Entscheidungsdatum: 21.05.2014
In der Beschwerdesache
…
…
betreffend die Marke 30 2009 021 479
(hier Antrag auf Kostenauferlegung)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 21. Mai 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und der Richterin kraft Auftrags Akintche
beschlossen:
Der Antrag der Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführerin die durch die Anberaumung der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014 entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Die Wort-/Bildmarke (blau, gelb)
wurde am 11. August 2009 unter der Nummer 30 2009 021 479 für die folgenden Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen:
Klasse 35:
Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung, insbesondere Personalmanagementberatung, Vermittlung und Überlassung von Zeitarbeitskräften.
Den hiergegen von der Beschwerdeführerin eingelegten Widerspruch aus der prioritätsälteren, für die Dienstleistungen „Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit“ und „Berufsberatung“ eingetragenen Wortmarke 304 57 601
Ideal Personal
hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA mit Beschluss vom 8. März 2012 wegen fehlender Zeichenähnlichkeit zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden hat die Vorsitzende auf Antrag der Beschwerdeführerin am 9. April 2014 gemäß § 69 Abs. 1 MarkenG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 14. Mai 2014, 10.30 Uhr anberaumt. Die Ladung ist der Beschwerdeführerin am 23. April 2014 zugegangen. Nach einem am 13. Mai 2014 erteilten telefonischen Hinweis der Vorsitzenden hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde mit Telefax vom gleichen Tag um 15.39 Uhr zurückgenommen und die Beschwerdegegnerin davon zeitnah in Kenntnis gesetzt.
Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 14. Mai 2014 sinngemäß beantragt,
der Beschwerdeführerin die der Beschwerdegegnerin durch die späte Rücknahme verursachten Reisekosten ihres Verfahrensbevollmächtigten aufzuerlegen und den Streitwert festzusetzen.
Sie hat vorgetragen, die Rücknahme der Beschwerde sei so verspätet erfolgt, dass der Verfahrensbevollmächtigte die Reise bereits angetreten hatte und auch die Hotelreservierung nicht mehr habe storniert werden können. Die Rücknahme der Beschwerde wegen Aussichtslosigkeit sei sicherlich seit längerem geplant gewesen und hätte zumindest am Vormittag des 13. Mai 2014 erfolgen können.
II.
1. Der zulässige Kostenantrag der Beschwerdegegnerin ist unbegründet.
Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst, soweit eine Bestimmung über die Kosten nicht getroffen wird. Dies gilt gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG auch im Fall der Rücknahme einer Beschwerde. Eine Kostenentscheidung zulasten eines Beteiligten setzt voraus, dass die Kostentragung der Billigkeit entspricht. Das Gesetz knüpft damit die Kostenerstattung nicht generell an den Ausgang des Verfahrens an, sondern sieht eine Kostenerstattung nur in den Fällen vor, in denen die Anwendung des Grundsatzes, dass die Beteiligten ihre Kosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens selbst tragen, wegen besonderer Umstände unbillig erscheint. Solche besonderen Umstände liegen in der Regel nur vor bei Einlegung offensichtlich aussichtsloser, eindeutig bösgläubiger oder rechtsmissbräuchlicher Beschwerden oder bei Verstößen gegen die prozessuale Sorgfaltspflicht. Die Sorgfaltspflicht ist verletzt, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten nicht mehr mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden prozessualen Sorgfalt vereinbar ist (vgl Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 71 Rdnr 17; Knoll in Ströbele/Hacker, 10. Auflage, § 71 Rdnr. 12). Dies kann dann der Fall sein, wenn aus der Sicht einer vernünftigen, rechtskundigen Partei das Verhalten eines Beteiligten nach der Verfahrenslage nicht einer sorgfältigen und auf Verfahrensförderung bedachten Prozessführung entspricht (BGH GRUR 1996, 399).
Derartige Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
Die bloße Einlegung der Beschwerde rechtfertigt eine Billigkeitsentscheidung zu Lasten der Beschwerdeführerin nicht. Wie bereits aus dem Hinweis auf § 69 Abs. 1 MarkenG in der Terminsverfügung hervorging, hatte die Beschwerde nach vorläufiger Einschätzung durch den Senat zwar geringe Aussicht auf Erfolg. Im Hinblick auf die weitgehende Identität der Dienstleistungsverzeichnisse, die vorgelegten Benutzungsunterlagen und die Annäherungen der Vergleichszeichen in einzelnen Elementen konnte der Beschwerde die Erfolgsaussicht aber nicht von vorn herein völlig abgesprochen werden.
Auch ein Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten ist der Beschwerdeführerin nicht vorzuwerfen.
Die Rücknahme der Beschwerde am Tag vor der mündlichen Verhandlung stellte kein sorgfaltswidriges Verhalten dar. Dass die Beschwerdeführerin die Entscheidung zur Rücknahme nicht früher getroffen und damit die Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin vermieden hat, ist ihr nicht vorzuwerfen. Denn das Gesetz gibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, die Beschwerde bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung auch ohne Zustimmung des Gegners zurückzunehmen. Knüpfte man die Kostentragungspflicht allein an den Umstand, dass der Beschwerdeführer diese Möglichkeit erst spät im Verfahren ergreift, käme dies faktisch einer unzulässigen Beschneidung seiner prozessualen Rechte gleich. Denn dies würde ihn schlechter stellen, als wenn er die mündliche Verhandlung - in einem nicht von vorn herein völlig aussichtslosen Prozess - erfolglos nutzte, um seine Beschwerde weiterzuverfolgen. Anderes kann bei einer von vorn herein beabsichtigten, aber bewusst erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung erklärten Rücknahme gelten, durch die dem Gegner einseitig vermeidbare Reisekosten entstehen. Für eine solche Absicht fehlt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass die Rücknahme nach einem telefonischen Hinweis durch die Vorsitzende erfolgte, dafür, dass die Beschwerdeführerin die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ursprünglich beabsichtigt und erst aufgrund eines entsprechenden Sachhinweises durch den Senat davon Abstand genommen hat.
2. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 23 Abs. 2 und 3 Satz 2, § 33 RVG. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen festzusetzen, wobei nach ständiger Rechtsprechung hierfür das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke an der Aufrechterhaltung der Marke maßgeblich ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 704 – Markenwert). In Widerspruchsbeschwerdeverfahren beläuft sich bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten nach der Senatsrechtsprechung der Regelwert dabei auf 50.000,- Euro (vgl. BPatG, Beschluss vom 14.03.2012, 29 W (pat) 115/11; ebenso: BPatG, Beschluss vom 09.10.2012, 33 W (pat) 560/10; Beschluss vom 30.11.2011, 26 W (pat) 47/10; Beschluss vom 05.08.2008, 27 W (pat) 75/08).