Entscheidungsdatum: 14.06.2016
Pemetrexed
1. Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 10. Mai 2011, X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011, X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung).
2. Für die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes reicht es nicht aus, dass sich eine vom Patent beanspruchte Ausführungsform aufgrund von Angaben in der Beschreibung oder aus sonstigen Gründen als spezieller Anwendungsfall eines allgemeineren Lösungsprinzips darstellt und der Fachmann aufgrund dieser Erkenntnis in der Lage war, weitere diesem Lösungsprinzip entsprechende Ausführungsformen aufzufinden.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 313 508 (Klagepatents), das am 15. Juni 2001 angemeldet wurde und die Verwendung von Pemetrexeddinatrium in Kombination mit Vitamin B12 zur Hemmung des Wachstums von Tumoren betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:
Use of pemetrexed disodium in the manufacture of a medicament for use in combination therapy for inhibiting tumor growth in mammals wherein said medicament is to be administered in combination with vitamin B12 or a pharmaceutical derivative thereof, said pharmaceutical derivative of vitamin B12 being hydroxocobalamin, cyano-10-chlorocobalamin, aquocobalamin perchlorate, aquo-10-chlorocobalamin perchlorate, azidocobalamin, chlorocobalamin or cobalamin.
Die Klägerin ist ferner Mitinhaberin des europäischen Patents 432 677 und des auf dessen Grundlage in Deutschland für den Zeitraum bis 10. Dezember 2015 erteilten ergänzenden Schutzzertifikats 12 2005 000 012, das Pemetrexed und pharmazeutisch verträgliche Salze davon betrifft.
Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte) ließ der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 2012 mitteilen, sie wolle nach Ablauf des Schutzzertifikats ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Pemetrexeddikalium auf den Markt bringen, und zwar als Generikum mit dem von der Klägerin vertriebenen, den Wirkstoff Pemetrexeddinatrium enthaltenden Produkt Alimta als Referenzarzneimittel.
Die Klägerin hat die Beklagte, deren deutsche Vertriebsgesellschaft und deren Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem auf eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln gestützten Hilfsantrag verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Klagepatent betrifft die Verwendung von Pemetrexeddinatrium in Kombination mit Vitamin B12 zur Hemmung des Wachstums von Tumoren bei Säugern.
1. In der Klagepatentschrift wird erläutert, Antifolate gehörten zu den am besten untersuchten Klassen von antineoplastischen Mitteln. Sie führten zu einer Hemmung eines oder mehrerer Schlüsselenzyme für die Biosynthese von Thymidin und Purin, indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurrierten. Als Beispiele für solche Antifolate werden 5-Fluoruracil, Tomudex®, Methotrexat®, Lometrexol und Pemetrexeddinatrium (Alimta®) genannt.
Als begrenzender Faktor für die Entwicklung solcher Arzneimittel wird in der Klagepatentschrift die erhebliche Toxizität angeführt, die mitunter sogar ein hohes Mortalitätsrisiko zur Folge habe. Als Mittel zur Verringerung der Toxizität seien Folsäure und Retinoidverbindungen wie Vitamin A eingesetzt worden. Dennoch gebe die zytotoxische Aktivität von Antifolaten weiterhin Anlass zu ernsthafter Besorgnis bei der Entwicklung solcher Arzneimittel.
2. In der Klagepatentschrift wird nicht ausdrücklich dargelegt, welches technische Problem das Klagepatent betrifft.
a) Das Berufungsgericht hat die Aufgabe des Klagepatents dahin formuliert, die für den Patienten nachteiligen toxischen Effekte, die durch die Verabreichung von Pemetrexeddinatrium als Antifolat verursacht würden, zu reduzieren, ohne die therapeutische Wirksamkeit nachteilig zu beeinflussen.
b) Die Revision rügt dies als fehlerhaft. Sie meint, das Berufungsgericht hätte das dem Klagepatent zugrunde liegende Problem nicht definieren dürfen, ohne zuvor den Patentanspruch auszulegen.
Diese Rüge ist unbegründet.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid). Sie hat hingegen nicht die Funktion, über die Frage der Patentfähigkeit bereits eine Vorentscheidung zu treffen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 - Quetiapin).
Für einen Verletzungsrechtsstreit gilt im Ausgangspunkt nichts anderes. Zur Beurteilung der Frage, ob die jeweils angegriffene Ausführungsform von der patentierten Lehre Gebrauch macht, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, welchen Niederschlag die fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik konkret darin gefunden haben (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2012 - X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130 Rn. 9 - Leflunomid). Zur Herausarbeitung dessen, was die Erfindung in diesem Sinne tatsächlich leistet, trägt die Bestimmung des technischen Problems bei (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung). Hieraus ergibt sich, dass sich ein Gericht in den Gründen einer Entscheidung mit dem technischen Problem nicht erst dann befassen darf, wenn es den Patentanspruch ausgelegt hat. Bestimmung der Aufgabe und Auslegung des Patentanspruchs stehen vielmehr in einer gewissen Wechselwirkung. In der Regel ist es dementsprechend zweckmäßig und geboten, vorab Überlegungen zum technischen Problem anzustellen. Im Rahmen der Auslegung sind nämlich sowohl der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit als auch der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 = GRUR 2012, 1124 Rn. 27 - Polymerschaum I). Dies erfordert in der Regel eine vorläufige Orientierung darüber, welches technische Problem betroffen ist.
Rechtsfehlerhaft wäre es lediglich, das technische Problem im Rahmen dieser ersten Betrachtung bereits so festzulegen, dass damit eine Vorentscheidung über die Auslegung getroffen ist. In der Patentschrift enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung dürfen - ebenso wie der übrige Inhalt der Patentschrift - nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 22 - Palettenbehälter III). Sie müssen zudem auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn im Patentanspruch keine Mittel angegeben sind, mit denen das betreffende Ziel erreicht werden könnte (BGH, Urteil vom 25. Februar 2014 - X ZR 84/12, Rn. 13). Diese Grundsätze gelten auch für eine Aufgabenbeschreibung, die in der Patentschrift nicht ausdrücklich enthalten ist. Jede Aufgabenbeschreibung ist deshalb in einem nachfolgenden Schritt darauf zu überprüfen, ob sie mit den durch Auslegung ermittelten Festlegungen des Patentanspruchs in Einklang steht.
bb) Die angefochtene Entscheidung lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler erkennen.
Angesichts der aufgezeigten Wechselwirkungen zwischen der Bestimmung der Aufgabe und der Auslegung des Patents könnte die Aufgabe in einem ersten Schritt möglicherweise auch dahin definiert werden, dass die nachteiligen toxischen Effekte des verwendeten Antifolats verringert werden sollen, ohne die angestrebten Wirkungen nachteilig zu verändern. Rechtsfehlerhaft wäre die angefochtene Entscheidung unter diesem Aspekt aber nur dann, wenn das Berufungsgericht aus der von ihm gewählten engeren Definition Schlussfolgerungen für die Auslegung des Klagepatents gezogen hätte.
Anzeichen für einen solchen Zirkelschluss lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung vielmehr durchweg berücksichtigt, dass eine Verringerung der Toxizität auch bei anderen Antifolaten in Frage kommt.
3. Zur Lösung des Problems schlägt das Klagepatent eine Verwendung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1. Pemetrexeddinatrium wird verwendet zur Herstellung eines Arzneimittels.
2. Das Arzneimittel dient der Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern.
3. Das Arzneimittel soll in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden.
4. Das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 ist Hydroxocobalamin, Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin.
Nach der Beschreibung des Klagepatents führt die Verabreichung von Vitamin B12 zu einer Verringerung der im Körper vorhandenen Methylmalonsäure. Weshalb diese Wirkung für die Verringerung der Toxizität von Bedeutung ist, wird nicht aufgezeigt.
II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Nach dem Wortsinn von Merkmal 1 sei die Verwendung von Pemetrexeddinatrium erforderlich. Mit diesem Begriff werde eine spezifische chemische Verbindung bezeichnet, nämlich das Dinatriumsalz des Antifolats Pemetrexed. Für den Fachmann, ein Team aus einem Onkologen und einem Pharmakologen, ergebe sich aus der Klagepatentschrift kein Anhaltspunkt dafür, dass dem Patentanspruch ein hiervon abweichender Sprachgebrauch zugrunde liege. In der Beschreibung werde vielmehr ausgeführt, das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung sei Pemetrexeddinatrium (Alimta). Auch im Übrigen sei in der Beschreibung mit einer Ausnahme durchweg von Pemetrexeddinatrium - häufig mit dem in Klammern gesetzten Hinweis auf das von der Klägerin vertriebene Produkt Alimta - und nicht von Pemetrexed die Rede. Pemetrexed werde lediglich im Zusammenhang mit einer im Stand der Technik bekannten Untersuchung zu den Wirkungen von Folsäure erwähnt. Dass mit Pemetrexeddinatrium ausschließlich die betreffende Verbindung und nicht allgemein Derivate von Pemetrexed gemeint seien, werde ferner dadurch bestätigt, dass das Klagepatent für den in Kombination zu verwendenden Wirkstoff Vitamin B12 und für das in Patentanspruch 2 vorgesehene Bindemittel nicht nur Schutz für die konkrete Verbindung, sondern auch für Derivate beanspruche. Eine funktionsorientierte Auslegung könne vor diesem Hintergrund nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. Die Erkenntnis, dass es entscheidend auf die Antifolat-Wirkung von Pemetrexed ankomme, rechtfertige es nicht, Patentanspruch 1 über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus zu erweitern. Entsprechendes gelte für den Umstand, dass sich die Gewichtsangaben in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele auf Pemetrexed bezögen. Die in der Beschreibung enthaltene Definition des Begriffs "Antifolat" sei ebenfalls klar und eindeutig. Dass der Begriff "Pemetrexeddinatrium" wörtlich zu verstehen sei, werde zudem bestätigt durch die Stellungnahme des Prüfers im Erteilungsverfahren, der frühere Anspruchsfassungen, die in Merkmal 1 die Verwendung eines Antifolats bzw. von Pemetrexed vorgesehen hätten, mit der Begründung beanstandet habe, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei nur die Verwendung von Pemetrexeddinatrium als zur Erfindung gehörend offenbart.
Pemetrexeddikalium könne nicht als äquivalentes Mittel angesehen werden. Dabei könne dahinstehen, ob es gleichwirkend sei und ob sein Einsatz als Austauschmittel für den Fachmann nahegelegen habe. Es fehle jedenfalls an der Gleichwertigkeit, weil sich der Patentanspruch auf eine einzige chemische Verbindung festgelegt habe, obwohl der Fachmann der Klagepatentschrift als Ganzes nur die Botschaft entnehmen könne, dass sich die Erfindung mit jedem Antifolat erfolgreich durchführen lasse. Eine Ausführungsform sei aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sei, der Leser der Patentschrift aber annehmen müsse, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte. Hierbei könne es keinen Unterschied machen, ob alternative Lösungsvarianten in einer detaillierten Liste notiert oder aber unter Verwendung von übergeordneten Gattungsbegriffen gleichsam gesammelt benannt würden. In der zuletzt genannten Konstellation seien allerdings grundsätzlich nur diejenigen Austauschmittel vom Äquivalenzschutz ausgenommen, die am Prioritätstag bereits bekannt gewesen seien. Auf Pemetrexeddikalium treffe dies zu, weil in der europäischen Patentschrift 432 677 offenbart werde, dass Pemetrexed auch in Form eines Kaliumsalzes einsetzbar sei. Die Diskrepanz zwischen dem Beschreibungstext und Patentanspruch 1 spiegle zudem den Gang des Erteilungsverfahrens wieder. Es gehe nicht an, Schutzgegenstände, die der Anmelder im Prüfungsverfahren bewusst habe fallen lassen, nachträglich im Verletzungsprozess wieder in den Patentschutz einzubeziehen. Jede andere Handhabung lasse den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit in unverantwortlicher Weise zurücktreten. Der Patentinhaber dürfe die Aufgabe und das Risiko, den Schutzbereich des Patents zutreffend zu umreißen, nicht den Wettbewerbern aufbürden.
Mit dem von ihr erwogenen Vertrieb verletze die Beklagte das Klagepatent auch nicht mittelbar. Zwar werde die angegriffene Ausführungsform durch Infusion verabreicht und die Infusionslösung enthalte Natriumionen. Daraus ergebe sich aber nicht, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werde.
III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in zwei entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Begriff "Pemetrexeddinatrium" nicht im Sinne von "Pemetrexed" auszulegen ist.
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen für eine funktionsorientierte Auslegung zu eng definiert.
Diese Rüge ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ausgeführt, eine funktionsorientierte Auslegung sei zwar grundsätzlich geboten, dürfe aber nicht dazu führen, dass ein räumlich-körperlich definiertes Merkmal auf seine bloße Funktion reduziert werde, weil anderenfalls die Grenze zwischen wortsinngemäßer und äquivalenter Benutzung aufgelöst würde.
Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Das Streitpatent hat zwar keine Vorrichtung zum Gegenstand, sondern - worauf zurückzukommen sein wird (III 3 a) - in einen Verwendungsanspruch gekleideten zweckgebundenen Stoffschutz; dementsprechend kann es nicht auf räumlich-körperlich definierte Merkmale und deren Funktion ankommen, sondern auf die stofflichen Eigenschaften. Insoweit gelten aber die gleichen Grundsätze. Auch im Rahmen eines solchen Verwendungsanspruchs können im Rahmen der Anspruchsauslegung einem rein funktionalen Verständnis der betreffenden stofflichen Verbindung Grenzen gesetzt sein.
In der von der Revision angeführten Entscheidung "Spannschraube" hat der Senat ausgeführt, die Auslegung eines Merkmals habe sich entscheidend an dessen in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck zu orientieren (BGH, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 911 - Spannschraube). Hieraus kann nicht entnommen werden, dass im Patentanspruch enthaltene Festlegungen zur räumlich-körperlichen oder - wie hier - stofflichen Ausgestaltung eines Merkmals stets in den Hintergrund zu treten haben. Im damals entschiedenen Fall ging es vielmehr darum, dass ein bestimmter Gesichtspunkt - nämlich die Frage, in welcher Weise eine Unterlegscheibe zwischen einen Flansch und einen Schraubenkopf "eingeführt" sein muss - im Patentanspruch keine ausdrückliche Festlegung erfahren hatte. Bei dieser Ausgangslage sah es der Senat nicht als rechtsfehlerhaft an, dass das Berufungsgericht in funktionsorientierter Auslegung zu dem Ergebnis gelangt war, das Einführen müsse durch eine Linearbewegung erfolgen.
In der ebenfalls von der Revision angeführten Entscheidung "Staubsaugersaugrohr" hat der Senat ausgeführt, eine funktionsorientierte Auslegung sei jedenfalls dann sachgerecht, wenn die Wortwahl des Patentanspruchs im Wesentlichen für sich kein fest umrissenes Verständnis erlaube (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 - X ZR 176/02, GRUR 2005, 41, 42 - Staubsaugersaugrohr). Dies steht nicht in Widerspruch zu dem vom Berufungsgericht vertretenen Ansatz und deckt sich mit der kurz zuvor in der Literatur geäußerten und vom Landgericht zitierten Auffassung, dass räumlich-körperliche Festlegungen nicht völlig außer Acht gelassen werden dürfen (Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich innerhalb dieses Rahmens. Das Berufungsgericht hat eine ausschließlich an der Funktion orientierte Auslegung im Streitfall nicht allein aufgrund des nach seiner Auffassung eindeutigen Anspruchswortlauts abgelehnt, sondern deshalb, weil es die von ihm zuvor behandelten Gesichtspunkte, die nach seiner Auffassung für eine enge Orientierung am Wortlaut sprechen, als ausschlaggebend angesehen hat. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat insbesondere die von der Revision aufgezeigten Gesichtspunkte berücksichtigt, dass die tumorhemmende Wirkung allein von dem Pemetrexedion ausgeht und dass das Dinatriumsalz vor der Verabreichung an einen Patienten in Lösung gebracht wird, so dass sich der Ionenverbund auflöst. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus diesen Gesichtspunkten nicht zwingend, dass die im Patentanspruch enthaltene Angabe "Pemetrexeddinatrium" über ihren Wortlaut hinaus auszulegen ist. Die vom Berufungsgericht als ausschlaggebend erachteten Umstände, insbesondere der einheitliche Sprachgebrauch innerhalb der Patentschrift, dessen Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Patentanspruchs und der Umstand, dass für Vitamin B12 und andere Stoffe ausdrücklich auch pharmazeutische Derivate beansprucht werden, sprechen vielmehr entscheidend dafür, den Patentanspruch insoweit beim Wort zu nehmen.
b) Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht sich bei der Auslegung des Klagepatents auf Unterlagen aus dem Erteilungsverfahren gestützt hat.
Damit zeigt sie ebenfalls keinen entscheidungserheblichen Rechtsfehler auf.
aa) Die Revision macht geltend, die selektive Berücksichtigung von Vorgängen aus dem Erteilungsverfahren stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.
Dies ist unzutreffend.
Wie das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, ist es nach der Rechtsprechung des Senats zulässig, Äußerungen des Anmelders im Erteilungsverfahren als Indiz dafür heranzuziehen, wie der Fachmann den Gegenstand des Patents versteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3380 - Weichvorrichtung II). Für Äußerungen des Prüfers gilt nichts anderes.
Solche Indizien können allerdings nicht ohne weiteres als alleinige Grundlage für die Auslegung herangezogen werden. Diesbezügliche Rechtsfehler lassen sich dem angefochtenen Urteil indes nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Äußerung des Prüfers, wonach mit der Nennung von Pemetrexeddinatrium nicht der allgemeinere Begriff "Pemetrexed" offenbart sei, vielmehr nur als zusätzliche Bestätigung für seine auf andere Gesichtspunkte gestützte Auslegung herangezogen.
bb) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe Vorbringen der Klägerin übergangen, wonach die Äußerung des Prüfers keine Rückschlüsse auf das Verständnis des Fachmanns erlaube, weil sie auf dem strengen Offenbarungsbegriff des Europäischen Patentamts beruhe, das sich schlicht am Wortlaut der Unterlagen orientiere.
Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.
Zwar hat sich das Berufungsgericht mit dem genannten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich näher befasst. Angesichts der umfassenden Begründung, auf die das Berufungsgericht die Auslegung des Klagepatents gestützt hat, erscheint es aber jedenfalls ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts zu einem abweichenden Ergebnis gelangt wäre.
Wie bereits erwähnt hat das Berufungsgericht die Äußerung des Prüfers nur als zusätzliches bestätigendes Indiz herangezogen. Hätte es diese Äußerung nicht als Hinweis auf des Verständnis des Fachmanns, sondern lediglich als Äußerung einer Rechtsauffassung angesehen, so hätte es ihr im vorliegenden Zusammenhang eine Indizwirkung weder in die eine noch in die andere Richtung beimessen dürfen. Alle verbleibenden Gesichtspunkte sprechen aber nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts ebenfalls für das von ihm als zutreffend erachtete Auslegungsergebnis.
c) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht hätte auch die Äußerungen der Anmelderin im Erteilungsverfahren in seine Beurteilung einbeziehen müssen.
Damit zeigt sie keinen Verfahrensfehler auf.
Die Klägerin hat dieses Argument zwar im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht. Aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht sich nicht ausdrücklich mit ihm befasst hat, kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass das Berufungsgericht einen wesentlichen Aspekt ihrer Argumentation übergangen hätte. Die in Rede stehende Äußerung der Klägerin im Erteilungsverfahren deckt sich der Sache nach mit ihrer rechtlichen Argumentation im Verletzungsverfahren. Mit dieser hat sich das Berufungsgericht eingehend auseinandergesetzt.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln nicht unter Rückgriff auf die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Auswahlentscheidung verneint werden.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Verletzung eines Patents mit äquivalenten Mitteln nur dann zu bejahen, wenn die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, um ein abgewandeltes Mittel als objektiv gleichwirkend aufzufinden, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I; Urteil vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV).
aa) Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, Urteil vom 29. November 1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 90 f. = GRUR 1989, 205, 208 - Schwermetalloxidationskatalysator; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I). Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, dass die erfindungsgemäße Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 159 = GRUR 2002, 515, 518 - Schneidmesser I). Deshalb ist eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 36 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung).
Dieses Kriterium entspricht nach dem Verständnis des Senats der dritten der drei so genannten Improver- oder Protokoll-Fragen, die die britischen Gerichte in ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung der Frage heranziehen, ob eine Ausführungsform, die vom primären, buchstäblichen oder vom Kontext losgelösten Wortlaut des Patentanspruchs nicht erfasst wird, dennoch in den Schutzbereich des Patents fällt. Nach dieser Rechtsprechung fällt eine solche Ausführungsform, auch wenn die Abwandlung keinen wesentlichen Einfluss auf die erfindungsgemäße Wirkung hat und dieser Umstand dem Fachmann nahegelegt war, nicht in den Schutzbereich des Patents, wenn dem Patentanspruch aus fachmännischer Sicht zu entnehmen ist, dass die Übereinstimmung mit dem primären Wortlaut zu den wesentlichen Erfordernissen der Erfindung gehört (ähnlich bereits für nationale Patente: Catnic Components Ltd v Hill & Smith Ltd [1982] RPC 183 Rn. 242 f.; grundlegend zu Art. 69 EPÜ: Improver Corporation v Remington Consumer Products Ltd (Hoffman J), [1990] FSR 181 Rn. 289, zitiert in den beiden das hiesige Klagepatent betreffenden Entscheidungen Actavis UK Ltd & Ors v Eli Lilly & Company, [2014] EWHC 1511 (Arnold J), Rn. 92 [insoweit nicht in GRUR Int. 2015, 52]; [2015] EWCA Civ 555 (Floyd LJ), Rn. 46).
bb) Für Fallgestaltungen, in denen dem Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten zugrunde liegt, hat der Senat das Erfordernis der Orientierung am Patentanspruch dahin konkretisiert, dass die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen müssen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung). Deshalb ist eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung).
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die zuletzt genannten Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Wie die Revision zu Recht geltend macht und wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, ist der Streitfall im Ausgangspunkt anders gelagert als die Fälle, die den Entscheidungen "Okklusionsvorrichtung" und "Diglycidverbindung" zugrunde lagen.
In diesen Fällen wurden in der Beschreibung des Patents jeweils (mindestens) zwei konkrete Ausführungsformen aufgezeigt, mit denen die erfindungsgemäße Wirkung erzielt werden konnte, und jeweils nur eine dieser Ausführungsformen hatte im Patentanspruch Niederschlag gefunden. Im Streitfall wird in der Patentschrift nur eine Ausführungsform offenbart. In der Beschreibung wird zwar ausgeführt, die Erfindung betreffe allgemein die Verwendung von Antifolatarzneimitteln durch Verabreichung eines Methylmalonsäure verringernden Mittels wie Vitamin B12. Als konkrete Ausführungsform dieser Erfindung wird aber nur die Verwendung von Pemetrexeddinatrium aufgezeigt.
bb) Das Berufungsgericht geht davon aus, die Offenbarung einer Gattung von chemischen Verbindungen habe dieselben rechtlichen Wirkungen wie die Auflistung aller zu der Gattung gehörenden und am Prioritätstag als solche bereits bekannten Verbindungen.
Dies steht in Widerspruch zur neueren Rechtsprechung des Senats.
Nach dieser Rechtsprechung darf die Fähigkeit des Fachmanns, mit Hilfe bekannter Verfahren und seines sonstigen Fachwissens eine mehr oder weniger große Anzahl von Einzelverbindungen herzustellen, die unter eine offenbarte Strukturformel fallen, nicht mit der Offenbarung dieser Einzelverbindungen gleichgesetzt werden. Vielmehr stellen die Einzelverbindungen, jedenfalls regelmäßig, Nutzanwendungen der technischen Information dar, die dem Fachmann durch die Offenbarung der Strukturformel oder sonst einer allgemeineren Formel gegeben wird. Durch deren Mitteilung sind die darunter fallenden einzelnen Verbindungen als solche nicht offenbart. Um sie dem Fachmann im Sinne der Neuheitsprüfung "in die Hand zu geben", bedarf es in der Regel weitergehender Informationen insbesondere zu ihrer Individualisierung (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 28 - Olanzapin; Urteil vom 10. September 2009 - Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 Rn. 31 - Escitalopram).
Im Streitfall ist Pemetrexeddikalium in der Klagepatentschrift nicht ausdrücklich benannt. Der Umstand, dass es ein Antifolat ist und zu derselben Gruppe gehört wie Pemetrexeddinatrium, reicht nach der aufgezeigten Rechtsprechung nicht aus, um es als durch die Klagepatentschrift offenbart anzusehen. Besondere Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass der Fachmann diese Verbindung dennoch gleichsam mitliest, sind nicht festgestellt.
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der in der Entscheidung "Okklusionsvorrichtung" entwickelte Grundsatz nicht schon dann auf die Konstellation des Streitfalls übertragen werden, wenn die Verwendung von Pemetrexeddikalium anstelle von Pemetrexeddinatrium durch die Klagepatentschrift nahegelegt ist.
Wie oben bereits dargelegt wurde, beruht der genannte Grundsatz zwar auf der allgemeineren Erwägung, dass eine Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents ausgeschlossen ist, wenn sie offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte. Den Grundsatz selbst hat der Senat aber, wie die Revision zutreffend aufzeigt, nur für die Konstellation aufgestellt, dass die Patentschrift selbst mehrere mögliche Ausführungsformen offenbart. Eine Erweiterung auf Ausführungsformen, die aufgrund der Angaben in der Patentschrift auffindbar waren, führte hingegen schon deshalb zu weit, weil die Auffindbarkeit eine Grundvoraussetzung für die Bejahung von Äquivalenz ist und der Einsatz abgewandelter Mittel folglich niemals zu einer Patentverletzung führen könnte.
dd) Hieraus ergibt sich andererseits nicht zwingend, dass die Bejahung einer Auswahlentscheidung in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation schlechterdings ausgeschlossen ist.
Aus dem Inhalt der Patentschrift oder aus sonstigen für die Auslegung maßgeblichen Umständen kann sich im Einzelfall ergeben, dass die Fokussierung auf eine einzelne Verbindung aus einer Gruppe von Stoffen, die in der Beschreibung ohne nähere Differenzierung als geeignet eingestuft werden, auf einer Auswahl beruht, die es ausschließt, weitere zu der Gruppe gehörende Verbindungen in den Schutzbereich des Patents einzubeziehen. Dies kann etwa dann in Betracht kommen, wenn die in den Patentanspruch aufgenommene Verbindung im Vergleich zu anderen Verbindungen der offenbarten Gruppe eine besondere Eigenschaft aufweist, die für die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Funktion von Bedeutung ist. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalls, für die keine allgemeinen Regeln aufgestellt werden können.
ee) Aus einem Vergleich zwischen der geltenden Fassung des Patents und der (veröffentlichten) Anmeldung oder etwaigen früheren Fassungen des Schutzrechts können ebenfalls keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Deshalb bedarf es für die Beurteilung des Streitfalls keiner Entscheidung, ob solche Unterlagen bei der Auslegung der geltenden Fassung eines Patents berücksichtigt werden dürfen.
(1) Wenn der Patentinhaber in einem bestimmten Stadium des Verfahrens Schutz für eine Gruppe von Verbindungen beansprucht, die Patentansprüche später aber so gefasst hat, dass ihr Wortsinn nur noch eine einzelne Verbindung erfasst, mag dies im Einzelfall darauf hindeuten, dass er die übrigen Verbindungen aus dem Schutzbegehren ausgenommen hat. Dann ist Raum für die Anwendung des bereits erwähnten Grundsatzes, dass der Patentinhaber über die Rechtsfigur der Äquivalenz nicht nachträglich Schutz für etwas beanspruchen darf, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen.
(2) Die Annahme, dass mit der Konkretisierung der Anspruchsfassung alle übrigen zur offenbarten Gruppe gehörenden Verbindungen vom Schutz ausgenommen werden, kommt aber nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Sie mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn ein Vergleich der unterschiedlichen Anspruchsfassungen unter Berücksichtigung des übrigen Inhalts der zugehörigen Anmeldung bzw. Patentschrift hinreichend deutlich ergibt, dass die Konkretisierung vorgenommen wurde, um den Gegenstand des Patents vom Stand der Technik abzugrenzen und so Zweifel hinsichtlich der Patentfähigkeit zu vermeiden. Wenn dies der Fall ist, ist die Bejahung einer Auswahlentscheidung in der Regel auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Konkretisierung bei objektiver Betrachtung nicht notwendig gewesen wäre, denn die Gründe, aus denen von einer Einbeziehung bestimmter Ausführungsformen abgesehen wird, sind nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich ohne Bedeutung.
Wenn die Konkretisierung im Hinblick auf formelle Anforderungen vorgenommen wurde - wiederum unabhängig davon, ob diese Anforderungen objektiv bestanden haben - oder wenn nicht hinreichend deutlich wird, aus welchem Grund sie erfolgt ist, kann hingegen in der Regel nicht von einer Auswahlentscheidung im oben genannten Sinne ausgegangen werden. Sofern der Patentanspruch etwa aus Gründen der Anspruchsklarheit oder zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung eine verhältnismäßig enge Fassung erhält, können daraus für die Frage einer Verletzung mit äquivalenten Mitteln schon deshalb keine zwingenden Schlussfolgerungen gezogen werden, weil diese beiden Gesichtspunkte für die Äquivalenz nicht von unmittelbarer Bedeutung sind. Die Frage der Anspruchsklarheit kann sich in der Regel nicht stellen, weil es nur darum geht, ob der Einsatz eines bestimmten Austauschmittels als gleichwertig (äquivalent) anzusehen ist, und hierfür grundsätzlich nicht von Bedeutung ist, ob noch weitere gleichwertige Austauschmittel in Betracht kommen. Der Frage, ob eine Ausführungsform in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, kommt in der Regel ebenfalls keine Bedeutung zu, weil ein Austauschmittel auch dann gleichwertig (äquivalent) sein kann, wenn es weder in der Anmeldung noch im Patent offenbart, aber dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
c) Im Streitfall kann die Orientierung am Patentanspruch auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Pemetrexeddikalium in der Klagepatentschrift nicht als mögliches Austauschmittel aufgeführt. Der Umstand, dass in der Klagepatentschrift grundsätzlich alle Antifolate als zur erfindungsgemäßen Verwendung geeignet eingestuft werden, und die sich daraus zumindest mittelbar ergebende Schlussfolgerung, dass dies grundsätzlich auch für alle Pemetrexedverbindungen gilt, vermögen die Annahme einer Auswahlentscheidung aus den oben aufgeführten Gründen für sich allein nicht zu stützen.
bb) Für den Umstand, dass die Klägerin in der Anmeldung Schutz für die Verwendung eines beliebigen Antifolats in Kombination mit einem beliebigen Methylmalonsäure verringernden Mittel beansprucht hat, gilt nichts anderes.
Der Vergleich der beiden Fassungen gibt keinen hinreichenden Aufschluss darüber, aus welchem Grund die Konkretisierung auf Pemetrexeddinatrium sowie Vitamin B12 und dessen Derivat erfolgt ist. Der vom Berufungsgericht ergänzend herangezogene Inhalt der Erteilungsakte deutet darauf hin, dass sie auf formellen Erwägungen beruht. Damit ist die Annahme einer Auswahlentscheidung aus den oben aufgezeigten Gründen nicht gerechtfertigt.
cc) Der Schutz der Rechtssicherheit für Dritte erfordert es nicht zwingend, Pemetrexeddikalium vom Schutzbereich des Klagepatents auszunehmen.
Der Rechtssicherheit für Dritte kommt nach Art. 1 Satz 3 des Protokolls über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ zwar erhebliche Bedeutung zu. Nach dieser Bestimmung sind aber auch die Belange des Patentinhabers zu berücksichtigen. Die widerstreitenden Interessen sind nach Art. 1 Satz 3 des Protokolls einem angemessenen Ausgleich zuzuführen, der einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbindet. Nach Art. 2 des Protokolls ist hierbei auch solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.
Angesichts dessen kann die Einbeziehung einer Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der Patentinhaber es versäumt hat, seinem Patent eine Fassung zu geben, bei der die Ausführungsform vom Wortsinn des Patentanspruchs erfasst wäre. Die mit der Einbeziehung von Äquivalenten verbundene Konsequenz, dass der Rechtsverkehr den Schutzbereich des Patents nicht allein anhand der Anspruchsfassung in jeder Hinsicht exakt und abschließend abschätzen kann, kann schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung führen, weil nach Art. 69 EPÜ Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind.
dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Orientierung am Patentanspruch nicht allein deshalb verneint werden, weil der Begriff "Pemetrexeddinatrium" eine exakte Umschreibung für eine bestimmte chemische Verbindung darstellt, deren Detaillierungsgrad mit demjenigen einer Zahlenangabe vergleichbar ist.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt und begrenzt eine eindeutige Zahlenangabe den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend. Dies schließt aber nicht aus, dass der Fachmann eine gewisse Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. Ob und in welchem Umfang dies zu bejahen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 156 f. = GRUR 2002, 515, 518 - Schneidmesser I).
(2) Für die Angabe einer Stoffbezeichnung oder einer chemischen Formel gilt im Grundsatz nichts anderes.
Eine solche Bezeichnung mag im Einzelfall denselben Konkretisierungsgrad aufweisen wie eine Zahlenangabe. Dies kann dazu führen, dass Stoffe, die nicht unter diese Definition fallen, vom Wortsinn des Patentanspruchs nicht erfasst werden. Ebenso wie bei Zahlenangaben rechtfertigt all dies aber nicht ohne weiteres den Schluss, dass der Einsatz einer gleichwirkenden und für den Fachmann auffindbaren Verbindung nicht am Sinngehalt des Patentanspruchs orientiert ist.
