Entscheidungsdatum: 26.04.2018
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter steuerliche Auskünfte von dem für die Insolvenzschuldnerin zuständigen Finanzamt.
Den unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) gestellten Antrag des Klägers auf Übersendung von Kontoauszügen aller dort geführten Steuerarten betreffend die Insolvenzschuldnerin für die Veranlagungszeiträume von 2009 bis einschließlich 2011 lehnte das Finanzamt ab. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. November 2015 zurückgewiesen und dabei den Verpflichtungsausspruch im Anschluss an eine Klarstellung des Klägers insoweit neu gefasst, als die Auskunftserteilung durch Herausgabe von Kopien der Jahreskontenauszüge sich auf die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt.
Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch folge aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Er sei nicht durch die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Besondere bereichsspezifische Regelungen über einen Informationsanspruch seien nicht einschlägig. Dies gelte insbesondere auch für die "absichtsvolle Nichtregelung" eines Akteneinsichtsrechts für das steuerliche Verwaltungsverfahren in der Abgabenordnung. Ein solches Verfahren sei nicht betroffen, weil der Insolvenzverwalter bei einem Auskunftsverlangen, das der Ermittlung anfechtbarer Zahlungen auf Steuerschulden diene, nicht gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO in Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners handele. Dem Anspruch stünden Versagungsgründe nicht entgegen. Ob das Steuergeheimnis nach § 30 AO einem Informationsanspruch überhaupt entgegengehalten werden könne, könne offenbleiben. Denn jedenfalls sei § 30 AO nicht verletzt. Zwar unterfielen die begehrten Steuerkontoauszüge in sachlicher Hinsicht dem Schutzbereich des Steuergeheimnisses. Mit der Mitteilung steuerlicher Verhältnisse an den Betroffenen werde nicht gegen das Steuergeheimnis verstoßen. Die begehrten Auskünfte seien aber auch gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht geheimhaltungsbedürftig. Dieser könne nach Übergang der Verfügungsbefugnis als nunmehr Betroffener im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO das Finanzamt von der Beachtung des Steuergeheimnisses selbst entbinden; dessen bedürfe es nicht, wenn der Insolvenzverwalter die Herausgabe steuerlicher Daten an sich selbst begehre. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen gemäß § 80 Abs. 1 InsO erstrecke sich auch auf Geschäftsgeheimnisse und steuerliche Daten, soweit dies für die ordnungsgemäße Verwaltung der Insolvenzmasse und die Insolvenzabwicklung erforderlich sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzschuldner gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse habe. Der Insolvenzschuldner habe eine Mitwirkungspflicht, welche die Verpflichtung umfasse, das Finanzamt vom Steuergeheimnis zu befreien. Die Geheimhaltungsinteressen des Insolvenzschuldners müssten deswegen zurücktreten. Das Finanzamt werde letztlich weder mit unzumutbaren "fachfremden" Prüfungspflichten belastet, noch werde durch die Erteilung der Auskunft der Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf rechtliches Gehör verletzt.
Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 30 AO. Die Durchbrechung des Steuergeheimnisses sei nicht durch eine der abschließenden Regelungen nach § 30 Abs. 4 bis 6 AO gerechtfertigt. Im Unterschied zum Insolvenzschuldner sei der Kläger als Insolvenzverwalter nicht Betroffener im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO und könne folglich von der Wahrung des Steuergeheimnisses nicht entbinden. Auf §§ 97 ff. InsO könne die Dispositionsbefugnis des Klägers nicht gestützt werden. Das dort vorgesehene Verfahren dürfe nicht umgangen werden. Die Verfügungsbefugnis gehe auch nicht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Kläger über. Das Steuergeheimnis stehe nur bei Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zur Disposition des Insolvenzverwalters. Gerade darum gehe es hier allerdings nicht, und nur deswegen sei der Anwendungsbereich des IFG NRW eröffnet. Im Übrigen werde ein solcher Übergang der Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Steuergeheimnisses nicht gerecht. Zudem werde das Finanzamt mit fachfremden Prüfungspflichten überfordert.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. April 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision des Beklagten.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Insolvenzschuldnerin zum Verfahren beigeladen. Der erkennende Senat hat die Beiladung angesichts der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass insolvenzfreies Vermögen nicht vorhanden ist, aufgehoben.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen. Die landesrechtlichen Anspruchsgrundlagen werden von bundesrechtlichen Vorschriften nicht verdrängt (1.). Dem Informationszugang steht das Steuergeheimnis nicht entgegen (2.).
1. Der Anwendungsbereich des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW) wird nach der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW spiegelbildlich zur Reichweite spezialgesetzlicher Vorschriften abgegrenzt. Deren Voraussetzungen können demnach für das IFG NRW bestimmend sein. Ob darin je nach den für die Anwendbarkeit der vorrangigen Normen maßgeblichen Kriterien ein Widerspruch zu grundlegenden Wertungen des IFG NRW, etwa der Voraussetzungslosigkeit des Anspruchs, liegt und welche rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen sind, ist revisionsrechtlich, weil das Landesrecht betreffend, unbeachtlich. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung ist allein von Belang, ob das vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis der insoweit eingeschränkten Reichweite des Regelungskonzepts der Abgabenordnung mit Bundesrecht vereinbar ist und die Grenzen des von der Abgabenordnung erfassten Steuerverfahrensrechts in einer Weise geklärt werden können, die verlässlichen rechtlichen Maßstäben genügt. Das ist hier der Fall.
a) Das vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis der insoweit eingeschränkten Reichweite des Regelungskonzepts der Abgabenordnung ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 - Buchholz 404 IFG Nr. 8). Die allein auf das Steuerverfahren bezogenen Bestimmungen sowie das Konzept einer "absichtsvollen Nichtregelung" von Akteneinsichts- bzw. Auskunftsansprüchen messen sich keine Geltung für das hier in Rede stehende Informationszugangsbegehren bei. Denn der Insolvenzverwalter macht diesen Anspruch nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO und § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO an der Stelle des Insolvenzschuldners im Rahmen eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses geltend. Vielmehr zielt der Informationszugang auf die Prüfung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff. InsO. Die Angaben sind nicht für die materiell-rechtlichen Steueransprüche, sondern in erster Linie für die insolvenzrechtlich relevanten Zahlungsflüsse als gegebenenfalls anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO von Interesse. Der gegen das Finanzamt gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen zählt folglich nicht zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (BFH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII B 95/12 - BFHE 238, 325 Rn. 8 f. und Urteil vom 26. August 2014 - VII R 16/13 - ZIP 2014, 2404 Rn. 16; BGH, Urteil vom 24. September 2015 - IX ZR 55/15 - NZI 2016, 86 Rn. 23 m.w.N.). Die Insolvenzanfechtung führt lediglich zur Unwirksamkeit der die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung, jedoch nicht zur Unwirksamkeit der dieser zugrunde liegenden Verpflichtung. Vielmehr bleibt der Rechtsgrund einer angefochtenen Leistung - hier die steuerlichen Ansprüche - von der Insolvenzanfechtung unberührt. Der Anfechtungsgegner muss die ihm vom Insolvenzschuldner erbrachte Leistung zurückgewähren, behält aber seine zunächst erfüllte, nunmehr wieder offene Forderung (§ 144 Abs. 1 InsO), die er zur Insolvenztabelle anmelden kann.
b) Der Regelungsbereich des Steuerverfahrensrechts kann verlässlich ausgeschlossen werden.
Im Rahmen seiner Befugnisse nach § 80 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter zwar als Vermögensverwalter im Sinne von § 34 Abs. 3 und 1 AO in steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren für den Insolvenzschuldner tätig werden. Um dies - und den Regelungsbereich der Abgabenordnung - verlässlich ausschließen zu können, bedarf es aber nicht zwingend der Feststellung, dass bei der Finanzbehörde kein - mit dem Gegenstand des Informationszugangsbegehrens zumindest zusammenhängendes - Steuerverfahren anhängig ist. Denn bereits der konkrete Gegenstand des Zugangsbegehrens lässt in aller Regel den Schluss auf den Verwendungszweck zu. So liegt bei Steuerkontoauszügen, die insbesondere Steuerzahlungen und Vollstreckungen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens dokumentieren, der Bezug zur Prüfung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff. InsO auf der Hand.
2. Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Übermittlung der Steuerkontoauszüge das Steuergeheimnis nach § 30 AO nicht verletzt. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob das Erfordernis einer Prüfung dieser bundesrechtlichen Bestimmung im Rahmen des landesrechtlichen Informationszugangsanspruchs und der dabei zu beachtenden Versagungsgründe jedenfalls Ergebnis einer geltungserhaltenen verfassungskonformen Auslegung des Landesrechts sein muss, weil das Landesrecht besondere Amtsgeheimnisse wie das Steuergeheimnis nicht als eigenständigen Ablehnungsgrund übernommen hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017 - 1 BvL 3/14 u.a. - NVwZ 2018, 233 Rn. 232; siehe zur Einbindung der Steuergeheimnisses ins Landesrecht nunmehr auch OVG Münster, Urteil vom 14. September 2017 - 15 A 29/17 - UA S. 14).
a) Die vom Kläger begehrten Informationen sind zwar taugliches Objekt des Steuergeheimnisses. Die Steuerkontoauszüge und die darin enthaltenen Auskünfte insbesondere zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen die (spätere) Insolvenzschuldnerin sind Verhältnisse eines anderen, die dem Finanzamt in einem Steuerverfahren bekannt geworden sind (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO).
b) Das Steuergeheimnis wird jedoch nicht verletzt, wenn solche Informationen dem Insolvenzverwalter zugänglich gemacht werden; für ihn gilt insoweit nichts anderes als für den steuerpflichtigen Insolvenzschuldner.
aa) Nach allgemeiner Auffassung entfällt der Schutz des Steuergeheimnisses gegenüber dem Steuerpflichtigen, soweit dessen eigene Verhältnisse betroffen sind (vgl. etwa Rüsken, in: Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 30 Rn. 43; Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 30 AO Rn. 68, Stand Juni 2004).
Dies folgt nach der zutreffenden Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht aus dem Begriff der "Verhältnisse eines anderen" in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO (zukünftig "personenbezogene Daten eines anderen" gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO in der Fassung vom 17. Juli 2017
bb) Gleiches gilt für Personen, die von Rechts wegen in Bezug auf die Verfügung über das geschützte Wissen an die Stelle des Betroffenen treten. Hierzu zählt nach § 80 Abs. 1 InsO auch der Insolvenzverwalter, wenn die Information einen Massebezug hat.
(1) Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Danach tritt der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO als Vermögensverwalter bei der Erfüllung der steuerrechtlichen Verpflichtungen an die Stelle des Insolvenzschuldners. Dieser bleibt aber auch während des Insolvenzverfahrens Steuersubjekt und damit auch Steuerschuldner im Sinne von § 43 AO und somit Steuerpflichtiger nach § 33 AO. Der Insolvenzverwalter kann in dieser Hinsicht alle ursprünglich dem Insolvenzschuldner zustehenden Auskunftsrechte geltend machen, ohne dass dem das Steuergeheimnis entgegengehalten werden könnte (BFH, Urteil vom 19. März 2013 - II R 17/11 - ZIP 2013, 1133 Rn. 14).
Auf solche steuerrechtliche Beziehungen ist entgegen der Auffassung des Beklagten die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters aus § 80 Abs. 1 InsO aber nicht beschränkt. Sie gilt vielmehr auch für das Anfechtungsrecht nach §§ 129 ff. InsO, auf das das streitige Auskunftsrecht ausgerichtet ist.
Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch unterscheidet sich seinem Wesen nach von Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis und folgt eigenen Regeln. Er eröffnet dem Insolvenzverwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem außerhalb der Insolvenz geltenden Recht dem Verfügenden selbst verwehrt ist. Als originärer gesetzlicher Anspruch entsteht er mit Insolvenzeröffnung und ist dem Insolvenzverwalter vorbehalten, mit dessen Amt er untrennbar verbunden ist; mit der rechtskräftigen Beendigung des Insolvenzverfahrens geht er unter. Der Insolvenzverwalter handelt materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die Masse; er wird dabei in Erfüllung der ihm durch die Insolvenzordnung auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen tätig (BGH, Urteil vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 158/80 - BGHZ 83, 102 <105 f.> und Beschluss vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08 - NZI 2009, 313 Rn. 13, jeweils m.w.N.). Demnach ist das Anfechtungsrecht samt seinen Folgen im Unterschied zu sonstigen in die Insolvenzmasse fallenden Rechten niemals, wie von § 80 Abs. 1 InsO im Grundsatz vorausgesetzt, dem Insolvenzschuldner zugewiesen (vgl. auch Mock, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 80 Rn. 75 und 77; a.A. Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 14. Aufl. 2017, Rn. 1045). Gleichwohl ist das Anfechtungsrecht deswegen ein Bestandteil der dem Insolvenzverwalter allgemein zustehenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, weil der Erfolg einer Anfechtung der seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unterliegenden Insolvenzmasse zugutekommt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 206/08 - ZIP 2010, 102 Rn. 7 und vom 17. Februar 2011 - IX ZR 91/10 - ZIP 2011, 1114 Rn. 7). Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO ist auch insoweit die Grundlage für die im Insolvenzverfahren stufenweise anzustrebende Gläubigerbefriedigung. Die Insolvenzanfechtung stellt sich folglich als wichtige Konkretisierung der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters dar. Mit ihr kann der Insolvenzverwalter die Masse als Sondervermögen, die dem Insolvenzschuldner nur noch als Haftungsobjekt für seine Schulden gehört, um dieser Haftungsfunktion willen erweitern um dasjenige, was ihrer Auffüllung dient (siehe Windel, in: Jaeger, InsO, 1. Aufl. 2007, § 80 Rn. 51).
Erstreckt sich die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO auch auf Maßnahmen zur Erweiterung der Insolvenzmasse im Wege der Anfechtung, kann er grundsätzlich über alle Geheimnisse des Insolvenzschuldners verfügen, die hierfür von Belang sind. Er kann sie folglich sowohl selbst zur Kenntnis nehmen als auch gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO an der Stelle des in der Sache betroffenen Insolvenzschuldners ihrer Offenbarung an Dritte zustimmen. Er wird damit nicht selbst zum Betroffenen im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO. Wie auch sonst ist in Bezug auf dem Insolvenzbeschlag unterliegende Rechte zwischen der beim Insolvenzschuldner verbleibenden Rechtsinhaberschaft und der allein dem Insolvenzverwalter zustehenden Verfügungsbefugnis zu unterscheiden.
(2) Aus den in §§ 97 ff. InsO geregelten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Insolvenzschuldners ergibt sich nichts anderes. Der Insolvenzverwalter hat gegenüber dem Insolvenzschuldner - bei juristischen Personen den Mitgliedern der Vertretungs- und Aufsichtsorgane - einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 InsO). Dazu zählen alle Umstände, die für eine Insolvenzanfechtung von Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - IX ZB 126/08 - NZI 2010, 264 Rn. 6). Darüber hinaus hat der Insolvenzschuldner den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen (§ 97 Abs. 2 i.V.m. § 101 InsO). Diese Pflichten können gemäß § 98 InsO zwangsweise durchgesetzt werden.
Diese Vorschriften, namentlich die besonderen Verfahrensbestimmungen, schließen die Berufung auf die Rechtswirkungen des § 80 Abs. 1 InsO nicht aus. Ein entsprechendes Vorrangverhältnis ist weder ausdrücklich normiert, noch ergibt es sich aus dem Regelungszusammenhang. Insbesondere laufen die Vorschriften nicht leer. Sie haben weiterhin einen weiten Anwendungsbereich. Was die Entbindung des Finanzamts vom Steuergeheimnis angeht, ist insoweit die Mitwirkungspflicht im Eröffnungsverfahren gemäß § 22 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 InsO insbesondere für den sogenannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 2 InsO) von Bedeutung.
cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhältnisse von der Verfügungsbefugnis nicht von vornherein ausgenommen.
Das Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses ist als solches kein Grundrecht und kann folglich ein die insolvenzrechtlichen Grundsätze überspielendes Gewicht nicht beanspruchen. Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse, deren Weitergabe einen Bezug auf den Steuerpflichtigen oder private Dritte erkennbar werden lassen, kann indessen durch eine Reihe grundrechtlicher Verbürgungen, insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, geboten sein (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11/83 u.a. - BVerfGE 67, 100 <142>).
Aber auch die genannten grundrechtlichen Garantien stehen der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht entgegen. Soweit das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG hier überhaupt einschlägig sein sollte, ist darauf zu verweisen, dass die Vorschrift des § 80 Abs. 1 InsO als Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu beanstanden ist (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 655/79 - BVerfGE 51, 405 <408> zu § 6 KO). Die Verwendung der streitgegenständlichen Informationen für einen Anfechtungsrechtsstreit dient dem gesetzlichen Zweck der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger (§ 1 Satz 1 InsO); sie ist demnach durch Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt.
Inwieweit der Schutz höchstpersönlicher Rechte bei gegebenem Bezug zur Insolvenzmasse einer Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters entgegenstehen kann, bedarf hier keiner Vertiefung. Abgesehen davon, dass die Insolvenzschuldnerin als juristische Person sich auf den besonderen Schutz der Persönlichkeitssphäre nicht berufen kann, ist jedenfalls - eine Betroffenheit einer natürlichen Person unterstellt - in keiner Weise ersichtlich, dass die begehrten Informationen - nämlich die Tatsache der Zahlung auf bzw. der Vollstreckung von Steuerschulden - von ihrer Art her als höchstpersönliche Daten zu qualifizieren sein könnten. Ob sich dies gegebenenfalls bei Angaben, die für die materiell-rechtliche Beurteilung einer Steuerschuld von Bedeutung sind, anders darstellen könnte, kann dahinstehen; denn darum geht es nicht.
dd) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass den auskunftspflichtigen Finanzbehörden nicht zu leistende Prüfungspflichten auferlegt würden. Bei den hier streitigen Steuerkontoauszügen behauptet selbst der Beklagte dies nicht. Denn insoweit ist ein Bezug zur Insolvenzmasse ohne unzumutbaren Aufwand festzustellen. Im Übrigen wird auch ansonsten von auskunftspflichtigen Behörden erwartet, dass sie gesetzlich vorgesehene Versagungsgründe überprüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.