Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 19.03.2013


BFH 19.03.2013 - II R 17/11

Zum Anspruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem FA auf Erteilung eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
19.03.2013
Aktenzeichen:
II R 17/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 31. August 2010, Az: 7 K 3725/06, Urteil
Zitierte Gesetze
§§ 129ff InsO

Leitsätze

1. Ein Insolvenzverwalter, der nach § 80 Abs. 1 InsO i.V.m. § 34 Abs. 3 und 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners (Steuerpflichtigen) zu erfüllen hat und im Besteuerungsverfahren die Erteilung eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner beantragt, hat Anspruch darauf, dass das FA darüber nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet .

2. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat das FA das Interesse des Insolvenzverwalters an der Auskunft und den steuerrechtlichen Charakter dieser Auskunft, also den unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten oder mit der Prüfung der vom FA angemeldeten Insolvenzforderungen zu berücksichtigen .

Tatbestand

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I. F war von 2001 bis zum Entzug seiner Zulassung im Dezember 2005 als Rechtsanwalt selbständig tätig. Im Mai 2005 beantragte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wegen Abgabenrückständen von 152.865 € (Einkommensteuer, Solidaritätszuschläge zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und Nebenleistungen) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des F. Das Amtsgericht eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 31. Januar 2006 und bestimmte den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Insolvenzverwalter.

2

Im April 2006 meldete das FA Forderungen gegen F in Höhe von 180.210 € unter Beifügung einer Aufstellung aller offenen Steuerverbindlichkeiten und steuerlichen Nebenleistungen beim Kläger zur Insolvenztabelle an.

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Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 26. April 2006 beim FA die Erteilung eines Kontoauszugs für F, um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicherstellen zu können. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 11. Mai 2006 ab. Zur Begründung wies es u.a. darauf hin, dass sich der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters auf Informationen beschränke, auf deren Mitteilung der Schuldner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rechtsanspruch gehabt hätte. Der Insolvenzverwalter müsse mögliche der Anfechtung unterliegende Rechtshandlungen anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen selbst ermitteln. Er habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung von Übersichten oder Aktenauszügen, aus denen der Zufluss von Zahlungen an das FA ersichtlich sei.

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Die dagegen mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, das FA habe die Erteilung eines Kontoauszugs für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermessensfehlerfrei abgelehnt.

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Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Anspruchs auf Auskunft sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das FG habe seinen Vortrag übergangen, der von ihm begehrte Kontoauszug sei als solcher nicht zur erfolgreichen Durchsetzung von Insolvenzanfechtungsansprüchen geeignet.

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Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 11. Mai 2006 aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihm einen Kontoauszug für den Steuerpflichtigen F zu erteilen,

hilfsweise,

die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 11. Mai 2006 aufzuheben und das FA zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung eines Kontoauszugs für den Steuerpflichtigen F unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Ablehnung der Erteilung eines Kontoauszugs für den Steuerpflichtigen F rechtmäßig ist. Das FA hat das ihm eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

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1. Nach § 102 Satz 1 FGO können Ermessensentscheidungen durch das FG nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob das Finanzamt das ihm eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. September 2011 VIII R 8/09, BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395). Dabei muss das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abstellen (BFH-Urteil vom 6. März 1996 II R 102/93, BFHE 180, 178, BStBl II 1996, 396).

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2. Bei der Entscheidung des Finanzamts über eine vom Insolvenzverwalter begehrte Auskunft zu den Verhältnissen und den gespeicherten Daten des Insolvenzschuldners handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

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a) Die Abgabenordnung (AO) enthält keine Regelung, nach der im steuerlichen Verwaltungsverfahren ein Anspruch auf Akteneinsicht oder auf Auskunft in Form eines Kontoauszugs, aus dem sich Fälligkeit und Tilgung von Abgabenforderungen ergeben, besteht. Gleichwohl geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Finanzamts zusteht, weil das Finanzamt nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn ein Steuerpflichtiger in einem steuerrechtlichen Verfahren vom Finanzamt Auskunft begehrt. Grundlage dieses Anspruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl II 2007, 243).

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b) Auch die Finanzverwaltung sieht die Möglichkeit vor, Auskünfte über Daten zu geben, die zu einer Person im Besteuerungsverfahren gespeichert sind (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 17. Dezember 2008, BStBl I 2009, 6, und vom 31. Januar 2013, BStBl I 2013, 118, Nr. 31, Tz. 4.5). Danach ist Beteiligten (§§ 78, 359 AO) auf Antrag Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und keine Gründe für eine Auskunftsverweigerung vorliegen. Ein berechtigtes Interesse ist bei einem Beraterwechsel oder in einem Erbfall zu bejahen, wenn der Antragsteller durch die Auskunft in die Lage versetzt werden will, zutreffende und vollständige Steuererklärungen abzugeben. Ein berechtigtes Interesse wird jedoch verneint, wenn die Auskunft dazu dienen kann, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen und Bund oder Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sind, Auskunft zu erteilen (z.B. Insolvenzanfechtung). Das Finanzamt bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen.

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c) Die Ermessensentscheidung über das Auskunftsverlangen erfordert eine Abwägung der beiderseitigen Interessen des Antragstellers an der Auskunft bzw. des Finanzamts an der Nichterteilung der Auskunft. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung hat das Finanzamt insbesondere zu berücksichtigen, ob der um Auskunft Nachsuchende ein berechtigtes Interesse an der Auskunft dargelegt hat oder ein solches Interesse aus den Umständen des Einzelfalls erkennbar ist. Weiter ist für die Ermessensabwägung maßgebend, ob die Auskunft der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis dienen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 14. April 2011 VII B 201/10, BFH/NV 2011, 1296).

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d) Wird über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das Insolvenzverfahren eröffnet, steht dem Insolvenzverwalter, der nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. § 34 Abs. 3 und 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners (Steuerpflichtigen) zu erfüllen hat, das Recht zu, dass das Finanzamt über seinen im Besteuerungsverfahren gestellten Antrag auf Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (vgl. BFH-Beschluss vom 15. September 2010 II B 4/10, BFH/NV 2011, 2). Entsprechendes gilt, wenn der Insolvenzverwalter einen Kontoauszug für den Insolvenzschuldner begehrt. Der Insolvenzverwalter tritt als Vermögensverwalter im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnis (§ 34 Abs. 3 AO) in ein unmittelbares Pflichtenverhältnis zum Finanzamt ein, mit der Folge, dass er alle Pflichten (z.B. Erklärungs-, Mitwirkungs-, Auskunfts- und Buchführungspflichten) zu erfüllen hat, die dem von ihm Vertretenen auferlegt sind. In gleicher Weise geht auch das dem Insolvenzschuldner (Steuerpflichtigen) zustehende Recht auf Akteneinsicht bzw. auf Erteilung eines Kontoauszugs auf den Insolvenzverwalter über. Das Akteneinsichts- und Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters reicht aber grundsätzlich nicht weiter als das zunächst dem Insolvenzschuldner (Steuerpflichtigen) zustehende Akteneinsichts- und Auskunftsrecht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2; zustimmend BMF-Schreiben in BStBl I 2013, 118, Nr. 31, Tz. 4.5).

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e) Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Auskunft kann auch insoweit auf dem Steuerrechtsverhältnis beruhen, als der Insolvenzverwalter die vom Finanzamt als Insolvenzgläubiger angemeldeten Abgabenforderungen zu prüfen hat.

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aa) Bei einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners muss das Finanzamt im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründete Abgabenforderungen gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 87 InsO als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Der Insolvenzgläubiger hat seine Insolvenzforderung gemäß § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Tabelle (§ 175 InsO) und zur Prüfung (§ 176 InsO) mit dem Ziel der Feststellung (§ 178 InsO) anzumelden. Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden (§ 174 Abs. 1 Satz 2 InsO); Grund und Betrag der Forderung sind anzugeben (§ 174 Abs. 2 InsO). Nach § 178 Abs. 1 InsO gelten Forderungen als festgestellt, wenn weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch erhebt. Für die festgestellten Forderungen wirkt die Eintragung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil.

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Wird die vom Finanzamt angemeldete Abgabenforderung gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO vom Insolvenzverwalter oder von einem anderen Gläubiger bestritten, stellt das Finanzamt erforderlichenfalls das Bestehen der angemeldeten Insolvenzforderung durch Bescheid fest (§ 185 Satz 1 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO). Die Feststellung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis erfolgt nicht nach § 180 Abs. 1 InsO im ordentlichen Verfahren, sondern ist gemäß § 185 Satz 1 InsO vom Finanzamt als zuständiger Verwaltungsbehörde vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562). Eine Feststellung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter eine angemeldete Steuer- oder Abgabenforderung bestreitet (vgl. BFH-Beschluss vom 18. November 1999 V B 73/99, BFH/NV 2000, 548, m.w.N.). Dem Finanzamt als Vollstreckungsgläubiger muss die Möglichkeit verbleiben, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über sein Recht zu beenden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562). Gegen den Feststellungsbescheid ist gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO der Einspruch gegeben.

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Werden dagegen zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung gemäß § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu. Die ohne Widerspruch erfolgte Eintragung in die Forderungstabelle kann jedoch wie eine bestandskräftige Feststellung i.S. des § 251 Abs. 3 AO unter den Voraussetzungen des § 130 AO geändert werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298).

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bb) Eine Auskunft, die der Insolvenzverwalter vom Finanzamt begehrt, um die vom Finanzamt angemeldeten Insolvenzforderungen überprüfen zu können, hat einen hinreichenden Bezug zum Steuerrechtsverhältnis. Denn das Verfahren nach der Anmeldung bestimmt sich im Falle des Bestreitens der angemeldeten Forderungen nach § 251 Abs. 3 AO. Die Auskunft kann also im Vorfeld dazu dienen, eine Feststellung von Insolvenzforderungen nach § 251 Abs. 3 AO entbehrlich zu machen. Auch bei angemeldeten Forderungen, die nicht bestritten wurden, besteht eine Änderungsmöglichkeit nach § 130 AO.

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f) Begehrt ein Insolvenzverwalter Auskunft über steuerliche Verhältnisse des Insolvenzschuldners, hat das Finanzamt im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensabwägung das Interesse des Insolvenzverwalters an der Auskunft und den steuerrechtlichen Charakter dieser Auskunft, also den unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten oder mit der Prüfung der vom Finanzamt angemeldeten Insolvenzforderungen zu berücksichtigen. Dazu hat der Insolvenzverwalter substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen er die Auskunft begehrt und dass die Auskunft auf dem Steuerrechtsverhältnis beruht. Es reicht insoweit nicht aus, dass ein Insolvenzverwalter eine Auskunft im Hinblick auf die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens beantragt. Denn für das Finanzamt muss erkennbar sein, dass ein berechtigtes Interesse an der Auskunft vorliegt und die begehrte Auskunft im Steuerrechtsverhältnis und nicht in einem sonstigen Verhältnis (schuldrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art) wurzelt.

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Hat der Insolvenzverwalter in ausreichender Weise dargelegt, dass er Auskunft in Form eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner zur Erfüllung steuerlicher Pflichten oder zur Prüfung der vom Finanzamt angemeldeten Forderungen benötigt, kann das Finanzamt den Kontoauszug erteilen. Fehlt jedoch eine solche Darlegung, kann das Finanzamt schon aus diesem Grunde die Erteilung eines Kontoauszugs ablehnen.

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Bei der Ermessensabwägung kann das Finanzamt auch berücksichtigen, ob sich durch die begehrte Auskunft Anhaltspunkte für mögliche Anfechtungsgründe nach den §§ 129 ff. InsO ergeben können. Denn der Insolvenzverwalter hat allein wegen des Verdachts anfechtbarer Zahlungen auf Steuerschulden keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Finanzamt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. August 2009 IX ZR 58/06, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZInsO-- 2009, 1810).

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g) Das Ermessen des Finanzamts ist bei einem Antrag des Insolvenzverwalters auf Gewährung von Auskunft nicht grundsätzlich auf Null reduziert (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2). Dies gilt auch, wenn ein Insolvenzverwalter vom Finanzamt die Überlassung eines Kontoauszugs begehrt, aus dem sich Fälligkeit und Höhe der Abgabenforderungen gegenüber dem Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie Datum, Höhe und Art der jeweiligen Tilgung ergeben.

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h) Im Streitfall hat das FA zu Recht die vom Kläger beantragte Erteilung eines Kontoauszugs für F abgelehnt. Der Bescheid des FA vom 11. Mai 2006 ist nicht ermessensfehlerhaft.

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Die vom FA angegebenen Gründe für die Nichterteilung des Kontoauszugs reichen im Hinblick auf den nicht substantiierten Antrag des Klägers für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung aus. Das FA hat die Überlassung eines Kontoauszugs u.a. deshalb abgelehnt, weil sich der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters auf Informationen beschränke, auf deren Mitteilung der Schuldner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Anspruch gehabt hätte. Dies ist zutreffend. Der Anspruch des Klägers als Insolvenzverwalter auf Auskunft reicht nicht weiter als der dem F als Insolvenzschuldner zustehende Auskunftsanspruch. Die Ermessensentscheidung des FA ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das FA ausgeführt hat, ein Insolvenzverwalter müsse mögliche der Anfechtung unterliegende Rechtshandlungen selbst ermitteln, so dass er grundsätzlich keine Übersichten oder Aktenauszüge über die Geldzuflüsse an das FA beanspruchen könne. Damit hat das FA zutreffend darauf abgestellt, dass der durch das Steuerrechtsverhältnis begründete Auskunftsanspruch das FA nicht verpflichtet, durch Herausgabe von Unterlagen zur Ermittlung von Insolvenzanfechtungstatbeständen beizutragen.

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Mit dieser Begründung geht das FA zwar nicht auf ein mögliches Interesse des Klägers an der Erteilung eines Kontoauszugs für F ein. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt insoweit aber nicht vor, weil der Kläger bis zum Ergehen des Bescheids vom 11. Mai 2006 nicht dargelegt hat und auch sonst aus den Umständen nicht erkennbar ist, dass er ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Kontoauszugs hat und er den Kontoauszug zur Erfüllung steuerlicher Pflichten oder zur Prüfung der vom FA angemeldeten Forderungen benötigt. Denn der Kläger hat bei der Antragstellung lediglich vorgetragen, er brauche den Kontoauszug, um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicher zu stellen. Der spätere Vortrag des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren kann bei der Beurteilung der Frage, ob die Ablehnung des FA im Bescheid vom 11. Mai 2006 rechtmäßig ist, nicht mehr berücksichtigt werden; entscheidend ist vielmehr die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, im Streitfall also bei Ergehen des Bescheids vom 11. Mai 2006. Auf den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler des FG kommt es deshalb nicht mehr an.

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3. Da nach § 155 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, wird die Entscheidung im anhängigen Revisionsverfahren nicht durch den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 15. Oktober 2012  7 B 2/12 (ZInsO 2012, 2140) berührt. Danach ist für einen auf § 4 des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes vom 17. Februar 2009 (HmbGVBl 2009, 29) gestützten Anspruch des Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt auf Einsicht in die den Schuldner betreffenden Vollstreckungsakten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten und nicht zu den Finanzgerichten eröffnet, weil die Sonderzuweisung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO diesen Anspruch nicht erfasse. Wegen der Abweichung zur Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2011 VII B 183/10, BFH/NV 2011, 992) hat das BVerwG das Beschwerdeverfahren ausgesetzt und die Rechtsfrage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorgelegt (vgl. dazu Eisolt, Deutsches Steuerrecht 2013, 439). Im Übrigen fehlt auch eine vergleichbare Landesnorm des Landes Hessen, die einen Auskunftsanspruch gegenüber einer Landesbehörde wie dem Finanzamt begründen könnte.