Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 04.06.2014


BPatG 04.06.2014 - 26 W (pat) 88/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Lehmitz/Lehmitz/Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e. K." – Widerspruch aus mehreren geschäftlichen Bezeichnungen – Fälligkeit mehrerer Widerspruchsgebühren – nur eine Gebührenzahlung: Klarstellung, für welchen Widerspruch die Gebührenbezahlung bestimmt ist – Abstellung auf das Widerspruchskennzeichen "Lehmitz" – fehlender Beweis für ein bundesweit tätiges Unternehmenskennzeichen mit älterem Zeitrang – bei bösgläubiger Anmeldung kann die Marke auf Antrag in einem Löschungsverfahren gelöscht werden – keine Prüfung im Widerspruchsverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
04.06.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 88/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 057 080

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 4. Juni 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Markeninhaber haben am 29. September 2010 beantragt, die Wortmarke „Lehmitz“ für Waren und Dienstleistungen der Klassen

2

- 32 (Biere, einschließlich alkoholfreiem und alkoholarmem Bier; Biermischgetränke; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken),

3

- 33 (alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)) und

4

- 43 (Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen)

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in das Register einzutragen.

6

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Verfügung vom 14. Januar 2011 die genannte Wortmarke für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen unter dem Aktenzeichen 30 2010 057 080 in das Register eingetragen.

7

Hiergegen hat die Widersprechende mit am 20. April 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schreiben Widerspruch erhoben und diesen auf die geschäftliche Bezeichnung „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz bzw. »Lehmitz«“ gestützt. Die Widersprechende hat vorgetragen, sie genieße für das Zeichen „Lehmitz“ Schutz als Unternehmenskennzeichen gemäß § 5 Abs.2 MarkenG. Sie führe eines der im Jahre 1927 von Ernst Lehmitz in Hamburg gegründeten Familienunternehmen „Lehmitz“ im Bereich Weinhandel, Spirituosen, Bier und Gastronomie fort. Die lange Unternehmensgeschichte der Familie Lehmitz mache die Bezeichnung „Lehmitz“ zu einer Institution für den Handel mit Weinen und anderen alkoholischen Getränken sowie die Bewirtung von Gästen. Ihre exklusiven Weine und Brände verkaufe sie flächendeckend im gesamten Bundesgebiet unter anderem über das Internet. Insoweit verweise sie auf ihre Internetseite „www.lehmitz.de“. Unter dieser Domain betreibe sie seit den 1990er Jahren ihren Internetauftritt. Die Widersprechende hat in diesem Zusammenhang die „Anlage Wf 3“ vorgelegt, die Auszüge ihrer genannten Internetseite wiedergibt. Als „Anlage Wf 10“ hat die Widersprechende einen Auszug aus dem Seitenarchiv „www.archive.org“ von 2001 vorgelegt. Das „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ sei am 17. Mai 1956 gegründet worden und werde bis heute erfolgreich unter dem für alle Lokalitäten bekannten Schlagwort „Lehmitz“ geführt. Sie könne sich auf die Priorität des Zeichens „Lehmitz“ von 1927 berufen. Zwischen diesem Zeichen und der angegriffenen Marke bestehe hinsichtlich aller eingetragenen Waren und Dienstleistungen Verwechslungsgefahr, weshalb die Wortmarke 30 2010 057 080 voll umfänglich zu löschen sei. Die Eintragung der Marke „Lehmitz“ sei darüber hinaus rechtsmissbräuchlich.

8

Die Markeninhaber haben beantragt, den Widerspruch zurückzuweisen, weil zwischen der eingetragenen Marke „Lehmitz“ und der von der Widerspruchsführerin benutzten Geschäftsbezeichnung „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ keine Verwechslungsgefahr bestehe. Mit am 17. Januar 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schreiben haben die Markeninhaber nach § 48 MarkenG beantragt, die Eintragung für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 43 zu löschen, woraufhin die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts am 18. Januar 2012 eine entsprechende Löschung der Wortmarke 30 2010 057 080 verfügt hat.

9

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 20. August 2013 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das geltend gemachte Widerspruchskennzeichen „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz bzw. »Lehmitz«“ wirksam entstanden sei. Aus dem Vortrag der Widersprechenden gehe klar hervor, dass Widerspruchskennzeichen hier nur der gesondert angeführte Bestandteil „Lehmitz“ der ebenfalls wiedergegebenen Gesamtfirma „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ sein solle, und zwar als selbständig geschütztes Firmenschlagwort, dessen Schutz sich von der vollständigen Firmenbezeichnung herleite und das mit dieser auch den Zeitrang gemeinsam habe. Die in Anspruch genommene Priorität (25. Mai 1956) beziehe sich offenbar auf das Entstehen des kennzeichenrechtlichen Schutzes an dem ursprünglichen Namen „Heino Lehmitz“ mit Benutzungsaufnahme für den inzwischen vom Widersprechenden übernommenen Geschäftsbetrieb. Der vollständige Name „Heino Lehmitz“, der über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge, habe zum fraglichen Zeitpunkt Schutz als Unternehmenskennzeichen i. S. v. § 5 Abs. 2 MarkenG erlangt. Weder für diese geschäftliche Bezeichnung, noch für die späteren Firmenbezeichnungen „Weinhaus am Stadtrand Heino Lehmitz“, „Heino Lehmitz & Sohn“ sowie „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz“ könne aber angenommen werden, dass dem Bestandteil „Lehmitz“ jeweils ein von diesen abgeleiteter eigenständiger Schutz als Firmenschlagwort zugekommen sei. Das vorliegende Kennzeichen zeichne sich nicht durch eine besondere Länge aus. Zudem bestehe seine Besonderheit darin, dass es sich hierbei um den aus einem Vor- und Nachnamen bestehenden Namen einer natürlichen Person handele. Bei derartigen Namen trage der Vorname nicht nur zu ihrer Einprägsamkeit bei, sie erlangten durch diesen auch ihre eigentliche Individualisierungsfunktion und würden daher regelmäßig nicht vernachlässigt. Die Widersprechende habe nicht dargelegt, dass der Familienname „Lehmitz“ für sich als Hinweis auf das betreffende Unternehmen verwendet worden wäre. Der Verweis auf das Familienunternehmen „Lehmitz“ in Hamburg helfe nicht weiter. Es handele sich hierbei nicht um ein Unternehmen, sondern um verschiedene, rechtlich selbständige Unternehmen verschiedener Mitglieder der betreffenden Familie mit unterschiedlichen Namen oder Firmen, wobei der Name „Lehmitz“ in Alleinstellung offenbar nur für eine Kneipe in St. Pauli benutzt worden sei, während er zur Individualisierung der weiteren Geschäftsbetriebe nicht ausreiche. Für eine Verkürzung des Namens „Heino Lehmitz“ auf „Lehmitz“ habe daher kein Anlass bestanden. Bezüglich der späteren Firmenbezeichnungen fehle dem Bestandteil „Lehmitz“ ebenso die Eignung, als schlagwortartiger Unternehmenshinweis zu dienen, weil diese Bezeichnungen ebenfalls Vornamen und weitere der Individualisierung dienende Angaben enthalten würden. Der Zusatz „Weinhaus am Stadtrand“ sei ausdrücklich zur Abgrenzung von der Kneipe „Lehmitz“ aufgenommen worden. Die vorgelegten Unterlagen würden nicht belegen, dass in den letzten 20 Jahren wieder stärker der Bestandteil „Lehmitz“ der Unternehmenskennzeichnung benutzt worden sei. Auf der Homepage der Widersprechenden sei stets die vollständige aktuelle Firmenbezeichnung „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz“ verwendet worden, wobei der Bestandteil „Weinhaus am Stadtrand“ zumeist in wesentlich größeren Buchstaben wiedergegeben worden sei und daher optisch deutlich dominiere. Die Produktabbildungen, die den Namen „Lehmitz“ in Alleinstellung auf den Etiketten von Spirituosen- und Essigflaschen zeigen würden, würden nur eine Benutzung des Namens als Marke, nicht aber als Unternehmenskennzeichen belegen. Der Widerspruch habe als unbegründet zurückgewiesen werden müssen, weil sich die Widersprechende nicht auf ein Kennzeichenrecht i. S. v. § 5 Abs. 2 MarkenG an dem Namen „Lehmitz“ habe berufen können.

10

Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 25. September 2013 gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 vom 20. August 2013 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, der Bezeichnung „Lehmitz“ komme kennzeichenrechtlicher Schutz als Firmenschlagwort zu. Der aus dem Nachnamen der Beschwerdeführerin bestehende Bestandteil „Lehmitz“ in der Firmenbezeichnung weise Unterscheidungskraft auf und eigne sich im Verkehr als Herkunftshinweis. Anders als im Markenrecht sei die Rechtsprechung im Recht der Unternehmenskennzeichen nicht von dem Grundsatz abgekehrt, dass sich der Verkehr vorrangig am Familiennamen orientiere. Selbst wenn der Verkehr auch dem Vornamen des Beschwerdeführers kennzeichenrechtliche Bedeutung beimessen sollte, bestehe die Gefahr der Verwechslung mit der angegriffenen Marke 30 2010 057 080. Die Beschwerdeführerin benutze die Geschäftsbezeichnung „Lehmitz“ in Alleinstellung seit den 1990er Jahren auch als Domainnamen (lehmitz.de). Bei „Lehmitz“ handele es sich um einen Hinweis auf den Familiennamen bzw. den Geschäftsbetrieb des Betreibers und nicht bloß um eine gattungsmäßige Verwendung der Domain-Bezeichnung.

11

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für die Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts von 20. August 2013 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen. Die Markeninhaber haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

13

Die nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle für die Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch der Beschwerdeführerin zu Recht zurückgewiesen.

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1. Zulässigkeit des Widerspruchs, §§ 42 Abs. 1, 64a MarkenG i. V. m. § 6 PatKostG

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Der auf das Widerspruchskennzeichen „Lehmitz“ gestützte Widerspruch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke ist zulässig. Ein auf das Widerspruchskennzeichen „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ gestützter Widerspruch gilt als nicht erhoben.

16

Mit Eingang des Widerspruchs beim Deutschen Patent- und Markenamt wird eine Widerspruchsgebühr nach § 64a MarkenG i. V. m. Nr. 331 600 GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG fällig (§ 3 Abs. 1 PatKostG). Diese Gebühr ist nach § 64a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG innerhalb der Widerspruchsfrist des § 42 Abs. 1 MarkenG zu zahlen. Wird die Widerspruchsgebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, gilt nach § 64a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG der Widerspruch als nicht erhoben.

17

Weil nach § 29 Abs. 1 S. 1 MarkenV für jede geschäftliche Bezeichnung, auf Grund der gegen die Eintragung einer Marke Widerspruch erhoben wird, ein gesonderter Widerspruch erforderlich ist, ist für jeden Widerspruch eine Widerspruchsgebühr zu entrichten. Erhebt also ein Widersprechender aus mehreren geschäftlichen Bezeichnungen Widerspruch, fällt für jedes der Widerspruchskennzeichen eine Widerspruchsgebühr an. Ist bei Widerspruchserhebung aus mehreren geschäftlichen Bezeichnungen nur eine Gebühr gezahlt worden, kann der Widersprechende auch nach Fristablauf noch klarstellen, für welchen der erhobenen Widersprüche die Gebührenzahlung bestimmt ist (Kirschneck, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 42 Rn. 32).

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Die Widersprechende hat in ihrem Widerspruch vom 20. April 2011 das Widerspruchskennzeichen mit „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K. bzw. »Lehmitz«“ wiedergegeben, und Gebühren in Höhe von 120 € entrichtet. Insofern stellt sich die Frage, ob die Widersprechende Widerspruch aus dem Widerspruchskennzeichen „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ oder Widerspruch aus dem Widerspruchskennzeichen „Lehmitz“ erhoben hat.

19

Die Widersprechende hat in ihrer Widerspruchsbegründung vom 18. April 2011 erklärt, „das Zeichen »Lehmitz«“ genieße Schutz als Unternehmenskennzeichen gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG. Ihr Unternehmen sei „unter dem Firmenschlagwort »Lehmitz« bekannt“. Das „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ werde „unter dem für alle Lokalitäten bekannten Schlagwort »Lehmitz« geführt“. Sie könne sich auf die „Priorität des Zeichens »Lehmitz« von 1927 berufen, da sie einen Familienbetrieb »Lehmitz«“ betreibe „und unter diesem Namen oder mit diesem Namenszusatz bis heute durchgängig im Bereich Gastronomie und Weinhandel sowie Handel mit alkoholischen Getränken und Feinkost“ tätig sei. „Die geschäftliche Bezeichnung“ werde „aufgrund der Unternehmensgeschichte durch den Namensbestandteil »Lehmitz« geprägt, der somit auch isoliert Schutz“ genieße.

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Die Widersprechende, die nur eine Widerspruchsgebühr gezahlt hat, hat damit klargestellt, dass sie Widerspruch aufgrund des Widerspruchskennzeichens „Lehmitz“, nicht aber aus dem Widerspruchskennzeichen „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ erhoben und die Gebühr hinsichtlich ihres Widerspruchs aus dem Widerspruchskennzeichen „Lehmitz“ bezahlt hat.

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Insofern ist der auf das Widerspruchskennzeichen „Lehmitz“ gestützte Widerspruch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke zulässig. Ein auf das Widerspruchskennzeichen „Weinhaus am Stadtrand Dirk Lehmitz e.K.“ gestützter Widerspruch gilt dagegen nach § 64a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG mangels Gebührenzahlung als nicht erhoben. Im Folgenden ist daher nur auf das Widerspruchskennzeichen „Lehmitz“ abzustellen.

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2. Widerspruchsgrund der Benutzung einer geschäftlichen Bezeichnung nach § 5 i. V. m. § 12 MarkenG, § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG

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Die angegriffene Marke kann nicht nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG i. V. m. § 5 und § 12 MarkenG gelöscht werden.

24

Nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG kann der Widerspruch darauf gestützt werden, dass die Marke wegen einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang nach § 5 i. V. m. § 12 MarkenG gelöscht werden kann. Nach § 12 MarkenG kann die Eintragung einer Marke gelöscht werden, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung i. S. d. § 5 MarkenG erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen. Für die Bestimmung des Zeitrangs von eingetragenen Marken ist nach § 6 Abs. 2 MarkenG der Anmeldetag maßgeblich. Der Anmeldetag einer Marke ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG der Tag, an dem die Unterlagen mit den Angaben nach § 32 Abs. 2 MarkenG beim Patentamt eingegangen sind. Anmeldetag der angegriffenen Marke 30 2010 057 089 ist der 29. September 2010.

25

Aus § 12 MarkenG ergibt sich, dass ein Anspruch auf Löschung der Eintragung einer Marke nur dann besteht, wenn der Anspruch auf Unterlassung aus einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland greift. Ein Schutzhindernis im Sinne des § 12 MarkenG besteht nach der Amtlichen Begründung zu § 12 MarkenG (BT-Drucksache 12/6581 vom 14. Januar 1994, S. 74 li. Sp.) nur dann, „wenn der Inhaber des älteren Rechts die Benutzung der Marke »im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland« zu untersagen berechtigt ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die fraglichen Kennzeichenrechte auch in nur geographisch begrenztem Umfang bestehen können.“ Solche territorial beschränkten Rechte sollen – wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind – nur zu einem Benutzungsverbot innerhalb des jeweiligen geographischen Gebiets führen, nicht jedoch zur Löschung einer jüngeren eingetragenen Marke. Örtlich beschränkte Rechte rechtfertigen also nicht die bundesweit wirkende Löschung jüngerer Registermarken (Hacker, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 12 Rn. 17 m. w. N.). Der Anspruch auf Untersagung der Benutzung der eingetragenen Marke aus einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG muss deshalb zum Zeitpunkt der Anmeldung (§ 33 Abs. 1 MarkenG) der Registermarke für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestehen (von Gamm, in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Auflage 2011, § 12 MarkenG Rn. 4).

26

Das bedeutet vorliegend, dass die Widersprechende aus dem Zeichen „Lehmitz“ (wenn es sich dabei überhaupt um ein Unternehmenskennzeichen i. S. d. § 5 Abs. 2 MarkenG handelt, was offen bleiben kann) vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke, also vor dem 29. September 2010 hätte berechtigt sein müssen, die Benutzung der angegriffenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen.

27

Der räumliche Schutzbereich einer von Hause aus unterscheidungskräftigen Bezeichnung erfasst regelmäßig das gesamte Bundesgebiet (Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 63 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH in Fußn. 218). Anders verhält es sich dagegen bei der Bezeichnung von Unternehmen, die nach Zweck und Zuschnitt nur lokal oder regional tätig und auch nicht auf Expansion angelegt sind. In diesen Fällen ist der Schutz örtlich auf das Wirkungsgebiet des Unternehmens beschränkt (Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 64 mit Rechtsprechungsnachweisen in Fußn. 220). Die Verwendung einer besonderen Geschäftsbezeichnung im Internet verschafft bei im Übrigen nur ortsgebundener Benutzung keinen bundesweiten Schutz (Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 65 m. w. N. in Fußn. 229). In Anlehnung an die den zwischenstaatlichen Bereich betreffenden WIPO-Empfehlungen über den Schutz von Marken und anderen Kennzeichenrechten im Internet (WRP 2001, 833 ff.) wird ein Schutz nur in Gegenden angenommen, in denen ein über die Abrufbarkeit im Internet hinausgehender „commercial effect“ festzustellen ist (BGH GRUR 2006, 159, 160 Rn. 18 –hufeland.de; GRUR 2005, 262, 263 f.–soco.de; Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 65). Besteht der Gegenstand des betreffenden Unternehmens gerade im Angebot internetspezifischer Dienstleistungen (zum Beispiel Betrieb eines Internet-Marktplatzes), ist ein solcher bundesweiter „commercial effect“ in der Regel gegeben (OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 383 Rn. 135 f. -abebooks; Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 65).

28

Die Widersprechende vertreibt zwar unter der Internetadresse „www.lehmitz.de“ namentlich Spirituosen, die online bestellt und in das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versendet werden. Angesichts dessen besteht wohl ein „commercial effect“, der den räumlichen Schutzbereich des Zeichens „Lehmitz“ (wenn es sich dabei überhaupt um ein Unternehmenskennzeichen i. S. d. § 5 Abs. 2 MarkenG handelt, was offen bleiben kann) auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Die Widersprechende hat aber nicht dargelegt und bewiesen, dass sie vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke, also vor dem 29. September 2010 Waren unter ihrer Internetadresse „www.lehmitz.de“ im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versendet hat. Aus der von der Widersprechenden mit Schriftsatz vom 18. April 2011 vorgelegten „Anlage Wf 3“ ergibt sich lediglich, dass die Widersprechende Waren über das Internet anbietet, aber nicht, seit wann sie diese Angebote unter ihrer Internetadresse bereithält. Dies ergibt sich ebenso wenig aus der mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2011 eingereichten „Anlage Wf 10“. Der Auszug aus dem Internetarchiv „www.archive.org“ belegt lediglich, dass die Internetadresse „www.lehmitz.de“ in dem Zeitraum vom 25. Januar 2001 bis 27. August 2003 aufgerufen worden ist. Nicht bewiesen ist damit aber, dass die Widersprechende vor dem 29. September 2010 Waren unter dieser Internetadresse im gesamten Gebiet der Bundesrepublik angeboten hat.

29

Zwar gilt im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 73 Abs. 1 MarkenG der Untersuchungsgrundsatz. Gleichwohl hat der Widersprechende im Fall eines Widerspruchs aus einer nicht registrierten geschäftlichen Bezeichnung nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 5 und § 12 MarkenG die Voraussetzungen für das Bestehen der geschäftlichen Bezeichnung und ihren älteren Zeitrang im Einzelnen und vollständig darzulegen und zwar innerhalb der dreimonatigen Widerspruchsfrist des § 42 Abs. 1 MarkenG. Soweit die vorgetragenen Tatsachen nicht liquide sind, ist der Widersprechende hierfür beweispflichtig, da ihn unter Anwendung des im Amtsermittlungsverfahrens geltenden Untersuchungsgrundsatzes aufgrund der auch insoweit bestehenden Darlegungs- und Mitwirkungspflicht die Feststellungslast bzw. materielle Beweislast trifft. Dies gilt namentlich dann, wenn – wie hier – die Tatsachen und Kenntnisse über die Benutzung des jeweiligen Kennzeichens aus der Sphäre des Widersprechenden stammen und der Amtsermittlung nicht oder nur schwer zugänglich sind. Nicht bewiesene bzw. aufklärbare Tatsachen gehen dann zulasten des Widersprechenden (BGH GRUR 1988, 211 – Wie hammas denn?; GRUR 2009, 88 Rn. 21 – ATOZ; BPatG GRUR 2004, 950, 952 - ACELAT/Acesal; Kirschneck, a. a. O., § 42 Rn. 57 f.; Hacker GRUR 2010, 99, 101).

30

Weil die Widersprechende nicht bewiesen hat, dass sie über ein bundesweit tätiges Unternehmenskennzeichen mit älterem Zeitrang als die angegriffene Marke verfügt, kann ihr Widerspruch und damit ihre Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss der Markenstelle für die Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. August 2013 keinen Erfolg haben. Ihre Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

31

3. Widerspruchsgründe gemäß § 42 Abs. 2 MarkenG – Löschungsgründe gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG

32

Der Widerspruch kann nur auf die in § 42 Abs. 2 MarkenG abschließend aufgeführten relativen Schutzhindernisse gestützt werden. Ist eine Marke entgegen des absoluten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung) eingetragen worden, kann die Marke auf Antrag in einem Löschungsverfahren nach §§ 54, 50 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen Nichtigkeit gelöscht werden.

33

Insofern kann der Vortrag der Widersprechenden, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, nur in einem entsprechenden Löschungsverfahren, nicht aber im Widerspruchsverfahren geprüft werden.

34

4. Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 71 Abs. 1 MarkenG

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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung.