Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.05.2017


BPatG 23.05.2017 - 25 W (pat) 94/14

Markenbeschwerdeverfahren – "REALFUNDUS/Realfundus (Unternehmenskennzeichen)" – Widerspruch aus einer geschäftlichen Bezeichnung – zu den Voraussetzungen für den bundesweiten Untersagungsanspruch – zur Abrufbarkeit eines Internetangebots – Zurückweisung des Widerspruchs – Fehlen eines bundesweiten Unterlassungsanspruchs


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
23.05.2017
Aktenzeichen:
25 W (pat) 94/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 024 220

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 27. März 2013 angemeldete Bezeichnung

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REALFUNDUS

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ist am 13. Mai 2013 unter der Nummer 30 2013 024 220 als Wortmarke für die Dienstleistungen der

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Klasse 35:

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Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in betriebswirtschaftlicher Hinsicht; Entwicklung von Werbe- und Marketingkonzepten sowie Werbung und Marketing für Immobilien; Herausgabe von Druckerzeugnissen auch in elektronischer Form für Werbezwecke; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über den An- und Verkauf von Waren;

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Klasse 36:

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Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich finanzielle Vorbereitung von Bauvorhaben; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in finanzieller Hinsicht; Gebäudeverwaltung; Grundstücksverwaltung; Immobilienvermittlung; Immobilienverwaltung; Immobilienwesen; Schätzung von Immobilien;

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Klasse 37:

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Bauwesen; Installationsarbeiten.

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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden.

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Gegen die Eintragung hat die Beschwerdeführerin und Widersprechende gestützt auf ihr Unternehmenskennzeichen

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Realfundus

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Widerspruch erhoben. Sie verweist auf die ausweislich des eingereichten Handelsregisterauszugs am 15. Juni 2010 erfolgte Firmengründung und ihre seit diesem Zeitpunkt ausgeübte Tätigkeit unter der Bezeichnung Realfundus, zudem sei sie Inhaberin der Internetadressen „Realfundus.de“, „RealFundus.com“ und „RealFundus.eu“.

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Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 28. März 2014 den Widerspruch aus der geschäftlichen Bezeichnung zurückgewiesen, da die Widersprechende nicht nachgewiesen habe, dass ihre Firmenbezeichnung über das Gebiet Berlin hinaus einen Wirkungsbereich aufweise.

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Der Widerspruch aus dem älterem Firmenschlagwort „Realfundus“ sei zwar zulässig, da insbesondere die nach § 42 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 1 MarkenV geforderten Angaben vorlägen. Ausweislich des Handelsregistereintrags werde auch ein seit dem 15. Juni 2010 bestehendes widerspruchsgeeignetes älteres Recht geltend gemacht. Der Widerspruch sei aber nicht begründet, weil kein Unterlassungsanspruch im gesamten Bundesgebiet im Sinn einer Verwechslungsgefahr beider Zeichen bestehe. Diesbezüglich treffe die Widersprechende die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines auf das gesamte Bundesgebiet bezogenen Unternehmenskennzeichens. Die Widersprechende habe zwar die Benutzungsaufnahme ihrer geschäftlichen Bezeichnung “Realfundus“ hinreichend dargelegt. Denn nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag, der nach einer von Seiten der Markenstelle durchgeführten Internetrecherche plausibel erscheint, arbeite die Widersprechende seit ihrer Gründung und Eintragung im Handelsregister unter der geltend gemachten Firmierung und bewerbe ihre Dienstleistungen auch über ihre Domains „realfundus.de“, „realfundus.com“ „realfundus.eu“ mit dem Schlagwort Realfundus. Eine seit dem Jahr 2013 bestehende und gegenüber der angegriffenen Marke somit ältere Firmenbezeichnung „Realfundus“ sei damit entstanden. Allerdings sei weder vorgetragen, noch aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich, dass die Firmenbezeichnung einen Wirkungskreis über das Gebiet Berlin hinaus aufweise. Insoweit fehle es vorliegend an einem Unterlassungsanspruch gegen die angegriffene Marke im gesamten Bundesgebiet. Das Bestehen einer Domain für die Widersprechende mit einem breiteren Abrufgebiet genüge hierfür nicht, solange damit ein sogenannter „kommerzieller Effekt“ in anderen Regionen Deutschlands nicht feststellbar sei. Damit sei aber von einem räumlichen Geltungsbereich der Widerspruchsmarke lediglich für das Gebiet Berlin auszugehen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, eine überregional agierende Gesellschaft mit einem Tätigkeitsbereich im gesamten Bundesgebiet zu sein. Sie habe Geschäftspartner in ganz Deutschland und würde ihre Dienstleistungen seit Beginn ihrer Tätigkeit über das Internet auch überregional anbieten. Ihre Dienstleistungen würden auch von überregional ansässigen Interessenten aus ganz Deutschland nachgesucht. Hierzu legt die Widersprechende diverse Unterlagen vor. Dabei handelt es sich im Einzelnen um E-Mail-Anfragen von Interessenten aus Österreich, München und Cottbus jeweils zu einem Bauvorhaben in Berlin Mitte vom 4. Oktober 2012 bzw. 29. September 2012 bzw. 20. März 2012 (Anlage W1) sowie um ein (Kurz)Exposé aus dem Jahr 2011 über eine Immobilie in Berlin (Anlage W 2). Die Widersprechende reicht weitere Immobilienanfragen aus der Zeit von September 2012 bis Mai 2014 zu Berliner Immobilien ein, die von aus verschiedenen Städten Deutschlands stammenden Interessenten an die Widersprechende gerichtet wurden (Anlagen BF 11 bis BF 20 zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 13. April 2015). Die Richtigkeit der hinsichtlich der Namen der Interessenten anonymisierten Unterlagen versichert Herr L… für die Widersprechende an Eides statt. Zudem hat die Widersprechende zum Beweis ihrer behaupteten überregionalen Geschäftstätigkeit drei Zeugen als Beweis angeboten (Schriftsatz vom 5. Februar 2015, Bl. 40 d.A.). Die Widersprechende macht weiter geltend, die Anmeldung der jüngeren Marke sei missbräuchlich und in der Absicht, die Beschwerdeführerin zu schädigen, erfolgt.

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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. März 2014 in der Hauptsache aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2013 024 220 auf ihren Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen Realfundus hin anzuordnen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

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die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

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Sie bestreitet, dass die Widersprechende überregional tätig ist und bundesweit über Geschäftspartner verfügt. Die vorgelegten Unterlagen eigneten sich bereits nicht zum Nachweis einer überregionalen Tätigkeit der Widersprechenden, da es sich um bloße Anfragen handele. Im Übrigen stamme lediglich eine Anfrage aus München und damit nicht aus dem Großraum Berlins, was als Beleg für ein überregionales Tätigsein aber nicht genüge. Auch die mit dem Schriftsatz der Widersprechenden vom 13. April 2014 vorgelegten Unterlagen (Anlagen BF 16 bis 20) könnten einen sogenannten kommerziellen Effekt nicht belegen, weil es sich vorwiegend um nach dem Anmeldetag der angegriffenen Marke versandte Anfragen handele, die im Übrigen angesichts der Unkenntlichmachung von Namen/Tele-fonnummern und Emailadressen der Interessenten nicht verwertbar seien. Die bundesweite Abrufmöglichkeit eines Internetangebots und die - von Seiten der Inhaberin der angegriffenen jüngeren Marke bestrittenen - Anfragen von Interessenten aus dem gesamten Bundesgebiet führten nicht dazu, dass von einem überregionalen Wirkungsbereich eines ganz überwiegend in Brandenburg und Berlin tätigen Unternehmen ausgegangen werden könne und begründe keinen bundesweiten Unterlassungsanspruch der Widersprechenden.

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Ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung ist von keiner der beiden Beteiligten gestellt worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA hat den Widerspruch aus dem geltend gemachten Unternehmenskennzeichen zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen, weil diesem Kennzeichen jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke nur ein regionaler Schutz zugestanden werden kann, der keinen bundesweiten Unterlassungsanspruch der Widersprechenden aufgrund ihres Unternehmenskennzeichen Realfundus gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG i. V. m. §§ 12, 5, 15 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 MarkenG begründet. Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen.

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Nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG kann der Widerspruch auf eine geschäftliche Bezeichnung mit älterem Zeitrang nach § 5 in Verbindung mit § 12 MarkenG gestützt werden. Ein Löschungsanspruch besteht, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen (vgl. BPatG, Beschluss vom 15. Mai 2014, 30 W (pat) 26/12, Beschluss vom 3. Februar 2016, 29 W (pat) 25/13 – die Entscheidungen sind über die Homepage des BPatG öffentlich zugänglich; siehe diesbezüglich auch die Rechtsprechung zur Frage eines schutzwürdigen Besitzstandes im Zusammenhang mit bösgläubigen Markenanmeldungen und der eingeschränkten Verbietungsrechte bei nur räumlich bzw. regional begrenzten Unternehmenskennzeichen BGH GRUR 2016, 378 Rn. 19 ff. – LIQUIDROM; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 12 Rn. 4).

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Ungeachtet des im patentgerichtlichen Verfahren grundsätzlich geltenden Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatzes obliegt es in den Fällen, in denen ein Widerspruch aus einem nicht registrierten, sondern durch Benutzung entstandenen Recht erhoben wurde, dem Widersprechenden, die Voraussetzungen für das Entstehen des älteren Rechts, seinen Zeitrang und seine Inhaberschaft an diesem Recht darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (vgl. BPatG Beschluss vom 4. Juni 2014, 26 W (pat) 88/13, Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 42 Rn. 59, 60). Auch wenn der Gesetzgeber es im Zusammenhang mit den nach dem Patentrechtsmodernisierungsgesetz vom 31. Juli 2009 zum 1. Oktober 2009 u. a. neu in das Markengesetz eingeführten Widerspruchsgründen nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG unterlassen hat, ausdrücklich spezielle und praktikable Verfahrensregelungen hierzu einzuführen, kann es nach Auffassung des Senats keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass in Bezug auf das Bestehen bzw. die Existenz von nicht registrierten Widerspruchsrechten nicht der Untersuchungsgrundsatz nach § 73 Abs. 1 MarkenG, sondern der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz gilt. Anders als bei einem Registerrecht, dessen Geltung aufgrund der Registerlage für das Gericht zweifelsfrei vorgegeben ist in Bezug auf das Widerspruchszeichen einschließlich der dafür geschützten Waren und Dienstleistungen, existiert bei einem nicht registrierten Kennzeichen nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG keine entsprechend gesicherte Entscheidungsgrundlage in Bezug auf die maßgeblichen verwechslungsrelevanten Umstände, insbesondere Identität oder Ähnlichkeit der Waren, Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Die die Widerspruchs-marke betreffenden Teile der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen können in Fällen des § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nur die Widersprechenden, in deren Sphäre sie liegen und die den entsprechenden Zugang dazu haben, selbst liefern. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der bei zulässig erhobener Nichtbenutzungseinrede. Die Benutzungsfragen in Bezug auf die Widerspruchsmarken unterstehen nach allgemeiner Auffassung dem Beibringungsgrundsatz, d. h. der Widersprechende muss substantiiert zur Benutzung seiner Marke vortragen und diesen Vortrag nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und/oder Satz 2 MarkenG glaubhaft machen (= Beweisführung, die dem Gericht einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll als dies beim Strengbeweis der Fall ist). Die Ausgangssituation bei einem Widerspruch aus einer Benutzungsmarke gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 4 Nr. 2 MarkenG entspricht weitgehend der bei zulässig erhobener Nichtbenutzungseinrede in Bezug auf eine Registermarke, wobei es bei der Benutzungsmarke – anders als bei der Nichtbenutzungseinrede in Bezug auf ein Registerrecht – bei den Benutzungsfragen nicht nur um die Benutzung eines existenten Rechts geht, sondern darum, ob aufgrund der Benutzung überhaupt ein entsprechendes Recht entstanden bzw. existent geworden ist. Wenn im Widerspruchsverfahren bei streitiger Benutzung einer existenten Marke schon die Benutzungsfragen dem Beibringungsgrundsatz unterstellt werden, muss dies erst recht für die markenexistenzbegründende Benutzung einer Benutzungsmarke gelten. Weitgehend ähnlich ist auch die Ausgangssituation bei Widersprüchen aus geschäftlichen Bezeichnungen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. §§ 12, 5 MarkenG. Dort ist die Existenz eines widerspruchsgeeigneten Rechts von einem bundesweiten Untersagungsanspruch abhängig, der bundesweite bzw. zumindest relevante überregionale geschäftliche Aktivitäten verlangt.

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Das bedeutet, dass der Widersprechende im Verfahren die Existenz eines solchen Rechts und im Falle des Widerspruchs aus einer geschäftlichen Bezeichnung auch die weiteren Voraussetzungen für den bundesweiten Untersagungsanspruch, der bundesweite bzw. zumindest relevante überregionale geschäftliche Aktivitäten verlangt, darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen hat (siehe zu dieser Problematik auch Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 42 Rn. 58, 59, die trotz Anwendung bzw. Beibehaltung des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund der Darlegungs- und Mitwirkungspflicht der Beteiligten und über die Feststellungslast praktisch zu demselben Ergebnis kommt; siehe zur Frage, ob für die Existenz von Rechten nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG Glaubhaftmachung ausreicht oder Vollbeweis zu fordern ist, Hacker in GRUR 2010, 99, 101).

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1. Nach den vorgelegten Unterlagen ist von einem prioritätsälteren unterscheidungskräftigen Kennzeichen der Widersprechenden auszugehen. Zum relevanten Kollisionszeitpunkt, dem Tag der Anmeldung der angegriffenen Marke am 27. März 2013, hat für die Widersprechende ein Unternehmenskennzeichenrecht im Sinn des § 5 Abs. 2 MarkenG an der geschäftlichen Bezeichnung Realfundus bestanden und zwar für die Geschäftsfelder Ankauf, Verkauf, Verwaltung, Vermittlung von Grundstücken, Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten sowie sonstiger Immobilien. Dieses Unternehmenskennzeichen besteht auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch. Denn die Widersprechende tritt unter der abgekürzten Form „Realfundus“ ihres Firmennamens im geschäftlichen Verkehr auf (§ 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) und bietet Dienstleistungen im Immobilienbereich an.

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2. Der Anspruch auf Löschung der eingetragenen Marke gemäß § 12 MarkenG setzt aber voraus, dass die Widersprechende Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG zum Zeitpunkt der Anmeldung (§ 33 Absatz 1 MarkenG = 27. März 2013) der eingetragenen jüngeren Marke erworben hat, die die Inhaberin dazu berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen (Schalk in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Aufl., § 5 MarkenG Rn. 20). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kennzeichenrechte nach § 5 MarkenG auch in nur geographisch begrenztem Umfang bestehen können. Solche territorial beschränkten Rechte sollen aber auch nur zu einem Benutzungsverbot innerhalb des jeweiligen geographischen Gebiets führen, nicht jedoch zur Löschung eines bundesweit geltenden prioritätsjüngeren Registerrechts (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 12 Rn. 17 m. w. N.).

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Die Widersprechende hat ihren Sitz in Berlin (Ziffer 2 b. des Handelsregisterauszugs) und verkauft und vermittelt ausweislich der von ihr eingereichten Unterlagen Immobilien in bzw. rund um Berlin (vgl. dazu die eingereichten Anlagen der Widersprechenden: Anlage W 1: Bau Areal/Baugrundstücke Berlin Mitte; Anlage BF 11, BF 12, BF 15: Berlin Spandau, Anlage BF 13, BF 14: Berlin Grunewald). Soweit die Widersprechende Anfragen von Kaufinteressenten einreicht, die nach dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke am 27. März 2013 liegen (Anlagen BF 16 - BF 20) sind diese Unterlagen ohnehin schon deshalb nicht mit einzubeziehen, weil es insoweit bei der Frage nach dem bundesweiten Untersagungsanspruch aufgrund bundesweiter bzw. zumindest relevanter überregionaler geschäftlicher Aktivität nur auf den Zeitraum vor der Anmeldung der angegriffenen Marke ankommt. Nur wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein entsprechendes bundesweites Verbietungsrecht bestanden hat, kann überhaupt von einem relevanten prioritätsälteren Zeichenrecht im Sinn des § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG ausgegangen werden (siehe zur ähnlichen Frage des maßgeblichen Zeitpunkts bei der Berücksichtigung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft im registerrechtlichen Widerspruchsverfahren Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 211 m. w. N.). Der räumliche Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung der Widersprechenden bezieht sich ausweislich der Unterlagen auf Immobilien, die sich in Berlin und der näheren Umgebung von Berlin befinden. Eine Ausdehnung der Dienstleistungstätigkeit auf außerhalb von Berlin konnte die Widersprechende nicht nachweisen. Soweit sie behauptet, Geschäftspartner in ganz Deutschland zu haben, hat die Widersprechende einen entsprechenden Nachweis nicht geführt.

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Soweit die Widersprechende anführt, über das Internet würden die Dienstleistungen in ganz Deutschland angeboten und die Dienstleistungen würden von Interessenten aus ganz Deutschland in Anspruch genommen, genügt dies allein für die Annahme eines überörtliches Wirkungsgebiets des Dienstleisters nach der Rechtsprechung aber nicht, zumal die deutschland- bzw. weltweite Aufrufbarkeit von Internetseiten aus technischen Gründen die zwangsläufige Konsequenz eines Internetauftritts ist. Das gilt für den Internetauftritt eines lokalen Gastronomiebetriebs mit seiner Speisekarte in gleicher Weise wie für ein tatsächlich weltweit agierendes Unternehmen. Insoweit reicht für eine Erweiterung des räumlichen Wirkungskreises nicht nur die bloße Abrufbarkeit eines Internetangebots in ganz Deutschland, erforderlich ist vielmehr eine Benutzung, die darüber hinaus überregional einen kommerziellen Effekt entfaltet (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2012, 943 Rn. 36 – OSCAR; BGH GRUR 2006, 159, 160 Rn. 18 – hufeland.de; GRUR 2005, 262, 263 f.– soco.de; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 5 Rn. 70). Eine über die reine Abrufbarkeit und die daran anknüpfende Kontaktaufnahme (für die Inanspruchnahme von in Berlin zu erbringenden und auf Berliner Immobilien bezogenen Dienstleistungen) hinausgehende wirtschaftliche überregionale Aktivität, insbesondere ein darüber hinausgehender kommerzieller Effekt in anderen Regionen Deutschlands, ist aber nicht dargetan und auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich. Denn dazu bedürfte es auch wirtschaftlich relevanter Auswirkungen außerhalb von Berlin, etwa in Bezug auf ein Angebot von Immobilien außerhalb des Großraums Berlin. Besteht der Gegenstand des betreffenden Unternehmens beispielsweise gerade im Angebot internetspezifischer Dienstleistungen (zum Beispiel bei dem Betrieb einer Internet-Plattform), ist ein solcher bundesweiter kommerzieller Effekt in der Regel gegeben (OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 383 Rn. 135 f. - abebooks), wohingegen das Bewerben eines ausländischen Hotelbetreibers seiner Leistungen über das Internet und in deutscher Sprache als nicht ausreichend angesehen wurde, da die Dienstleistungen nur im Ausland erbracht werden können (vgl. auch BGH, GRUR 2005, 431, 433 – HOTEL MARITIME). So verhält es sich auch bei den Widerspruchsdienstleistungen, die sich auf den Verkauf, die Vermietung oder die Verwaltung von Immobilien beziehen, die sich in Berlin befinden und deren darüberhinausgehende Wirkung für das Bundesgebiet allein in einer bundesweiten Abrufbarkeit besteht.

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Soweit die Widersprechende behauptet, dass sie überregionale Geschäftstätigkeiten vor dem Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke entfaltet habe und hierfür Zeugenbeweis anbietet, ist dieser Sachvortrag unsubstantiiert. Die entsprechende Einvernahme von Zeugen ohne konkrete Benennung des zu beweisenden Sachverhalts würde nur zu einer unzulässigen Ausforschung führen. Soweit es um den Bestand vermeintlich prioritätsälterer Unternehmenskennzeichen geht, gilt – wie bereits ausgeführt – auch im markenrechtlichen Verfahren im vollen Umfang der Beibringungsgrundsatz und nicht der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 73 Abs. 1 MarkenG. Soweit die Widersprechende in diesem Zusammenhang um einen Hinweis des Gerichts gebeten hat, war ein solcher Hinweis nicht veranlasst. Das Fehlen einer überregionalen Geschäftstätigkeit der Widersprechenden war der wesentliche Grund für die Zurückweisung des Widerspruchs durch das DPMA und stand auch im Beschwerdeverfahren erkennbar im Streit. Die Widersprechende hat diesen Gesichtspunkt weder übersehen noch für unerheblich gehalten, so dass insoweit auch keine entsprechenden Hinweise nach § 82 MarkenG i. V. m. § 139 ZPO veranlasst waren.

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Soweit die Widersprechende schließlich noch anführt, die jüngere Marke sei missbräuchlich angemeldet worden, und sie damit das Schutzhindernis bzw. den Löschungsgrund des § § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG geltend macht, kann der Widerspruch darauf nicht gestützt werden. Die Frage, ob die Markenanmeldung bösgläubig nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG erfolgt ist, stellt ein Schutzhindernis dar, das im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung vor Eintragung der Marke geprüft wird. Die Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke ist nicht Prüfungsgegenstand im Widerspruchsverfahren. Denn die Widerspruchsgründe sind in § 42 Abs. 2 MarkenG abschließend geregelt (vgl. BPatG Beschluss vom 25. Juni 2014, 28 W (pat) 572/12; Ingerl/Rohnke, 3. Auflage, § 42 Rn. 35; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 42 Rn. 63). Die Schutzunfähigkeit der angegriffenen Marke kann nur in einem (kostenpflichtigen) Antrag auf Löschung nach §§ 54, 50 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen Nichtigkeit geltend gemacht werden. Im Übrigen wäre auch in einem solchen Zusammenhang ein Unternehmenskennzeichen erforderlich, das nicht nur regionalen, sondern bundesweiten Schutz genießt (vgl. dazu BGH, GRUR 2016, 378 - LIQUIDROM).

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Der Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen.

35

3. Zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.

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4. Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Eine solche war weder von den Beteiligten beantragt noch aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG.