Entscheidungsdatum: 22.03.2010
1. Die Regelung in §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO, wonach das Amt des Notars mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren erlischt, ist mit dem Grundgesetz vereinbar .
2. Sie verstößt auch nicht gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters .
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 3. August 2009 - 2 X (Not) 8/09 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner die in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert beträgt 50.000 €.
I.
Der Antragsteller wurde mit Urkunde vom 10. September 1979 für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt zum Notar mit Amtssitz in D. bestellt. Mit dem Ablauf des 31. März 2009 vollendete er das 70. Lebensjahr.
Er begehrt die Feststellung, dass sein Amt nicht gemäß §§ 47 Nr. 1, 48a der Bundesnotarordnung (BNotO) mit Ende dieses Monats durch Erreichen der Altersgrenze erloschen ist. Er vertritt die Auffassung, die in § 48a BNotO festgelegte Altersgrenze verstoße gegen seine verfassungsmäßigen Rechte und sei mit dem der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303/16 - nachfolgend: Richtlinie) zu entnehmenden Verbot der Diskriminierung aufgrund Alters nicht zu vereinbaren.
Seinen darauf gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der Antrag ist unbegründet, weil in der durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I 150) eingeführten Bestimmung des § 48a BNotO die Altersgrenze für die Ausübung des Notarberufs auf das Ende des Monats, in dem der Notar das 70. Lebensjahr vollendet, festgelegt ist. Mit Erreichen dieses Höchstalters scheidet der Notar kraft Gesetzes (§ 47 Nr. 1 BNotO) aus seinem Amt, ohne dass es dazu eines gesonderten Vollzugsaktes bedarf.
1. Diese Regelung, durch die der Notar seine ihm nach der Bundesnotarordnung bis dahin zugewiesene Stellung als Träger eines öffentlichen Amtes verliert, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden hat (BVerfG DNotZ 1993, 260 ff.; bestätigend NJW 2008, 1212 Tz. 15; zu der in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO bestimmten Altersgrenze für die erstmalige Bestellung zum Notar vgl. Senat in BGHZ 174, 273 Tz. 16 ff.; Beschluss vom 14. Dezember 1992 - NotZ 53/92 - BGHR BNotO [n.F.] § 6 Abs. 1 Satz 2 - Altersgrenze 1).
a) Die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren für die Ausübung des Notarberufs beschränkt die Berufswahlfreiheit, denn über einen Verbleib im Amt und damit eine Fortsetzung seiner Tätigkeit kann der Notar nicht frei entscheiden. Die Vorschriften der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO kommen daher einer subjektiven Zulassungsbeschränkung gleich (BVerfG DNotZ 1993 aaO 261; NJW 2008 aaO Tz. 13; BVerfGE 1, 264, 274 f.; 9, 338, 344 ff.; 64, 72, 82).
b) Diese wird indes den strengen verfassungsmäßigen Anforderungen gerecht, wie sie sich aus Art. 12 Abs. 1 GG für Einschränkungen der Berufswahlfreiheit ergeben. Das Regelungsziel der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO besteht vorrangig darin, im Interesse einer funktionstüchtigen Rechtspflege eine geordnete Altersstruktur (vgl. § 4 Satz 2 BNotO) innerhalb des Notarberufs zu erreichen. Rechtsuchenden, die auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege auf die Inanspruchnahme notarieller Leistungen (§ 1 BNotO) angewiesen sind, sollen Notare unterschiedlichen Lebensalters zur Verfügung stehen, die aufgrund der Anzahl und Art ihrer Amtsgeschäfte auf allen Gebieten des Notariats über ein Mindestmaß an Berufserfahrung verfügen. Das ist nur gewährleistet, wenn hinreichend Stellen für alle Altersgruppen vorhanden sind. Die Zulassungspraxis muss somit Bedürfnisgesichtspunkten Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 73, 280, 293). Einer beliebigen Vermehrung von Notarstellen steht dabei entgegen, dass immer nur so viele Stellen geschaffen werden dürfen, wie sie dem jeweiligen Amtsinhaber ein solches Maß an finanzieller Unabhängigkeit gewährleisten, dass er sich nötigenfalls wirtschaftlichem Druck widersetzen kann (BGHZ 67, 348, 351; 73, 54, 57; Senatsbeschlüsse vom 20. November 2006 - NotZ 23/06 - juris Tz. 12; vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05 - DNotZ 2005, 947, 949).
c) Daher ist es zwingend geboten, dass lebensältere Notare die von ihnen eingenommenen Stellen mit Erreichen der Höchstaltersgrenze für lebensjüngere Amtsinhaber freimachen. Denn jüngere Berufsbewerber können nur auf diesem Wege bei der Besetzung von Notarstellen Berücksichtigung finden. Will der Gesetzgeber erreichen, dass die Altersstruktur harmonisiert und auch durch jüngere Notare mitgeprägt wird, muss er Vorkehrungen treffen, damit diese in altersbedingt frei werdende Notarstellen nachrücken können. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer Überalterung der Amtsinhaber, der allein durch eine feste Altersgrenze verlässlich vorgebeugt werden kann. Denn Rechtsuchende könnten sich sonst in zunehmendem Maße nur noch an lebensältere Notare wenden, deren Berufserfahrung zudem geringer sein könnte, weil sie durch das fehlende altersbedingte Ausscheiden der bereits amtierenden Notare ihrerseits entsprechend später zum Notar bestellt worden sind. Das würde die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege und die in § 4 BNotO gegenüber der Allgemeinheit statuierte Pflicht gefährden, Notare nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen. Die Regelung in den §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO dient damit einem Gemeinschaftsgut von besonderem Gewicht, das Einschränkungen auch in der Freiheit der Berufswahl rechtfertigt. Dem Gesetzgeber ist in Umsetzung dieses legitimen Gemeinwohlgrundes ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, der durch die Festlegung von Altersgrenzen nicht überschritten wird (vgl. BVerfGE 103, 172, 185 = NJW 2001, 1779 juris Tz. 41, 43, 64 ff. zur Altersgrenze bei der Zulassung vertragsärztlicher Versorgung).
d) Die Einführung eines Höchstalters für amtierende Notare von 70 Jahren, das deutlich über der allgemeinen (Renten-)Altersgrenze von derzeit 65 bzw. 67 Jahren liegt, erweist sich zudem als verhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat für die bei Inkrafttreten des Gesetzes vom 29. Januar 1991 amtierenden Anwaltsnotare - so auch für den Antragsteller - in Artikel 3 eine Übergangsregelung geschaffen. Diese ermöglichte es jedem damals bestellten Notar, der das 58. Lebensjahr bereits vollendet hatte, für weitere 12 Jahre im Amt zu bleiben. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine Amtstätigkeit von nochmals 12 Jahren genügte, um die im Hinblick auf die Amtsübernahme getätigten Investitionen zu erwirtschaften und eine Umstellung der für das Alter in Aussicht genommenen Vorsorge vorzunehmen.
e) Auch sonstige Grundrechtsverletzungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere gestattet Art. 33 Abs. 5 GG die Festsetzung von Altersgrenzen für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (vgl. BVerfGE 71, 255, 268, 270). Das in Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG geregelte verfassungsrechtliche Gleichheitsprinzip ist ebenfalls nicht verletzt. Aus den bereits angeführten Gründen wird die Benachteiligung von Notaren aufgrund ihres Alters gegenüber anderen Angehörigen ihrer Berufsgruppe durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Indem der Gesetzgeber die Vollendung des 70. Lebensjahres als (absolute) Grenze gewählt hat, hat er zudem von seiner Befugnis zur Typisierung in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (vgl. BVerfGE 27, 142, 150; 103, 172, 194).
f) Schließlich hindert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§§ 1, 24 AGG) die Anwendung der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO nicht. Als einfaches Bundesgesetz steht es mit der Bundesnotarordnung in der Normenhierarchie auf derselben Stufe. Dabei erweisen sich die Vorschriften der Bundesnotarordnung über das Erlöschen des Notaramtes als spezieller und sind damit gegenüber den §§ 1, 24 AGG vorrangig (vgl. BGHZ 174 aaO Tz. 15 zu den Voraussetzungen für die Bestellung zum Notar gemäß §§ 5 ff. BNotO).
2. Die Regelung in §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO ist überdies nicht wegen Verstoßes gegen das aus der Richtlinie folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters unwirksam.
a) Diese Richtlinie ist auf den Zugang zum selbständigen Notariat nicht anwendbar (vgl. bereits Senat in BGHZ 174 aaO Tz. 25 ff.), weil die Zuständigkeit für das Berufsrecht der Notare nicht auf die Gemeinschaft übertragen ist.
