Entscheidungsdatum: 12.03.2015
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Erfasst der Begriff des dinglichen Rechts gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG 2000 Nr. L 160 S. 1) eine nationale Regelung, wie sie in § 12 des Grundsteuergesetzes i.V.m. § 77 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung enthalten ist, wonach Grundsteuerforderungen kraft Gesetzes als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und der Eigentümer insoweit die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz dulden muss?
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Erfasst der Begriff des dinglichen Rechts gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG 2000 Nr. L 160 S. 1) eine nationale Regelung, wie sie in § 12 des Grundsteuergesetzes i.V.m. § 77 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung enthalten ist, wonach Grundsteuerforderungen kraft Gesetzes als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und der Eigentümer insoweit die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz dulden muss?
I.
Die Schuldnerin, eine Société Civile Immobilière nach französischem Recht, ist Eigentümerin des im Rubrum genannten Grundstücks in W. , Deutschland. Mit Urteil vom 6. Mai 2013 ordnete der Tribunal de Grande Instance de Mulhouse, Frankreich, das Betriebssanierungsverfahren („procédure de redressement judiciaire“) für die Schuldnerin an und beauftragte einen gerichtlich bestellten Verwalter mit deren Betreuung („administrateur judiciaire avec mission d‘assistance“). Am 15. Mai 2013 beantragte die Gemeinde W. wegen rückständiger Grundsteuern für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. Juni 2013 in Höhe von 7.471,19 € die Zwangsversteigerung des Grundstücks und bescheinigte die Vollstreckbarkeit der Forderungen.
Mit Beschluss vom 21. Mai 2013 hat das Amtsgericht die Zwangsversteigerung angeordnet. Der dagegen gerichteten Erinnerung der Schuldnerin hat es nicht abgeholfen. Das Landgericht hat ihre sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin erreichen, dass die Anordnung der Zwangsversteigerung aufgehoben und der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch gelöscht wird.
II.
Die Begründetheit der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaften und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hängt in entscheidungserheblicher Weise von der Beantwortung der im Tenor formulierten Vorlagefrage durch den Gerichtshof der Europäischen Union ab.
1. Der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG 2000 Nr. L 160 S. 1) in der zuletzt durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 (ABl. EU 2014 Nr. L 179 S. 4) geänderten Fassung (Europäische Insolvenzverordnung, nachfolgend EuInsVO) ist sowohl räumlich als auch sachlich eröffnet. Bei dem Verfahren des "redressement judiciaire" handelt es sich um eines der in Art. 2 Buchstabe a EuInsVO i.V.m. Anhang A der Verordnung genannten Insolvenzverfahren. Der für die Schuldnerin auftretende "administrateur judiciaire" gehört zu den in Art. 2 Buchstabe b EuInsVO i.V.m. Anhang C der Verordnung bezeichneten Verwaltern. Die Europäische Insolvenzverordnung geht in ihrem Anwendungsbereich den Vorschriften des in §§ 335 ff. InsO geregelten deutschen Internationalen Insolvenzrechts vor (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 54/10, BGHZ 188, 177 Rn. 11 mwN).
2. Gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO unterliegt das Insolvenzverfahren dem französischen Recht. Dieses regelt auch die Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe f EuInsVO). Feststellungen zu dem französischen Recht, die das Beschwerdegericht nicht für erforderlich gehalten hat, kann der Senat selbst treffen (näher Beschluss vom 3. Februar 2011- V ZB 54/10, BGHZ 188, 177 Rn. 14 mwN). Danach begründet die Eröffnung des „redressement judiciaire“ ein allgemeines Vollstreckungsverbot (Art. L 631-14 Abs. 1 i.V.m. Art. L 622-21 Abs. 2 Code de Commerce). Weder für dinglich gesicherte Gläubiger noch für den Fiskus oder die Sozialversicherungsträger bestehen Sonderregelungen (vgl. Pérochon, Entreprises en difficulté, 10. Aufl., Rn. 633 ff.; Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., Rn. VIII 67; MünchKomm-InsO/Niggemann, 2. Aufl., Anhang Band 3, Länderbericht Frankreich Rn. 11; Bauerreis in Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa [2014], Länderbericht Frankreich Rn. 155). Allerdings bleiben gemäß Art. 5 Abs. 1 EuInsVO dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten an unbeweglichen Gegenständen, die sich im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt.
3. Nach deutschem Recht sind die Grundsteuerforderungen, die zu der Anordnung der Zwangsversteigerung geführt haben, öffentliche Lasten gemäß § 12 Grundsteuergesetz (GrStG). Öffentliche Lasten beruhen zwar auf öffentlichem Recht. Sie sind aber dingliche Verwertungsrechte, da der Eigentümer gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AO die Zwangsvollstreckung in das Grundstück dulden muss (vgl. BVerwG, NJW 1985, 756). Funktionell entsprechen sie einem Grundpfandrecht (vgl. nur Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 77 Rn. 3; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 27 Rn. 1).
Im Einzelnen:
a) Maßgebliche Normen des deutschen Rechts:
§ 12 GrStG bestimmt unter der Überschrift „Dingliche Haftung“:
„Die Grundsteuer ruht auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last.“
§ 77 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) bestimmt:
„Wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden.“
§ 10 Abs. 1 des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) lautet auszugsweise wie folgt:
„Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück gewähren nach folgender Rangordnung (…):
3. die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträge; wiederkehrende Leistungen, insbesondere Grundsteuern, Zinsen, Zuschläge oder Rentenleistungen (…) genießen dieses Vorrecht nur für die laufenden Beträge und für die Rückstände aus den letzten zwei Jahren (…).
4. die Ansprüche aus Rechten an dem Grundstück (…)“
b) Für die Entstehung einer öffentlichen Last bedarf es einer gesetzlichen Regelung, wie sie in § 12 GrStG enthalten ist. Der Begriff selbst ist nicht gesetzlich definiert. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass eine öffentliche Last eine Abgabenverpflichtung ist, die auf öffentlichem Recht beruht, durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen ist und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetzt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. März 2012- V ZB 185/11, WM 2012, 997 Rn. 4 mwN). Öffentliche Lasten entstehen unabhängig davon, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden ist oder nicht (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - IX ZR 101/09, NJW-RR 2010, 1022 Rn. 6; Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 18/11, NJW-RR 2012, 87 Rn. 18). In das Grundbuch werden sie nicht eingetragen (§ 54 GBO). Die Grundsteuer ist die einzige Steuer, die eine solche öffentliche Last begründet. Grundstücksbezogene Beiträge und Abgaben sind dagegen häufig als öffentliche Lasten ausgestaltet. Im Bundesrecht gilt dies zum Beispiel für Erschließungskosten nach dem Baugesetzbuch (§ 134 Abs. 2 BauGB). Daneben sieht das Landesrecht öffentliche Lasten vor. Beispielsweise können Kommunalabgaben wie Anliegerbeiträge oder Kosten der Abwasserversorgung und Abwasserbeseitigung öffentliche Lasten sein (näher Senat, Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 185/11, WM 2012, 997 Rn. 5 f.; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 10 Rn. 6.1 ff.). Auch für diese Art von öffentlichen Lasten gilt regelmäßig die in § 77 Abs. 2 Satz 1 AO angeordnete Duldungspflicht des Eigentümers.
c) Die öffentliche Last gemäß § 12 GrStG ist wie eine Hypothek akzessorisch, weil sie von dem Bestehen einer Abgabenschuld abhängt (BVerwG, NJW 1987, 2098, 2099; NVwZ 1999, 178, 182; Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Aufl., § 12 Rn. 2). Sie setzt aber nicht notwendig voraus, dass der Eigentümer selbst die Steuer schuldet und für diese persönlich, also mit seinem sonstigen Vermögen, haftet. Vielmehr bleibt sie bestehen, wenn das Grundstück nach Festsetzung der Steuerforderung veräußert wird, sofern die Forderung fällig und vollstreckbar ist. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AO muss der neue Eigentümer die Vollstreckung in das Grundstück dulden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - IX ZR 101/09, NJW-RR 2010, 1022 Rn. 11; BayVGH, BayVBl 2011, 768, 769; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Oktober 2014, § 77 AO Rn. 13, jeweils mwN). Die öffentliche Last begründet also eine zusätzliche Sachhaftung (vgl. Troll/Eisele, aaO).
d) Aufgrund einer öffentlichen Last gemäß § 12 GrStG kann die Finanzbehörde in das Grundstück vollstrecken, also insbesondere - wie hier - die Zwangsversteigerung beantragen. In einem Zwangsversteigerungsverfahren werden laufende und rückständige Grundsteuerforderungen aus den letzten zwei Jahren privilegiert (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG) und haben bei der Erlösverteilung daher Vorrang gegenüber den „Rechten aus dem Grundstück“. Zu letzteren zählen insbesondere die Grundpfandrechte von Kreditgebern, wie etwa Hypotheken und Grundschulden (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG). Ältere Rückstände verlieren diese Privilegierung zwar, bleiben aber eine öffentliche Last, die die Vollstreckung in das Grundstück ermöglicht (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – V ZB 18/11, NJW-RR 2012, 87 Rn. 18).
e) Während des Insolvenzverfahrens steht der Finanzbehörde aufgrund der öffentlichen Last ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gemäß § 49 InsO zu (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - IX ZR 101/09, NJW-RR 2010, 1022 Rn. 6 mwN). Insoweit unterscheiden sich öffentliche Lasten von den sogenannten Privilegien der romanischen Rechtsordnungen, deren Inhaber auf eine vorrangige Befriedigung beschränkt sind (vgl. dazu etwa Plappert, Dingliche Sicherungsrechte in der Insolvenz, 2008, S. 153 ff.; Staudinger/Mansel, BGB [2015], Art. 43 EGBGB Rn. 671 ff.) und die nicht unter Art. 5 EuInsVO fallen sollen (so Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, 1996, Nr. 102, abgedruckt u.a. in Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren).
4. Ob die öffentliche Last gemäß § 12 GrStG als dingliches Recht im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EuInsVO einzuordnen ist, lässt sich nicht mit der für eine Entscheidung durch den Senat erforderlichen Gewissheit beantworten (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16).
a) Über die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 EuInsVO besteht in der Rechtsliteratur keine Einigkeit. Teilweise wird die Bestimmung als Kollisionsnorm verstanden. Im Ergebnis soll daher die lex rei sitae - hier also das deutsche Recht - darüber entscheiden, ob ein dingliches Recht vorliegt oder nicht (vgl. etwa Paulus, EuInsVO, 4. Aufl., Art. 5 Rn. 7; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 51). Überwiegend wird dagegen angenommen, dass der Begriff des dinglichen Rechts autonom auszulegen sei (vgl. nur MünchKomm-BGB/Kindler, 6. Aufl., Art. 5 EuInsVO Rn. 4; Rauscher/Mäsch, EuZPR/EuIPR, Art. 5 EG-InsVO Rn. 7; FK-InsO/Wenner/Schuster, 7. Aufl., Art. 5 EuInsVO Rn. 2 mwN; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kap. 20 Rn. 295 mwN). Der erläuternde Bericht ist insoweit nicht eindeutig. Einerseits soll in der Regel die lex rei sitae über die Einordnung als dingliches Recht bestimmen (Virgós/Schmit, aaO, Nr. 100), andererseits soll Art. 5 Abs. 1 EuInsVO aber nicht unangemessen weit ausgelegt werden (Virgós/Schmit, aaO, Nr. 102).
b) Der vorlegende Senat geht jedenfalls davon aus, dass Art. 5 Abs. 1 EuInsVO nicht allein deshalb anwendbar ist, weil das Recht nach der lex rei sitae als dinglich anzusehen ist. Vielmehr dürften Art. 5 Abs. 2 EuInsVO eigenständige und autonom auszulegende Vorgaben für die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 EuInsVO zu entnehmen sein (in diesem Sinne auch Virgós/Schmit, aaO, Nr. 103; Huber, ZZP 114 (2001), 133, 154 f.).
aa) Dem erläuternden Bericht zufolge muss ein dingliches Recht ausgehend von der Auflistung des Art. 5 Abs. 2 EuInsVO und dem Verständnis eines dinglichen Rechts nach der EuGVVO zwei zentrale Eigenschaften aufweisen (vgl. Virgós/Schmit, aaO, Nr. 103):
(1) Es muss direkt und unmittelbar an die Sache selbst gebunden sein, und zwar unabhängig von der Frage, zu wessen Vermögen die betreffende Sache gehört, und unabhängig von dem Verhältnis des Rechtsinhabers zu einer anderen Person.
(2) Weiter muss ein dingliches Recht absoluten Charakter haben. Dies bedeutet, dass es der Rechtsinhaber gegen jedermann, der dieses Recht ohne seine Zustimmung missachtet oder beeinträchtigt, einklagen kann, dass das dingliche Recht bei Veräußerung der Sache an Dritte bestehen bleibt und dass das Recht auch bei Einzelrechtsverfolgung durch Dritte und bei Gesamtverfahren (durch die damit verbundene Absonderung oder die individuelle Befriedigung) bestehen bleibt.
bb) Diese Anforderungen erfüllt eine Grundsteuerforderung, die kraft Gesetzes als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (§ 12 GrStG). Sie führt zu einer Haftung des Grundstücks, die bei dessen Veräußerung bestehen bleibt, Dritten entgegengehalten werden kann und in der Insolvenz ein Absonderungsrecht begründet.
c) Es bedarf jedoch der Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, ob dieses Ergebnis mit dem Zweck von Art. 5 EuInsVO und dem Gesamtkonzept der Europäischen Insolvenzverordnung zu vereinbaren ist.
aa) Das Grundziel der von dem Insolvenzstatut abweichenden Anknüpfung dinglicher Rechte in der Verordnung ist die Gewährleistung von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit (24. Erwägungsgrund). Bei dinglichen Rechten besteht hierfür ein besonderes Bedürfnis, da diese für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung sind. Deshalb soll sich ihre Begründung, Gültigkeit und Tragweite nach dem Recht des Belegenheitsorts richten; der Inhaber eines Aus- und Absonderungsrechts soll sein Recht an dem Sicherungsgegenstand weiter geltend machen können (25. Erwägungsgrund). Der erläuternde Bericht hebt hervor, dass es mit Hilfe dinglicher Rechte möglich sei, Kredite zu erlangen, die man ohne diese Art von Garantien nicht eingeräumt bekäme (vgl. Virgós/Schmit, aaO, Nr. 97).
bb) Die Interessen öffentlicher Gläubiger - hier der Finanzbehörde - unterscheiden sich von denjenigen privater Kreditgläubiger in wesentlichen Punkten. In gewisser Weise vertraut allerdings auch die Finanzbehörde auf die Sicherung durch die öffentliche Last, die eine wesentliche Vereinfachung der Verwaltung bewirkt. Beispielsweise muss sie bei einer Stundung oder Aussetzung der Vollziehung offener Grundsteuerforderungen nicht prüfen, ob der Anspruch gefährdet ist. Wären Grundsteuerforderungen nicht gesichert, müsste die Finanzbehörde in solchen Fällen die Leistung von Sicherheiten verlangen (vgl. BT-Drucks. 6/3418, S. 82). Gleichwohl liegt der öffentlichen Last keine Kreditgewährung zugrunde, deren Bedingungen typischerweise in dem schutzwürdigen Vertrauen auf den Fortbestand der Grundpfandrechte in der Insolvenz des Schuldners vereinbart werden. Weil die öffentliche Last in einem deutschen Zwangsversteigerungsverfahren den Rechten der Kreditgläubiger jedenfalls teilweise im Rang vorgeht, bewirkt sie sogar eine Schlechterstellung der Kreditgläubiger, deren Schutz Art. 5 EuInsVO dienen soll.
cc) Zu berücksichtigen ist schließlich, dass aufgrund des Ausnahmecharakters des Art. 5 EuInsVO eine enge Auslegung der Norm geboten ist (Virgós/Schmit, aaO, Nr. 102). Eine weite Auslegung, die die lex rei sitae in weitem Umfang berücksichtigte, könnte Sanierungsbemühungen ausländischer Insolvenzverwalter erschweren (vgl. Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kap. 20 Rn. 294).
IV.
Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
1. Ist die öffentliche Last ein dingliches Recht im Sinne des europäischen Insolvenzrechts, muss die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen werden.
a) Die öffentliche Last entstand, wie es Art. 5 Abs. 1 EUInsVO voraussetzt (vgl. Virgós/Schmit, aaO, Nr. 96), jedenfalls überwiegend vor der Eröffnung des „redressement judiciaire“. Die Steuer entsteht zu Beginn des Jahres (§ 9 Abs. 2 GrStG). Selbst wenn die auf die Zeit nach der Verfahrenseröffnung entfallenden Steuern kein dingliches Recht mehr begründen sollten, wären die Forderungen aus der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 5. Mai 2013 vor Verfahrenseröffnung entstanden.
b) Als Rechtsfolge ließe die Eröffnung des „redressement judiciaire“ die öffentliche Last gemäß Art. 5 Abs. 1 EuInsVO unberührt. Ob Vollstreckungsbeschränkungen nach dem Recht des Belegenheitsortes zu berücksichtigen sind, oder ob Art. 5 Abs. 1 EuInsVO eine Sachnorm enthält und das dingliche Recht daher von der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens gänzlich unbeeinträchtigt bleibt, ist zwar umstritten (vgl. nur MünchKomm-BGB/Kindler, 6. Aufl., Art. 5 EuInsVO Rn. 15 ff. mwN), hier aber unerheblich. Denn das deutsche Insolvenzrecht sieht keine Einschränkungen für die Vollstreckung, sondern ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gemäß § 49 InsO vor.
c) Ohne Erfolg rügt die Schuldnerin, der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung sei dem französischen Insolvenzverwalter nicht bekanntgegeben worden. Ob eine solche Bekanntgabe erforderlich ist, richtet sich nach deutschem Verfahrensrecht als der lex fori. Hiernach ist die Bekanntgabe des Antrags der Finanzbehörde an den Schuldner bzw. an den Insolvenzverwalter kein Vollstreckungserfordernis und daher ohne Bedeutung für eine wirksame Anordnung der Zwangsversteigerung (vgl. Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 15 Rn. 34.4 a.E.; BFHE 158, 310, hierzu BVerfG, KKZ 1991, 90).
d) Ob im Übrigen die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung vorliegen, hat das Vollstreckungsgericht bei der Beitreibung von Steuerschulden (anders als bei der Vollstreckung von Urteilen) nicht zu prüfen. Dies ist vielmehr Aufgabe der Finanzbehörde (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 1951 - V ZB 4/51, BGHZ 3, 140, 144 f.). Zuständige Behörde ist nach dem niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) die Gemeinde (§ 6 Abs. 1 NVwVG). Bestätigt diese - wie hier - in ihrem Antrag, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, sind die Gerichte daran gebunden (§ 58 Abs. 3 Satz 2 und 3 NVwVG). Insbesondere darf das Vollstreckungsgericht nicht prüfen, ob ein Duldungsbescheid gegen den ausländischen Insolvenzverwalter erforderlich und ob dieser ergangen ist (dazu MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl., § 49 Rn. 53). Die Schuldnerin (bzw. der Insolvenzverwalter) kann insoweit Rechtsbehelfe vor den Finanzgerichten ergreifen (vgl. BFHE 152, 53; 158, 310).
e) Schließlich ist es unerheblich, dass die Anordnung nach Eröffnung des „redressement judiciaire“ der Schuldnerin und nicht dem Insolvenzverwalter zugestellt worden ist. Selbst wenn die Zustellung an den Insolvenzverwalter erforderlich sein sollte, stellt dies jedenfalls keinen Grund für eine Aufhebung der Anordnung dar.
2. Ist die öffentliche Last dagegen kein dingliches Recht im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Die Anordnung der Zwangsversteigerung ist aufzuheben und der Versteigerungsvermerk im Grundbuch zu löschen. Denn nach dem gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO maßgeblichen französischen Insolvenzstatut begründet das Verfahren des „redressement judiciaire“ - wie ausgeführt - ein allgemeines Vollstreckungsverbot (Art. L 631-14 Abs. 1 i.V.m. Art. L 622-21 Abs. 2 Code de Commerce).
Stresemann Czub Brückner
Weinland Kazele