Entscheidungsdatum: 10.01.2013
Die Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden streitigen Rückgewähranspruchs ist nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig, wenn die Masse als Gegenleistung einen Anspruch auf Auskehrung des hälftigen Erlöses des vom Abtretungsempfänger zu führenden Rechtsstreits erhält.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 27. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem am 27. April 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH & Co. oHG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin ist am 12. Januar 2006 gegründet worden. Sie besteht aus den Gesellschafterinnen G. GmbH und r. GmbH; die G. GmbH (fortan: GmbH) ist ebenfalls insolvent.
Der Beklagte ist Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, mit welcher er im Jahre 1985 eine Pensionsvereinbarung getroffen hatte. Die GmbH hatte zur Sicherung des Anspruchs aus dieser Vereinbarung zunächst einen Vertrag über eine Lebensversicherung geschlossen und den Anspruch hieraus an den Beklagten verpfändet. Im Jahre 2005 kündigte der Beklagte namens der GmbH sowie im eigenen Namen den Versicherungsvertrag und ließ den Rückkaufwert auf ein Geldmarktkonto der GmbH überweisen. Einen Teil des Erlöses legte die GmbH in Wertpapieren an. Am 27. September 2005 verpfändete die GmbH dem Beklagten zur Sicherung des Pensionsanspruchs das Wertpapierdepot sowie das Geldmarktkonto.
Der Kläger hat die Verpfändung aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht des Verwalters in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH angefochten. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Aufhebung des zu seinen Gunsten begründeten Pfandrechts zuzustimmen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus eigenem Recht des Klägers bestehe mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht; die Abtretung des Anspruchs des Verwalters der GmbH sei unwirksam (NZI 2010, 483). Auf die Revision des Klägers, die ausschließlich den Anspruch aus abgetretenem Recht betraf, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 17. Februar 2011 - IX ZR 91/10, NZI 2011, 486). Dieses hat die Klage erneut abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch aus abgetretenem Recht des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH weiter.
Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision führt erneut zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Abtretung eines insolvenzanfechtungsrechtlichen Anfechtungsanspruchs sei rechtlich möglich. Im vorliegenden Fall sei sie jedoch insolvenzzweckwidrig und nichtig, weil sie ohne Vereinbarung einer Gegenleistung erfolgt sei. Dass der Kläger den Anspruch auf eigene Kosten geltend machen und der Erlös des Rechtsstreits geteilt werden solle, reiche nicht aus. Die Abtretung sei auch nicht wegen einer vermeintlich unklaren Rechtslage zweckmäßig gewesen. Die beiden beteiligten Insolvenzverwalter seien vielmehr gehalten gewesen, die Rechtslage auf der bekannten und unstreitigen Tatsachengrundlage selbst zu klären.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Abtretung des Anfechtungsanspruchs nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig.
1. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung zur Konkursordnung und zur Insolvenzordnung steht dem Insolvenzverwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Rechtsmacht ist allerdings durch den Insolvenzzweck (§ 1 InsO) beschränkt. Deshalb sind solche Rechtshandlungen des Verwalters unwirksam, welche dem Zweck des Insolvenzverfahrens - der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger - klar und eindeutig zuwiderlaufen; sie verpflichten die Masse nicht (RGZ 57, 195, 199 f; 63, 203, 213; 76, 244, 249 f; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1954 - VI ZR 189/53, WM 1955, 312 f; vom 3. Februar 1971 - VIII ZR 94/69, WM 1971, 346, 347; vom 13. Januar 1983 - III ZR 88/81, ZIP 1983, 589, 590; vom 28. Oktober 1993 - IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326, insoweit in BGHZ 124, 27 nicht abgedruckt; vom 25. April 2002 - IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 360; Beschluss vom 20. März 2008 - IX ZR 68/06, NZI 2008, 365 Rn. 4 f).
In der zitierten Grundsatzentscheidung vom 25. April 2002 (aaO) hat der Senat erwogen, für die Abgrenzung, wann eine Überschreitung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung führt, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach ist Voraussetzung für die Unwirksamkeit der Handlung des Verwalters außer einer objektiven Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen musste. Mit dem grundsätzlichen Rückgriff auf die Regeln zum Missbrauch der Vertretungsmacht könnte den Interessen an einem hinreichenden Schutz der Masse einerseits und an dem gebotenen Vertrauensschutz des redlichen Geschäftspartners andererseits jeweils in angemessener Weise Rechnung getragen werden (BGH, Urteil vom 25. April 2002, aaO). Erste Voraussetzung des Unwirksamkeitsgrundes der Insolvenzzweckwidrigkeit ist jedenfalls der offensichtliche, ohne weiteres erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Der Schutz des Rechtsverkehrs gebietet es, nicht jede für die Masse nachteilige Rechtshandlung des Verwalters als unwirksam anzusehen. Mit der Nichtigkeitssanktion können deshalb nur solche Maßnahmen belegt werden, die dem Insolvenzzweck offensichtlich zuwider laufen (HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 80 Rn. 35). Beispiele sind Schenkungen aus der Masse (RGZ 53, 190, 193), die Anerkennung nicht bestehender Aus- und Absonderungsrechte (RGZ 23, 54, 63; 41, 1, 2) oder die entgeltliche Ablösung einer offensichtlich wertlosen Grundschuld (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - IX ZR 68/08, NZI 2008, 365). Wirksam sind dagegen Verfügungen des Verwalters, die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind (BGH, Beschluss vom 20. März 2008, aaO Rn. 4; vom 13. Januar 1983 - III ZR 88/81, ZIP 1983, 589, 590 unter 3a).
2. Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall der Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden Rückgewähranspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - IX ZR 91/10, NZI 2011, 486 Rn. 10). Die Abtretung stand nicht im offensichtlichen Widerspruch zum Zweck des Insolvenzverfahrens der GmbH, deren Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Der Anspruch wurde dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH vom hiesigen Kläger streitig gemacht; er wurde (und wird) überdies auch vom hiesigen Beklagten insgesamt bestritten. Die Entscheidung des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH, dem Kläger die Durchsetzung der Forderung zu überlassen und sich nur eine Erlösbeteiligung vorzubehalten, statt sich sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Beklagten streitig auseinanderzusetzen, entbehrt angesichts dessen nicht jeglicher tatsächlicher und rechtlicher Grundlage. Auf mehr kommt es hier nicht an. Sollten dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH Fehler bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten einer streitigen Auseinandersetzung mit dem Kläger oder eines von ihm selbst geführten Anfechtungsprozess gegen den Beklagten unterlaufen sein, könnte dies - ein Verschulden vorausgesetzt - zu einer Haftung nach § 60 InsO führen, nicht jedoch zu einer Unwirksamkeit der Abtretung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit.
III.
Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), welches sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben wird. Der Senat hat Anlass gesehen, von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen.
Kayser Vill Lohmann
Pape Möhring