. 14). Zur inhaltlichen Bestimmung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als Abführungspflicht (BT-Drucks. 16/3227 S. 17; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - IX ZB 175/10, ZVI 2011, 448 Rn. 9) bezeichneten Zahlungsverbindlichkeit des Schuldners während des vorausgehenden Insolvenzverfahrens kann deshalb auch nicht auf dessen tatsächlich erzieltes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit abgestellt werden. Müsste der Schuldner das gesamte pfändbare Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abführen, könnten die mit der Freigaberegelung des § 35 Abs. 2 InsO verbundenen Ziele nicht wirksam erreicht werden. Die Neuregelung des § 35 Abs. 2 InsO bezweckt, den Schuldner zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu motivieren (BT-Drucks. 16/3227 S. 11). Die Förderung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners, mit dem ihm auch der Neustart nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erleichtert werden soll, könnte bei einer umfassenden Abführungspflicht nicht verwirklicht werden. Der nach "Freigabe" einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO vom Schuldner durch diese Tätigkeit erzielte Neuerwerb haftet daher während des eröffneten (Erst-)Verfahrens grundsätzlich nur den Neugläubigern, nicht aber den Insolvenzgläubigern (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO Rn. 11; Urteil vom 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322 Rn. 14, 28; Berger, ZInsO 2008, 1101, 1106). Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zugunsten der Masse abzuführenden Zahlungen (BGH, Urteil vom 18. April 2013, aaO).
(2) Für ein solches Verständnis spricht ferner der Gesichtspunkt, dass der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen ist, mit der angesprochenen Verweisung ließen sich die mit der Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolgs und der mit der der Ermittlung des Gewinns aus der selbständigen Tätigkeit verbundenen Probleme ohne besonderen Verwaltungs- und Kontrollaufwand lösen (BT-Drucks. 16/3227 S. 17).
dd) Der vorstehende Maßstab führt zu unterschiedlichen Fallgruppen, die auch den Inhalt und Umfang der den Schuldner treffenden Auskunftspflichten näher bestimmen.
(1) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO für den Schuldner zusätzliche Verpflichtungen auslöst, deren Nichtbeachtung zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zur Wohlverhaltensphase nicht um Obliegenheiten, sondern um im Insolvenzverfahren zu beachtende Mitwirkungspflichten des Schuldners, deren grobfahrlässige oder vorsätzliche Verletzung unmittelbar den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO eröffnen (vgl. Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO Rn. 163; FK-InsO/Bornemann, 7. Aufl., § 35 Rn. 24a; D. Fischer in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 290 Rn. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 35 Rn. 105; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO). Eine entsprechende Anwendung des andersartigen Versagungsverfahrens nach § 296 InsO scheidet daher bereits aus systematischen Gründen aus (Ahrens, NJW-Spezial 2013, 85, 86; aA Grote, ZInsO 2011, 1489, 1493 f). Zu den vom Schuldner nach § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachtenden Pflichten gehört insbesondere, die nach § 295 Abs. 2 InsO maßgeblichen Beträge an den Insolvenzverwalter abzuführen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Abführungspflicht, auf deren Einhaltung der Insolvenzverwalter einen unmittelbaren Anspruch hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO Rn. 9) und die im Regelfall eine jährliche Zahlung gebietet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012, aaO Rn. 14). Im Zusammenhang mit der Abführungspflicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO ist der Schuldner gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht auch auskunftspflichtig. Insbesondere hat der Schuldner die für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs notwendigen Angaben gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter zu machen, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ableiten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 - IX ZB 116/08, ZInsO 2009, 1268 Rn. 9; vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 9).
(2) Liegt der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht keine Abführungspflicht. Der Schuldner hat aber im Rahmen seiner Auskunftspflicht umfassend über seine Einnahmen Mitteilung zu geben. Insbesondere ist er gehalten, gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht überprüfbare Angaben zur Gewinnermittlung aus seiner selbständigen Tätigkeit zu machen, damit festgestellt werden kann, ob der Schuldner tatsächlich nicht in der Lage ist, ganz oder teilweise hieraus abführungspflichtige Beträge nach § 295 Abs. 2 InsO aufzubringen.
(3) Liegt das Einkommen des Schuldners aus selbständiger Tätigkeit über dem pfändbaren Betrag aus dem von ihm erzielbaren Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit, hat er den pfändbaren Betrag aus dieser Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abzuführen. Auskunft über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen Tätigkeit muss er, wenn er seiner Abführungspflicht genügt, nicht erteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 8).
d) Das Beschwerdegericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Schuldner in der Lage ist, aus seiner selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO abzuführende Beträge ganz oder teilweise aufzubringen. Ein Verstoß gegen die Abführungspflicht des § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO kann daher nach dem bisherigen Verfahrensstand dem Schuldner nicht angelastet werden.
III.
Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage ist, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
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