Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.06.2016


BPatG 01.06.2016 - 29 W (pat) 64/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Insel Usedom Inselkind USEDOM (Wort-Bild-Marke)/INSELKIND/Inselkind" – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Verwechslungsgefahr – Kostenentscheidung - Anmeldung einer Marke ohne vorherige Recherche nach älteren Rechten - kein Grund für eine Kostenauferlegung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
01.06.2016
Aktenzeichen:
29 W (pat) 64/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 021 350

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in seiner Sitzung am 1. Juni 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters am Landgericht Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Oktober 2013 und vom 31. Juli 2014 aufgehoben.

Die angegriffene Marke 30 2012 021 350 ist aufgrund der Widersprüche aus den Marken 305 37 907 und 30 2011 060 415 zu löschen.

2. Der Kostenantrag der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die (schwarz/weiße) Wort-/Bildmarke 30 2012 021 350 des Beschwerdegegners

Abbildung

2

ist am 21. März 2012 angemeldet und am 10. Juli 2012 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) eingetragen worden für die Waren der

3

Klasse 16 Waren aus Papier und Pappe;

4

Klasse 24 Webstoffe und Textilwaren;

5

Klasse 25 Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen.

6

Gegen die Eintragung der Marke, die am 10. August 2012 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdeführerin aus zwei Wortmarken Widerspruch erhoben, nämlich zum einen aus ihrer am 4. Oktober 2005 eingetragenen Wortmarke 305 37 907

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INSELKIND

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die für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Abreißkalender; Abziehbilder; Alben; Aufkleber, Stickers (Papeteriewaren); Behälter, Kästen für Papier- und Schreibwaren; Bilder; Bleistifte; Bleistiftspitzer (elektrisch oder nicht elektrisch); Blöcke (Papier- und Schreibwaren); Briefpapier; Broschüren; Bucheinbände; Bücher (kleine); Bücher; Druckereierzeugnisse; Einbände (Papier- und Schreibwaren); Etiketten, nicht aus Textilstoffen; Fahnen, Wimpel (aus Papier); Farbdrucke; Farbkästen (Schülerbedarf); Federhalter; Federhalterclips; Federkästen; Fotografien; Füllerfederhalter; Gemälde (Bilder), gerahmt oder ungerahmt; Glückwunschkarten; grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Hefter (Bürogeräte); Hüllen (Papier- und Schreibwaren); Kalender; Karten; Kataloge; Lesezeichen; Lätzchen aus Papier; Magazine (Zeitschriften); Malkästen (Schülerbedarf); Musikglückwunschkarten; Notizbücher; Ordner (Büroartikel); Packpapier; Papier; Papier- und Schreibwaren; Plakate aus Papier und Pappe; Plakate; Postkarten; Prospekte; Radiergummis; Schablonen (Papier- und Schreibwaren); Schachteln aus Pappe oder aus Papier; Schreibetuis; Schreibgeräte; Schreibhefte; Schreibmappen (Schreibnecessaires); Schreibunterlagen; Schülerbedarf (Papier- und Schreibwaren); Sets (Platzdeckchen aus Papier); Ständer für Fotografien; Zeichenbedarfsartikel; Zeichenblöcke; Zeichenetuis; Zeitschriften (Magazine); Zeitschriften; Zeitungen;

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Klasse 25: Babywindelhosen (Bekleidungsstücke); Babywäsche; Badeanzüge; Badehosen; Bademäntel; Bademützen; Badesandalen; Badeschuhe; Bandanas (Tücher für Bekleidungszwecke); Baskenmützen; Bekleidung aus Lederimitat; Bekleidungsstücke; Bekleidungsstücke aus Papier; Bodysuits (Teddys, Bodys); Camisoles; Chasubles; Damenkleider; Duschhauben; Fausthandschuhe; Galoschen; Geldgürtel (Bekleidung); Gymnastikbekleidung; Gymnastikschuhe; Gürtel (Bekleidung); Halbstiefel (Stiefeletten); Halstücher; Handschuhe (Bekleidung); Hausschuhe; Hemd-Höschenkombinationen (Unterbekleidung); Hemdblusen; Hemden; Holzschuhe; Hosen; Hosenträger; Hüte; Jacken; Jerseykleidung; Joppen (weite Tuchjacken); Kapuzen; Konfektionskleidung; Kopfbedeckungen; Käppchen (Kopfbedeckungen); Lederbekleidung; Leibwäsche (schweißaufsaugend); Lätzchen, nicht aus Papier; Morgenmäntel; Mäntel; Mützen; Mützenschirme; Oberbekleidungsstücke; Ohrenschützer (Bekleidung); Overalls; Papierhüte (Bekleidung); Parkas; Pullover; Regenmäntel; Röcke; Sandalen; Saris; Schals, Schärpen; Schlafanzüge; Schlüpfer; Schnürstiefel; Schuhe (Halbschuhe); Schuhwaren; Schürzen (Bekleidung); Schürzen; Slips; Socken; Sportschuhe; Sportschuhe (Halbschuhe); Stiefel; Stirnbänder (Bekleidung); Stoffschuhe (Espadrillos); Strandanzüge; Strandschuhe; Strumpfhosen; Strümpfe; Sweater; T-Shirts; Trikots; Unterhosen; Unterwäsche;

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Klasse 35: Aktualisierung von Werbematerial; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und-pflege durch Versandwerbung (Mailing); Marketing (Absatzforschung); Marketing auch in digitalen Netzen; Marktforschung; Merchandising; Onlinewerbung in einem Computernetzwerk; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Präsentation von Waren in Kommunikationsmedien, für den Einzelhandel; Sponsoring in Form von Werbung; Textverarbeitung (Schreibdienste); Verbreitung von Werbeanzeigen; Verfassen von Werbetexten; Verkaufsförderung (Salespromotion) (für Dritte); Werbung; Öffentlichkeitsarbeit (Publicrelations),

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geschützt ist sowie aus ihrer am 16. Januar 2012 eingetragenen Wortmarke 30 2011 060 415

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Inselkind

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die für die für nachfolgenden Waren Schutz genießt:

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Klasse 03: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Duftholz, Duftwasser, parfümierte Raumduftstoffe, Duftstoffe, soweit in Klasse 3 enthalten, kosmetische Hautpflegemittel, insbesondere Gesichts- und Körpercremes, Handlotionen, Duschgel, Duschöl, Kosmetika, Öle für kosmetische Zwecke, Öle für die Körper- und Schönheitspflege, Reinigungsmilch für die Körper- und Schönheitspflege; Zahnputzmittel;

16

Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Bürsten und Pinsel (ausgenommen für Malzwecke); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlwolle; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten, Becher, Teller, Tassen, Vasen;

17

Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken; Reisedecken, Tagesdecken für Betten; Tischdecken (nicht aus Papier), Kissenbezüge, Duschvorhänge aus textilem Material oder aus Kunststofffolie;

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Klasse 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Sportgeräte, insbesondere Surfboards, Skateboards, Skimboards, Standup-Paddleboards; Christbaumschmuck;

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Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

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Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.

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Mit Beschlüssen vom 17. Oktober 2013 und vom 31. Juli 2014, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 16 des DPMA die Widersprüche zurückgewiesen. Zwischen den von der angegriffenen Marke und den von den Widerspruchsmarken beanspruchten Waren bestehe Identität. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei in Bezug auf Waren, die über einen geistigen Inhalt verfügen könnten, vermindert, zumindest für einige der hier relevanten Widerspruchswaren aber durchschnittlich. Eine Markenähnlichkeit sei vorliegend nicht zu bejahen. In klanglicher Hinsicht stünden sich die Wörter „Insel Usedom Inselkind Usedom“ und „Inselkind“ gegenüber. Trotz des beschreibenden Charakters der Bestandteile „Insel Usedom“ und „Usedom“ vermöge der Bestandteil „Inselkind“ klanglich aber nicht zu prägen, weil die einzelnen Zeichenbestandteile unmittelbar aufeinander bezogen seien. In bildlicher und begrifflicher Hinsicht bestehe ebenfalls keine Ähnlichkeit. Ferner komme dem Bestandteil „Inselkind“ keine selbständig kennzeichnende Stellung zu, da er optisch nicht hervortrete, sondern sich in die Grafik einschmiege. Auch ein gedankliches miteinander in Verbindung bringen sei daher nicht gegeben. Folglich bestehe zwischen den sich jeweils gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr.

22

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

23

Anders als die Markenstelle meine, sei insgesamt von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auszugehen. Es bestehe des weiteren Warenidentität. Zudem werde der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil „Inselkind“ geprägt, so dass sich auch identische Markenwörter gegenüberstünden. Denn der Verkehr werde die jüngere Marke nur mit dem Wort „Inselkind“ abkürzen bzw. benennen. Den geografischen Wortbestandteilen „Insel Usedom“ und „USEDOM“ wie auch der bildlichen Darstellung der Insel Usedom komme als beschreibenden und nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähigen Angaben nämlich keinerlei prägender Einfluss zu, selbst wenn diese - wie vorliegend - grafisch hervorgehoben seien. Schließlich sei die angegriffene Marke nur wegen des Bestandteils „Inselkind“ überhaupt eingetragen worden, da andernfalls ein absolutes Schutzhindernis vorliegen würde. Es bestehe daher in klanglicher als auch schriftbildlicher Hinsicht erhebliche Verwechslungsgefahr.

24

Dem Beschwerdegegner seien auch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, denn es sei ihm vor Einreichung seiner Anmeldung zuzumuten gewesen, eine entsprechende Recherche über prioritätsältere Kennzeichen durchzuführen. Besondere Zurückhaltung sei geboten, wenn der Anmelder wisse oder hätte wissen müssen, dass nicht nur das von ihm beanspruchte Kennzeichen, sondern auch die insoweit beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit denen eines prioritätsälteren Schutzrechts identisch oder jedenfalls in hohem Maße ähnlich und damit die Zeichen verwechslungsfähig seien. Unter diesen Umständen stelle sich die gleichwohl erfolgte Anmeldung des angegriffenen Zeichens als bösgläubig dar.

25

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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1. die Beschlüsse vom 17. Oktober 2013 und 31. Juli 2014 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2012 021 350 anzuordnen;

27

2. dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28

Der Beschwerdegegner beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

30

Er macht geltend, dass seine Marke als Wort-/Bildmarke eingetragen worden sei und damit als zusammenhängendes Ganzes betrachtet werden müsse. Neben dem Wortbestandteil „Inselkind“ sei besonderes Augenmerk auf den Bildbestandteil der Insel Usedom zu legen, weil gerade dieser ein entscheidendes Kriterium zur ausreichenden Unterscheidungsmöglichkeit darstelle. Dem bildlichen Gesamteindruck sei wesentlich höhere Bedeutung beizumessen als dem klanglichen. Zu einer solchen rechtlichen Gesamteinschätzung komme auch das Europäische Gericht in seinem Urteil vom 2. Februar, AZ: T-485/14 in einem gleichgelagerten Fall. Die Kunden, welche die hier relevanten Waren kauften, nähmen diese zum überwiegenden Teil in Augenschein, so dass der klangliche Teil der Marke nur eine untergeordnete Rolle spiele. Dies sei auch der Grund, warum er die Einzigartigkeit der Marke durch die Kombination aus Wort und Bild hervorgehoben habe. Neben dem Wort „Inselkind“ seien mit der Bildmarke als hervorgehobenes Merkmal, der geografischen Wortzuweisung „Insel Usedom“ sowie den weiteren Unterscheidungsmerkmalen in den Worten „Inselkind“ und „Usedom“ mit dem grafischen Zusatz einer Möwe bei den Buchstaben „i“ und „o“ weitere Markenbestandteile vorhanden. Die Gesamtheit dieser Komponenten schließe ohne jeden Zweifel die Verwechslungsgefahr aus. Schließlich zeige eine Internetrecherche, dass unzählige private Unternehmen oder Anbieter mit dem Wort „Inselkind“ werben würden und demzufolge die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken offensichtlich nicht sehr hoch sei.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

32

Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache auch Erfolg.

33

1. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 305 37 907 besteht jedenfalls im Umfang der Waren der Klassen 16 und 25 in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG; zudem ist eine solche Verwechslungsgefahr auch zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 30 2011 060 415 für die Waren der Klasse 24 zu bejahen, so dass beide Widersprüche zusammen betrachtet zur vollständigen Löschung der angegriffenen Marke führen.

34

Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 - Calvin Klein/ HABM [CK CREACIONES KENNYA/CK CALVIN KLEIN]; GRUR 2010, 933 Rn. 32 - Barbara Becker; GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 - Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH WRP 2016, 336 - BioGourmet; MarkenR 2016, 46 Rn. 7 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2015, 176 Rn. 9 - ZOOM/ZOOM; GRUR 2015, 1008 Rn. 18 - IPS/ISP). Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr können zudem weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware oder Dienstleistung, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

35

a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen wurden, ist für die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bzw. –identität die jeweilige Registerlage maßgeblich.

36

Bei den Waren der angegriffenen Marke „Waren aus Pappe und Papier“ der Klasse 16 kann es sich um die für die Widerspruchsmarke 305 37 907 in dieser Klasse geschützten „Plakate aus Papier und Pappe“ oder auch „Schachteln aus Pappe oder Papier“ handeln, so dass Identität gegeben ist.

37

Zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Warenoberbegriffen aus Klasse 25Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen“ und den Widerspruchswaren der Marke 305 37 907 in Klasse 25 liegt ebenfalls Identität vor; so sind die „Schuhwaren“ wortgleich in beiden Verzeichnissen enthalten, die „Oberbekleidungsstücke“ werden von den angegriffenen Waren „Bekleidungsstücke“ umfasst und die „Mützen“ und „Hüte“ sind in unter die „Kopfbedeckungen“ zu subsumieren.

38

Schließlich finden sich die angegriffenen Waren der Klasse 24Webstoffe und Textilwaren“ der jüngeren Marke identisch in dem Verzeichnis der Widerspruchsmarke 30 2011 060 415.

39

Da aus den nachfolgend darzustellenden Gründen jedenfalls im Warenidentitätsbereich eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken vorliegt, führen die beiden Widersprüche insgesamt zur vollständigen Löschung der Marke. Ob und in welchem Grad zwischen den angegriffenen Waren der Klasse 24 zu den Waren bzw. Dienstleistungen der Widerspruchsmarke 305 37 907 einerseits und zwischen den angegriffenen Waren der Klasse 16 und 25 zu den Waren der Widerspruchsmarke 30 2011 060 415 andererseits eine Ähnlichkeit zu bejahen ist, kann daher als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

40

b) Die Widerspruchsmarken „INSELKIND“ bzw. „Inselkind“ verfügen von Haus aus über durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

41

Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke be- stimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rn. 31 - BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH a. a. O. Rn. 31 - BioGourmet). Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rn.10 - ISET/ISETsolar; BGH GRUR 2008, 905 Rn. 16 - Pantohexal). Anhaltspunkte für eine solche Verminderung der Kennzeichnungskraft sind nicht zu erkennen.

42

Zutreffend hat die Markenstelle zur Bedeutung des Wortes „Inselkind“ ausgeführt, dass dieses einen Menschen bezeichnet, der auf einer Insel geboren wurde oder dort lebt und daher eine besondere Verbundenheit mit der Insel verspürt. Die Bezeichnung „Inselkind“ mag einen gewissen Flair von Meer und Freiheit vermitteln, sie beschreibt aber weder unmittelbar Merkmale und Eigenschaften der hier jeweils relevanten Widerspruchswaren, nämlich der Pappwaren, Papierwaren, Webstoffe und Textilwaren sowie der Mützen, Hüte, Oberbekleidungsstücke und Schuhwaren, noch gibt sie ernsthaft einen Hinweis auf die angesprochene Zielgruppe oder lehnt sich an eine Sachangabe an. Soweit der Beschwerdegegner behauptet, mit dem Wort „Inselkind“ werde umfangreich geworben, fehlt es hierzu an einem substantiierten Vortrag bzw. an der Vorlage von Verwendungsbeispielen. Die eigene Recherche des Senats hat jedenfalls nicht ergeben, dass es sich bei „Inselkind“ in Alleinstellung für die hier maßgeblichen Waren um ein derart übliches Werbeschlagwort handelte, dass nur eine geschwächte Kennzeichnungskraft zugebilligt werden könnte.

43

c) Die hier relevanten Vergleichswaren aus den Klassen 16, 24 und 25 richten sich an den Endverbraucher. Bei teils auch preislich gehobenen Produkten der Klasse 25, bei denen die Verbraucher im Allgemeinen markenbewusst sind, wird die Aufmerksamkeit und Sorgfalt beim Kauf eher höher, bei sonstigen, häufig niedrigpreisigen Waren der Klassen 25 dagegen geringer sein (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 02.07.2014, 29 W (pat) 73/12). Zugunsten des Beschwerdegegners geht der Senat bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr insgesamt von einer leicht erhöhten Aufmerksamkeit des Publikums aus.

44

d) Ausgehend hiervon hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG erforderlichen deutlichen Zeichenabstand zu den Widerspruchsmarken nicht ein.

45

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (BGH, GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/ Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 25 – pjur/pure; GRUR 2008, 909 Rdnr. 13 – Pantogast; GRUR 2008, 905 Rdnr. 12 – Pantohexal), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH, GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsaver; GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH, GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. - THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2009, 484 Rdnr. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60 Rdnr. 17 - coccodrillo). Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH, GRUR 2006, 413 Rn. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042 Rn. 28 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2010, 235 Rn. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484 Rn. 32 – METROBUS).

46

Die jeweiligen Kollisionsmarken „Abbildung“ und „INSELKIND“ bzw. „Inselkind“ insgesamt zeigen zwar wegen der grafischen Ausgestaltung der angegriffenen Marke sowie der dort enthaltenen zusätzlichen Wortbestandteile „Insel Usedom“ und „Usedom“ begrifflich, klanglich und schriftbildlich ausreichende Unterschiede, worauf der Beschwerdegegner zutreffend hinweist.

47

Allerdings wird die angegriffene Marke – anders als die Markenstelle und der Beschwerdegegner meinen – in klanglicher Hinsicht von dem Bestandteil „Inselkind“ geprägt.

48

Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil - sofern er kennzeichnungskräftig ist - den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH, GRUR 2014, 378 Rdnr. 39 - OTTO CAP). Zudem ist für den phonetischen Zeichenvergleich maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Die klangliche Wiedergabe kann dabei auch durch die grafische Gestaltung der Marke beeinflusst werden. Grafisch gestaltete Markenbestandteile können daher wegen unsicherer oder schwieriger Aussprache hinter klar und eindeutig auszusprechenden Bestandteilen zurücktreten (BPatGE 51, 261 - pn printnet/PRINECT; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 280). Schließlich kann sich eine Ausnahme von dem Grundsatz „Wort vor Bild“ ergeben, soweit die grafische Ausgestaltung durch ihren Umfang und ihre kennzeichnende Wirkung die Marke derart beherrscht, dass das Wort kaum mehr beachtet wird; in diesem Fall kann es gerechtfertigt sein, dem Bild auch bei der mündlichen Benennung der Marke den Vorrang einzuräumen (vgl. BGH GRUR 1959, 599 - Teekanne; BPatG GRUR 1994, 124 - Billy the Kid; BPatG, Beschl. v. 10.12.2009, 30 W (pat) 77/09 - Chinese/Mädchen).

49

Bei dem in der jüngeren Marke enthaltenen Wortbestandteil „Inselkind“ handelt es sich – wie schon bei der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke dargestellt – um eine schutzfähige, kennzeichnungskräftige Angabe, so dass dem Wort nicht aus normativen Gründen die Eignung zur Prägung der beiden Marken abgesprochen werden kann. Dies unterscheidet die hiesige Fallgestaltung im Übrigen von der vom Beschwerdegegner in Bezug genommenen Entscheidung des Europäischen Gerichts in Sachen Bon Appéti!/Bon Apeti (AZ: T-485/14), weil dort die Wortbestandteile jeweils keine Unterscheidungskraft besitzen.

50

Wenngleich einerseits der Wortbestandteil „Inselkind“ wegen der Schriftgröße und der konkreten Anordnung an dem Schattenriss in der Marke nicht deutlich im Vordergrund steht, so kann andererseits aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass andere Bestandteile wegen deren Umfangs und kennzeichnender Wirkung die jüngere Marke beherrschen. Vielmehr stellen die übrigen Wörter „Insel Usedom“ und „Usedom“ wie auch der Bildbestandteil, der Schattenriss der Insel Usedom, geografische Angaben nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar; es handelt sich um beschreibende und damit schutzunfähige Bestandteile. Zwar können auch beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zum Gesamteindruck einer Marke beitragen, ein solcher Fall liegt hier aber - entgegen der Auffassung der Markenstelle - nicht vor. Der Wortbestandteil verbindet sich auch nicht mit der grafisch abgesetzten Angabe „Usedom“ zu einer der Prägung durch „Inselkind“ entgegenwirkenden Gesamtaussage. Die hier angesprochenen breiten Verkehrskreise werden den eigentlichen betrieblichen Herkunftshinweis daher allein in dem Wort „Inselkind“ sehen. In rechtserheblichem Umfang ist daher mit einer mündlichen Wiedergabe der jüngeren Marke nur durch das Wort „Inselkind“ zu rechnen; dass dabei die als i-Punkt ausgestaltete Möwe mitgesprochen würde, erscheint fernliegend. Danach stehen sich allein kollisionsbegründend jeweils die identischen Markenbestandteile „Inselkind“ und „Inselkind“ gegenüber.

51

Eine nach dem Klang zu bejahende Identität oder Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen kann im Übrigen allenfalls dann durch Abweichungen im Bild in einem Maße neutralisiert werden, dass eine Zeichenähnlichkeit und damit eine Verwechslungsgefahr ausscheidet, wenn die mit den Zeichen gekennzeichneten Waren regelmäßig nur auf Sicht gekauft werden (BGH GRUR 2011, 824 – Kappa). Davon kann im Streitfall aber nicht ausgegangen werden.

52

Es ist daher eine klangliche Verwechslungsgefahr zu besorgen, so dass die Beschwerde Erfolg hat.

53

2. Der Kostenantrag der Widersprechenden ist unbegründet. Die Beteiligten haben die ihnen erwachsenen Kosten selbst zu tragen, da die Billigkeit keine abweichende Kostenentscheidung gebietet (§§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).

54

Aus § 71 Abs. 1 MarkenG folgt der Grundsatz, dass - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens - jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Zu einer Abweichung von diesem Grundsatz der eigenen Kostentragung bedarf es stets besonderer Umstände. Der Verfahrensausgang allein, also insbesondere die Tatsache des Unterliegens, genügt hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass darüber hinausgehende Umstände vorliegen, die eine Kostenauferlegung nach billigem Ermessen angebracht erscheinen lassen (Knoll in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 5, 11, 14 m. w. N.). Solche besonderen Umstände sind entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu erkennen.

55

Die Anmeldung einer Marke ohne vorherige Recherche nach älteren Rechten stellt keinen Grund für eine Kostenauferlegung dar. Allenfalls wenn ein Markeninhaber rechtzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist auf eine eindeutig verwechselbare ältere Marke hingewiesen wird, gleichwohl aber seine Marke aufrechterhält und damit Anlass zum Widerspruch gibt, kann dies ein Grund für eine Kostenauferlegung sein (Knoll in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 13). Ungeachtet des Umstands, dass die Widersprechende schon nicht geltend gemacht hat, einen vorherigen Hinweis an den Beschwerdegegner gegeben zu haben, fehlt es auch an einer solchen Kollisionslage; es liegt keine eindeutig verwechselbare ältere Marke vor. Die Bejahung der Verwechslungsgefahr erfordert hier insbesondere einer eingehenden Prägungsprüfung bei der jüngeren Kombinationsmarke, was die Widersprüche nicht von vorne herein als eindeutig erfolgversprechend erscheinen lässt, wie schon allein die angegriffenen Beschlüsse des DPMA zeigen.

56

Schließlich stellt der Einwand der Beschwerdeführerin, die angegriffene Marke sei bösgläubig angemeldet worden - wofür ohnehin Anhaltspunkte weder ausreichend vorgetragen wurden noch ansonsten erkennbar sind -, ein im hiesigen Widerspruchsbeschwerdeverfahren unbeachtliches Vorbringen dar und hätte in einem Löschungsverfahren nach §§ 50, 54 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG geltend gemacht werden müssen.

57

Bei diesem Sach- und Streitstand sind keine hinreichenden Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gegeben.