Entscheidungsdatum: 25.02.2014
Kollagenase I
1. Ein Patentanspruch, der eine neue Verwendung eines Medikaments betrifft, hat die Eignung eines bekannten Stoffs für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft zum Gegenstand (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005, X ZB 7/03, BGHZ 164, 220, 222 = GRUR 2006, 135 Rn. 11 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 PatG und Art. 54 Abs. 5 EPÜ nunmehr auch für weitere Indikationen ausdrücklich vorsehen, und zwar unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf die Verwendung des Medikaments, auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck oder ausdrücklich auf zweckgebundenen Stoffschutz gerichtet ist.
2. Die spezifische Anwendung eines Stoffs zur therapeutischen Behandlung wird nicht nur durch die zu behandelnde Krankheit und die Dosierung bestimmt, sondern auch durch sonstige Parameter, die auf die Wirkung des Stoffs Einfluss haben und damit für den Eintritt des mit der Anwendung angestrebten Erfolgs von wesentlicher Bedeutung sein können.
3. Wegen § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG können therapiebezogene Anweisungen nur dann zur Patentfähigkeit beitragen, wenn sie objektiv darauf abzielen, die Wirkung des Stoffs zu ermöglichen, zu verstärken, zu beschleunigen oder in sonstiger Weise zu verbessern, nicht aber, wenn sie Therapiemaßnahmen betreffen, die zusätzlich und unabhängig von den Wirkungen des Stoffs geeignet sind, die in Rede stehende Krankheit zu behandeln.
4. Bei der Prüfung, ob eine spezifische Anwendung eines Medikaments auf erfinderischer Tätigkeit beruht, sind auch Handlungsweisen zu berücksichtigen, die dem Fachmann deshalb nahegelegt waren, weil sie am Prioritätstag zum ärztlichen Standard-Repertoire gehörten.
Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 14. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 11. Dezember 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen.
A. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung einer Patentanmeldung.
Die Anmeldung wurde am 27. März 1998 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 27. März 1997 eingereicht und betrifft die Verwendung von Kollagenase zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit. Anspruch 1 hat in der zuletzt geltend gemachten Fassung folgenden Wortlaut:
Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit, wobei die Kollagenase hergerichtet ist zur Injektion in einen fibrösen Dupuytren-Strang einer Hand in einer Gesamtmenge von wenigstens 8000 ABC-Einheiten Kollagenase in einer Konzentration von etwa 15 000 bis 75 000 ABC-Einheiten pro ml Träger, und zur Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden.
Das Patentamt hat die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
B. Die kraft Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.
I. Die Anmeldung ist auf zweckgebundenen Stoffschutz für Kollagenase zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit gerichtet.
1. Nach den Ausführungen in der Anmeldung ist die Dupuytren-Krankheit durch eine Verdickung und Kontraktur des Bindegewebes (Faszie) der Handfläche gekennzeichnet, was in der Regel zu Beugungsmissbildungen führt, die sich in einen oder mehrere Finger ausdehnen können. Als am häufigsten durchgeführte Therapie wird in der Anmeldung die chirurgische Entfernung des betroffenen Bindegewebes bezeichnet. Zu den in der Anmeldung erwähnten weiteren Methoden gehört die Injektion von Kollagenase in den fibrösen Strang.
In der Anmeldung wird nicht explizit ausgeführt, welches technische Problem die angemeldete Erfindung betrifft. Aus der Beschreibung ergibt sich, dass es darum geht, eine verbesserte Anwendung von Kollagenase zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit zur Verfügung zu stellen.
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt die Anmeldung nach der in erster Linie angestrebten Fassung von Anspruch 1 Kollagenase für eine Anwendung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
0. Die Anwendung dient der Behandlung der Dupuytren-Krankheit.
1. Die Kollagenase wird in einen fibrösen Dupuytren-Strang einer Hand injiziert.
2. Die injizierte Gesamtmenge beträgt wenigstens 8.000 ABC-Einheiten Kollagenase.
3. Die Konzentration beträgt etwa 15.000 bis etwa 75.000 ABC-Einheiten pro Milliliter Träger.
4. Sofort nach der Injektion wird die Hand für mehrere Stunden ruhiggestellt.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei durch den Stand der Technik nahegelegt.
Bei der Prüfung auf Patentfähigkeit dürfe Merkmal 4, wonach die Hand unmittelbar nach Injektion ruhigzustellen sei, nicht berücksichtigt werden. Dieses Merkmal stelle kein Element der Herrichtung eines Stoffes zur Verwendung bei der Behandlung einer Krankheit dar. Es diene nicht dazu, die beanspruchte Kollagenase oder die zur Verabreichung vorgesehene Formulierung zu kennzeichnen. Es enthalte vielmehr eine bloße Anweisung an den behandelnden Arzt und betreffe damit ein therapeutisches Verfahren, das vom Patentschutz ausgeschlossen sei. Aus der Entscheidungspraxis der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts und der Rechtsprechung der britischen Gerichte ergebe sich nichts Abweichendes. Die insoweit einschlägigen Entscheidungen beträfen neuartige Dosierungsanleitungen. Damit sei die hier zu beurteilende Konstellation nicht vergleichbar.
Unabhängig davon beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 selbst dann nicht auf erfinderischer Tätigkeit, wenn Merkmal 4 mitberücksichtigt werde. Die in den Merkmalen 2 und 3 vorgesehenen hohen Dosierungen führten zwangsläufig zu einer Ruhigstellung der Hand, um ein Abströmen der Kollagenase und hierdurch verursachte mögliche Komplikationen zu vermeiden. Diese Vorsichtsmaßnahme sei dem behandelnden Arzt aus der täglichen Praxis bekannt, um Nebenwirkungen zu verhindern.
III. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal 4 bei der Prüfung, ob der Gegenstand der Anmeldung patentfähig ist, zu berücksichtigen.
a) Wie auch das Patentgericht nicht verkannt hat, kommt Patentschutz für einen Stoff zur Behandlung einer Krankheit - sei es in der Form eines Verwendungsanspruchs, sei es in der Form eines Anspruchs auf zweckgebundenen Stoffschutz gemäß § 3 Abs. 4 PatG in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung - auch dann in Betracht, wenn sich die Anwendung, auf die sich der begehrte Schutz bezieht, von im Stand der Technik bekannten Anwendungen nur durch eine Dosierungsanleitung unterscheidet.
aa) Der Senat hat mehrfach entschieden, dass Patentschutz in den genannten Konstellationen jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn der Patentanspruch vorsieht, dass das Medikament zur Verwendung in der in Rede stehenden Dosierung hergerichtet ist (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 = GRUR 2007, 404 Rn. 51 - Carvedilol II; Urteil vom 24. September 2013 - X ZR 40/12, GRUR 2014, 54 Rn. 34 - Fettsäuren).
Gegenstand eines solchen Patentanspruchs ist die Eignung eines bekannten Stoffs für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - X ZB 7/03, BGHZ 164, 220, 222 = GRUR 2006, 135 Rn. 11 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 PatG und Art. 54 Abs. 5 EPÜ nunmehr auch für weitere Indikationen ausdrücklich vorsehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf die Verwendung des Medikaments, auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck oder - was im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung künftig am zweckmäßigsten sein dürfte - ausdrücklich auf zweckgebundenen Stoffschutz gerichtet ist.
bb) Dies steht in Einklang mit der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts und der Rechtsprechung in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens.
Nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts war die medizinische Anwendung eines Stoffs oder Stoffgemischs schon nach der bis 12. Dezember 2007 geltenden Fassung des Europäischen Patentübereinkommens auch dann dem Patentschutz zugänglich, wenn die neue Anwendung nicht in der Behandlung einer anderen Krankheit besteht. Die seit 13. Dezember 2007 geltende Bestimmung des Art. 54 Abs. 5 EPÜ - die inhaltlich § 3 Abs. 4 PatG entspricht - hat daran nur insoweit etwas geändert, als für solche Anwendungen nunmehr ausschließlich zweckgebundener Stoffschutz anstelle der bisher geforderten Schweizer Anspruchsfassung in Frage kommt (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 19. Februar 2010 - G 2/08, ABl. 2010, 456 Rn. 5.10.7 f. - Dosierungsanleitung/Abbott Respiratory mwN). Nach beiden Fassungen des Übereinkommens ist Patentschutz auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das einzige nicht im Stand der Technik enthaltene Anspruchsmerkmal eine Dosierungsanleitung ist (aaO Rn. 6.1 ff.). Die gleiche Auffassung vertreten der Court of Appeal für England und Wales (Actavis UK Limited v. Merck & Co Inc, [2008] EWCA Civ 444 Rn. 44 ff.) und das Schweizer Bundesgericht (Urteil vom 4. März 2011 - 4A_435/2010, GRUR Int. 2012, 183, 186 f.).
Sowohl die Große Beschwerdekammer als auch der Court of Appeal sind dabei zu der zutreffenden Einschätzung gelangt, dass der Entscheidung "Carvedilol II" nichts Abweichendes zu entnehmen ist. Die dort geäußerten Bedenken beziehen sich lediglich auf Anspruchsfassungen, die auf eine von der Herrichtung des Stoffs gelöste reine Dosierempfehlung gerichtet sind. Ob an ihnen im Hinblick auf die seit 13. Dezember 2007 geltende Rechtslage festzuhalten ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Sie greifen jedenfalls dann nicht, wenn der Anspruch auf zweckgebundenen Stoffschutz im Sinne von Art. 54 Abs. 5 EPÜ oder § 3 Abs. 4 PatG gerichtet ist. Auch dies gilt unabhängig davon, ob der Wortlaut des Anspruchs auf die Verwendung des Medikaments, auf seine Herrichtung oder auf beschränkten Stoffschutz abstellt.
b) Für Anleitungen, die nicht die Dosierung, sondern sonstige Modalitäten der beanspruchten Anwendung betreffen, kann nichts anderes gelten.
aa) Die Große Beschwerdekammer hat entschieden, dass eine spezifische Anwendung (any specific use, toute utilisation spécifique) im Sinne von Art. 54 Abs. 5 EPÜ in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung nicht in der Behandlung einer anderen Krankheit bestehen muss.
Die Neufassung der Vorschrift dient im Wesentlichen dem Zweck, die frühere Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts im Übereinkommen zu verankern (EPA, ABl. 2010, 456 Rn. 5.10.3 f. - Dosierungsanleitung/Abbott Respiratory). Nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts kommt Patentschutz nicht nur für Anwendungen zur Behandlung einer anderen Krankheit oder mit einer anderen Dosierung in Betracht. Vielmehr reicht es aus, wenn die Anwendung sich von im Stand der Technik bekannten Anwendungen unterscheidet - also neu ist - und wenn sie auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Deshalb wurde zum Beispiel Schutz gewährt, wenn die Anwendung eine neue Gruppe von behandelten Patienten, eine neue Verabreichungsart oder eine andere technische Wirkung betraf (aaO Rn. 5.10.7 mwN).
bb) Für das deutsche Patentrecht gilt nichts anderes.
Der Wortlaut von § 3 PatG stimmt insoweit mit dem Wortlaut von Art. 54 EPÜ überein. Er wurde im Jahr 2007 an die geänderte Fassung des Übereinkommens angepasst, um die Parallelität von europäischem und nationalem Recht aufrechtzuerhalten (BT-Drucks. 16/4382, S. 11). Schon im Hinblick darauf ist es ausgeschlossen, die Patentierbarkeit nach deutschem Recht anders zu beurteilen als nach dem Übereinkommen.
Die der ständigen Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts zugrunde liegende Auslegung von Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist nach Auffassung des Senats zutreffend. Die neue Fassung der Vorschrift macht die Gewährung zweckgebundenen Stoffschutzes nicht davon abhängig, dass der angestrebte Schutz eine Krankheit betrifft, deren Behandlung mit dem in Rede stehenden Stoff im Stand der Technik noch nicht bekannt war. Patentschutz kommt vielmehr für jede spezifische Anwendung eines Stoffs in einem Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers in Betracht, sofern diese neu und erfinderisch ist. Für die Rechtslage vor dem 13. Dezember 2007 gilt insoweit nichts anderes. Diese sollte durch die Einfügung von Art. 54 Abs. 5 EPÜ und § 3 Abs. 4 PatG wie bereits dargelegt nicht geändert, sondern lediglich kodifiziert werden.
Einschränkungen auf bestimmte Aspekte der Anwendung - etwa auf die Dosierung - sind schon nach dem Wortlaut der genannten Vorschriften ausgeschlossen. Sie ließen sich auch mit deren Sinn und Zweck nicht in Einklang bringen. Die spezifische Anwendung eines Stoffs zur therapeutischen Behandlung wird nicht nur durch die zu behandelnde Krankheit und die Dosierung bestimmt. Je nach den Umständen des Einzelfalles sind vielmehr auch die Art der Verabreichung (zum Beispiel oral, transdermal oder durch unterschiedliche Arten der Injektion), die Konsistenz des Stoffs (fest, flüssig, gasförmig), die Patientengruppe oder sonstige Parameter von Bedeutung. Allen diesen Parametern ist gemeinsam, dass sie auf die Wirkung des Stoffs Einfluss haben, also für den Eintritt des mit der Anwendung angestrebten Erfolgs von ausschlaggebender Bedeutung sein können. Jedenfalls dann, wenn eine im Stand der Technik nicht bekannte und dem Fachmann auch nicht nahegelegte Art der Anwendung die Aussicht eröffnet, die Wirkungen des Stoffs zu verbessern oder unter zuvor nicht für möglich gehaltenen Einsatzbedingungen herbeizuführen, entspricht es der Zielsetzung des Gesetzes, Patentschutz zu gewähren, sofern auch die sonstigen Patentierungsvoraussetzungen vorliegen.
cc) Aus § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG und Art. 53 Buchst. c EPÜ ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Nach diesen Vorschriften ist die Erteilung von Patenten für Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers ausgeschlossen. Dies schloss es schon nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur früheren Fassung des Gesetzes nicht aus, Patentschutz für die Verwendung einer chemischen Substanz zu therapeutischen Zwecken und damit gut deren augenfällige Herrichtung zu einem solchen Verfahren zu gewähren (grundlegend BGH, Beschluss vom 20. September 1983 - X ZB 4/83, BGHZ 88, 209, 216 ff. = GRUR 1983, 729, 730 ff. - Hydropyridin). Nach der jetzigen Gesetzesfassung, die für solche Erfindungen einen beschränkten Stoffschutz ausdrücklich vorsieht, kann nichts anderes gelten.
Auch unter diesem Aspekt kann die Patentierbarkeit nicht davon abhängen, ob die Anwendung, für die Schutz begehrt wird, eine bislang nicht mit dem Stoff behandelte Krankheit oder die Dosierung betrifft. Die Behandlung eines Kranken mit einem bestimmten Medikament und dessen Dosierung sind ebenso wie alle anderen Aspekte der Wirkung des Stoffs zentraler Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit. Wenn der diese Tätigkeit betreffende Patentierungsausschluss einem auf bestimmte Anwendungen beschränkten Patentschutz des Stoffs nicht entgegensteht, muss dies grundsätzlich für alle Aspekte der Anwendung gelten.
Nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG und Art. 53 Buchst. c EPÜ müssen bei der Prüfung der Patentfähigkeit allerdings diejenigen Aspekte der Anwendung außer Betracht bleiben, die mit den Eigenschaften des Stoffs, für den Schutz begehrt wird, und mit dessen Wirkung auf den menschlichen oder tierischen Körper nicht in Zusammenhang stehen. Deshalb können therapiebezogene Anweisungen nur dann zur Patentfähigkeit beitragen, wenn sie objektiv darauf abzielen, die Wirkung des Stoffs zu ermöglichen, zu verstärken, zu beschleunigen oder in sonstiger Weise zu verbessern, nicht aber, wenn sie Therapiemaßnahmen betreffen, die zusätzlich und unabhängig von den Wirkungen des Stoffs geeignet sind, die in Rede stehende Krankheit zu behandeln.
c) In der hier zu beurteilenden Konstellation weist die Anwendung, auf die sich der begehrte zweckgebundene Stoffschutz bezieht, den erforderlichen Zusammenhang zur Wirkung des Stoffs auf.
Das in Merkmal 4 vorgesehene Ruhigstellen der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden dient nach den Ausführungen in der Anmeldung dazu, das Herauspressen der injizierten Kollagenaselösung aus dem Strang möglichst gering zu halten und so eine ausreichende, jedoch nicht übermäßige Wirkungsdauer auf den Strang zu erzielen (Sp. 2 Z. 49-53). Dies deckt sich mit den tatsächlichen Feststellungen des Patentgerichts, wonach das Ruhigstellen der Hand dem Zweck dient, ein Abdiffundieren des hochdosierten Wirkstoffes in den Körper des Patienten zu verhindern.
Damit ist das Ruhigstellen der Hand nicht nur eine zusätzliche und von den Wirkungen der Kollagenase unabhängige Maßnahme zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit. Die Maßnahme hat vielmehr den Zweck, die Wirkung des verabreichten Stoffs zu verbessern. Damit betrifft sie die Art und Weise der Anwendung und mithin einen Aspekt, der ungeachtet des Patentierungsausschlusses in § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG und Art. 53 Buchst. c EPÜ bei der Prüfung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist.
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts sind nicht nur solche Anweisungen berücksichtigungsfähig, die die zur Verabreichung vorgesehene Formulierung chemisch oder physikalisch charakterisieren. Auch eine Dosierungsanweisung hat nicht zwingend Auswirkungen auf die chemische oder physikalische Zusammensetzung des Stoffs. Sie kann sich, wie auch das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat, auf die Information beschränken, das Medikament in bestimmter Dosierung zu verabreichen. Entsprechendes gilt, wenn es um die Form der Verabreichung geht. So mögen sich aus der Anweisung, den Stoff oral oder transdermal zu verabreichen, bestimmte Anforderungen an die Darreichungsform ergeben. Der beschränkte Stoffschutz bezieht sich, soweit es um die geschützte Anwendung geht, aber auch auf solche Darreichungsformen, die auf unterschiedliche Weise verabreicht werden können. Für die hier in Rede stehenden Anwendungshinweise - Injektion mit anschließendem Ruhigstellen der Hand für mehrere Stunden - gilt nichts anderes.
2. Der angefochtene Beschluss kann auch mit der vom Patentgericht angeführten Hilfsbegründung keinen Bestand haben.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung insoweit allerdings nicht schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Patentgericht seine Auffassung, das Ruhigstellen der Hand nach der Injektion sei eine alltägliche Maßnahme, nicht durch Literaturnachweise belegt hat.
aa) Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, reicht es für die Bejahung der Patentfähigkeit nicht aus, wenn die Anweisung, einen bestimmten Stoff in einer bestimmten Art und Weise zu verabreichen, neu ist, also für diesen Stoff im Stand der Technik nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist. Bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit sind vielmehr auch Handlungsweisen zu berücksichtigen, die dem Fachmann deshalb nahegelegt waren, weil sie am Prioritätstag zum ärztlichen Standard-Repertoire gehörten. Insbesondere bei Maßnahmen, die nicht dazu dienen, eine für den in Rede stehenden Stoff spezifische Wirkung hervorzurufen, sondern dazu, unerwünschte Wirkungen allgemeiner Art zu verhindern oder die von dem Stoff ausgehenden Wirkungen in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht einzugrenzen, wird es häufig vom Zufall abhängen, ob die Anwendung dieser Maßnahme auch und gerade für einen bestimmten Stoff schriftlich belegt werden kann. Ein solcher Beleg ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass der Fachmann die in Rede stehende Maßnahme am Prioritätstag als generelles Mittel für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht gezogen hat und dass keine besonderen Umstände vorlagen, die eine Anwendung in der konkret zu beurteilenden Konstellation als nicht möglich oder untunlich erscheinen ließen.
bb) Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Schlussfolgerung des Patentgerichts für sich gesehen nicht zu beanstanden.
Nach den Feststellungen des Patentgerichts gehört es zu den alltäglichen ärztlichen Maßnahmen, einen Körperteil, in den eine hohe Dosis eines Medikaments injiziert wurde, für mehrere Stunden ruhigzustellen, wenn das Medikament seine Wirkung nur in der Nähe der Injektionsstelle entfalten soll. Sofern dies zutrifft, bedurfte es keiner zusätzlichen Anregung im Stand der Technik, diese Maßnahme auch für die hier zu beurteilende Anwendung in Betracht zu ziehen.
Die Wirkung der Kollagenase besteht nach den Ausführungen in der Anmeldung darin, dass das im verdickten Bindegewebe enthaltene Kollagen gespalten wird (Sp. 2 Z. 14 f.). Die aus dem Stand der Technik bekannte und auch nach der Anmeldung vorgesehene Verabreichung durch Injektion in das beschädigte Bindegewebe setzt den Wirkstoff unmittelbar an dem Ort frei, an dem er seine Wirkung entfalten soll. Angesichts dessen hat der Fachmann gerade bei einer relativ hohen Dosierung, wie sie in der Anmeldung beansprucht wird, auch ohne konkrete Hinweise in der Literatur Veranlassung, die lokale Begrenzung der Wirkung durch gängige Zusatzmaßnahmen sicherzustellen. Zu diesen gängigen Maßnahmen gehört nach den Feststellungen des Patentgerichts das Ruhigstellen des betroffenen Körperteils.
b) Die angefochtene Entscheidung kann dennoch keinen Bestand haben, weil das Patentgericht die Anmelderin nicht vor der Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen hat.
aa) Ein Gericht muss den Verfahrensbeteiligten zwar nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird. Vielmehr reicht es in der Regel aus, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert und den Beteiligten dadurch aufgezeigt wird, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung voraussichtlich von Bedeutung sein werden (BGH, Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR Int. 2010, 761 Rn. 22 - Walzenformgebungsmaschine; Beschluss vom 28. November 2012 - X ZB 6/11, GRUR 2013, 318 Rn. 10 - Sorbitol, je mwN). Den aus § 93 Abs. 2 PatG und Art. 103 Abs. 1 GG resultierenden Anforderungen ist aber nicht Genüge getan, wenn die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen konnten, auf welches Vorbringen es für die Entscheidung des Gerichts ankommen kann und wird (BGH, GRUR 2013, 318 Rn. 10 - Sorbitol mwN). Ein Verfahrensfehler liegt zum Beispiel vor, wenn das Patentgericht die Patentfähigkeit unter Berufung auf eine zum Stand der Technik gehörende Veröffentlichung verneint, die der Einsprechende nur beiläufig in Zusammenhang mit einem zusätzlich geltend gemachten Widerrufsgrund erwähnt hat, ohne zuvor den Patentinhaber darauf hinzuweisen, dass diese Veröffentlichung der Patentfähigkeit entgegenstehen könnte (BGH, Beschluss vom 8. September 2009 - X ZB 35/08, GRUR 2009, 1192 Rn. 16 - Polyolefinfolie; Beschluss vom 12. April 2011 - X ZB 1/10, GRUR 2011, 656 Rn. 7 - Modularer Fernseher I).
Im Streitfall ist den Akten nicht zu entnehmen, dass das Patentgericht die Anmelderin vor Erlass der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass die Patentfähigkeit auch bei Berücksichtigung des Merkmals 4 aus den oben angeführten Gründen zu verneinen sein könnte. Ein solcher Hinweis war vom Rechtsstandpunkt des Patentgerichts aus zwar nicht zwingend geboten, weil dieses die Patentfähigkeit schon aus anderen Gründen als nicht gegeben angesehen hat. Es durfte seine Entscheidung aber nicht auf eine weitere, selbständig tragende Erwägung stützen, ohne der Anmelderin zuvor auch insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
bb) Auch wenn die Rechtsbeschwerde nur kursorisch aufzeigt, was die Anmelderin auf einen entsprechenden Hinweis in der Beschwerdeinstanz ergänzend vorgetragen hätte, kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass das Patentgericht bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einer abweichenden Beurteilung gelangt wäre.
Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Anmelderin hätte auf einen entsprechenden Hinweis dargelegt, dass und warum das Ruhigstellen des betroffenen Körperteils jedenfalls für die Injektion von Kollagenase keine bekannte und den damit umgehenden Ärzten geläufige Maßnahme gewesen sei und dass es sich um einen erheblichen Beitrag zum Stand der Technik handle.
Dieser Vortrag führt zwar nicht zwingend zur Bejahung der Patentfähigkeit. Nach dem Schutzzweck des § 93 Abs. 2 PatG muss die Anmelderin in der gegebenen Verfahrenssituation aber Gelegenheit haben, diesen Vortrag dem Patentgericht zu unterbreiten, damit dieses prüfen kann, ob und inwieweit eine ergänzende Aufklärung des Sachverhalts geboten ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruht.
IV. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 109 Abs. 1 Satz 1 PatG nicht angezeigt. Die Anmelderin ist die einzige Verfahrensbeteiligte.
V. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Schuster