Entscheidungsdatum: 18.04.2013
Die Vorausabtretung künftiger, nach Verfahrenseröffnung entstehender Forderungen erlangt infolge Konvaleszenz ihre Wirksamkeit zurück, wenn diese aus einer durch den Insolvenzverwalter freigegebenen selbstständigen Tätigkeit des Schuldners herrühren.
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 22. Juni 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger, ein selbständiger Facharzt für Orthopädie, trat der beklagten Bank zur Sicherung eines ihm gewährten Darlehens im Jahre 1997 die im Rahmen seines Praxisbetriebs gegen die K. V. (nachfolgend: KV) entstehenden Forderungen ab. Am 22. April 2010 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter gab durch Erklärung vom 28. April 2010 gegenüber dem Kläger das Vermögen aus dessen selbständiger Tätigkeit mit Wirkung "zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens" frei.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er Inhaber der von ihm seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die KV erworbenen Ansprüche sei. Die Klage ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Kläger habe die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die KV erworbenen Forderungen infolge der Globalzession wirksam an die Beklagte abgetreten. Zwar habe die Beklagte an Vergütungsforderungen aus nach Verfahrenseröffnung zu erbringenden Behandlungen gemäß § 91 Abs. 1 InsO keine Rechte zu Lasten der Masse erwerben können. Die Verfügung sei jedoch nicht als unwirksam zu erachten; vielmehr sei lediglich das Einziehungsrecht gemäß § 166 Abs. 2 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Durch die negative Freigabeerklärung sei der aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Neuerwerb massefrei geworden. Deshalb sei die Beklagte als Altgläubigerin nicht mehr den nur innerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Beschränkungen der §§ 166 ff InsO unterworfen.
Diese Auslegung stehe in Einklang mit dem Gesetzeszweck des § 35 Abs. 2 InsO. Der Beklagten sei zwar als Altgläubigerin gemäß § 89 InsO eine Vollstreckung in die nach Freigabe durch den Schuldner erwirtschaftete eigenständige Haftungsmasse verwehrt. Als Absonderungsberechtigte (§ 51 Nr. 1, § 50 InsO) sei die Beklagte indessen von dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO nur hinsichtlich ihrer Forderung betroffen. Dies gelte jedoch nicht für die Verwertung einer Sicherheit, um die es sich bei den im Voraus abgetretenen Forderungen handele. Deswegen ergebe sich kein Wertungswiderspruch zu dem gesetzgeberischen Zweck, das durch die selbständige Tätigkeit erwirtschaftete Vermögen des Schuldners den Neugläubigern vorzubehalten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Das Feststellungsbegehren erfasst sämtliche ab Verfahrenseröffnung zugunsten des Klägers gegen die KV begründeten Forderungen.
Die Freigabe nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO verwirklicht sich mit dem Zugang der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters bei dem Schuldner (BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322 Rn. 19, 24). Im Streitfall ist die Freigabe von dem Insolvenzverwalter durch Schreiben vom 28. April 2010 gegenüber dem Schuldner verlautbart worden. Gleichwohl ist für die hier in Rede stehenden Forderungen nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens abzustellen, weil der Insolvenzverwalter die Freigabe ausdrücklich mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt hat. Demgemäß hat der Insolvenzverwalter dem Schuldner für den Zeitraum ab Verfahrenseröffnung bis Wirksamwerden der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO für die bis dahin entstandenen Forderungen eine an keine zeitlichen Voraussetzungen geknüpfte Einzelfreigabe erteilt (vgl. BGH, aaO Rn. 19).
b) Die Prozessführungsbefugnis des Schuldners unterliegt keinen Bedenken.
aa) Die Partei- und Prozessfähigkeit des Schuldners (§§ 50, 51 ZPO) wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - IX ZB 232/08, WM 2009, 332 Rn. 7). Da dem Schuldner durch die Insolvenzeröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). entzogen wird, geht die Prozessführungsbefugnis für massezugehöriges Vermögen von dem Schuldner auf den Verwalter über (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - V ZB 3/08, WM 2008, 1789 Rn. 8; vom 11. Dezember 2008, aaO; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 80 Rn. 23; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 4. Aufl., § 80 Rn. 40; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 9; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 80 Rn. 18).
Der Schuldner verliert durch die Verfahrenseröffnung die Prozessführungsbefugnis gegenständlich beschränkt auf das insolvenzbefangene Vermögen. Seine Prozessführungsbefugnis wird dagegen nicht beschnitten, falls ein Rechtsstreit von vornherein oder nach einer Freigabe durch den Verwalter insolvenzfreies Vermögen betrifft (HK-InsO/Kayser, aaO § 80 Rn. 23; HmbKomm-InsO/Kuleisa, aaO § 80 Rn. 40; Uhlenbruck, aaO § 80 Rn. 9). Bezieht sich der Gegenstand des Rechtsstreits auf freies Vermögen des Schuldners, kann dieser ihn in Ausübung seiner insoweit nicht beeinträchtigten Prozessführungsbefugnis betreiben (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1965 - Ia ZR 144/63, NJW 1966, 51; BVerwG, ZIP 2009, 1899 Rn. 23). Darum ist der Schuldner etwa befugt, nach Freigabe eines Vermögensgegenstandes durch den Verwalter die sich aus § 89 InsO ergebenden Rechte während des laufenden Insolvenzverfahrens geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2009 - IX ZB 112/06, WM 2009, 807). Folgerichtig fällt ein nach Erklärung der Freigabe im Prozessweg erstrittener Vermögenswert nicht in die Masse (BGH, Urteil vom 21. April 2005 - IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32, 37). Die Freigabe führte hier dazu, dass der Schuldner die Verfügungsbefugnis über die aus seiner selbständigen Tätigkeit entstehenden Forderungen wiedererlangte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 257/08, NJW 2010, 3779 Rn. 10). Bei dieser Sachlage begegnet seine Prozessführungsbefugnis keinen Bedenken.
bb) Zu Unrecht macht der Kläger wegen eines vermeintlichen Missverhältnisses der von ihm gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO monatlich an den Verwalter aus seiner selbständigen Tätigkeit zu leistenden Zahlung über 200 € und der an die Beklagte monatlich abgetretenen Forderungen in Höhe von 2.250 € eine Insolvenzzweckwidrigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 172/11, WM 2013, 471 Rn. 8 ff) und damit Unwirksamkeit der Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit durch den Verwalter geltend. Gleiches gilt, soweit der Schuldner beanstandet, das mit einem Wert von 5.000 € bemessene Praxisinventar vereinbarungsgemäß durch Zahlungen an den Verwalter von monatlich 250 € ablösen zu müssen.
Wesentliche Voraussetzung des an den Grundsätzen zum Missbrauch der Vertretungsmacht orientierten Unwirksamkeitsgrundes der Insolvenzzweckwidrigkeit ist der offensichtliche, ohne weiteres erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Der Schutz des Rechtsverkehrs gebietet es, nicht jede für die Masse nachteilige Rechtshandlung des Verwalters als unwirksam anzusehen. Mit der Nichtigkeitssanktion können deshalb nur solche Maßnahmen belegt werden, die dem Insolvenzzweck offensichtlich zuwider laufen (BGH, aaO Rn. 9). Aufgrund der Verweisung des § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO auf § 295 Abs. 2 InsO hat der Schuldner nach einer Freigabe das fiktive pfändbare Einkommen abzuführen, das er entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielen würde (BT-Drucks. 16/3227, S. 17). Die Masse profitiert nach dem Inhalt der Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO gerade nicht von einem wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 - IX ZB 165/11, WM 2013, 579 Rn. 7; Weinland in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, 2012, § 295 Rn. 45). Bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die zugunsten der Masse abzuführende Zahlung, erweist sich die Anordnung einer Abführung von 200 € monatlich mit Rücksicht auf die an angestellte Ärzte geleistete Vergütung jedenfalls nicht als evident insolvenzzweckwidrig. Soweit der Kläger mit dem Beklagten vereinbart hat, das Praxisinventar für 250 € monatlich zu übernehmen, scheidet ebenso eine Insolvenzzweckwidrigkeit aus. Insoweit ist ein offensichtlicher Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters nicht gegeben.
2. In der Sache hat die Revision keinen Erfolg. Der Kläger hat die von ihm künftig gegen die KV erworbenen Forderungen ab dem Zeitpunkt der Freigabe seiner freiberuflichen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter infolge Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB) wirksam an die Beklagte abgetreten (§ 398 BGB).
a) Der Wirksamkeit der zwischen dem Kläger und der Beklagten vereinbarten Forderungsabtretung stand im Blick auf die nach Verfahrenseröffnung begründeten Forderungen zunächst § 91 Abs. 1 InsO entgegen.
aa) Gemäß dieser Vorschrift können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit Abschluss des Abtretungsvertrages beendet. Der Rechtsübergang erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Gläubiger gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben. Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 - IX ZR 191/10, WM 2012, 549 Rn. 29; vom 20. September 2012 - IX ZR 208/11, WM 2012, 2292 Rn. 13). Gesichert ist eine Rechtsposition dann, wenn der Zedent und der Forderungsschuldner sie ohne Zustimmung des Zessionars durch einseitiges Verhalten nicht mehr zerstören können (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012, aaO Rn. 31).
bb) Eine solche gesicherte Rechtsposition hat die Beklagte an den seitens des Klägers abgetretenen, erst nach Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen nicht erlangt.
Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es darauf an, ob sie bereits mit dem Vertragsschluss betagt entstehen oder erst befristet mit der Inanspruchnahme der Gegenleistung; nur im ersten Fall hat der Abtretungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition. Bei Dienstverträgen entsteht der Vergütungsanspruch erst mit der Erbringung der Dienstleistung (BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO Rn. 14), weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden oder der Dienstverpflichtete die ihm obliegende Leistung ohne Gründe, die einen Vergütungsanspruch begründen, verweigern kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07, WM 2008, 1460 Rn. 13). Der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht, gilt auch für den Vergütungsanspruch des Kassenarztes gegen die KV. Voraussetzung jeglicher Vergütungsansprüche des Kassenarztes ist es, dass er vergütungsfähige ärztliche Leistungen erbringt. Diese sind Grundlage des endgültigen Honorarbescheids der KV. Abschlagszahlungen, die der Kassenarzt aufgrund satzungsmäßiger Bestimmungen erhalten mag, ändern daran nichts (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 7). Eine gesicherte Rechtsposition an Honoraransprüchen eines Kassenarztes kann der Zessionar darum erst erwerben, nachdem der Arzt vergütungsfähige Leistungen erbracht hat (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006, aaO Rn. 25; vom 20. Oktober 2011 - IX ZR 10/11, WM 2011, 2294 Rn. 9). Folglich geht eine Vorausabtretung insbesondere dann ins Leere, wenn der Verwalter die Praxis des Schuldners fortführt (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 - IX ZR 61/09, WM 2010, 567 Rn. 2).
b) Der Schuldner hat mit der Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter (§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO) die Verfügungsbefugnis über die gegen die KV gerichteten Vergütungsforderungen zurückgewonnen.
aa) Übt der Schuldner als natürliche Person eine selbständige Tätigkeit aus, kann der Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO erklären, dass Vermögen aus dieser Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Die Freigabe verwirklicht sich ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen mit dem Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner (BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322 Rn. 19). Eine solche Freigabe ist im Streitfall von dem Verwalter gegenüber dem Kläger abgegeben worden.
bb) Die Freigabe von Vermögenswerten durch den Verwalter (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO) bedeutet, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der Schuldner die Verfügungsbefugnis zurückerhält (BGH, Urteil vom 21. April 2005 - IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32, 35). Die betroffenen Gegenstände scheiden aus der Insolvenzmasse aus und unterliegen ebenso wie das insolvenzfreie Vermögen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 93/09, WM 2010, 523 Rn. 6) der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2009 - IX ZB 112/06, WM 2009, 807 Rn. 8; BT-Drucks 16/3227, S. 17).
cc) Bei der Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners knüpft § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO klarstellend an die allgemeine Freigabebefugnis des Insolvenzverwalters an. Mit der Freigabeerklärung verzichtet der Verwalter endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit (BT-Drucks., aaO). Infolge der Freigabe fällt darum der Neuerwerb des Schuldners aus der freiberuflichen Tätigkeit - anders als bei einer Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit durch den Verwalter selbst (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 - IX ZR 61/09, WM 2010, 567 Rn. 2) - nicht mehr in die Masse (LG Göttingen, ZInsO 2011, 1798 f; HmbKomm-InsO/Lüdtke, 4. Aufl., § 35 Rn. 258; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 35 Rn. 99; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2012, § 35 Rn. 159; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 35 Rn. 114; Meyer in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 35 Rn. 82; Berger, ZInsO 2008, 1101, 1106). Die von dem Schuldner ab Wirksamwerden einer Freigabeerklärung aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte stehen darum als ihm gehörendes Vermögen grundsätzlich nur den Gläubigern, deren Forderungen erst nach der Freigabeerklärung entstanden sind, als Haftungsmasse zur Verfügung (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - IX ZB 175/10, WM 2011, 1344 Rn. 11; BGH, Urteil vom 9. Februar 2012, aaO Rn. 28).
c) Soweit der Kläger Inhaber der aus seiner selbständigen Tätigkeit als Kassenarzt gegen die KV erworbenen Vergütungsansprüche geworden ist, erweist sich die Vorausabtretung dieser Forderungen an die Beklagte infolge Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB) als wirksam.
aa) Nach dieser Vorschrift wird die Verfügung eines Nichtberechtigten wirksam, wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift wird auch die Verfügung eines Berechtigten (ex nunc) wirksam, wenn er ohne Verfügungsmacht gehandelt hat und diese nachträglich wiedererlangt, wie dies gerade in der Insolvenz des Schuldners zutreffen kann. Deshalb ist anerkannt, dass auch zunächst nach § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO schwebend unwirksame Verfügungen des Schuldners entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB wirksam werden können, wenn der Schuldner Berechtigter geblieben und das Insolvenzverfahren beendet ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74 Rn. 20).
bb) Die im Rahmen des § 81 InsO allgemein anerkannte Möglichkeit einer Konvaleszenz nach Freigabe des Vermögensgegenstandes durch den Verwalter (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl., § 81 Rn. 18; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 81 Rn. 27; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO § 81 Rn. 17) gilt gleicher Weise bei Anwendung des hier maßgeblichen § 91 InsO (Jaeger/Windel, InsO, § 91 Rn. 114; HmbKomm-InsO/Kuleisa, aaO § 91 Rn. 28 iVm § 81 Rn. 15). Dieser Würdigung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Verfügungsbeschränkungen nicht gerechtfertigt sind, sofern das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners betroffen ist (BGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - IX ZR 255/06, WM 2008, 602 Rn. 10; HK-InsO/Kayser, aaO § 91 Rn. 2). Danach ist die Vorausabtretung der Vergütungsforderungen durch den Kläger an die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Freigabe seiner freiberuflichen Tätigkeit als gültig zu betrachten.
cc) Infolge der Wirksamkeit der Vorausabtretung wird zwar der Neuerwerb des Schuldners entgegen der Intention des Gesetzgebers partiell dem Zugriff seiner Neugläubiger entzogen (vgl. BT-Drucks. 16/3227, S. 17). Dies ist aber hinzunehmen, weil der Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO keine § 185 BGB verdrängende dingliche Wirkung zukommt. Da eine nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit erstmals vorgenommene Globalzession des Schuldners wirksam wäre, kann nicht missbilligt werden, dass eine frühere gleichartige Verfügung in Anwendung von § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB Gültigkeit erlangt. Schließlich ist der Schuldner nicht gehindert, aus seinem insolvenzfreien Vermögen bestimmte Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 93/09, WM 2010, 523 Rn. 8 ff). Darum kann er ebenso nach Freigabe seiner freiberuflichen Tätigkeit erworbene Mittel dazu verwenden, Verbindlichkeiten bei seinen Altgläubigern zu tilgen.
III.
Da sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellt, ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring