Entscheidungsdatum: 24.09.2014
Die Frage, unter welchen Umständen ein Verfahrenspfleger im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 26. Oktober 2011, XII ZB 312/11, FamRZ 2012, 113).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 18. Juli 2013 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.452 €
I.
Die Beteiligte zu 2 begehrt als anwaltliche Verfahrenspflegerin der Betroffenen die Festsetzung einer Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gegen die Staatskasse.
Das Amtsgericht bestellte die Beteiligte zu 2 zur Verfahrenspflegerin u. a. zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen in einem Verfahren, das die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Veräußerung von Grundbesitz der Betroffenen zum Gegenstand hat. Nach Prüfung des notariellen Kaufvertrags und einer Grundschuldbestellungsurkunde teilte die Beteiligte zu 2 dem Amtsgericht mit, der betreuungsgerichtlichen Genehmigung des von der Betreuerin beabsichtigten Grundstücksverkaufs und der Grundschuldbestellung stünden keine Bedenken entgegen.
Für die Überprüfung des Grundstückskaufvertrags hat die Beteiligte zu 2 die Festsetzung einer Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Höhe von 1.451,80 € gegen die Staatskasse beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und die an die Beteiligte zu 2 zu zahlende Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 3 (Staatskasse) die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG erhalte der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 und 2 BGB. Daneben habe er gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG Anspruch auf Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 2, 3 Abs. 1 und 2 VBVG, wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt werde. Zudem könne ein anwaltlicher Verfahrenspfleger für Tätigkeiten im Rahmen seiner Bestellung, für die ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzuzöge, eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, auch wenn § 277 FamFG nicht ausdrücklich auf § 1835 Abs. 3 BGB verweise.
Bei der Überprüfung des notariellen Kaufvertrags nebst Lastenfreistellung und Grundschuldbestellung, die zu der betreuungsgerichtlichen Genehmigung der Erklärung der Betreuerin in den entsprechenden notariell beglaubigten Urkunden geführt habe, habe es sich um eine anwaltsspezifische Tätigkeit gehandelt. Diese Prüfung stelle eine bedeutsame und schwierige Tätigkeit dar, für die ein nicht juristisch Vorgebildeter, auch wenn er die Voraussetzungen für eine Vergütung nach der höchsten Stufe - mithin eine Hochschulausbildung - erfülle, einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte. Die gerichtliche Genehmigung könne nur dann erteilt werden, wenn die getroffene Regelung dem Wohl des Betroffenen entspreche. Daher habe die Verfahrenspflegerin jede einzelne in dem notariellen Vertrag festgelegte Regelung auf ihren rechtlichen Inhalt und die sich daraus für die Betroffene ergebenden juristischen Konsequenzen überprüfen müssen. Ob und in welchem Umfang die Verfahrenspflegerin letztlich Bedenken gegen den Inhalt der Vereinbarung vorgebracht habe, sei für die Frage, ob sie eine rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit entfaltet habe, ohne Bedeutung. Auch eine juristisch komplizierte Prüfung könne ergeben, dass keine Bedenken gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung bestünden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB. Gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG erhält er neben den Aufwendungen nach Absatz 1 eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG), wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG zwar nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist diese Vorschrift jedoch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Dieser kann daher eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2014 - XII ZB 111/14 - FamRZ 2014, 1629 Rn. 10; vom 27. Juni 2012 - XII ZB 685/11 - FamRZ 2012, 1377 Rn. 7 und vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 12 ff.).
Hat das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers die Feststellung getroffen, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, ist diese Feststellung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend (Senatsbeschlüsse vom 12. September 2012 - XII ZB 543/11 - FamRZ 2012, 1866 Rn. 9 und vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 17). Andernfalls ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren auf entsprechenden Antrag des Verfahrenspflegers anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob dieser im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2014 - XII ZB 111/14 - FamRZ 2014, 1629 Rn. 12 f.; vom 27. Juni 2012 - XII ZB 685/11 - FamRZ 2012, 1377 Rn. 7 und vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13).
Die Frage, unter welchen Umständen ein Verfahrenspfleger im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 312/11 - FamRZ 2012, 113 Rn. 10 mwN zur Betreuervergütung).
b) Vorliegend ist die tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden.
aa) Da bei der Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Verfahrenspflegerin vom Amtsgericht keine für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindende Feststellung der Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten getroffen wurde, hat das Beschwerdegericht zu Recht geprüft, ob die Führung der Verfahrenspflegschaft von solchen Verrichtungen geprägt war, die typische anwaltliche Tätigkeiten darstellen.
bb) Soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, dass im vorliegenden Fall auch ein Verfahrenspfleger, der über die berufliche Qualifikation für eine Vergütung nach der höchsten Stufe nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 VBVG verfügt, die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen hätte, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken.
Der Beteiligten zu 2 wurde mit der Bestellung zur Verfahrenspflegerin die Aufgabe übertragen, zu prüfen, ob der von der Betreuerin beabsichtigte Verkauf des Grundbesitzes der Betroffenen deren Wohl entspricht. Dazu musste die Beteiligte zu 2 - wie das Beschwerdegericht zu Recht hervorhebt - alle in dem notariellen Kaufvertrag enthaltenen Regelungen eingehend auf ihre Auswirkungen für die Betroffene untersuchen. Wie die Rechtsbeschwerde selbst vorträgt, bezog sich das beabsichtigte Grundstücksgeschäft zudem nicht nur auf ein von der Betroffenen allein genutztes Eigenheim, sondern auf ein teilweise vermietetes Mehrparteienwohnhaus, das sich in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand befand. Gerade bei dem Verkauf eines solchen Anwesens bedarf es, etwa im Hinblick auf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche, einer eingehenden Prüfung des Kaufvertrags, die besondere Rechtskenntnisse voraussetzt. Wenn das Beschwerdegericht unter diesen Umständen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vergütung der Verfahrenspflegerin nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bejaht, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Günter Guhling