Entscheidungsdatum: 05.07.2018
NV: Wenn weder der Insolvenzverwalter noch einer der Insolvenzgläubiger noch der Schuldner der Feststellung einer Umsatzsteuerforderung zur Insolvenztabelle widersprochen haben, ist die Feststellung zur Insolvenztabelle, die als Steuerfestsetzung wirkt, mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) nicht mehr anfechtbar .
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24. November 2017 1 K 3807/15 U wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr (2007) einen Einzelhandel. Diesen Betrieb meldete sie Ende Februar 2008 wegen Betriebsaufgabe ab.
Durch Beschluss vom 31. März 2008 ... eröffnete das Amtsgericht (AG) X das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und bestellte Herrn ... (A) zum Insolvenzverwalter.
Das damals für die Umsatzsteuer der Klägerin zuständige Finanzamt Z (FA Z) meldete im April 2008 die Umsatzsteuer für das Streitjahr in Höhe von ... € zur Tabelle an und übersandte A eine "Berechnung für 2007 über Umsatzsteuer", die es durch manuelle Änderung eines maschinell erstellten, nicht versandten Umsatzsteuerbescheids hergestellt hatte. In den Erläuterungen wurde darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Steuerfestsetzung, sondern um eine Steuerberechnung als Grundlage für die Anmeldung zur Tabelle handele.
Die angemeldete Forderung wurde im Prüfungstermin weder vom Insolvenzverwalter noch von der Klägerin bestritten und deshalb wie angemeldet in die Insolvenztabelle eingetragen.
Infolge Organisationsakts der Finanzverwaltung wurde zum 1. April 2011 der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die Umsatzsteuer der Klägerin zuständig.
Durch Beschluss vom 2. Juni 2014 erteilte das AG X der Klägerin Restschuldbefreiung.
Am 17. November 2014 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das FA u.a. um Übersendung des Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 2007. Das FA übersandte ihm am selben Tag einen computergenerierten, auf jeder Seite als "Doppel" gekennzeichneten Ausdruck des an A adressierten, nicht versandten Umsatzsteuerbescheids des FA Z für das Jahr 2007 vom 29. April 2008 mit dem o.g. Erläuterungstext.
Die Klägerin nahm an, ihr sei am 17. November 2014 ein Umsatzsteuerbescheid des FA Z vom 29. April 2008 bekanntgegeben worden, und legte dagegen am 18. Dezember 2014 Einspruch ein. In der Folgezeit reichte die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 (nebst Abtretungsanzeige für das sich ergebende Guthaben) ein. Den Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 5. November 2015 als unbegründet mit der Begründung zurück, dem FA habe bei der Übersendung des genannten Computerausdrucks am 17. November 2014 der Bekanntgabewille gefehlt. Dies sei durch den Aufdruck "Doppel", das Datum aus dem Jahr 2008 und die Angabe des durch Organisationsakt untergegangenen FA Z als erlassender Behörde nach außen dokumentiert.
Die sich anschließende Klage wies das Finanzgericht (FG) ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, das FA habe den Einspruch im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Einspruch sei unzulässig, weil das übersandte Doppel der Umsatzsteuerberechnung kein Verwaltungsakt gewesen sei. Der Umsatzsteuerberechnung für das Jahr 2007 vom 29. April 2008 fehle der Regelungsgehalt. Sie sei lediglich eine Information für den Insolvenzverwalter. Das am 14. November 2014 übersandte Doppel sei ebenfalls kein gegenüber der Klägerin erlassener Verwaltungsakt, wie sich aus der Adressierung an A und dem Erläuterungstext ergebe. Außerdem fehle der Bekanntgabewille.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, mit der die Klägerin geltend macht, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.
II.
Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind überwiegend nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.
a) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 2015 XI B 52/15, BFH/NV 2016, 431, Rz 24; vom 25. Juli 2017 IX B 50/17, BFH/NV 2017, 1457, Rz 3). Ist zu einer Rechtsfrage bereits Rechtsprechung vorhanden, hat sich der Beschwerdeführer damit auseinanderzusetzen und zu erörtern, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2015 XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864, Rz 15; vom 7. Februar 2018 V B 119/17, BFH/NV 2018, 544, Rz 3).
b) Dies hat die Klägerin nicht getan.
aa) Die Klägerin wirft folgende Rechtsfrage auf: "Was ist das für ein Akt, der Rechtskraftwirkungen eines sonstigen Verwaltungsaktes entfaltet, der nach einer Vorschrift, die für Verwaltungsakte gilt, zurückgenommen werden kann und dabei angeblich selbst kein Verwaltungsakt ist, von dem der Beklagte und Beschwerdegegner selbst annimmt, dass es sich dabei um eine Steuerfestsetzung handelt?" Daran schließen sich mehrere weitere Fragen zur Rechtsnatur des Tabelleneintrags, zur Forderungsanmeldung und zum Zeitpunkt der Bestandskraft an.
bb) Es fehlt aber die Darlegung, warum diese Rechtsfragen im vorliegenden Verfahren XI B 17/18 klärbar sein sollen, in dem es um die Frage geht, ob das am 14. November 2014 vom FA übersandte Doppel ein von der Klägerin gegenüber dem FA mit dem Einspruch anfechtbarer Verwaltungsakt ist, obwohl es nicht vom FA, sondern vom FA Z stammt und nicht an die Klägerin, sondern an A adressiert ist. Inwiefern hierfür von Bedeutung ist, welche Rechtsnatur die Forderungsanmeldung und der Tabelleneintrag haben und wann sie "bestandskräftig" werden, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend.
cc) Außerdem fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der dazu vorhandenen Rechtsprechung. Die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle stellt das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar; sie hat grundsätzlich die gleichen Rechtswirkungen wie ein entsprechender Steuerbescheid (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90, unter II.1.b dd, Rz 15). Die widerspruchslose Eintragung in die Tabelle wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern gemäß § 178 Abs. 3 der Insolvenzordnung (InsO) wie ein rechtskräftiges Urteil. Gegenüber dem Schuldner, der --wie die Klägerin-- der Forderungsanmeldung nicht widersprochen hat, hat sie die Wirkung eines vollstreckbaren Titels, aus dem die Insolvenzgläubiger wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben können (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221, BFH/NV 2018, 75, Rz 33; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 11. Juli 2013 IX ZR 286/12, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2013, 1268, Rz 8; BGH-Beschluss vom 3. April 2014 IX ZB 83/13, NJW-RR 2014, 1390, Rz 8). Allenfalls unter den Voraussetzungen des § 130 der Abgabenordnung (AO) entfällt die Urteilswirkung des § 178 Abs. 3 InsO (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 42 und 46; vom 24. November 2011 V R 20/10, BFH/NV 2012, 711, Rz 11; vom 6. Dezember 2012 V R 1/12, BFH/NV 2013, 906, Rz 10; bei Insolvenzplan Änderungsmöglichkeit verneinend BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 I R 39/13, BFHE 247, 300, BStBl II 2015, 577). Weitergehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.
2. Mit ihrem Vortrag, das Urteil des FG stehe in Widerspruch zu den BFH-Urteilen in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298 und in BFH/NV 2013, 906, hat die Klägerin den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wegen Divergenz nicht hinreichend dargelegt.
a) Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander so gegenüberstellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363, Rz 14; in BFH/NV 2016, 431, Rz 28).
b) Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Klägerin hat zwar in der Beschwerdebegründung angebliche Divergenzentscheidungen benannt, aber keine voneinander abweichenden Rechtssätze der angeblichen Divergenzentscheidungen und der Vorinstanz derart gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird.
c) Außerdem ist nicht dargelegt, dass ein tragender Rechtssatz im Streitfall entscheidungserheblich wäre. Ob der Tabelleneintrag nach § 130 AO geändert werden kann, ist nicht Gegenstand des Verfahrens XI B 17/18.
3. Das Urteil des FG ist auch nicht --wie die Klägerin meint-- greifbar gesetzeswidrig, weil zur Umsatzsteuer 2007 noch gar kein Verwaltungsakt ergangen sei und nach Auffassung des FG auch kein Bescheid ergehen müsse.
a) Zur Insolvenztabelle festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 39/14, BFHE 251, 125, BStBl II 2017, 755, Rz 20; BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2016 V B 36/16, BFH/NV 2017, 437, Rz 8).
b) Der Hinweis der Klägerin auf die Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens durch die Insolvenzeröffnung führt zu keiner anderen Beurteilung; denn der Umstand, dass weder der Insolvenzverwalter noch einer der Insolvenzgläubiger noch der Schuldner der Feststellung einer Umsatzsteuerforderung zur Insolvenztabelle widersprochen hat (Feststellung zur Tabelle nach § 178 Abs. 1 InsO), bewirkt die Erledigung der Hauptsache (vgl. BFH-Beschluss vom 23. September 2015 V B 159/14, BFH/NV 2016, 60, Rz 12, m.w.N.). Die Feststellung zur Insolvenztabelle, die als Steuerfestsetzung wirkt, ist in einem solchen Fall mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) nicht mehr anfechtbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 221, BFH/NV 2018, 75, Rz 35).
c) Die Klägerin wird hierdurch auch nicht rechtsschutzlos gestellt; denn sie konnte als Insolvenzschuldnerin der Forderungsanmeldung des FA im Prüfungstermin widersprechen und dadurch den Eintritt der Wirkung des § 201 InsO verhindern (vgl. BFH-Urteile vom 16. Mai 2017 VII R 25/16, BFHE 257, 515, BStBl II 2017, 934; in BFHE 259, 221, BFH/NV 2018, 75). Diese Möglichkeit hat sie nicht genutzt. Dies geht auch insoweit zu ihren Lasten.
d) Auf die Frage, ob der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund ebenfalls nicht hinreichend dargelegt ist (zu den Anforderungen hieran BFH-Beschluss vom 20. Februar 2018 XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641, Rz 12, m.w.N.), kommt es deshalb nicht mehr an.
4. Soweit die Beschwerde (auch) als Verfahrensfehler rügt, die Begründung des FG sei widersprüchlich und die Beweiswürdigung des FG sei falsch bzw. unvollständig, wendet sich die Klägerin gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung gehört revisionsrechtlich dem materiellen Recht an. Die Klägerin macht daher einen materiellen Fehler geltend, der --so er denn vorläge-- grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen würde; auch läge kein Verfahrensfehler vor (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 47; vom 2. März 2017 XI B 81/16, BFH/NV 2017, 748, Rz 30, 34).