Entscheidungsdatum: 30.03.2012
Kommunale Abgaben für die Wasserversorgung ruhen im Land Baden-Württemberg nicht ohne weiteres als öffentliche Last auf dem Grundstück, sondern nur dann, wenn die zugrunde liegende kommunale Satzung sie als grundstücksbezogene Benutzungsgebühren ausgestaltet hat.
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt für die Gerichtskosten und die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 2 1.395,74 €.
I.
Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin der im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundstücke. Am 3. Februar 2011 hat das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 3 die Zwangsversteigerung angeordnet. Anschließend hat die Beteiligte zu 2, die örtliche Gemeinde, die Zwangsversteigerung wegen rückständiger Grundsteuer sowie wegen Verbrauchsabrechnungen für Wasser nebst Säumniszuschlägen und Mahngebühren in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG beantragt. Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 hat das Amtsgericht den Beitritt der Beteiligten zu 2 zugelassen, wegen der Bezugskosten für Wasser jedoch nur in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will sie die Zulassung des Beitritts in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG auch im Hinblick auf die genannten Kosten erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Bezugskosten für das Wasser stellten keine öffentlichen Lasten im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG dar. Jedenfalls könnten sie nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit als grundstücksbezogene Benutzungsgebühren im Sinne von § 13 Abs. 3, § 27 KAG BW eingeordnet werden. Denn die Benutzungsgebühren könnten nicht nur von dem jeweiligen Eigentümer, sondern auch von dem Nutzer des Grundstücks erhoben werden. Zudem knüpfe die Bemessung der Gebühren nicht an das Grundstück an und erfolge nach Verbrauch.
III.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit rechtsfehlerhafter Begründung hat das Beschwerdegericht die Abrechnungen für den Wasserverbrauch nebst Säumniszuschlägen und Mahnkosten nicht als öffentliche Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG angesehen.
1. Ob eine Abgabenverpflichtung diese Eigenschaft hat, richtet sich nach der gesetzlichen Regelung, die ihr zugrunde liegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ZVG kann sich die Rechtsgrundlage auch aus dem Landesrecht ergeben. Es muss sich um eine Abgabenverpflichtung handeln, die auf öffentlichem Recht beruht, durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistungen zu erfüllen ist und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetzt. Dabei muss die Verpflichtung in dem Abgabengesetz nicht unbedingt als öffentliche Last bezeichnet sein; es genügt vielmehr, wenn sich diese Eigenschaft aus der rechtlichen Ausgestaltung der Zahlungspflicht und aus ihrer Beziehung zum Grundstück ergibt. Im letzteren Fall muss jedoch aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit aus der gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgehen, dass die Abgabenverpflichtung auf dem Grundstück lastet und mithin nicht nur eine persönliche Haftung des Abgabenschuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks besteht. Zweifel in dieser Hinsicht schließen eine Berücksichtigung der Zahlungspflicht als öffentliche Last aus (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 127/09, NZM 2010, 672 Rn. 8; Urteil vom 19. November 2009 - IX ZR 24/09, NZM 2010, 375; Urteil vom 30. Juni 1988 - IX ZR 141/87, NJW 1989, 107, 108; Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 69/80, NJW 1981, 2127 f.).
2. Auch Kommunalabgaben wie die Kosten der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung können landesrechtlich als öffentliche Last ausgestaltet werden (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 127/09, NZM 2010, 672 ff. für Entsorgungsgebühren; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 10 Rn. 6.7; Morvilius, RNotZ 2011, 104 f.; im Ergebnis ebenso Böttcher in Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 10 Rn. 44; kritisch Traub, ZfIR 2010, 699 f.; Fischer, ZfIR 2011, 468, 471 ff.). Durch eine kommunale Satzung kann dies nur dann rechtswirksam geschehen, wenn ihre Ermächtigungsgrundlage die Begründung einer öffentlichen Last zulässt (Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 69/80, NJW 1981, 2127, 2128; BGH, Urteil vom 30. Juni 1988 - IX ZR 141/87, NJW 1989, 107, 108). Dabei kommt es, anders als das Beschwerdegericht meint, nicht darauf an, ob sich die Höhe der Gebühren nach dem Verbrauch richtet. Entscheidend ist, ob ihre Ausgestaltung im Einzelnen die genannten Anforderungen an die Begründung einer öffentlichen Last erfüllt.
3. Für die Wasserversorgung enthält § 13 Abs. 3, § 27 KAG BW eine gesetzliche Ermächtigung, kraft derer diese Leistung als öffentliche Last ausgestaltet werden kann. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG BW können die Gemeinden nämlich für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Sind diese grundstücksbezogen, so ergibt sich aus der im Jahr 2009 eingefügten Verweisung von § 13 Abs. 3 KAG BW auf § 27 KAG BW, dass die Beiträge als öffentliche Lasten auf dem Grundstück ruhen. Damit bezweckte der Landesgesetzgeber unter anderem die Einbeziehung der Kosten der Wasserversorgung, um angesichts zunehmender Privatinsolvenzen eine Bevorrechtigung der kommunalen Gebühren in der Zwangsversteigerung herbeizuführen (BW LT-Drucks. 14/4002, S. 70).
4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts und der Rechtsbeschwerde lässt sich nicht anhand des Kommunalabgabengesetzes feststellen, ob die Gebühren für die Wasserversorgung zu den grundstücksbezogenen Benutzungsgebühren gehören. Dies richtet sich nach der den Bescheiden zugrundeliegenden kommunalen Satzung, aus der sich ergibt, wie die Gebühren im Einzelnen ausgestaltet sind und ob von der gesetzlichen Ermächtigung in § 13 Abs. 3, § 27 KAG BW Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 127/09, NZM 2010, 672 Rn. 19; Urteil vom 30. Juni 1988 - IX ZR 141/87, NJW 1989, 107, 108; OLG Zweibrücken, Rpfleger 2008, 218 f. zu § 7 Abs. 7 KAG Rhl.-Pf.; Fischer, ZfIR 2011, 468, 470 f.; Klein, ZWE 2010, 429, 434). Daran fehlt es beispielsweise, wenn die Bestimmung des Gebührenschuldners in der maßgeblichen Satzung nicht an die dingliche Berechtigung, sondern nur an die Nutzung des Grundstücks anknüpft (Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 10 Rn. 6.7). Werden neben dinglich Berechtigten auch bloße Nutzer herangezogen, muss aus der Satzung hinreichend deutlich hervorgehen, dass die Leistung hinsichtlich der dinglich Berechtigten nicht (nur) personenbezogen erbracht wird, sondern für diese Gruppe von Gebührenschuldnern eine öffentliche Last entstehen lässt (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 69/80, NJW 1981, 2127 f.; OLG Zweibrücken, aaO; Stöber, aaO).
IV.
Die angefochtene Entscheidung ist danach aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Rechtsbeschwerdegericht kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO), weil die Feststellungen des Beschwerdegerichts, wonach die jeweiligen Nutzer herangezogen werden können und die Gebühren nicht grundstücksbezogen ermittelt werden, einer tatsächlichen Grundlage entbehren. Denn es hat weder festgestellt, auf welcher Rechtsgrundlage die maßgeblichen Bescheide ergangen sind noch hat es den Inhalt der maßgeblichen Satzungen der Beteiligten zu 2 festgestellt und gewürdigt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 127/09, NZM 2010, 672 Rn. 19 mwN). Sollte die Gebühr selbst als grundstücksbezogen anzusehen sein, gälte dies auch für einen darauf entfallenden Säumniszuschlag (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZVG; näher Senat, Beschluss vom 11. März 2010 - V ZB 175/09, juris Rn. 4 ff.; BGH, Urteil vom 19. November 2009 - IX ZR 24/09, NZM 2010, 375 Rn. 9 ff.) und die angefallenen Mahngebühren.
Krüger Stresemann Czub
Brückner Weinland