Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.06.2018


BPatG 18.06.2018 - 29 W (pat) 17/16

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
18.06.2018
Aktenzeichen:
29 W (pat) 17/16
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:180618B29Wpat17.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 021 202

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Juni 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Beschwerdegegners, der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens, hilfsweise die unnötig entstandenen Reisekosten, aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die angegriffene Wort-/Bildmarke

Abbildung

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ist am 13. April 2011 angemeldet und am 20. September 2011 unter der Nummer 30 2011 021 202 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 09: Datenträger aller Art;

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Unterrichts- und Lehrmaterialien (ausgenommen Apparate) nämlich Bücher, Handbücher, Arbeitsbücher, Handbücher für den Einsatz in Büros und Zeitungen; Druckereierzeugnisse aller Art, insbesondere Briefumschläge, Briefpapier, Präsentationsmappen und Pappaufsteller, Schreibwaren insbesondere Kugelschreiber; Büroklammern und Schreibblöcke;

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Klasse 35: Handelsvertretung sowie Franchising im Finanz- und Versicherungsbereich, nämlich durch werbefachliche und betriebswirtschaftliche Beratung für Franchising-Konzepte innerhalb der Lizenzvergabe/Zusammenarbeit; überbetriebliche Werbung; Übernahme von Bürodienstleistungen; organisatorische Vorbereitung von Vertragsabschlüssen; Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von Dienstleistungen; Vermittlung von Wirtschaftskontakten; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung in Wirtschaftsfragen ohne Rechts- und Steuerberatung; Unternehmensberatung; Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung; Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen, Unterrichts- und Lehrmaterialien (ausgenommen Apparate) nämlich Bücher, Handbücher, Arbeitsbücher, Handbücher für den Einsatz in Büros und Zeitungen für Werbezwecke; Aktualisierung, Pflege, Systematisierung und Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Marketing; Durchführung von Werbeveranstaltungen; Erstellung von Abrechnungen (Büroarbeiten);

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Klasse 36: Vermittlung von Finanzierungen und Finanzdienstleistungen und Bausparverträgen; Finanzwesen/Investmentgeschäfte; Kreditberatung; Kreditvermittlung; Vermittlung von finanziellen Beteiligungen an Immobilienfonds und/oder Kapitalanlagen; Grundstücks- und Hausverwaltung; Immobilien- und Hypothekenvermittlung; Durchführung des bargeldlosen Abrechnungsverkehrs; Vermietung von Büros (Immobilien); Dienstleistungen eines Maklers; Finanzielle Beratung in Wirtschaftsfragen ohne Rechts- und Steuerberatung; Erteilung von finanziellen Auskünften;

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Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen zum Abruf aus dem Internet, anderen Datennetzen oder Onlinediensten;

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Klasse 41: Ausbildung, Schulung und Weiterbildung im Finanz- und Versicherungsbereich, insbesondere Durchführung von Seminaren sowie Schulungen für Handelsvertreter oder Franchisenehmer; Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen, Unterrichts- und Lehrmaterialien (ausgenommen Apparate) nämlich Bücher, Handbücher, Arbeitsbücher, Handbücher für den Einsatz in Büros und Zeitungen ausgenommen für Werbezwecke; Ausbildung, Schulung und Weiterbildung, insbesondere Durchführung von Seminaren sowie Schulungen für Handelsvertreter oder Franchisenehmer; Herausgabe und Veröffentlichung von gedruckten Studien; Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen für Computerhardware und Computersoftware für den Finanz- und Versicherungsbereich, wie Adressdatenbanken, Vergleichsprogramme, Verwaltungsprogramme, Rechenprogramme, Taschenrechner und Analyseprogramme;

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Klasse 42: Aktualisierung, Erstellen, Installation, Pflege von Datenbanksoftware; Vermietung von unbespielten Datenträgern; Entwicklung von Computerhardware und Computersoftware für den Finanz- und Versicherungsbereich, wie Adressdatenbanken, Vergleichsprogramme, Verwaltungsprogramme, Rechenprogramme, Taschenrechner und Analyseprogramme;

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eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 21. Oktober 2011.

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Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdeführerin aus dem Werktitel

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Visora

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Widerspruch erhoben. Die Bezeichnung sei mit einem Zeitrang vom 1. Oktober 2010 für die Waren und Dienstleistungen

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Klasse 09: Computersoftware;

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Klasse 35: Organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich;

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Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet;

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Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Installation und Wartung von Computersoftware; Administration von Computernetzwerken; Technische Beratung auf dem IT-Sektor; Aktualisierung von Computersoftware; Computerberatungsdienste; Vermietung von Computersoftware

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verwendet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA hat mit Beschluss vom 12. Februar 2016 den Widerspruch als zulässig erachtet, ihn aber als unbegründet zurückgewiesen, weil das behauptete ältere Widerspruchskennzeichen nicht wirksam entstanden sei. Von den durch das nicht eingetragene Zeichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen seien nur "Computersoftware" und "Entwurf und Entwicklung von Computersoftware" dem Titelschutz zugänglich. Die vorgelegten Unterlagen reichten jedoch nicht aus, um für diese Waren und Dienstleistungen ein prioritätsälteres Recht zu belegen. Zum einen datierten die eingereichten Screenshots aus der Zeit nach Anmeldung der jüngeren Marke, zum anderen seien Werbeaktionen, Pressemitteilungen oder Ankündigungen im Internet für eine rechtsbegründende Benutzung unzureichend. Auch die eidesstattlichen Versicherungen seien nicht geeignet, die behauptete Priorität für einen bundesweiten Titelschutz zu belegen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

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Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, der von ihr eingelegte Widerspruch sei zulässig. Seine Begründetheit ergebe sich aufgrund der Verwechslungsgefahr ihres Werktitels "Visora" mit dem prägenden Wortbestandteil in der angegriffenen Marke aus der Gesamtschau der eingereichten Beweismittel, wonach sie den Werktitel für ein Computerprogramm einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen jedenfalls seit dem 1. Oktober 2010 bundesweit im geschäftlichen Verkehr benutze. Dass die Screenshots aus den Jahren 2011 und 2013 stammten, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Denn erst nach Anmeldung der angegriffenen Marke habe sie die Anbahnung eines Rechtsstreits erahnen können, vorher habe kein Grund zur Anfertigung von Screenshots bestanden. Es ergebe sich jedoch aus den eidesstattlichen Versicherungen, dass die Screenshots den Stand aus dem Jahr 2010 widerspiegelten. Diese belegten nicht nur eine geplante Namensänderung von "Visitors" auf "Visora", sondern auch, dass "Visora" schon im Jahr 2010 deutschlandweit und systematisch mit großem Erfolg vermarktet worden sei. Der Titelschutz sei damit jedenfalls vor der Anmeldung der angegriffenen Marke entstanden und nachgewiesen, da die Widersprechende seit dem 16. Juli 2010 ferner die Rechte an der Domain www.visora.de innehabe. Von dieser erfolge seit Anfang 2011 eine Weiterleitung auf die Visora-Produktseite auf der Homepage der Firma C… GmbH (www.conventex.de), wo die Software "Visora" beworben werde. Die Registrierung und Aufrechterhaltung der Domain www.visora.de belege ebenfalls die Entstehung eines Werktitels, da der Domainbestandteil "visora" vom Verkehr als Zeichen zur Unterscheidung eines Werks und nicht nur als Adressbezeichnung verstanden werde, wobei für den Prioritätstag das Datum der Registrierung maßgeblich sei.

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Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Februar 2016 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

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Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens, hilfsweise die unnötig entstandenen Reisekosten seines Vertreters, aufzuerlegen.

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Da das behauptete Recht zum Zeitpunkt der Widerspruchserhebung gar nicht bestanden habe, sei der Widerspruch bereits unzulässig. Beliebig nachträglich erstellte Unterlagen, wie die nach Anmeldung der angegriffenen Marke erstellten Screenshots, dürften nicht zur Vernichtung eines Markenrechts führen. Vielmehr hätte die Beschwerdeführerin frühzeitig eine Markenanmeldung vornehmen und sich so ein Registerrecht sichern können. Der Werktitel "Visora" in Alleinstellung werde in dieser Form nicht mehr benutzt. Die Software der Beschwerdeführerin werde ausschließlich unter dem Namen "Visora PCO" beworben. "PCO" müsse aber als unterscheidungskräftiger Bestandteil bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit mit herangezogen werden. Es dürfe keine Privilegierung von Widersprüchen aus nicht registrierten Marken geben, indem Markeninhaber von Widersprechenden mit behaupteten, aber nicht belegbaren prioritätsälteren geschäftlichen Bezeichnungen in rechtliche Auseinandersetzungen gezwungen würden. Somit sei die Substantiierung des Prioritätstages eine Zulässigkeitsvoraussetzung und keine Frage der Begründetheit. Die Widersprechende habe es versäumt, das Entstehen des behaupteten Rechts innerhalb der Widerspruchsfrist glaubhaft zu machen. Sie habe durch das leichtfertige Einlegen zweier (vgl. Parallelverfahren 29 W (pat) 16/16) von vornherein unsubstantiierter Widersprüche erhebliche Kosten bei der Markeninhaberin verursacht. Jedenfalls seien in einem solchen Fall der Widersprechenden die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung habe zudem Reisekosten beim Vertreter des Beschwerdegegners verursacht, die jedenfalls von der Widersprechenden und Beschwerdeführerin zu tragen seien.

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Der Senat hat – nach der Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung seitens der Beschwerdeführerin – den Verhandlungstermin vom 18. Oktober 2017 antragsgemäß aufgehoben. Zugleich hat er den Parteien seine vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit Hinweis vom 11. Oktober 2017 mitgeteilt.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke wegen eines älteren Werktitels der Widersprechenden nicht gegeben sind (§§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG i. V. m. §§ 5 Abs. 1 und 3, 12, 15 Abs. 2 und 4 MarkenG).

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4. Der Senat geht zugunsten der Beschwerdeführerin von der Zulässigkeit des Widerspruchs aus dem geltend gemachten Werktitel aus. Bei den nicht eingetragenen Widerspruchskennzeichen sind gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 MarkenV zur eindeutigen Identifizierung des Rechts innerhalb der Widerspruchsfrist zwingend neben einer Wiedergabe des Kennzeichens Angaben zur Art, zur Form, zum Zeitrang, zum Inhaber und zum Gegenstand (also Ware oder Dienstleistung im Falle des § 4 Nr. 2 MarkenG, Unternehmen im Fall des § 5 Abs. 2 MarkenG und Werk im Fall des § 5 Abs. 3 MarkenG) des Rechts notwendig. Diesen Vorgaben ist die Widersprechende hinsichtlich des Zeitrangs mit der Angabe eines Datums in dem Widerspruchsformular ausreichend nachgekommen. Ob das Kennzeichen mit dem geltend gemachten Zeitrang tatsächlich existiert, ist eine Frage der Begründetheit (Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 42 Rn. 46 m. w. N.). Problematisch erscheint dagegen, ob eine ausreichende Spezifizierung des geltend gemachten Werktitels hinsichtlich seines Gegenstands vorliegt. Die Widersprechende hat hier – worauf der Beschwerdegegner zutreffend hinweist – unter fehlender Abgrenzung des Werktitels zu einer Verkehrsgeltungsmarke Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 9, 35, 38 und 42 aufgeführt, nicht jedoch, wie erforderlich, das konkrete "Werk" genannt, für das sie Titelschutz beansprucht. Es kann letztlich auf sich beruhen, ob der Widerspruch deshalb schon unzulässig ist, denn jedenfalls ist er unbegründet (vgl. zur – verneinten – Frage des Vorrangs der Prüfung der Zulässigkeit vor der Begründetheit eines Widerspruchs BPatG, Beschluss vom 24.02.2005, 27 W (pat) 105/03).

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5. Ungeachtet der Frage seiner Zulässigkeit hat der Widerspruch in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr vorliegt, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

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Die Widersprechende stützt ihren Widerspruch – wie dem Widerspruchsformular durch das entsprechend angekreuzte Feld eindeutig zu entnehmen ist – auf einen Werktitel (§ 42 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 MarkenG).

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Die Eintragung einer Marke kann nach § 12 MarkenG i. V. m. § 15 Abs. 2 und Abs. 4 MarkenG gelöscht werden, wenn ein anderer prioritätsältere Rechte an einem Werktitel erworben hat, und dieser ihn berechtigt, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wegen Verwechslungsgefahr zu untersagen.

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Ungeachtet des im patentgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes obliegt es in Fällen, in denen der Widerspruch aus einem nicht registrierten Recht erhoben wurde, dem Widersprechenden, die Voraussetzungen für das Entstehen des älteren Rechts, seinen Zeitrang, ggfls. seine Bekanntheit und die Inhaberschaft an diesem Recht darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (vgl. BPatG, Beschluss vom 22.02.2017, 26 W (pat) 55/14 – Länder-Menschen- Abenteuer; für Unternehmenskennzeichen: BPatG, Beschluss vom 23.05.2017, 25 W (pat) 94/14 – Realfundus; Beschluss vom 03.02.2016, 29 W (pat) 25/13BPatG, Beschluss vom 23.05.2017, 25 W (pat) 94/14 – Realfundus; Beschluss vom 03.02.2016, 29 W (pat) 25/13 – ned tax/NeD BPatG, Beschluss vom 23.05.2017, 25 W (pat) 94/14 – Realfundus; Beschluss vom 03.02.2016, 29 W (pat) 25/13 – ned tax/NeD Tax m. w. N.; Miosga in Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 42 Rn. 59).

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a) Die Ausführungen der Widersprechenden zum Gegenstand des von ihr behaupteten Titelschutzes sind unklar und werden der Funktion und den Besonderheiten des Werktitelschutzes, insbesondere der unterschiedlichen Zielrichtung von Marken- und Werktitelschutz nicht gerecht; auch die Markenstelle hat sich in dem angegriffenen Beschluss nicht ausreichend damit auseinandergesetzt. Werktitel dienen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werks von einem anderen Werk, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werks und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Sie sind daher in der Regel nur gegen die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung im engeren Sinne geschützt. Die Gefahr einer solchen unmittelbaren Verwechslung liegt dann vor, wenn aufgrund der Benutzung des angegriffenen Titels die Gefahr besteht, dass der Verkehr den einen Titel für den anderen hält (vgl. BGH GRUR 2012, 1265 – Stimmt´s). Es gehört nicht zur originären Funktion des Werktitels, auf die betriebliche Herkunft der Ware, in der das Werk gegebenenfalls verkörpert ist, oder der Dienstleistung, durch die das Werk produziert wird, hinzuweisen. Dies schließt nicht aus, dass der Verkehr unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbindet; dies hat aber Bedeutung allein für den Schutzumfang des Titels (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 5 Rn. 86).

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Werktitel sind nach § 5 Abs. 3 MarkenG die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Dabei gilt ein gegenüber dem Urheberrecht eigenständiger kennzeichenrechtlicher Werkbegriff. Werke im kennzeichenrechtlichen Sinne sind alle immateriellen Arbeitsergebnisse, die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind (BGH GRUR 2016, 1301BGH GRUR 2016, 1301Rn. 17 – Kinderstube; GRUR 2016, 939 Rn. 15 - wetter.de; BGH GRUR 2016, 1301Rn. 17 – Kinderstube; GRUR 2016, 939 Rn. 15 - wetter.de; GRUR 2012, 1265 Rn. 13 – Stimmt´s?). Auch Computerprogramme und – mit Einschränkungen – Domainnamen kommen als bezeichnungsfähige immaterielle Arbeitsergebnisse in Betracht und sind daher dem Werktitelschutz nach § 5 Abs. 1 und 3, § 15 MarkenG zugänglich (BGH , a. a. O., wetter.de; GRUR 2006, 594 Rn. 16 – SmartKey; GRUR 1998, 155, 156 – Powerpoint; NJW 1997, 3315, 3316 - FTOS; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 5 Rn. 101; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 5 Rn. 81; Schalk in Büscher/ Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Auflage, Kap. 3 Rn. 46). Im vorliegenden Fall kommt als werktitelschutzfähiger Gegenstand allenfalls das von der Beschwerdeführerin in den Handel gebrachte Computerprogramm in Betracht.

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Dem Vortrag der Beschwerdeführerin ist zu entnehmen, dass sie ihren Widerspruch jedenfalls auf ein auf Computersoftware bezogenes Werktitelrecht stützt; die Bezeichnung "Visora" für ihr darunter vertriebenes Computerprogramm ist – wie ausgeführt – auch titelschutzfähig.

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Soweit die Beschwerdeführerin offensichtlich darüber hinaus meint, ihr stehe ein auch auf die mit dem Computerprogramm in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen – nämlich Organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich, Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet, Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Installation und Wartung von Computersoftware; Administration von Computernetzwerken; Technische Beratung auf dem IT-Sektor; Aktualisierung von Computersoftware; Computerberatungsdienste; Vermietung von Computersoftware -–bezogenes Werktitelrecht zu, kann dem nicht gefolgt werden. Dies gilt entgegen den Ausführungen der Markenstelle auch für die Dienstleistung "Entwurf und Entwicklung von Computersoftware". Die werktitelmäßige Benutzung setzt nämlich ein weitgehend fertiggestelltes Werk voraus. Bloße Konzepte, Ideen oder Pläne stellen ebenso wenig ein – weitgehend – fertiges Werk dar, wie der Herstellungsprozess selbst, um den es sich aber bei "Entwurf und Entwicklung von Computersoftware" handelt (Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., Kap. 3 Rn. 49).

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Soweit die Beschwerdeführerin schließlich auf die Anmeldung ihres Domainnamens www.visora.de hinweist und insoweit ausführt, der Verkehr erkenne in dem Domainbestandteil "visora" nicht nur eine Adressbezeichnung, sondern ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks, bleibt unklar, ob sie hier mit "Werk" ihr Internetangebot als eigenständiges Werk meint oder das Internetangebot gemeinsam mit dem Computerprogramm als einheitliches Werk unter dem Titel "Visora" ansieht. Beides führt hingegen vorliegend nicht weiter. Bei Domainnamen besteht die Besonderheit, dass die Werktitelschutzfähigkeit nur zu bejahen ist, wenn sie sich auf eine aktive Webseite beziehen, auf der redaktionelle Inhalte hinterlegt sind, die auch außerhalb des Internets titelschutzfähig wären (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O.; Ingerl/Rohnke, a. a. O., nach § 15 Rn. 53 f.). Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin wird unter der Domain www.visora.de aber seit Anfang 2011 keine eigene Internetseite mehr betrieben, sondern es erfolgt unmittelbar eine Weiterleitung an die unter dem Domainnamen www.conventex.de betriebene Homepage der Widersprechenden; dort werde das Visora-Produkt beworben. Zuvor sei unter www.visora.de das Logo der Software, der Claim "Eine neue Art von Software" sowie ein Link auf das Impressum der Widersprechenden abrufbar gewesen. Schon dieser Vortrag widerspricht der Annahme, dass das unter der Domain www.visora.de abrufbare Internetangebot seinem Inhalt nach eine eigenständige und charakteristische sowie bezeichnungsfähige Leistung darstellen könnte. Ungeachtet dessen ist ein eigenständiges Werktitelrecht bezogen auf die Internetdomain vorliegend jedenfalls nicht verfahrensgegenständlich, weil dieses Widerspruchskennzeichen mit eigenem Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist unter Zahlung einer weiteren Widerspruchsgebühr hätte geltend gemacht werden müssen. Wegen der Weiterleitung auf eine andere Webseite kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr die Internetseite www.visora.de zusammen mit dem Computerprogramm "Visora" als einheitliches Werk ansieht.

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Der Senat geht nach alledem davon aus, dass der Hinweis auf die Domain lediglich ergänzend dazu dienen soll, den Prioritätszeitpunkt des Entstehens des Titelschutzes zu belegen; die weitere Prüfung beschränkt sich mithin darauf, ob der Beschwerdeführerin ein Titelrecht nach § 5 Abs. 3 MarkenG an der Bezeichnung "Visora" allein für das Werk "Computersoftware" zusteht.

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b) Voraussetzung für die Entstehung des Werktitels ist seine hinreichende Unterscheidungskraft bereits bei der Benutzungsaufnahme im geschäftlichen Verkehr.

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Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die Eignung des Titels, ein Werk als solches zu individualisieren und von einem anderen zu unterscheiden (BGH a. a. O. Rn. 19 – Stimmt´s?; BPatG a. a. O. – Länder-Menschen-Abenteuer). Hierbei werden nur sehr geringe Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt (BGH GRUR 2010, 640 Rn. 15 - hey!; GRUR 1993, 769, 770 – Radio Stuttgart). Es reicht aus, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist (BPatG a. a. O. Rn. 40 – ned tax/NeD Tax). Diesen Anforderungen genügt der Begriff "Visora" ohne weiteres. Es handelt sich um einen Fantasienamen, bei dem kein beschreibender Bezug in Verbindung zu Computerprogrammen festgestellt werden konnte. Der Titel ist somit bereits zum Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme geeignet gewesen, das Computerprogramm der Beschwerdeführerin von anderen Computerprogrammen zu unterscheiden.

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Der Werktitelschutz entsteht mit der Ingebrauchnahme des Titels für das Werk. Bei Computerprogrammen erfordert die Benutzungsaufnahme den Vertrieb des fertigen, mit der fraglichen Bezeichnung versehenen Produkts oder zumindest eine der Auslieferung des fertigen Produkts unmittelbar vorhergehende werbende Ankündigung (BGH GRUR 1997, 902 Rn. 21 – FTOS). Eine solche rechtsbegründende werktitelmäßige Benutzungsaufnahme hat die Beschwerdeführerin nachgewiesen. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin führt an Eides statt aus, dass er das Produkt "Visora" am 4. und 5. Oktober 2010 bei der Firma "T… GmbH" in R… sowie am 18. Dezember 2010 bei Geschäftsführern verschiedener Veranstaltungshäuser vorgestellt habe, und die Widersprechende das Programm "Visora" seit dem 22. Oktober 2010 an Kunden lizensiere. Spätestens mit diesem Datum kann eine Benutzungsaufnahme angenommen werden. Dass dies nicht mit dem in der Widerspruchserklärung angegebenen – früheren – Prioritätstag übereinstimmt ist unschädlich, da sich aus der Auslegung der eingereichten Unterlagen insgesamt jedenfalls eine Priorität ergibt, die vor dem Prioritätstag der angegriffenen Marke liegt. Die vom Beschwerdegegner aufgeworfene Frage, ob unabhängig vom wirksamen Entstehen des Werktitelschutzes dieses Recht überhaupt noch fortbesteht oder nicht zwischenzeitlich erloschen ist, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben. Denn ein Löschungsanspruch scheitert jedenfalls an den weiteren Voraussetzungen.

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c) Die Löschungsreife der angegriffenen Marke setzt nach § 12 MarkenG weiterhin voraus, dass ein Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG besteht. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, weil zwischen der angegriffenen Marke und dem älteren Werktitel trotz hoher Zeichenähnlichkeit weder unmittelbare noch mittelbare Verwechslungsgefahr oder eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn besteht.

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Die Beurteilung, ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

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Dabei ist die Verwechslungsgefahr – ebenso wie für Marken- und Unternehmenskennzeichen – auf der Grundlage einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren zu beurteilen, insbesondere dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des Widerspruchskennzeichens und der Werknähe, die an die Stelle der Waren/Dienstleistungsähnlichkeit bzw. der Branchennähe tritt (BGH GRUR 2012, 1265 Rn. 23 – Stimmt’s?; GRUR 2005, 264 Rn. 21 – Das Telefon-Sparbuch; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 15 Rn. 74 m. w. N.).

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Zwar ist zwischen der angegriffenen Marke Abbildung und dem durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Werktitel "Visora" von hoher Zeichenähnlichkeit auszugehen.

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Vor der Prüfung der Werknähe ist jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf deren Funktion Werktitel in der Regel nur gegen die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung im engeren Sinne, also einer Titelverwechslung, geschützt sind (BGH a. a. O. Rn. 22 – Kinderstube; a. a. O. Rn. 23 – Stimmt´s?; GRUR 2005, 264 Rn. 29 – Das Telefon-Sparbuch; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 12 Rn. 10 und § 15 Rn. 75). Nicht jede Verwendung des Werktitels oder einer verwechselbaren Bezeichnung stellt daher eine Rechtsverletzung i. S. des § 15 Abs. 2 MarkenG dar. Vielmehr muss die angegriffene Bezeichnung titelmäßig verwendet werden, wenn sich der Werktitel nicht auch zu einem Hinweis auf die Herkunft des gekennzeichneten Produkts aus einem Unternehmen entwickelt hat (BGH, GRUR 2010, 642 Rn. 37 – WM-Marken; GRUR 2000, 70, 72 – SZENE).

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Im Streitfall ist eine solche Titelverwechslung nicht zu besorgen. Ob im Rahmen der bei der angegriffenen Marke zu unterstellenden – rechtserhaltenden – Benutzung ausschließlich von einer markenmäßigen und nicht (auch) von einer titelmäßigen Benutzung auszugehen ist, so dass von vornherein ein Eingriff in den Schutzbereich des Werktitels nicht in Betracht kommt, kann hier dahinstehen (vgl. hierzu eingehend Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 12 Rn. 10-15). Denn jedenfalls findet sich im Verzeichnis der angegriffenen Marke schon keine Ware oder Dienstleistung, die titelschutzfähig wäre und zudem mit dem älteren Werktitelrecht eine Werkidentität oder -ähnlichkeit aufweisen könnte.

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Die Beurteilung der Ähnlichkeit der Werkkategorie (Werknähe) richtet sich zum einen danach, ob die Werkinhalte der konkurrierenden Titel unterschiedlich sind und zum anderen nach den Marktverhältnissen, d. h. dem Charakter und dem Erscheinungsbild der Werke (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 15 Rn. 82 ff.; Büscher in Büscher/ Dittmer/Schiwy, a. a. O., Kap. 3 Rn. 70).

51

Vergleicht man vorliegend das Computerprogramm "Visora" der Beschwerdeführerin mit den für die angegriffene Marke eingetragenen  Waren und Dienstleistungen, ergibt sich die engste Überschneidung in Klasse 9 für "Datenträger aller Art"; der gegenständliche Datenträger selbst ist jedoch nicht titelschutzfähig, allenfalls ein auf dem Datenträger aufgespielter Inhalt. Von einer "Werknähe" kann daher nicht ausgegangen werden. Ebenso zu verneinen wäre jedenfalls eine Werknähe zwischen dem Computerprogramm "Visora" und den für die angegriffene Marke eingetragenen Druckereierzeugnissen der Klasse 16 (vgl. BGH, GRUR 2005, 264 Rn. 34 – Das Telefon-Sparbuch; vgl. auch LG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 11, 12).

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Eine Werkverwechslung und damit einhergehend die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr scheidet schon deshalb aus.

53

Auch von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr bzw. der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn ist nicht auszugehen. Die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr oder einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn setzt voraus, dass der Verkehr in dem betreffenden älteren Titel nicht nur ein auf den Werkinhalt bezogenes Individualisierungszeichen sieht, sondern mit ihm ausnahmsweise zugleich eine bestimmte betriebliche Herkunftsvorstellung verbindet. Diesen über den reinen Werktitelschutz hinausgehenden Schutz nimmt die Rechtsprechung nur bei bekannten Titeln regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften wie Zeitungen, Zeitschriften und auch regelmäßig aktualisierter Standardwerke an (BGH GRUR 2016, 1300 Rn. 22 – Kinderstube; GRUR 2014, 483 Rn. 29 – test; GRUR 2000, 504, 505 f. - FACTS; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 15 Rn. 76 m. w. N.) sowie bei bekannten Titeln von Fernseh- und Hörfunksendungen, insbesondere bei bekannten Reihentitel (BGH GRUR 2001, 1050, 1052 – Tagesschau; GRUR 2001, 1054, 1056 – Tagesreport). Denn die Bekanntheit eines solchen Titels und das regelmäßige Erscheinen im selben Verlag bzw. die regelmäßige Ausstrahlung im Hörfunk oder Fernsehen legen die Schlussfolgerung nahe, dass der Werktitel im Verkehr, jedenfalls teilweise, auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird (BGH a. a. O. Rn. 36 – Das Telefon-Sparbuch; GRUR 1999, 235, 237 – Wheels Magazine; BPatG, Beschluss vom 22.02.2017, 26 W (pat) 55/14 – Länder-Menschen-Abenteuer).

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Aus dem Vortrag der Widersprechenden erschließt sich nicht, dass es sich vorliegend um einen Serientitel im oben genannten Sinne handelt. Jedenfalls bestehen schon keine Anhaltspunkte, dass "Visora" den für einen erweiterten Werktitelschutz erforderlichen Bekanntheitsgrad zum hier maßgeblichen Kollisionszeitpunkt, also zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im April 2011, mithin nur knapp sechs Monate nach Inverkehrbringen des Computerprogramms durch die Widersprechende, erreicht hat, und der Titel somit gegen eine markenmäßige Benutzung der kollidierenden Bezeichnung verteidigt werden kann. Die Widersprechende hat – trotz des Hinweises des Senats vom 11. Oktober 2017 – hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden ergeben sich keine ausreichenden Hinweise darauf, dass der Titel über eine hinreichende Bekanntheit verfügt. Weder die genannten Umsatzzahlen von … € über einen Zeitraum von drei Jahren noch die Aufzählung von Kunden, an die die Software lizensiert worden ist, sprechen für eine Bekanntheit, mit der der Verkehr eine bestimmte betriebliche Herkunftsvorstellung verbinden würde.

55

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

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6. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.

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Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst, soweit eine Bestimmung über die Kosten nicht getroffen wird. Eine von diesem Grundsatz abweichende Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 63 Abs. 1 S. 1 MarkenG) setzt besondere Umstände voraus. Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 13). Das Gesetz knüpft damit die Kostenerstattung nicht generell an den Ausgang des Verfahrens an (BPatG, Beschluss vom 01.06.2016, 29 W (pat) 64/14 – Insel Usedom Inselkind USEDOM/INSELKIND/Inselkind; Beschluss vom 21.05.2014, 29 W (pat) 55/12 – idea SERVICE PERSONALDIENSTLEISTUNGEN/Ideal Personal; Beschluss vom 18.03.2009, 28 W (pat) 102/08 – Revilo/ REVILLON).

58

Im vorliegenden Fall sind keine Umstände für eine Kostenauferlegung ersichtlich. Zwar erscheint es aus Sicht des Senats problematisch, ob der Widerspruch mangels ausreichender Spezifizierung des Gegenstandes des geltend gemachten Werktitels möglicherweise unzulässig sein könnte. Die Unzulässigkeit eines Widerspruchs für sich alleine rechtfertigt jedoch noch keine Kostenauferlegung. Eine solche kommt nur in ganz eindeutigen Fällen in Betracht, in denen das Ergebnis keinesfalls zweifelhaft sein kann (vgl. Büscher in Büscher, Dittmer, Schiwy, a. a. O., Kap. 3 § 71 Rn. 7) und die Unzulässigkeit von vorne herein erkennbar war. Im Hinblick auf die Komplexität des Verfahrens bei Widersprüchen aus nicht registrierten Kennzeichenrechten kann davon jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Inwiefern ein Vortrag gut oder, wie der Beschwerdegegner vorträgt, "handwerklich schlecht" ist, mag sich auf die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auswirken, ist für die Frage der Kostenauferlegung jedoch nicht ausschlaggebend, zumal eine Begründungspflicht für den Widerspruch als Zulässigkeitsvoraussetzung nicht vorgesehen ist (Miosga in Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 42 Rn. 46).

59

Das bloße Einlegen der Beschwerde rechtfertigt ebenfalls eine Billigkeitsentscheidung zu Lasten der Beschwerdeführerin nicht.

60

Auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerde trotz Hinweises des Senats nicht zurückgenommen hat, rechtfertigt keine Kostenauferlegung, da das Interesse der Widersprechenden an einer Entscheidung über ihren Widerspruch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellt.

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Schließlich kommt auch eine Erstattung der nutzlos aufgewendeten Flugkosten des Vertreters des Beschwerdegegners nicht in Betracht. Grundsätzlich kann bei Beschränkung der Pflichtverletzung auf eine bestimmte kostenauslösende Maßnahme entsprechend auch nur ein Teil der Kosten auferlegt werden (vgl. Ingerl/ Rohnke, a. a. O., § 71 Rn. 17). Der durch die Beschwerdeführerin mitgeteilte Verzicht auf die mündliche Verhandlung war jedoch nicht grob sorgfaltspflichtwidrig. Die Terminsladung ist dem Vertreter der Beschwerdeführerin am 26. September 2017 zugestellt worden. Bereits am 5. Oktober 2017 und somit knapp zwei Wochen vor dem auf den 18. Oktober 2017 anberaumten Verhandlungstermin hat die Beschwerdeführerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen. Die Mitteilung ist am selben Tag beim Vertreter des Beschwerdegegners eingegangen. Dass die Beschwerdeführerin die Entscheidung zur Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung nicht früher getroffen hat, und dadurch Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdegegners entstanden sind, ist ihr nicht vorzuwerfen. Die Beschwerdeführerin musste nicht davon ausgehen, dass der Vertreter des Beschwerdegegners einen nicht stornierbaren Flugtarif gebucht hatte. Verlegungen mündlicher Verhandlungen, aus welchen Gründen auch immer, liegen durchaus im Bereich des Üblichen, so dass grundsätzlich mit einem Erfordernis der Stornierung zu rechnen und die Buchung nicht stornierbarer Verbindungen typischerweise nicht dem Gegner zurechenbar ist. Für eine Absicht der Beschwerdeführerin, unnötige Reisekosten entstehen zu lassen, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Es verbleibt daher beim Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.