Entscheidungsdatum: 15.09.2010
1. NV: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht dem Insolvenzverwalter, der nach § 34 Abs. 3 und 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen hat, das Recht zu, dass die Finanzbehörde über seinen im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren gestellten Antrag auf Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Das Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters reicht grundsätzlich nicht weiter als das zunächst dem Insolvenzschuldner zustehende Akteneinsichtsrecht.
2. NV: Das dem FA bei der Entscheidung zustehende Ermessen ist auch bei einem Antrag des Insolvenzverwalters nicht generell auf Null reduziert.
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
a) Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Ermessen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) bei der Entscheidung über den Antrag eines Insolvenzverwalters auf die Gewährung von Einsicht in die beim FA geführten Akten eines Steuerpflichtigen, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dann auf Null reduziert sei, wenn der Insolvenzverwalter die aus der Einsicht zu gewinnenden Erkenntnisse anderweitig nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig höheren Kosten- und Zeitaufwand gewinnen könne, ist in dem angestrebten Revisionsverfahren mangels Rechtserheblichkeit nicht klärungsfähig. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die in der Rechtsfrage bezeichneten Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null im Streitfall vorliegen könnten.
b) Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im angefochtenen Urteil hat das FA bei seiner Ermessensentscheidung beachtet, dass der Kläger als Insolvenzverwalter die steuerlichen Erklärungspflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen hat und die begehrte Akteneinsicht auf die Verpflichtung zur Überprüfung der Steuererklärungen des Insolvenzschuldners und der bereits ergangenen Steuerbescheide sowie auf die Geltendmachung von Anfechtungsrechten, die sich möglicherweise auch steuerlich auswirken könnten, gestützt hat. Im Verwaltungsverfahren habe er aber nicht substantiiert vorgetragen, dass über die vom FA als anfechtungsrelevant mitgeteilten Tatbestände hinaus weitere Anfechtungsmöglichkeiten in Betracht kommen könnten. Er habe vielmehr nur die Vermutung geäußert, dass der Insolvenzschuldner auch außerhalb der bereits bekannt gewordenen anfechtbaren Vermögensverfügungen in anfechtbarer Weise zu Vermögensverschiebungen und zu einer Minderung der Insolvenzmasse beigetragen haben könnte. Selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem FG habe der Kläger die im Wege der Akteneinsicht begehrten Informationen nicht substantiiert bezeichnen können.
Dagegen erfordern die vom Kläger in der Rechtsfrage für eine Ermessensreduzierung auf Null angeführten Voraussetzungen zumindest eine nähere Erläuterung der Tatsachen, die auf anfechtbare Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners und deren steuerrechtliche Relevanz hindeuten. Denn ohne konkrete Hinweise auf solche Rechtshandlungen kann nicht beurteilt werden, ob sich überhaupt Informationen hierzu in den Steuerakten befinden und ob insoweit die erforderlichen Erkenntnisse anderweitig nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand erlangt werden können. Würde auf konkrete Hinweise verzichtet werden, wäre das Recht des Insolvenzverwalters auf Einsicht der Steuerakten des Insolvenzschuldners im Grunde von keinerlei Voraussetzungen abhängig. Auf die Gewährung eines uneingeschränkten, nicht an bestimmte Voraussetzungen gebundenen Akteneinsichtsrechts des Insolvenzverwalters zielt aber die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nicht ab.
c) Der Vortrag des Klägers, ein Insolvenzverwalter könne bei Insolvenzverfahren, in denen der Insolvenzschuldner Auskünfte verweigere, nur aufgrund von Unterlagen Dritter (Banken, Kunden, Lieferanten, FA) Informationen zu anfechtbaren Rechtsvorgängen erhalten und ohne solche Unterlagen keine substantiierten Angaben zu Anfechtungsmöglichkeiten machen, mag zwar zutreffen. Die Abgabenordnung (AO) sieht aber kein Recht des Insolvenzverwalters auf Einsicht in die Steuerakten des Insolvenzschuldners vor. Auch ein Steuerpflichtiger selbst hat keinen Anspruch auf Akteneinsicht im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren, sondern nur ein Recht darauf, dass die Finanzbehörde über seinen Antrag auf Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, m.w.N.). Dieses Recht steht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter zu, der nach § 34 Abs. 3 und 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2009 VIII B 346/04, BFH/NV 2010, 56 zur Akteneinsicht nach § 78 FGO). Das Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters kann daher grundsätzlich nicht weiter reichen als das zunächst dem Insolvenzschuldner zustehende Akteneinsichtsrecht. Deshalb ist das Ermessen, das dem FA bei der Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht eingeräumt ist, auch bei einem Antrag eines Insolvenzverwalters nicht generell auf Null reduziert.
2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nicht erfüllt, weil das angefochtene Urteil nicht auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern beruhen kann.
Hat das FG sein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667). Das angefochtene Urteil beruht zum einen darauf, dass das FG vom Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses ausgeht. Der Kläger habe an der begehrten Akteneinsicht --namentlich zum Zwecke der Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten sowie zur Kenntniserlangung von Anfechtungsmöglichkeiten-- kein rechtliches Interesse mehr. Ausweislich der beigezogenen Akten des Insolvenzgerichts sei der Kläger zumindest zum Teil schon im Besitz von Ablichtungen der Steuererklärungen des Insolvenzschuldners. Eine weitere Anfechtung von Rechtshandlungen scheide wegen der eingetretenen Verjährung etwaiger Ansprüche aus. Dagegen richten sich die Verfahrensrügen des Klägers, das FG habe die Verjährung von Anfechtungsansprüchen fehlerhaft bejaht und ihn --den Kläger--- nicht rechtzeitig über die Beiziehung der Akten des Insolvenzgerichts informiert. Das angefochtene Urteil wurde zum anderen aber auch darauf gestützt, dass die Klage in der Sache keinen Erfolg habe, weil das FA bei der Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Hinsichtlich dieser Urteilsbegründung liegt kein Zulassungsgrund vor.