Entscheidungsdatum: 25.04.2013
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. November 2011 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das Hessische LSG hat im Urteil vom 25.11.2011 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten LSG-Urteil macht sie Verfahrensmängel geltend.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 21.2.2012 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau zu benennen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht:
1. Sie rügt zunächst, das LSG habe gegen seine Verpflichtung zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verstoßen, weil es von ihr gestellten Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen sei. Sie habe im Schriftsatz vom 8.11.2011 den Antrag gestellt, "zum Beweis für die Tatsache, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in der Lage war, mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, |
||
(1) |
den Diplom-Psychologen R. S. … als sachverständigen Zeugen zu vernehmen, |
|
(2) |
den Kardiologen Dr. med. A. P. … als sachverständigen Zeugen zu vernehmen, |
|
(3) |
ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen." |
Diese Anträge habe sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufrechterhalten, was sich aus dem Verhandlungsprotokoll ergebe, auch wenn sie dort - ob versehentlich oder absichtlich - nur verkürzt dargestellt seien.
Für die Darlegung einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, wie sie hier gerügt wird, gelten besondere Anforderungen. Insoweit muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Die Beschwerdebegründung der Klägerin erfüllt diese Erfordernisse nicht. Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags. Dies folgt in Bezug auf den Antrag (3) zur Einholung eines "weiteren" medizinischen Sachverständigengutachtens schon daraus, dass weder aufgezeigt wird, dass und weshalb die Voraussetzungen gegeben sind, von denen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO die Einholung eines weiteren Gutachtens abhängig ist, noch angegeben wird, auf welchem medizinischen Fachgebiet ein zusätzlicher Sachverständiger gehört werden soll.
Hinsichtlich der Anträge (1) und (2) zur Vernehmung sachverständiger Zeugen liegen prozessordnungsgemäße Beweisanträge schon deshalb nicht vor, weil die berufliche Leistungsfähigkeit einer Person als solche nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises sein kann (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 745). Auch sachverständige Zeugen (§ 414 ZPO) könnten nur zu einzelnen Anknüpfungstatsachen - etwa dem zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessenen Blutdruck oder die in einem bestimmten Zeitraum beobachtete psychische Verfassung der Klägerin - befragt werden, die für eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein können. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist keine Bekundung wahrgenommener Tatsachen. Konkrete Einzeltatsachen, welche Dr. P. und S. mitteilen sollten, hat die Klägerin in ihrem Antrag entgegen den Anforderungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 373, 414 ZPO nicht bezeichnet.
2. Soweit sie beanstandet, dass das LSG den Sachverständigen Dr. J. nicht zur mündlichen Verhandlung geladen habe, damit sie ihm ergänzende Fragen stellen lassen könne, zielt sie nicht auf die Rüge eines Verstoßes des LSG gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung von Amts wegen (§ 103 SGG). Vielmehr macht sie damit im Kern eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend, der im Zusammenhang mit der Einholung von Sachverständigengutachten in § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO eine spezifische Ausprägung erfahren hat (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 6, Nr 2 RdNr 4). Auch insoweit erfüllt die Beschwerdebegründung jedoch nicht die Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels.
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen - jedem Beteiligten gemäß § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7, Nr 2 RdNr 5; Senatsbeschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - RdNr 13, jeweils mwN; s auch BVerfG
b) Zur schlüssigen Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) einer Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen muss sich hiernach aus der Beschwerdebegründung ergeben, (1) dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Befragung des Sachverständigen gestellt und bis zum Schluss aufrechterhalten hat; (2) welche einer Erläuterung durch den Sachverständigen bedürftigen Punkte der Beschwerdeführer gegenüber dem LSG benannt hat; (3) aufgrund welcher Umstände die benannten Punkte sachdienlich waren, insbesondere ist bei einem Antrag auf wiederholte Befragung desselben Sachverständigen zu erläutern, weshalb die Punkte noch nicht durch bereits vorliegende Stellungnahmen des Sachverständigen geklärt waren; (4) aufgrund welcher Umstände der Antrag als rechtzeitig zu werten ist; (5) aufgrund welcher Umstände die angefochtene Entscheidung auf der unterlassenen Befragung des Sachverständigen beruhen kann.
c) Der Vortrag der Klägerin entspricht diesen Anforderungen nicht. Zwar trägt sie (s <1> der obigen Anforderungen) vor, dass sie im Schriftsatz vom 8.11.2011 den Antrag aus ihrem Schriftsatz vom 30.9.2011, Dr. J. zur mündlichen Verhandlung zu laden, aufrechterhalten habe und dass dieser Antrag von ihr in der mündlichen Verhandlung wiederum ausdrücklich aufrechterhalten worden sei (Beschwerdebegründung S 6). Im Schriftsatz vom 8.11.2011 habe sie ausgeführt, das Gutachten des Dr. J. sei insgesamt völlig unschlüssig. Aus dessen ergänzender Stellungnahme vom 1.11.2011 ergebe sich nämlich, dass sie allenfalls dann in der Lage sei, die bestehenden Einschränkungen willentlich zu überwinden, wenn sie eine weitere Therapie unternehme und begleitend dazu Psychopharmaka einnehme; ersichtlich sei sie daher selbst nach Auffassung des Sachverständigen Dr. J. derzeit zu einer Erwerbstätigkeit noch nicht in der Lage. Auch weil dem Gutachten nicht entnommen werden könne, wie lange eine solche Therapie dauere, mit welchem Inhalt und Umfang und von welchem Therapeuten sie durchzuführen sei und ob sie überhaupt zu einem sicheren Erfolg führe, spreche alles dafür, dass sie jedenfalls derzeit nicht in der Lage sei, 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein (Beschwerdebegründung S 4 f).
Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, dass die Klägerin gegenüber dem LSG Punkte zum Gutachten des Dr. J. bzw zu dessen ergänzender Stellungnahme vom 1.11.2011 benannt hat, die einer Erläuterung durch den Sachverständigen bedürften (s <2> der obigen Anforderungen). Im Schriftsatz vom 8.11.2011 hat sie nach ihrer Darstellung vielmehr die bereits vorliegenden Ausführungen des Dr. J. gewürdigt und daraus abgeleitet, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung eindeutig bestehe ("selbst nach Auffassung des Sachverständigen"). Hierin liegt jedoch keine Benennung erläuterungsbedürftiger Punkte. Zwar hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung (S 9 2. Abs) dann konkrete Fragen formuliert; sie hat jedoch nicht hinreichend deutlich vorgetragen, dass diese bereits dem LSG gegenüber angekündigt gewesen seien. Sie gibt nämlich einerseits an, sie habe "in ihrem Schriftsatz vom 8.11.2011 zu Recht ausgeführt …, (dass) der Sachverständige dazu befragt werden (sollte), wieso …" (es folgen mehrere ausformulierte Fragen). Dem widerspricht jedoch andererseits nicht nur ihre eigene, oben wiedergegebene Darstellung des Inhalts jenes Schriftsatzes (auf S 4 f der Beschwerdebegründung), sondern auch die Angabe (S 7 der Beschwerdebegründung), das Berufungsurteil formuliere, die Klägerin habe im Schriftsatz vom 8.11.2011 zwar (lediglich) "angedeutet, zu welchem Fragenkomplex sie eine Anhörung des Sachverständigen Dr. J. durchgeführt wissen möchte"; eine "Beschreibung sachdienlicher Fragen" liege jedoch nicht vor.
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.