(1) Zwar bestimmt Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie, dass sie "für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen … in Bezug auf die Bedingungen - einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen - für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit" gilt. Dies legt jedoch nur auf erste Sicht ihre Anwendbarkeit auch für den Zugang zum selbständigen Notariat nahe. Denn die Richtlinie beansprucht nach der einleitenden Formulierung ihres Art. 3 Abs. 1 nur "im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten" Geltung (EuGH, Urteile vom 5. März 2009 - C-388/09 - Age Concern England Rn. 24 und vom 12. Januar 2010 - C-341/08 - Domnica Petersen - NJW 2010, 587, 588 Rn. 32). Dies greift die in Art. 13 Abs. 1 EGV enthaltene Beschränkung der Zuständigkeit des Rates für Vorkehrungen gegen Diskriminierungen auf. Diese Einschränkung bedeutet, dass keine umfassende Zuständigkeit des Rates zum Vorgehen gegen Diskriminierung besteht, er vielmehr nur im Rahmen der nach dem Prinzip der Einzelermächtigung (Art. 5 EGV) bereits auf die Gemeinschaft übertragenen Rechtsetzungskompetenzen handeln darf (BGHZ 174 aaO).
(2) Als Kompetenznorm für die hier in Rede stehende Richtlinie kommt allein Art. 137 EGV in Betracht, der indes ausschließlich Regelungen über arbeitsrechtliche Verhältnisse betrifft. Auch soweit in Art. 137 EGV einzelne weiter gefasste Tatbestände enthalten sind - insbesondere in Abs. 1 lit. b für die Arbeitsbedingungen, zu denen grundsätzlich auch der Schutz vor Diskriminierung zählt -, lässt sich hieraus eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Regelung des Zugangs zu selbständigen Tätigkeiten, insbesondere zum "freien" Notariat, nicht herleiten.
aa) Der Notar ist unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Seine Hauptaufgabe besteht in der Beurkundung von Rechtsvorgängen (§ 1 BNotO), also in der Ausübung freiwilliger Gerichtsbarkeit. Daneben ist ihm eine Anzahl anderer Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege übertragen. Dazu gehören beispielsweise die Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen (§ 22 Abs. 2 BNotO), die freiwillige Versteigerung insbesondere von Grundstücken (§ 20 Abs. 3 BNotO) und gemäß landesrechtlicher Zuständigkeitsregelung Aufgaben auf dem Gebiete des Nachlasswesens (vgl. § 20 Abs. 4 BNotO). Es bedarf keiner näheren Begründung, dass "Rechtspflege" und "freiwillige Gerichtsbarkeit" originäre Staatsaufgaben sind. Der Notar nimmt, soweit er diese Tätigkeiten ausführt, daher staatliche Funktionen wahr (vgl. BVerfGE 17, 371, 377 f.); die Vorschrift des § 1 BNotO bezeichnet ihn mit Recht als "Träger eines öffentlichen Amtes".
bb) Dem entspricht die rechtliche Ausgestaltung seines Amtsverhältnisses. Ihm sind ein Amtsbezirk (§ 11 BNotO) und ein Amtssitz (§ 10 BNotO) zugewiesen. Er führt ein Amtssiegel (§ 2 BNotO), leistet einen Amtseid (§ 13 BNotO) und darf grundsätzlich nicht zugleich Inhaber eines besoldeten Amtes sein (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Seine Amtsgewalt gewährt ihm das Recht, ohne Zwischenschaltung anderer staatlicher Stellen seine Kostenrechnungen selbst für vollstreckbar zu erklären und beitreiben zu lassen (§ 155 KostO). Seine besondere Stellung zeigt sich auch in der Haftung für Pflichtverletzungen. Er haftet nicht aus Vertrag wie der Rechtsanwalt, sondern entsprechend § 839 BGB aus Amtspflichtverletzung, wenn auch die Staatshaftung - anders als beim Beamten - für ihn nicht eintritt (§ 19 BNotO).
cc) Der Notar fällt somit ersichtlich nicht unter den Arbeitnehmerbegriff, wie ihn Art. 137 EGV zugrunde legt. Zwar wird dieser von den verschiedenen Normen des europäischen Primär- und Sekundärrechts nicht ausdrücklich definiert und ist überdies autonom zu bestimmen, so dass er nicht notwendig mit dem Arbeitnehmerbegriff des nationalen Rechts übereinstimmen muss. Dennoch ist zentrales, auch für Art. 137 EGV maßgebliches (organisatorisches) Kriterium, dass der Arbeitnehmer eine fremdbestimmte Arbeitsleistung erbringt, er mithin während einer festgelegten Arbeitszeit den Weisungen eines anderen - seines Arbeitgebers - unterliegt (Schwarze/Rebhahn/Reiner, EU-Kommentar 2. Aufl. Art. 137 EGV Rn. 4 ff., 14).
Daran fehlt es für das Berufsrecht der Notare, auch wenn öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse von Art. 137 EGV nicht grundsätzlich ausgenommen sind (Schwarze/Rebhahn/Reiner aaO Rn. 11) und der Beruf des Notars sowohl nach der Eigenart der ihm übertragenen Aufgaben wie nach der positiven Ausgestaltung seines Berufsrechts dem öffentlichen Dienst sehr nahe gerückt ist (BVerfGE aaO 379). Der Notar untersteht zwar der Dienstaufsicht der Landesjustizverwaltung (§ 92 BNotO). Diese umfasst indes nur turnusmäßige Geschäftsprüfungen oder diesen vergleichbare Maßnahmen (§ 93 Abs. 1 BNotO), die die allgemeine Amtsausübung und ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften zum Gegenstand haben, mit denen aber kein Einfluss auf konkrete Amtsgeschäfte genommen werden kann. Dadurch wäre die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars gefährdet, die das Gesetz für seine Amtsführung ausdrücklich vorsieht (§§ 14 Abs. 2, 28 BNotO).
dd) Angesichts dieser besonderen, einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ähnlichen Stellung des Notars kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht darauf an, dass Art. 44 Abs. 1 und 2 EGV den Rat ermächtigen, Maßnahmen zur Durchsetzung der Niederlassungsfreiheit zu treffen. Daraus folgt für das Berufsrecht der Notare ebenfalls keine "auf die Gemeinschaft übertragene Zuständigkeit" i.S. des Art. 13 Abs. 1 EGV.
b) Aber selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art. 1 i.V. mit Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 lit. a der Richtlinie) nicht vor.
(1) Nach ihrem 14. Erwägungsgrund berührt die Richtlinie nicht die einzelstaatlichen Regelungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand, denen die gesetzgeberische Festlegung einer Höchstgrenze für das altersbedingte Erlöschen des Notaramtes gleichzusetzen ist. Damit ist klargestellt, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht hindert, das jeweilige Alter - hier die Vollendung des 70. Lebensjahres - zu bestimmen, das für den Eintritt in den Ruhestand maßgeblich sein soll. Hingegen hat die Richtlinie Geltung für die nationalen Maßnahmen, mit denen die Bedingungen geregelt werden, unter denen ein Arbeitsvertrag endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte Ruhestandsalter erreicht wird (EuGH, Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 25; Urteil vom 16. Oktober 2007 - C-411/05 Palacios de la Villa - NJW 2007, 3339, 3341 Rn. 44).
(2) Die Regelungen der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO sehen mit Erreichen der Altersgrenze das Ausscheiden des Notars aus seinem Amt kraft Gesetzes vor. Sie wirken sich auf die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aus, weil sie seinen Verbleib im Amt hindern und damit seine weitere Teilnahme am aktiven Berufsleben beschränken. Eine solche nationale Bestimmung enthält somit Vorschriften über die "Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen" i.S. von Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie (EuGH, Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 27 f.).
(3) Nach dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie stellt das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist in diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.
Daran knüpft Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie an. Rechtliche Regelungen der Mitgliedstaaten, die Ungleichbehandlungen wegen des Alters vorsehen, stellen danach keine unzulässige Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen sind, im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und beruflicher Bildung, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels ihrerseits angemessen und erforderlich sind.
(4) Bei der Wahl ihrer Mittel verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Wertungsspielraum. Seine Ausschöpfung darf lediglich nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots einer Diskriminierung wegen des Alters ausgehöhlt wird. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften für den Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik ausdrücklich ausgesprochen (Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 "Mangold" - Slg. 2005 I-9981, 10037 Rn. 63; Urteil vom 16. Oktober 2007 - C-411/05 Palacios de la Villa - NJW 2007, 3339, 3341 Rn. 68; Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 45; Schlussantrag des Generalanwalts Ján Mazák vom 15. Februar 2007 in der Sache C-411/05 - http://curia.europa.eu - Rn. 73 f.). Gleiches hat aber auch für sonstige Regelungsbereiche zu gelten. Die für die Anerkennung des weiten Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten in der Arbeits- und Sozialpolitik maßgebende Erwägung, dass es in derart komplexen Fragestellungen nicht Sache des Gerichtshofs sein kann, die Beurteilung des nationalen Gesetzgebers zu ersetzen (vgl. BGHZ 174 aaO Tz. 29), gilt für andere Bereiche, wie hier die vorsorgende Rechtspflege, gleichermaßen.
(5) Hieran gemessen genügen die §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie. Sie verfolgen zum einen das legitime Ziel der Sicherung einer funktionstüchtigen vorsorgenden Rechtspflege durch Wahrung einer geordneten Altersstruktur und verwirklichen - unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Amtes des Notars - zum anderen ein rechtmäßiges Ziel im Bereich des Arbeitsmarktes und der Beschäftigungspolitik entsprechend dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie. Ein solches Ziel bestimmt sich in erster Linie danach, dass es - wie hier - im Allgemeininteresse steht und nicht von rein individuellen Beweggründen des Arbeitgebers getragen ist (EuGH, Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 46). Daher kommt es im gegebenen Fall nicht darauf an, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie eine Ungleichbehandlung aus anderen als sozialpolitischen Zielen, insbesondere aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung, überhaupt legitimieren kann (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 - (A) Rn. 58 vollständig wiedergegeben bei juris).
(6) Die Regelung der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO dient ferner einem legitimen Ziel i.S. des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, weil sie darauf gerichtet ist, hinsichtlich der Berufsgruppe der Notare die Berufschancen zwischen den Generationen zu verteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - C-341/08 - Domnica Petersen Rn. 65 ff.) Die unterschiedliche Behandlung von Notaren, die ein bestimmtes Lebensalter bereits erreicht haben, und lebensjüngeren Notaren ist dadurch gerechtfertigt, dass anderenfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet wäre, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere Bewerber freimachen. Die Nachteile, die die mit Vollendung des 70. Lebensjahres vom Erlöschen ihres Amtes betroffenen Notare durch die Altersgrenze erfahren, sind gegenüber der dadurch bewirkten Wahrung der Belange einer vorsorgenden Rechtspflege, insbesondere der Sicherung einer geordneten Altersstruktur, angemessen und erforderlich i.S. des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie. Zugleich wird den Interessen der lebensjüngeren Anwärter auf das Notaramt - beschäftigungspolitisch - dadurch Rechnung getragen, dass ihnen mit der gleichen Planbarkeit und Vorhersehbarkeit die berufliche Perspektive eröffnet ist, den von ihnen angestrebten Beruf des Notars, der in seiner Vorbereitung einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordert, binnen angemessener Zeit ausüben zu können.
(7) Die Regelung betrifft schließlich nicht, was der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in dem "Mangold-Urteil" (aaO Rn. 65) in Bezug auf § 14 Abs. 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966) beanstandet hat, einen allein durch sein Lebensalter abgegrenzten Personenkreis, dem ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsmarkts Benachteiligungen auferlegt werden. Vielmehr regeln die Bestimmungen den Zugang zu einem einzigen Beruf, der zudem besondere fachliche Qualifikationen voraussetzt (vgl. insbesondere § 5, § 6 Abs. 2 und § 7 BNotO), so dass nur ein kleiner, auch durch inhaltliche Kriterien abgegrenzter Personenkreis von der Regelung betroffen ist. Zudem trägt diese gerade den spezifischen Anforderungen des Berufs Rechnung. Damit erfüllen die §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO - ebenso wie § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO (BGHZ 174 aaO Tz. 30) - die in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie geforderten Voraussetzungen der Verfolgung eines legitimen Ziels, der objektiven Veranlassung sowie der Angemessenheit und der Erforderlichkeit der mitgliedstaatlichen Regelung.
c) Ein Verstoß der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO gegen das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, das der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005 aaO S. I-10040 Rn. 75) zum ungeschriebenen Primärrecht zählt, scheidet gleichfalls aus. Ist nämlich, wie hier, eine ungleiche Behandlung nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie durch sachliche Erwägungen legitimiert und verhältnismäßig, kann sie auch nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot verstoßen (vgl. für die Parallelität der Maßstäbe EuGH, Urteil vom 22. November 2005 aaO S. I-10040 Rn. 75 f.; BGHZ 174 aaO Tz. 32).
d) Zur Klärung der Fragen, ob die Richtlinie die Regelungen des Berufsrechts für Notare erfasst bzw. die §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO eine nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässige Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters beinhalten oder gegen das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht erforderlich.
(1) Zwar ist der Senat gemäß Art. 234 Abs. 3 i.V. mit Abs. 1 lit. b EGV als innerstaatlich letztinstanzlich entscheidendes Gericht grundsätzlich verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuholen, wenn Gemeinschaftsrecht auszulegen ist. Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt jedoch dann, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - 283/81 "CILFIT" - Slg. 1982, 3415, 3429 f., Rn. 14 ff. und vom 15. September 2005 - C-495/03 "Intermodal Transports" - Slg. 2005, I-8191, 8206 Rn. 33 und ständig). Das innerstaatliche Gericht darf davon ausgehen, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 aaO S. 3430 Rn. 16).
(2) Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, haben die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft Berücksichtigung zu finden (EuGH, Urteil vom 15. September 2005 aaO). Weiterhin ist die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungstandes zur Zeit der Anwendung auszulegen (z.B.: Schlussanträge der Generalanwältin Christine Stix-Hackl in der Rechtssache C-495/03 Slg. 2005 I-8151, 8174 Rn. 82). Ob nach Maßgabe dieser Kriterien die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist und keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, so dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verzichtbar ist, bleibt allerdings allein der Beurteilung des nationalen Gerichts überlassen (EuGH, Urteil vom 15. September 2005 aaO S. I-8207 f. Rn. 37; Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 50).
(3) Unter Beachtung dieser hohen Hürden ist es zur Überzeugung des Senats offenkundig und unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass die in §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO bestimmte Altersgrenze nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfällt, jedenfalls aber eine gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässige Ungleichbehandlung darstellt. Die für diese Beurteilung maßgeblichen Kriterien sind teilweise bereits durch den Gerichtshof geklärt und liegen im Übrigen auf der Hand.
aa) Für die Frage, ob die Richtlinie für das Berufsrecht der Notare Geltung hat, verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen.
bb) Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie enthält unbestimmte Rechtsbegriffe ("legitimes Ziel" und "angemessen"), die dem nationalen Gericht einen Beurteilungsspielraum eröffnen (BGHZ 174 aaO Rn. 36). Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der "Mangold-Entscheidung" (aaO S. I-10037 Rn. 63) bezogen auf die Arbeits- und Sozialpolitik bestätigt (so auch Urteil vom 16. Oktober 2007 aaO). Zugleich steht aufgrund dieser Entscheidung fest, dass der mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie eröffnete Beurteilungsspielraum dem einzelnen Mitgliedstaat zusteht (aaO), wie auch die Bezugnahme auf den "Rahmen des nationalen Rechts" in der Vorschrift und das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV) nahe legen. Dass dieser Bewertungsspielraum auch für andere Bereiche gelten muss, jedenfalls für solche, hinsichtlich derer - wie beim Zugang zum Notariat - keine sonstigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen bestehen, kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - C-341/08 - Domnica Petersen Rn. 73).
cc) Hieraus folgt weiter, dass bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht eine "punktgenaue" Auslegung derselben notwendig ist, bei der es in der Regel schwierig sein wird, zu einem völlig eindeutigen Resultat zu gelangen. Vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob der mitgliedstaatliche Gesetzgeber den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Der dafür anzulegende Maßstab (vgl. Vorlagebeschluss des BAG vom 17. Juni 2009 aaO Rn. 64) kann hier offen bleiben. Die vom Antragsteller beanstandete Altersgrenze ist keine offensichtlich unverhältnismäßige nationale Maßnahme (vgl. BGHZ 174 aaO Rn. 37). Sie hielte aber auch einer strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung stand (dazu BAG aaO; EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 "Mangold" - Slg. 2005 I-9981, 10037 Rn. 65). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist selbst unter der Voraussetzung gewahrt, dass bei Ausnahmen von einem Individualrecht die Erfordernisse des Diskriminierungsverbotes soweit wie möglich mit denen des angestrebten Ziels in Einklang gebracht werden müssen; das ist bei einer Altersgrenze von (erst) 70 Jahren wiederum ersichtlich der Fall.
dd) Ebenso ist offenkundig, dass das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot nicht verletzt ist, wenn eine Ungleichbehandlung nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässig ist.
Galke Kessal-Wulf Appl
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