Entscheidungsdatum: 19.07.2018
1. Das Rechtsmittelgericht hat die Entscheidung des unteren Gerichts, das Verfahren aufgrund einer Gegenvorstellung fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Gegenvorstellung statthaft, zulässig und in der Sache berechtigt war (Fortführung von BGH, Urteil vom 14. April 2016, IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 ff.).
2. Das Beschwerdegericht ist an seine Entscheidung über eine Zuschlagsbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO gebunden; es darf sie nicht aufgrund einer Gegenvorstellung nachträglich ändern.
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts München II - 7. Zivilkammer - vom 1. Dezember 2017 und vom 4. Dezember 2017 aufgehoben.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert beträgt für die anwaltliche Vertretung 162.000 € (Beteiligter zu 2) und 378.000 € (Beteiligte zu 1).
I.
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute und Miteigentümer zu 30 % (Beteiligter zu 2) bzw. 70 % (Beteiligte zu 1) des im Rubrum genannten Grundstücks, das mit einer Buchgrundschuld über 200.000 € belastet ist. Die Beteiligte zu 1 bewohnt das dort errichtete Einfamilienhaus. Der Beteiligte zu 2 betreibt die Teilungsversteigerung. Der Verkehrswert wurde auf 540.000 € festgesetzt. Am 23. Januar 2017 überreichte die Beteiligte zu 1 dem Amtsgericht einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren, den sie ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 2 mit sich selbst geschlossen hatte. In dem Versteigerungstermin am 26. Januar 2017 bezeichnete der Rechtspfleger den Vertrag als unwirksam; dem widersprach der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1.
Das Amtsgericht hat der Beteiligten zu 1 auf ihr Bargebot von 155.000 € den Zuschlag erteilt. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht den Zuschlag durch Beschluss des Einzelrichters vom 31. Juli 2017 aufgehoben. Mit Schriftsatz vom 21. August 2017 hat die Beteiligte zu 1 Gegenvorstellung erhoben mit der Begründung, die in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, und es stellten sich grundsätzliche Rechtsfragen. In einem weiteren Schriftsatz vom 22. August 2017 hat sie die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2017 hat der Einzelrichter „auf die Gegenvorstellung“ seinen Beschluss vom 31. Juli 2017 aufgehoben und das Verfahren auf die Kammer übertragen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer den Zuschlagsbeschluss erneut aufgehoben und dabei die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Beteiligte zu 1 will mit der Rechtsbeschwerde die Zurückweisung der Beschwerde erreichen; der Beteiligte zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Beschwerdegericht sieht - ebenso wie zuvor der Einzelrichter - einen Grund für die Versagung des Zuschlags darin, dass das Verhalten der Beteiligten zu 1 gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoße; diese habe einen offensichtlich unwirksamen Mietvertrag vorgelegt, um andere Bieter von der Abgabe von Geboten abzuhalten. Der Gegenvorstellung sei aber zuzugestehen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben seien. Mit der Entscheidung über die Gegenvorstellung erledige sich zugleich die Anhörungsrüge der Beteiligten zu 1. Allerdings sei das als übergangen gerügte Vorbringen bereits in der Entscheidung des Einzelrichters berücksichtigt worden.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie wirksam zugelassen worden, ohne dass es darauf ankommt, ob das Verfahren auf die Gegenvorstellung hin fortgesetzt werden durfte. Zwar bindet eine verfahrensfehlerhaft erfolgte nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde das Rechtsbeschwerdegericht nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2017 - V ZB 25/17, juris Rn. 7; für das Revisionsverfahren Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 4; Urteil vom 16. September 2016 - V ZR 3/16, NZM 2017, 147 Rn. 5; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10, WM 2012, 325 Rn. 7; Urteil vom 16. September 2014 - VI ZR 55/14, VersR 2015, 82 Rn. 7). Das Beschwerdegericht hat aber nicht lediglich eine isolierte Entscheidung über die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde getroffen. Vielmehr hat es in der Annahme, die vorangegangene Entscheidung des Einzelrichters sei aufgehoben, insgesamt eine neue Entscheidung erlassen und dabei die Rechtsbeschwerde zugelassen. Bei dieser Sachlage ist die neue Entscheidung wirksam zur Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht gestellt worden.
2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde zwar insofern Erfolg, als die angefochtene Entscheidung vom 4. Dezember 2017 und die Zwischenentscheidung vom 1. Dezember 2017 aufzuheben sind; dies führt aber nicht zu einem Obsiegen der Beteiligten zu 1, weil die Entscheidung des Einzelrichters vom 31. Juli 2017, mit der die Erteilung des Zuschlags an die Beteiligte zu 1 versagt worden ist, weiterhin wirksam ist.
a) Ob das Verfahren - wie geschehen - aufgrund der Gegenvorstellung fortgeführt werden durfte, hat der Senat von Amts wegen zu prüfen.
aa) Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des unteren Gerichts, aufgrund einer Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) das Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen hat, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war. Dies folgt aus den allgemeinen Bestimmungen des Rechtsmittelrechts, wonach es gerade Sinn eines Rechtsmittels ist, dass auch solche Entscheidungen überprüft werden, die der Endentscheidung vorausgegangen sind. Ausnahmen ergeben sich aus ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen oder aus dem Sinn und Zweck der prozessualen Vorschriften. Eine solche Ausnahme sieht das Gesetz für die Entscheidung über eine Anhörungsrüge jedoch nicht vor (näher zum Ganzen BGH, Urteil vom 14. April 2016 - IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 Rn. 9 ff.).
bb) Diese Überlegungen gelten erst recht bei einer gesetzlich nicht geregelten Gegenvorstellung. Infolgedessen hat das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des unteren Gerichts, aufgrund einer Gegenvorstellung das Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Gegenvorstellung statthaft, zulässig und in der Sache berechtigt war. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - die erneute Entscheidung das Ergebnis in der Sache nicht verändert hat. Denn nur wenn die zweite Entscheidung, in der die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt ist, verfahrensfehlerfrei ergangen ist, darf das Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung in der Sache vornehmen.
b) Die Überprüfung durch den Senat ergibt, dass die Fortführung des Verfahrens unzulässig war. Eine Gegenvorstellung ist gesetzlich nicht geregelt; sie stellt eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Deshalb kann sie nur dann in Betracht kommen, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen dürfte (vgl. BVerfGE 122, 190, 202 f.; MüKoZPO/Lipp, 5. Aufl., vor § 567 Rn. 22; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 567 Rn. 29; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 15. Aufl., § 567 Rn. 27). An einer solchen Befugnis des Beschwerdegerichts, seine Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde (§ 96 ZVG i.V.m. § 793 ZPO) zu ändern, fehlt es in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO.
aa) Zwar bezieht sich die Vorschrift des § 318 ZPO, wonach das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden ist, ihrem Wortlaut nach nicht auf Beschlüsse; auch § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO enthält keine dahingehende Verweisung. Es ist aber anerkannt, dass Beschlüsse, die auf sofortige Beschwerde ergangen sind und der Rechtsbeschwerde unterliegen, in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO unabänderlich und damit grundsätzlich bindend sind (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 318 Rn. 9; PG/Thole, ZPO, 10. Aufl., § 318 Rn. 14; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995 - IV ZB 22/94, NJW-RR 1995, 765); sie können nämlich - wie ein Urteilsausspruch - in Rechtskraft erwachsen. Vor Eintritt der Rechtskraft erlaubt das Gesetz nur im Beschwerdeverfahren die Abhilfe durch das erstinstanzliche Gericht (§ 572 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO); dagegen darf das Beschwerdegericht im laufenden Rechtsbeschwerdeverfahren eine Abhilfe nicht vornehmen (BT-Drucks. 14/4722, S. 117). Nach Eintritt der Rechtskraft darf der Beschluss ohnehin nicht mehr geändert werden (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - V ZB 37/09, NJW-RR 2010, 232 Rn. 8; zum Verhältnis zwischen § 318 ZPO und Rechtskraft PG/Thole, ZPO, 10. Aufl., § 318 Rn. 1). Anders ist es nur bei einer zulässigen und begründeten Anhörungsrüge; diese stellt einen gesetzlich geregelten Rechtsbehelf eigener Art dar, durch den das Gericht von der Bindungswirkung des § 318 ZPO sowie von der formellen und materiellen Rechtskraft freigestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2016 - IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 Rn. 19 a.E. mwN).
bb) Daraus folgt für das Zwangsversteigerungsverfahren, dass das Beschwerdegericht an seine - der Rechtskraft fähige - Entscheidung über eine Zuschlagsbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO gebunden ist und sie nicht aufgrund einer Gegenvorstellung nachträglich ändern darf (vgl. auch Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - V ZB 37/09, NJW-RR 2010, 232 Rn. 8). Anerkannt ist die Innenbindung des Gerichts, wenn das Beschwerdegericht die Zuschlagsbeschwerde zurückweist (vgl. OLG Braunschweig, OLGZ 1965, 313, 314) oder den zunächst versagten Zuschlag erteilt (vgl. Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 101 Rn. 2.8); nichts anderes gilt, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - den zunächst erteilten Zuschlag versagt. Neben den bereits genannten allgemeinen verfahrensrechtlichen Gründen ergibt sich dies auch daraus, dass das gemäß § 90 Abs. 1 ZVG mit dem Zuschlag erworbene Eigentum des Erstehers mit Wirkung ex tunc entfällt, wenn der Zuschlag - wie hier - in der Beschwerdeinstanz aufgehoben und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, so dass die Entscheidung rechtskräftig ist (vgl. Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 90 Rn. 2.3). Mit dieser materiell-rechtlichen Wirkung des rechtskräftigen Beschlusses und dem Gebot der Rechtssicherheit wäre es - abgesehen von dem gesetzlich vorgeschriebenen Sonderfall der erfolgreichen Anhörungsrüge - unvereinbar, wenn das Gericht seine eigene Entscheidung nachträglich ändern dürfte (vgl. auch BVerfGE 122, 190, 202 f.).
cc) Nach alledem war der Einzelrichter nicht befugt, seinen rechtskräftigen Beschluss vom 31. Juli 2017 aufzuheben und das Verfahren auf die Kammer zu übertragen; die Kammer war nicht zu einer neuen Sachentscheidung über die Beschwerde berufen.
IV.
1. Daran gemessen ist der angefochtene Beschluss vom 4. Dezember 2017 insgesamt aufzuheben.
a) Allerdings hat der Einzelrichter über die von der Beteiligten zu 1 erhobene Anhörungsrüge bislang nicht entschieden; er hat seinen Beschluss ausdrücklich „auf die Gegenvorstellung“ aufgehoben. Daraus folgt aber nicht, dass der angefochtene Beschluss insoweit aufrechtzuerhalten ist, als die Kammer die Anhörungsrüge mit nachvollziehbarer Begründung als unbegründet angesehen hat. Darin liegt nämlich keine Entscheidung über die Anhörungsrüge. Zum einen war hierfür der Einzelrichter als der mit der angefochtenen Entscheidung befasste Spruchkörper zuständig (§ 321a Abs. 2 Satz 4 ZPO; Zöller/G. Vollkommer, 32. Aufl., § 321a Rn. 15a); zum anderen sind diese Ausführungen als obiter dictum erfolgt, weil die Kammer die Anhörungsrüge als gegenstandslos ansah.
b) Weil eine Anhörungsrüge die Unanfechtbarkeit der Entscheidung voraussetzt (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und keinen Devolutiveffekt hat, ist der Rechtsbehelf in der Rechtsmittelinstanz nicht angefallen. Weder darf der Senat selbst entscheiden noch bedarf es insoweit einer Aufhebung und Zurückverweisung. Der zuständige Einzelrichter wird die ausstehende Entscheidung nachzuholen haben.
2. Keinen Bestand hat auch der Beschluss des Einzelrichters vom 1. Dezember 2017, mit der der Beschluss vom 31. Juli 2017 aufgehoben worden ist; die Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts erstreckt sich - wie oben Rn. 8 ausgeführt - auch auf eine solche Zwischenentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2016 - IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 Rn. 10). Die Übertragung auf die Kammer ist zwar gemäß § 568 Satz 3 ZPO an sich nicht angreifbar; sie ist aber gegenstandslos, weil die rechtskräftige Entscheidung des Einzelrichters vom 31. Juli 2017 unverändert wirksam ist.
V.
1. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Zwar scheidet im Zuschlagsbeschwerdeverfahren ein Ausspruch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens im Allgemeinen aus, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen. Etwas anderes gilt aber in Verfahren der Teilungsversteigerung, wenn sich - wie hier - Miteigentümer mit entgegengesetzten Interessen streiten (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juli 2006 - V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143 Rn. 10). In der Sache hat die Beteiligte zu 1 die Kosten zu tragen, weil ihre Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg geblieben ist; sie stünde nicht anders, wenn sie kein Rechtsmittel eingelegt hätte.
3. Die Wertfestsetzung für die Vertretung der Beteiligten beruht auf § 26 Nr. 2 Halbsatz 2 RVG; maßgeblich sind bei einer Teilungsversteigerung die jeweiligen Miteigentumsanteile nach dem festgesetzten Verkehrswert (Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, 7. Aufl., § 26 Rn. 24).
Stresemann |
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Schmidt-Räntsch |
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Brückner |
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Göbel |
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Haberkamp |
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