(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Umstand, dass in der Beschreibung des Klagepatents (Abs. 22) ausdrücklich ausgeführt wird, das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung sei Pemetrexeddinatrium, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Diese Ausführungen in der Beschreibung stützen und bestätigen zwar die Einschätzung, dass der im Patentanspruch verwendete Ausdruck "Pemetrexeddinatrium" im allgemeinen technischen Sinne zu verstehen ist, also als exakte wissenschaftliche Definition einer bestimmten chemischen Verbindung. Die Verwendung einer solchen Definition reicht aber aus den genannten Gründen nicht aus, um eine Orientierung am Patentanspruch verneinen zu können. Eine darüber hinausgehende Festlegung kann der in der Beschreibung des Streitpatents enthaltenen Definition ebenso wenig entnommen werden wie dem mit der Definition näher charakterisierten Begriff im Patentanspruch selbst.
3. Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht eine mittelbare Patentverletzung verneint.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist Gegenstand eines auf die Verwendung eines Stoffs zur Behandlung einer Krankheit gerichteten Patentanspruchs die Eignung des Stoffes für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - X ZB 7/03, BGHZ 164, 220 = GRUR 2006, 135 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 PatG und Art. 54 Abs. 5 EPÜ in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung ausdrücklich vorsehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf zweckgebundenen Stoffschutz, auf die Verwendung des Medikaments oder auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck gerichtet ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, BGHZ 200, 229 = GRUR 2014, 461 Rn. 17 - Kollagenase I).
Für Ansprüche, die entsprechend der früheren Rechtspraxis des Europäischen Patentamts auf Verwendung des Stoffs zur Herstellung eines Medikaments gerichtet sind, gilt nichts anderes. Diese besondere, als Swiss type claim bezeichnete Anspruchsfassung trug dem Umstand Rechnung, dass die Verwendung eines Stoffs zur Behandlung einer Krankheit nach Auffassung des Europäischen Patentamts der Patentierung nicht zugänglich war. Die stattdessen gewählte Lösung, den Schutz auf die Verwendung zur Herstellung eines Medikaments zu richten, ändert nichts daran, dass der Sache nach eine besondere Eigenschaft des Stoffs geschützt ist, die auch dem hergestellten Medikament innewohnt.
Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich selbst dann nicht, wenn Swiss type claims entsprechend ihrem Wortlaut als Ansprüche verstanden würden, die auf den Schutz eines Herstellungsverfahrens gerichtet sind. Ausgehend von einem solchen Verständnis wäre ein nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Medikament als unmittelbares Verfahrenserzeugnis anzusehen, das für den geschützten Verwendungszweck gemäß § 9 Nr. 3 PatG ebenfalls nur durch den Patentinhaber angeboten, in den Verkehr gebracht und gebraucht werden darf. Dies führte im Ergebnis ebenfalls zu einem auf den Verwendungszweck beschränkten Stoffschutz.
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht in Widerspruch zu diesen Grundsätzen.
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob das Arzneimittel, das die Beklagte vertreiben will, vor der Verabreichung in einer Kochsalzlösung aufgelöst werden soll und ob dabei ein Gemisch aus Pemetrexedionen und mindestens doppelt so vielen Natriumionen erzeugt wird. Es hat das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin schon deshalb als unerheblich angesehen, weil der Patentanspruch auf die Verwendung des Dinatriumsalzes zur Herstellung eines Arzneimittels gerichtet sei.
Hierbei hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass auch eine solche Anspruchsfassung beschränkten Stoffschutz gewährt. Eine Verletzung des Klagepatents kann nicht allein wegen dieser Anspruchsfassung abgelehnt werden. Sofern ein Gemisch aus Pemetrexedionen und mindestens doppelt so vielen Natriumionen als Pemetrexeddinatrium im Sinne von Patentanspruch 1 anzusehen ist und ein solches Gemisch vor der bestimmungsgemäßen Verabreichung des Arzneimittels, das die Beklagte vertreiben will, hergestellt wird, ist vielmehr - in Übereinstimmung mit der nach dem Berufungsurteil ergangenen Entscheidung des Court of Appeal for England and Wales (Floyd LJ, [2015] EWCA Civ 555, Rn. 74-92) - eine mittelbare Patentverletzung zu bejahen.
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif.
Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die Verwendung von Pemetrexeddikalium als gleichwirkendes Mittel anzusehen ist und ob es für den Fachmann als solches auffindbar war. Die Beurteilung dieser beiden Fragen - deren zweite die britischen Gerichte verneint haben (Arnold J, [2014] EWHC 1511, Rn. 120-128 [insoweit nicht in GRUR Int. 2015, 52]; Floyd LJ, [2015] EWCA Civ 555, Rn. 62-71) - erfordert zusätzliche tatsächliche Feststellungen.
Das Berufungsgericht wird zudem die von ihm offen gelassenen Fragen zur mittelbaren Patentverletzung zu klären haben, sofern es auf diesem Gesichtspunkt im weiteren Verfahrensverlauf trotz der mittlerweile vor den britischen Gerichten abgegebenen Erklärung der Beklagten, sie wolle das Arzneimittel zur Verabreichung in einer Dextroselösung vertreiben (dazu Arnold J [2016] EWHC 234), noch ankommen sollte.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster