Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 11.05.2010


BGH 11.05.2010 - IX ZR 127/09

Zwangsversteigerungsverfahren für Wohnungseigentum: Rangordnung für Kommunalabgaben in Nordrhein-Westfalen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
11.05.2010
Aktenzeichen:
IX ZR 127/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Wuppertal, 4. Juni 2009, Az: 9 S 174/08, Urteilvorgehend AG Wuppertal, 11. Juni 2008, Az: 95 C 27/08
Zitierte Gesetze
§ 6 Abs 5 KAG NW

Leitsätze

§ 6 Abs. 5 KAG-NW begründet nach dem Willen des Landesgesetzgebers von Nordrhein-Westfalen eine auf dem einzelnen Wohnungseigentum ruhende öffentliche Last in Höhe der für das gesamte Grundstück entstandenen Benutzungsgebühren, soweit diese nach der kommunalen Satzung grundstücksbezogen ausgestaltet sind und hiernach alle Inhaber von Miteigentumsanteilen an dem Grundstück gesamtschuldnerisch haften .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 4. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte betreibt aus einer Grundschuld die Zwangsversteigerung eines Wohnungseigentums an einem in Wuppertal belegenen Grundstück. Die Klägerin meldete in dem Verfahren auf das gesamte Grundstück bezogene Entsorgungsgebühren für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 4. Dezember 2007 in Höhe von 2.695,16 € als nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG vorrangig zu befriedigende Forderungen an. In dem Teilungsplan des Vollstreckungsgerichts wurden diese Forderungen nur dem Miteigentumsanteil an dem Grundstück entsprechend in Höhe von 288,79 € berücksichtigt.

2

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Widerspruchsklage (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZVG, § 878 ZPO) begehrt die Klägerin die Änderung des Teilungsplans dahin, dass sie mit ihrer Forderung wegen weiterer 2.406,37 € vor der Forderung der Beklagten zu befriedigen ist. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

I.

4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe in seinem Teilungsplan zutreffend lediglich die auf den Miteigentumsanteil bezogenen Benutzungsgebühren in der Rangstufe des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG berücksichtigt und nicht die gesamte Gebührenforderung. Nach § 6 Abs. 5 des Kommunalabgabengesetzes für Nordrhein-Westfalen (fortan: KAG-NW) ruhten zwar die grundstücksbezogenen öffentlich-rechtlichen Benutzungsgebühren als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück. Diese Vorschrift sei aber nicht so auszulegen, dass die Last in voller Höhe auf dem jeweiligen Wohnungseigentumsrecht ruhe, weil sich dann die Gesamtlast entsprechend der Anzahl der Wohnungseigentumsrechte vervielfältigen würde. Gegenstand der Zwangsvollstreckung sei nicht das gesamte Grundstück, sondern nur das Wohnungseigentum im Sinne des § 1 Abs. 2 WEG. Es könnten daher nicht die Gebühren bevorrechtigt berücksichtigt werden, die dem gesamten Grundstück zuzuordnen seien, sondern nur anteilig die auf das Wohnungseigentum bezogenen Gebühren. Eine Gesamthaftung sei nicht ausdrücklich im Kommunalabgabengesetz für Nordrhein-Westfalen normiert. Die in den Satzungen der Klägerin vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung sei unerheblich, weil diese nur die persönliche Haftung betreffe, nicht aber die Frage, welche öffentlich-rechtliche Last auf dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ruhe. Ein die Zwangsvollstreckung betreibender Grundpfandgläubiger könne auch anders als ein in Anspruch genommener Gesamtschuldner keinen Rückgriff bei den anderen Gesamtschuldnern nehmen, weil er zu diesen in keiner Beziehung stehe. Er würde daher keinen Ausgleich für den durch eine bevorrechtigte Berücksichtigung von öffentlichen Lasten erlittenen Nachteil erhalten.

II.

5

1. Die für die Entscheidung maßgebliche Auslegung von § 6 Abs. 5 KAG-NW unterliegt der Prüfung des Revisionsgerichts. Nach Art. 111 des FGG-Reformgesetzes sind die Bestimmungen der §§ 560, 545 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden (vgl. BGH, Urt. v. 19. November 2009 - IX ZR 24/09, WM 2010, 771 Rn. 8). Da sich der Geltungsbereich von § 6 Abs. 5 KAG-NW auf das Gebiet des gesamten Bundeslands Nordrhein-Westfalen, mithin auf die Bezirke der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln erstreckt, sind die Voraussetzungen von § 545 Abs. 1 Fall 2 ZPO a.F. gegeben.

6

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. § 6 Abs. 5 KAG-NW ist dahin auszulegen, dass die grundstücksbezogenen öffentlich-rechtlichen Benutzungsgebühren in ihrer vollen auf das Grundstück bezogenen Höhe als öffentlich-rechtliche Last auf dem Wohnungseigentumsrecht ruhen und nicht nur in Höhe des Miteigentumsanteils an dem gesamten Grundstück.

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a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass nach § 6 Abs. 5 KAG-NW die grundstücksbezogenen Benutzungsgebühren als öffentlich-rechtliche Last auf dem Grundstück ruhen und nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG vorrangig zu befriedigen sind.

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aa) Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche auf die Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträge vorrangig zu befriedigen. Da § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG den Begriff der öffentlichen Grundstückslast nicht näher definiert, ist für die Beurteilung, ob einer Abgabenverpflichtung diese Eigenschaft innewohnt, auf ihre Rechtsgrundlage abzustellen (BGH, Urt. v. 30. Juni 1988 - IX ZR 141/87, NJW 1989, 107, 108; v. 19. November 2009, aaO Rn. 7). Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit muss aus der gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgehen, dass die Abgabenverpflichtung auf dem Grundstück lastet und mithin nicht nur eine persönliche Haftung des Abgabenschuldners, sondern auch eine dingliche Haftung des Grundstücks besteht (BGH, Urt. v. 22. Mai 1981 - V ZR 69/80, WM 1981, 910, 911; v. 30. Juni 1988, aaO; v. 19. November 2009, aaO).

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bb) Nach § 6 Abs. 1 KAG-NW sind Benutzungsgebühren zu erheben, wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen dient. Nach § 6 Abs. 5 KAG-NW ruhen grundstücksbezogene Benutzungsgebühren als öffentliche Last auf dem Grundstück. Es besteht mithin - vorbehaltlich entsprechender Regelungen in den Gebührensatzungen - eine eindeutige gesetzliche Regelung über eine dingliche Haftung des Grundstücks für solche Gebühren.

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b) Unzutreffend ist demgegenüber die Ansicht des Berufungsgerichts, die gemäß § 6 Abs. 5 KAG-NW bestehende öffentliche Last sei nur insoweit bevorrechtigt im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, als es um die anteilig dem Wohnungseigentum zuzuordnenden Gebühren gehe. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, Teileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen und zwar jeweils in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 1 bis 3 WEG). Zu dem gemeinschaftlichen Eigentum gehört namentlich das Grundstück, auf dem die Räume errichtet sind. Die einzelnen Wohnungseigentümer sind damit stets Miteigentümer des Grundstücks (§ 3 Abs. 1 WEG; vgl. VGH Baden-Württemberg NJW 2009, 1017; OLG Hamm NJW-RR 2009, 1463, 1464; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. § 24 Rn. 12). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es daher für die Annahme einer Gesamthaftung nicht einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung, sondern umgekehrt für eine anteilige Begrenzung der auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Last für Wohnungseigentümer auf ihren Miteigentumsanteil an dem Gesamtgrundstück. Eine solche existiert in Nordrhein-Westfalen nicht. Dass die öffentliche Last auf dem Wohnungseigentum in Höhe der gesamten Abgabenschuld ruht, entspricht auch der Rechtsprechung des für Nordrhein-Westfalen zuständigen OVG Münster (NJW-RR 1992, 458, 460; KKZ 2007, 105 Rn. 30), wonach die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner haften.

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aa) In den Kommunalabgabengesetzen der Länder wird zum Teil ausdrücklich angeordnet, dass Wohnungseigentümer nur anteilig entsprechend ihrem Miteigentumsanteil grundstücksbezogene Benutzungsgebühren und Beiträge schulden und auch nur in diesem Umfang eine dingliche Last auf dem Grundstück ruht (Art. 5 Abs. 6 Satz 2, Abs. 7 Satz 1 BayKAG; § 6 Abs. 8 Satz 4 2. Halbs., Abs. 9 letzter Halbs. NKAG; § 7 Abs. 10 Satz 3, Abs. 11 Satz 1 ThürKAG; jeweils für Beiträge). In Baden-Württemberg besteht für grundstücksbezogene Benutzungsgebühren eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer (vgl. VGH Mannheim ZMR 2006, 818, 819; NJW 2009, 1017, 1019); hingegen ruht eine dingliche Last nur entsprechend dem Miteigentumsanteil auf dem Grundstück (§ 13 Abs. 3 i.V.m. § 27 letzter Halbs., § 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 KAG Baden-Württemberg). In den Gesetzen anderer Länder fehlt eine derartige Einschränkung (§ 6 Abs. 5 KAG-NW für Benutzungsgebühren und § 8 Abs. 9 KAG-NW für Beiträge; § 7 Abs. 7 KAG Rheinland-Pfalz für Gebühren und Beiträge; § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG Mecklenburg-Vorpommern für Gebühren, anders die dort in § 7 Abs. 6 letzter Halbs., Abs. 2 Satz 5 2. Halbs. getroffene Regelung für Beiträge; § 8 Abs. 5 Satz 6 des Saarländischen Abfallwirtschaftsgesetzes für Abfallentsorgungsgebühren, anders § 8 Abs. 8 Satz 3, Abs. 12 SaarlKAG für Beiträge). Aus der Unterschiedlichkeit dieser Regelungen folgt, dass eine Beschränkung ausdrücklich hätte angeordnet werden müssen.

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(1) Vergleichbare unterschiedliche Regelungen finden sich im früheren Bundesbaugesetz und dem heutigen Baugesetzbuch zu Erschließungsbeiträgen. Nach § 134 Abs. 1 Satz 3 BBauG in der bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Fassung hafteten für Erschließungsbeiträge mehrere Beitragspflichtige als Gesamtschuldner; hierzu gehörten auch die Wohnungseigentümer (vgl. VGH München NJW-RR 1990, 718). In diesem Umfang ruhte auch eine dingliche Last auf dem Grundstück (§ 134 Abs. 2 BBauG). Diese Regelung war so zu verstehen, dass die Erschließungsbeiträge für das gesamte Grundstück als dingliche Last auf dem einzelnen Wohnungseigentum ruhten. Deshalb schlug der Bundesrat anlässlich der Novellierung des Bundesbaugesetzes im Jahre 1974 vor, eine Beitragspflicht der Wohnungseigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil und auch nur in diesem Umfang eine öffentliche Last auf dem Wohnungseigentumsanteil vorzusehen, um die Gesamthaftung der Wohnungseigentümer zu beseitigen und Erschwernisse, die in der letzten Zeit bei der Begründung von Wohnungseigentum durch das Gesamtschuldverhältnis aufgetreten seien, zu beseitigen (BT-Drucks. 7/2496, S. 81 Nr. 74). Die Bundesregierung hat dem Vorschlag zugestimmt (BT-Drucks. 7/2496 S. 83 unter A Nr. 74). Diese Fassung ist Gesetz geworden (Gesetz zur Änderung des BBauG vom 18. August 1976, BGBl. I S. 2221, 2244) und unverändert in § 134 BauGB übernommen worden (vgl. näher zur Entstehungsgeschichte Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB 91. Aufl. 2009 § 134 Rn. 7; BayVGH ZMR 2007, 316, 318). § 134 BauGB lässt nur eine teilschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer entstehen (VGH München aaO; Driehaus, aaO § 24 Rn. 13). Nur in diesem Umfang entsteht die akzessorische (vgl. Driehaus, aaO § 27 Rn. 2) öffentliche Last.

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(2) Durch die teilweise § 134 BBauG a.F. und teilweise § 134 BauGB entsprechenden unterschiedlichen Regelungen haben die jeweiligen Landesgesetzgeber bewusst eine unterschiedliche Haftung der Wohnungseigentümer normiert (vgl. Jennißen/Grziwotz, WEG (2008) § 10 Rn. 115 f; Schmidt ZWE 2009, 203, 204; s. ferner BayVGH aaO S. 319). Der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen hat sich bei der Einfügung von § 6 Abs. 5 KAG durch das am 17. Oktober 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung (GVBl. 2007, 380) für eine Regelung entschieden, die der in den Ländern Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland für Gebühren sowie der in § 8 Abs. 9 KAG-NW für Beiträge getroffenen entspricht (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform LT-Drucks. 14/4981, S. 73, 74). Die hiermit unter anderem in Bezug genommene Regelung im Saarland wird von der Rechtsprechung des für dieses Bundesland zuständigen Oberverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass ein Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner für die gesamte Abgabe haftet, wenn im Kommunalabgabenrecht die Schuldnerstellung an das Eigentum an einem Grundstück geknüpft ist und Sonderbestimmungen für Wohnungs- bzw. Teileigentum fehlen (OVG Saarland DÖV 1993, 165). Der beabsichtigte Regelungsinhalt kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass ihm durch eine Auslegung im Sinne von Kommunalabgabengesetzen anderer Länder eine andere Bedeutung beigemessen wird. Die von der Revisionserwiderung befürchteten möglichen nachteiligen Konsequenzen für die Beleihungskriterien der Banken und die Verkehrsfähigkeit von Wohnungseigentum in Nordrhein-Westfalen hat der Landesgesetzgeber zu verantworten, der eine bessere Sicherung der Kommunen und die Stabilisierung der Einnahmenseite der kommunalen Haushalte durch zu erwartende landesweite Mehreinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe als vorrangig angesehen hat (vgl. LT-Drucks. 14/4981, S. 74).

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bb) Die Vorschrift des § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG steht als höherrangiges Bundesrecht der landesgesetzlichen Regelung nicht entgegen. § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG betrifft nur die schuldrechtliche Haftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht den Umfang der kraft Gesetzes bestehenden öffentlichen Last auf dem Wohnungseigentum. Diese Vorschrift könnte allerdings mittelbar Einfluss auf die dingliche Last haben, wenn durch sie eine landesgesetzliche Regelung über eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer für das gesamte Grundstück betreffende Benutzungsgebühren ausgeschlossen wäre, weil die öffentliche Last akzessorisch zu der persönlichen Beitrags- bzw. hier Gebührenpflicht ist (vgl. BVerwG NJW 1985, 2658, 2659; Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, aaO § 134 Rn. 22; Driehaus, aaO § 27 Rn. 2, 8). In Rechtsprechung und Literatur ist aber geklärt, dass § 10 Abs. 6 und Abs. 8 WEG einer durch Landesgesetz angeordneten gesamtschuldnerischen persönlichen Haftung der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks nicht entgegen stehen (BGHZ 181, 304, 308 f Rn. 15 ff; Bärmann/Wenzel, WEG 10. Aufl. § 10 Rn. 310; Elzer in Riecke/Schmid, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl. § 10 Rn. 496a; Schmidt aaO; vgl. ferner (vor Inkrafttreten von § 10 Abs. 6 und Abs. 8 WEG) BVerwG NJW 2006, 791, 792 Rn. 13 ff; KG, NJW 2006, 3647 f; BayVGH ZMR 2007, 316, 318; a.A. Hager, FS für Spiegelberger (2009), 1213, 1214 f; Sauren ZMR 2006, 750, 752).

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cc) Schließlich erfordern entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder eine sonst eintretende Vervielfältigung der Gesamtlast entsprechend der Anzahl der Wohnungseigentumsrechte noch fehlende Rückgriffsmöglichkeiten eine abweichende Auslegung.

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(1) Die öffentliche Last endet mit dem Erlöschen der Gebührenschuld (vgl. BVerwG ZMR 1975, 283, 285; Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, aaO § 134 Rn. 23, 24; Driehaus, aaO § 27 Rn. 8 jeweils zu Beiträgen). Werden mehrere Wohnungseigentumsrechte versteigert und der Gebührenanspruch jeweils rechtzeitig (§ 45 Abs. 1, § 37 Nr. 4 ZVG) angemeldet, wird die in der Regel wegen eines der 4. Rangklasse angehörenden Rechts oder wegen einer in die 5. Klasse des § 10 ZVG gehörenden Anspruchs stattfindende Zwangsversteigerung bei der ersten Versteigerung zu einer Befriedigung des Gebührengläubigers führen, weil seine Forderung im geringsten Gebot zu berücksichtigen ist (vgl. Driehaus, aaO § 27 Rn. 18). Bei den Versteigerungen der weiteren Wohnungseigentumsrechte ist die öffentliche Last dann nicht mehr zu berücksichtigen.

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(2) Sofern die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner haften, wovon das Berufungsgericht ausgeht, bestehen Ansprüche des von der Zwangsversteigerung betroffenen Eigentümers nach § 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, die sich der betreibende Gläubiger aus einem persönlichen Titel gegen den Wohnungseigentümer pfänden und überweisen lassen kann. Handelt es sich um einen Grundschuldgläubiger, wird er in der Regel über einen solchen Titel verfügen oder ihn sich jedenfalls unschwer beschaffen können. Die danach eintretende Belastung der Grundpfandgläubiger überschreitet die verfassungsrechtliche Opfergrenze nicht.

III.

18

Die angefochtene Entscheidung ist damit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

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1. Das Berufungsgericht hat von seinem Standpunkt aus zutreffend noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Benutzungsgebühren grundstücksbezogen ausgestaltet sind. Hierfür ist der Inhalt der maßgeblichen Satzungen der Klägerin festzustellen und zu würdigen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30. Juni 1988 - IX ZR 141/87, NJW 1989, 107 ff; OLG Saarbrücken WM 2008, 179 f; LG Kleve KKZ 2010, 17 f; AG Dortmund ZMR 2008, 999 f).

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2. Die streitgegenständlichen Benutzungsgebühren sind zum überwiegenden Teil vor Inkrafttreten der Regelung in § 6 Abs. 5 KAG-NW am 17. Oktober 2007 entstanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt hieraus jedoch nicht, dass nur solche Benutzungsgebühren als öffentliche Lasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG anerkannt werden können, die nach diesem Datum entstanden sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung die Zwangsversteigerung bereits angeordnet war (LG Kleve aaO S. 18 f; a.A. AG Münster KKZ 2009, 230, 234, wonach alle erst nach dem 17. Oktober 2007 entstehenden Benutzungsgebühren öffentliche Lasten darstellen). Der Bundesgesetzgeber hat zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG dies in § 62 Abs. 1 WEG entsprechend geregelt.

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a) Der Landesgesetzgeber hat für § 6 Abs. 5 KAG-NW in Art. XI des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung keine Übergangsvorschrift vorgesehen. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung werden damit auch Benutzungsgebühren aus der Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung von der Einstufung als öffentliche Last erfasst (LG Kleve aaO). Aus Gründen des Vertrauensschutzes kann aber die Norm nicht unbegrenzt auf alle noch nicht erfüllten rückständigen Gebührenansprüche angewendet werden. Hierfür gelten begrenzend die Grundsätze über die echte und unechte Rückwirkung von Gesetzen. Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung liegt dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139, 145 f; BGH, Urt. v. 26. Januar 2005 - XII ZR 70/03, NJW 2005, 1428). Eine unechte Rückwirkung ist hingegen dann gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirkt und damit Rechtspositionen für die Zukunft entwertet (BVerfGE 101, 239, 263; BGH, Urt. v. 26. Januar 2005, aaO). Grenzen der Zulässigkeit können sich aber auch hier aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben; diese sind etwa dann überschritten, wenn die Bestandsinteressen des Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 101, 239, 263; BGH, Urt. v. 26. Januar 2005, aaO).

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b) Wenn die in § 6 Abs. 5 KAG-NW getroffene Neuregelung so ausgelegt würde, dass sie auch auf bereits durch eine Beschlagnahme begründete Rechtspositionen Einfluss hätte, so läge hierin zwar keine unzulässige echte Rückwirkung, weil es sich vor Verteilung des Versteigerungserlöses noch um keinen abgeschlossenen Tatbestand handelt. Gleichwohl ist eine solche Auslegung aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen. War zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung bereits die Beschlagnahme zugunsten des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers wirksam geworden (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 ZVG), hatte dieser bereits ein schutzwürdiges Vertrauen dahin erworben, dass seine Rechtsposition nicht durch die nachträgliche Begründung einer vorrangigen Belastung beeinträchtigt wird. Dieses Interesse überwiegt gegenüber dem der Kommunen an einer effektiven Durchsetzung des Gebührenaufkommens durch die nachträgliche Begründung einer Sicherheit für rückständige Gebühren.

23

c) Zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsversteigerung hat das Berufungsgericht noch keine Feststellungen getroffen. Soweit die Zwangsversteigerung bei Inkrafttreten von § 6 Abs. 5 KAG-NW am 17. Oktober 2007 noch nicht angeordnet war, sind grundstücksbezogene Benutzungsgebühren in vollem Umfang im Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG zu berücksichtigen. War die Anordnung dagegen vor diesem Zeitpunkt getroffen worden, können nur die ab dem 17. Oktober 2007 entstandenen Gebühren berücksichtigt werden.

Ganter                                    Raebel                                  Vill

                    Lohmann                                   Pape