Entscheidungsdatum: 09.11.2017
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 17. August 2016 in der Fassung des Beschlusses vom 9. Januar 2017 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 20.000 €.
I.
Im Juli 2015 schlossen der Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 3 (Verkäufer) und der Beteiligte zu 4 (Käufer) einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein im Eigentum des Verkäufers stehendes Grundstück. Der Kaufvertrag sieht als Fälligkeitsvoraussetzung vor, dass die Beteiligte zu 1 auf das Vorkaufsrecht gemäß § 57 Schuldrechtsanpassungsgesetz schriftlich verzichtet hat oder die Ausübungsfrist von zwei Monaten abgelaufen ist.
Der den Kaufvertragsparteien bekannte Hintergrund dieser Regelung ist ein zwischen dem Gemeinderat und der Großmutter sowie der Mutter der Beteiligten zu 1 über dieses Grundstück geschlossener Nutzungsvertrag vom 31. Juli 1970. Die Großmutter verstarb bereits 1983. Zugunsten der Mutter wurde gemäß § 20 VermG ein Vorkaufsrecht in das Grundbuch eingetragen und nach ihrem Tod im Jahr 2010 wieder gelöscht. Das Nutzungsverhältnis führte der Verkäufer mit der Beteiligten zu 1 fort. Der Notar informierte die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 über den Kaufvertrag. Daraufhin übte diese mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 das Vorkaufsrecht aus.
Mit Vorbescheid vom 18. Dezember 2015 hat der Notar der Beteiligten zu 1 mitgeteilt, dass ihr seiner Auffassung nach kein Vorkaufsrecht zustehe, so dass er von der darauf bezogenen Fälligkeitsvoraussetzung absehen werde. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den Vorbescheid mit Beschluss vom 23. Mai 2016 aufgehoben. Nach der Rechtsmittelbelehrung findet gegen diesen Beschluss die Beschwerde statt. Auf Beschwerde des Käufers hat das Landgericht die Entscheidung durch Beschluss vom 17. August 2016 geändert und die Beschwerde zurückgewiesen; auch diesem Beschluss ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die als statthaftes Rechtsmittel die Beschwerde benennt. Auf die mit Schriftsatz vom 12. September 2016 erhobene Anhörungsrüge der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit weiterem Beschluss vom 9. Januar 2017 seine letzte Entscheidung mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen wird. Nunmehr will die Beteiligte zu 1 den ursprünglichen Beschluss vom 23. Mai 2016 wiederherstellen lassen; der Käufer beantragt die Verwerfung der Rechtsbeschwerde.
II.
In dem angefochtenen Beschluss vom 17. August 2016 meint das Landgericht, der Beschwerdeführerin stehe entgegen seiner zunächst in dem Beschluss vom 23. Mai 2016 vertretenen Auffassung kein Vorkaufsrecht gemäß § 57 Abs. 1 SchuldRAnpG zu. Das Vorkaufsrecht ihrer Mutter habe sich vielmehr aus § 20 VermG ergeben und sei mit deren Tod gemäß § 20 Abs. 7 VermG erloschen. Die Anhörungsrüge habe insoweit Erfolg, als die Kammer nunmehr die Zulassung der Rechtsbeschwerde für geboten halte, und zwar wegen der schwierigen Rechtsfragen sowie des Umstands, dass die Änderung des Beschlusses vom 23. Mai 2016 ohne ausreichende Anhörung der Beschwerdeführerin und aufgrund eines Irrtums über die Statthaftigkeit der Beschwerde des Käufers erfolgt sei. Im Hinblick darauf habe der Erlass des Beschlusses vom 17. August 2016 den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Inhaltlich sei die dort vertretene Rechtsauffassung aber richtig gewesen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie in Ermangelung einer wirksamen Zulassung nicht statthaft ist.
1. In dem angefochtenen Beschluss vom 17. August 2016 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die auf die Anhörungsrüge nachträglich erfolgte Zulassung bindet den Senat nicht.
a) Eine Anhörungsrüge führt nur dann zu einer wirksamen, das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO) bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn das Verfahren aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 44 FamFG fortgesetzt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Zulassungsgrund ergibt. Mit einer verfahrensrechtlich nicht vorgesehenen nachträglichen Zulassungsentscheidung kann das Gericht die Bindung an seine eigene Endentscheidung gemäß § 45 FamFG nicht außer Kraft setzen (vgl. jeweils zum Revisionsverfahren Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 4; Urteil vom 16. September 2016 - V ZR 3/16, NZM 2017, 147 Rn. 5; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10, NJW-RR 2012, 306 Rn. 7).
b) Daran gemessen durfte die Rechtsbeschwerde nicht nachträglich zugelassen werden.
aa) Die Voraussetzungen des § 44 FamFG lagen offensichtlich nicht vor. Einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen den Anspruch der Beteiligten zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs, der darin besteht, dass auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen worden ist (vgl. Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 6), nimmt das Beschwerdegericht selbst nicht an; mit den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen, auf das Bestehen des Vorkaufsrechts bezogenen „schwierigen Rechtsfragen“ hatte es sich bereits in den vorangegangenen Beschlüssen auseinandergesetzt. Maßgeblich begründet hat es die Nachholung der Zulassung vielmehr damit, dass es fälschlicherweise die Beschwerde des Käufers für statthaft gehalten habe. Ein solcher Rechtsirrtum rechtfertigt eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht, weil er für sich genommen nicht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstößt; dass das Beschwerdegericht auf die Zulassungsentscheidung bezogenen Vortrag der Beschwerdeführerin übergangen hat, hat es nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich.
bb) Ob das Beschwerdegericht mit dem Beschluss vom 17. August 2016 - wie die Rechtsbeschwerde meint - seinerseits die Bindung an seinen eigenen Beschluss vom 23. Mai 2016 gemäß § 45 FamFG missachtet hat oder ob es - wie es in der Erwiderung vertreten wird - wegen der fehlenden verfahrensgestaltenden Wirkung des ersten Beschlusses, mit dem der Vorbescheid ohne eine positive Anweisung an den Notar aufgehoben wurde, zu der Änderung befugt war, kann dahinstehen. Jedenfalls begründete ein etwaiger Verfahrensfehler keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil auch insoweit kein Vortrag der Beschwerdeführerin übergangen worden ist.
2. Die nachträgliche Zulassung kann auch nicht als Entscheidung über eine analog § 44 FamFG erhobene Rüge der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte verstanden werden.
a) Ob eine unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde als Verstoß gegen andere Verfahrensgrundrechte in analoger Anwendung von § 44 FamFG gerügt werden kann, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen; es bedarf auch hier keiner Entscheidung dieser Rechtsfrage. In Betracht kommen könnte dies nämlich allenfalls dann, wenn die ursprüngliche Entscheidung, den Zugang zum Bundesgerichtshof nicht zu eröffnen, objektiv willkürlich gewesen wäre oder den Instanzenzug unzumutbar und in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt hätte (vgl. für das Revisionsverfahren Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 9 f.; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10, NJW-RR 2012, 306 Rn. 12 f.). Davon ist nicht auszugehen.
b) Das Beschwerdegericht hat diese Voraussetzungen nicht ausdrücklich festgestellt. Selbst wenn seine Ausführungen zu seinem Irrtum über die Statthaftigkeit der (erfolgreichen) Beschwerde des Käufers so zu verstehen sein sollten, dass es seine Verfahrensweise als objektiv willkürlich ansah, könnte dies die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigen. Dies folgt schon daraus, dass die Rüge - ihre Statthaftigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet war, was das Rechtsbeschwerdegericht wie bei einer Anhörungsrüge von Amts wegen zu überprüfen hätte (vgl. für das Revisionsverfahren Senat, Urteil vom 16. September 2016 - V ZR 3/16, NZM 2017, 147 Rn. 7; BGH, Urteil vom 14. April 2016 - IX ZR 197/15, ZinsO 2016, 1389 Rn. 8 ff.). Es fehlt nämlich bereits an der Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verstoßes gegen Verfahrensgrundrechte. Eine Rechtsbeschwerde könnte von vornherein keinen Erfolg haben, weil das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt nicht erkannt hat, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 1 unzulässig ist. Sie ist nicht beschwerdeberechtigt, weil sie durch den Vorbescheid nicht, wie in § 59 Abs. 1 FamFG vorausgesetzt, in ihren Rechten beeinträchtigt wird. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung setzt voraus, dass unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingegriffen wird (vgl. Arndt/Lech/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 15 Rn. 99 mwN), woran es fehlt. Die Fälligkeitsmitteilung, die der Vorbescheid zum Gegenstand hat, betrifft ausschließlich die Rechtsbeziehung zwischen Verkäufer und Käufer. Die Rechtsstellung der Beteiligten zu 1 verändert sie auch dann nicht unmittelbar, wenn ihr ein Vorkaufsrecht zustehen sollte. Welche Fälligkeitsvoraussetzungen die Kaufvertragsparteien vereinbaren, und ob sie diese einhalten, kann ein Vorkaufsberechtigter nicht beeinflussen. Denn durch die Ausübung des Vorkaufsrechts tritt er nicht in den Kaufvertrag ein, sondern es kommt ggf. ein neuer selbständiger Kaufvertrag zwischen den Parteien des Vorkaufs zustande (vgl. § 464 Abs. 2 BGB; BGH, Urteil vom 10. Juli 1986 - III ZR 44/85, BGHZ 98, 188, 190 f.). Die Beteiligte zu 1 muss die maßgebliche Frage danach, ob ein solcher Kaufvertrag zwischen ihr und dem Verkäufer zustande gekommen ist, ggf. in einem Zivilrechtsstreit mit dem Verkäufer klären lassen. Das Verfahren der Notarbeschwerde ist zur Durchsetzung ihrer möglichen Ansprüche aus dem Vorkauf weder bestimmt noch geeignet.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren sieht der Senat gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG ab; der Gegenstandswert ist gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG mit 10 % des Kaufpreises bemessen worden.
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