Entscheidungsdatum: 26.10.2011
1. Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG eine erhöhte Vergütung zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat .
2. Die Würdigung des Tatrichters, dass eine einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin nach § 10 Abs. 1 KrPflG a.F. mit einer Lehre nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG nicht vergleichbar ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. Juni 2011 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 87 €
I.
Die Beteiligte zu 1. wurde vom Amtsgericht zur Betreuerin der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt. Sie ist Berufsbetreuerin und verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung zur Krankenpflegehelferin.
Für den Abrechnungszeitraum vom 28. November 2010 bis zum 27. Februar 2011 beantragte die Beteiligte zu 1. für ihre Tätigkeit als Betreuerin die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung in Höhe von 452,25 €, der sie im Hinblick auf ihre Ausbildung einen erhöhten Stundensatz von 33,50 € zugrunde legte.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat das Landgericht auf der Grundlage des Stundensatzes für einen Betreuer ohne bestimmte Ausbildung in Höhe von 27 € den Vergütungsanspruch der Beteiligten zu 1. auf 364,50 € herabgesetzt.
Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1. ihren Vergütungsantrag in voller Höhe weiter.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG). An die Zulassung ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Beteiligten zu 1. stehe der erhöhte Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG nicht zu, weil ihre Ausbildung zur Krankenpflegehelferin mit einer abgeschlossenen Lehre nicht vergleichbar sei.
Zur Vergleichbarkeit von Fachkenntnissen sei inzwischen anerkannt, dass diese im Rahmen einer Ausbildung vermittelt sein müssten, die Ausbildung in ihrer Wertigkeit einer Lehre entsprechen sowie einen formalen Abschluss aufweisen müsse. Die von der Beteiligten zu 1. durchlaufene Ausbildung zur Krankenpflegehelferin unterscheide sich jedoch bereits in ihrer Dauer deutlich von der Ausbildung zur Krankenschwester. Während die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin nur ein Jahr dauere, erstrecke sich die Ausbildung zur Krankenschwester über drei Jahre. Schon dieser mindestens um das Doppelte über der Ausbildungszeit für eine Krankenpflegehelferin liegende Zeitraum veranschauliche die unterschiedliche Breite und Tiefe der zu vermittelnden Kenntnisse und damit die fehlende Vergleichbarkeit der genannten Ausbildungen. Daher sei die von der Beteiligten zu 1. abgeschlossene Ausbildung zur Krankenpflegehelferin einer abgeschlossenen Lehre im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG nicht vergleichbar.
b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
(1) Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG eine erhöhte Vergütung zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (vgl. Senatsurteil vom 15. September 2010 - XII ZR 188/08 - NJW-RR 2011, 89 Rn. 9 mwN; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 72 Rn. 18). Vorliegend ist die tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden.
(2) Nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB erhält der Betreuer für seine Tätigkeit eine Vergütung, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers feststellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird. Hat das Gericht diese Feststellung getroffen und ist der Betreute mittellos im Sinne von § 1836 d BGB, kann der Berufsbetreuer die zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen, § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem zu vergütenden Zeitaufwand (§ 5 VBVG) und dem nach § 4 Abs. 1 VBVG maßgeblichen Stundensatz, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VBVG grundsätzlich 27 € beträgt. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, erhöht sich der Stundensatz auf 33,50 €, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG) und auf 44 €, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG).
(3) Nach § 4 Abs. 1 VBVG ist somit der für die Vergütung eines Berufsbetreuers maßgebliche Stundensatz, sofern die Staatskasse in Anspruch genommen wird, vom Gesetzgeber nach der Qualifikation des Betreuers in einer typisierenden dreistufigen Skala verbindlich festgelegt (BayObLG BtPrax 2000, 124; vgl. auch BT-Drucks. 13/7158, S. 14). Die Höhe der Vergütung des Berufsbetreuers ist daher nicht allein davon abhängig, ob er über besondere Kenntnisse oder Fachkenntnisse (zur sachlichen Gleichbedeutung dieser beiden Begriffe, vgl. Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273, 1275) verfügt, die für die Führung von Betreuungen nützlich sein können. Im Interesse einer problemlosen Handhabbarkeit wird in § 4 Abs. 1 VBVG die Qualifikation des Betreuers von der Art seiner Ausbildung abhängig gemacht (vgl. BT-Drucks. 13/7158, S. 14). Eine Vergütung mit dem nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG erhöhten Stundensatz erhält ein Berufsbetreuer daher nur, wenn er die Fachkenntnisse, die für die Durchführung der Betreuung nutzbar sind, durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat.
(4) Mit einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar ist eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist, der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem durch eine Lehre vermittelten entspricht und der Ausbildungserfolg durch eine vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle abgelegten Prüfung belegt ist (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 124; BtPrax 2000, 33; OLG Hamm OLGR 2002, 159; Jürgens in Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 3 VBVG Rn. 7; Jaschinski in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 3 VBVG Rn. 12; MünchKommBGB/Fröschle 5. Aufl. § 4 VBVG Rn. 13, vgl. auch Staudinger/ Bienwald [2006] § 1908 i Rn. 315). Als Kriterien können insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und Inhalt des Lehrstoffes sowie die Ausgestaltung der Abschlussprüfung herangezogen werden (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 187; OLGR Frankfurt 2009, 317 Rn. 11). Darüber hinaus ist auch die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation von Bedeutung (OLG Karlsruhe OLGR 2007, 167 Rn. 6 mwN).
(5) Die Ausbildung der Beteiligten zu 1. zur Krankenpflegehelferin ist mit einer abgeschlossenen Lehre nicht vergleichbar.
Bei der Ausbildung zur Krankenpflegehelferin entspricht der vermittelte Wissenstand nach Art und Umfang nicht dem durch eine Lehre vermittelten (entgegen OLG Hamm OLGR 2002, 159). Bereits die Dauer der Ausbildung als maßgebliches Kriterium ist nicht annähernd mit einer Lehre vergleichbar. Nach § 10 Abs. 1 Krankenpflegegesetz (KrPflG) aF dauerte die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin ein Jahr. Zutreffend weist das Beschwerdegericht darauf hin, dass nach den für die überwiegende Zahl von anerkannten Ausbildungen maßgeblichen § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBiG und § 26 Abs. 1 Nr. 2 HWO die jeweilige Ausbildungsdauer zwei Jahre nicht unterschreiten soll und dass bereits aus dieser erheblichen Diskrepanz in der Ausbildungsdauer die Differenz in der Breite und Tiefe zu einer Lehre ersichtlich wird. Dies ergibt auch der vom Beschwerdegericht vorgenommene und nicht zu beanstandende Vergleich mit der Ausbildung zur Krankenschwester, der § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG unterfällt (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 551) und drei Jahre dauert (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KrPflG aF).
Auch aus dem Vergleich der gesetzlich normierten Ausbildungsinhalte wird deutlich, dass die Ausbildung zur Krankenpflegerin vom Inhalt und Umfang des Lehrstoffs nicht einer Lehre im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG gleichgestellt werden kann. Die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin bleibt deutlich hinter der Ausbildung zur Krankenschwester zurück. Nach § 4 Abs. 2 KrPflG aF soll die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin und zum Krankenpflegehelfer Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Versorgung der Kranken, sowie die damit verbundenen hauswirtschaftlichen und sonstigen Assistenzaufgaben in Stations-, Funktions- und sonstigen Bereichen des Gesundheitswesens vermitteln. Demgegenüber soll die Ausbildung zur Krankenschwester die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur verantwortlichen Mitwirkung bei der Verhütung, Erkennung und Heilung von Krankheiten vermitteln. Die Ausbildung soll insbesondere gerichtet sein auf die sach- und fachkundige, umfassende, geplante Pflege des Patienten, die gewissenhafte Vorbereitung, Assistenz und Nachbereitung bei Maßnahmen der Diagnostik und Therapie, die Anregung und Anleitung zu gesundheitsförderndem Verhalten, die Beobachtung des körperlichen und seelischen Zustandes des Patienten und der Umstände, die seine Gesundheit beeinflussen, sowie die Weitergabe dieser Beobachtungen an die an der Diagnostik, Therapie und Pflege Beteiligten, die Einleitung lebensnotwendiger Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes und die Erledigung von Verwaltungsaufgaben, soweit sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den Pflegemaßnahmen stehen (§ 4 Abs. 1 KrPflG aF).
Letztlich ist auch nach der Wertung des Krankenpflegegesetzes die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin qualitativ einer Lehre nicht vergleichbar. Dies ergibt sich daraus, dass die abgeschlossene Ausbildung zur Krankenpflegehelferin lediglich eine der Möglichkeiten darstellt, den Zugang zur Ausbildung zur Krankenschwester ohne Realschulabschluss zu erlangen (vgl. § 6 Satz 2 Nr. 3, Nr. 1 KrPflG). Da Voraussetzung für die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 KrPflG ein Hauptschulabschluss ist, entspricht nach der gesetzlichen Wertung die einjährige Ausbildung dem fehlenden zehnten Realschuljahr und ist somit einem Abschluss an einer weiterführenden Schule gleichgestellt, nicht jedoch einer Lehre.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Günter