Entscheidungsdatum: 07.05.2015
1. Werden Sozialversicherungsbeiträge mehrere Monate verspätet abgeführt, kann daraus auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners und einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.
2. Auch nach neuem Verjährungsrecht hemmt die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe die Klageforderung übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bestimmten Teilansprüche.
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Revision der Beschluss des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. April 2014 und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 13. November 2013 teilweise aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 74.152,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 6 v.H. und die Beklagte 94 v.H..
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 23. Februar 2009 über das Vermögen der A. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. April 2009 eröffneten Insolvenzverfahren.
Die Schuldnerin geriet seit November 2007 mit ihrer Verpflichtung zur monatlichen Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen gegenüber der Beklagten in Rückstand. Ab Beginn des Jahres 2008 überwies sie die Beiträge mit einer zeitlichen Verspätung von zwei bis drei Monaten. Die Zahlungen, die wiederholt lediglich Teilbeiträge umfassten, wurden von bei verschiedenen Kreditinstituten unterhaltenen Konten der Schuldnerin vorgenommen. Die Beklagte sowie weitere Einzugsstellen, die D. , die T. und die A. , leiteten wegen Zahlungsrückständen Vollstreckungsverfahren gegen die Schuldnerin ein. Außerdem wurden von der Schuldnerin weitere fällige Verbindlichkeiten - auch gegenüber der Finanzverwaltung - nicht bedient.
Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung Erstattung der von der Schuldnerin vom 17. Januar bis 19. November 2008 durch 18 Einzelüberweisungen an die Beklagte erbrachten Zahlungen in Höhe von 79.147,38 €. Die Vordergerichte haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Revision hat Erfolg und führt zur weitgehenden Verurteilung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Eine Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin könne nicht festgestellt werden. Die mindestens halbjährige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen deute auf eine Zahlungseinstellung oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit hin. Ein Rückstand von sechs Monaten habe hier bei keiner der angefochtenen Zahlungen vorgelegen, vielmehr habe sich die Schuldnerin überwiegend mit zwei, kurzfristig mit drei Monatsbeiträgen im Rückstand befunden. Zwar seien die Zahlungen über drei verschiedene Konten geleistet worden. Dennoch könne bei derartigen Rückständen noch von den Auswirkungen eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses ausgegangen werden, der keine drohende Zahlungsunfähigkeit darstelle.
Auch die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen begründe keine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Zahlungen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung müssten keine für den Gläubiger erkennbare Zahlungseinstellung indizieren. Zwangsmaßnahmen habe die Schuldnerin durch die Zahlungen abwenden können, was für eine ausreichende Liquidität spreche.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage findet in Höhe eines Betrages von 74.152,20 € ihre Grundlage in § 133 Abs. 1 InsO.
1. Die im Zeitraum des Jahres 2008 bewirkten Überweisungen stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar. Auch soweit der Schuldner - wie hier - zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung leistet, ist eine anfechtbare Rechtshandlung gegeben. Er ist dann noch in der Lage, über den angeforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen. Anstatt ihn an den Gläubiger zu zahlen, kann er ihn auch selbst verbrauchen, Dritten zuwenden oder Insolvenzantrag stellen und den Gläubiger davon in Kenntnis setzen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08, WM 2010, 360 Rn. 10; vom 21. November 2013 - IX ZR 128/13, WM 2014, 44 Rn. 7). Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO bewirkt (BGH, Urteil vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 15; vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, WM 2015, 623 Rn. 47). Die Anfechtungsfrist ist gewahrt.
2. Die Schuldnerin hat die Zahlungen mit dem Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO).
a) Der Benachteiligungsvorsatz folgt daraus, dass die Schuldnerin die Zahlungen im Stadium der Zahlungsunfähigkeit erbracht hat.
Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rn. 14 mwN; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 15; vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, WM 2013, 180 Rn. 14). In diesen Fällen handelt der Schuldner ausnahmsweise nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (BGH, Urteil vom 22. November 2012 - IX ZR 62/10, WM 2013, 88 Rn. 7; vom 10. Januar 2013, aaO; vom 5. Dezember 2013 - IX ZR 93/11, WM 2014, 170 Rn. 9). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - eine kongruente Leistung angefochten wird (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013, aaO Rn. 15; vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 22).
b) Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015, aaO Rn. 18). So verhält es sich im Streitfall.
aa) Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, WM 2013, 1993 Rn. 10 mwN; vom 8. Januar 2015 - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 16).
bb) Bei der Schuldnerin haben sich mehrere eine Zahlungseinstellung begründende Beweisanzeichen verwirklicht.
Die Schuldnerin hat die Forderung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 22. August 2007, die mithin schon vor den angefochtenen Zahlungen fällig war, bis zur Verfahrenseröffnung nicht beglichen, was schon für sich genommen den Rückschluss auf eine Zahlungseinstellung gestattet (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 12, 15). Ein weiteres Indiz für eine Zahlungseinstellung manifestiert sich in der schleppenden Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 24; vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 15), welche die Schuldnerin sowohl gegenüber der Beklagten als auch weiteren Einzugsstellen verspätet entrichtete. Die zwecks Durchsetzung dieser Forderungen von den Einzugsstellen gegen die Schuldnerin betriebenen Vollstreckungsverfahren, welche die Schuldnerin durch Zahlungen abzuwenden suchte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 32), legten zusätzlich die Schlussfolgerung einer Zahlungseinstellung nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2006 - IX ZB 118/04, WM 2006, 1215 Rn. 14; Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 17; vom 8. Januar 2015 - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 23). Ein weiteres Indiz hat sich in der Nichtzahlung beziehungsweise der schleppenden Zahlung von Steuerforderungen verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 16; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 36). Damit hat die Schuldnerin infolge der ständigen verspäteten Begleichung auch ihrer sonstigen Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben und ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiert (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO; Urteil vom 8. Januar 2015, aaO Rn. 23). Bei dieser Sachlage ist von einer der Schuldnerin bekannten Zahlungsunfähigkeit und damit einem Benachteiligungsvorsatz auszugehen.
3. Dieser Benachteiligungsvorsatz wurde entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts von der Beklagten erkannt.
a) Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rn. 15; vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 28 mwN). Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, WM 2013, 180 Rn. 24 f).
b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die (mindestens drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkannt, weil ihr verschiedene auf eine Zahlungseinstellung hindeutende Beweisanzeichen offenbar wurden.
aa) Schon eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise, die sich hier spätestens seit Anfang des Jahres 2008 im Verhältnis zu der Beklagten ausgeprägt hat, kann Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, WM 2013, 1993 Rn. 12). Eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes ist in der Regel anzunehmen, wenn - wie im Streitfall - die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es bei dem gewerblich tätigen Schuldner noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 29).
bb) Besonderes Gewicht für den Nachweis einer Zahlungseinstellung kommt dem Beweisanzeichen der Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen zu, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit (§ 266a StGB) bis zuletzt entrichtet werden. Eine mehrmonatige - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht notwendig sechsmonatige - Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist geeignet, eine Zahlungseinstellung nahezulegen (BGH, Beschluss vom 13. April 2006 - IX ZB 118/04, WM 2006, 1215 Rn. 14; vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, WM 2006, 1631 Rn. 6; Urteil vom 7. November 2013 - IX ZR 49/13, WM 2013, 2272 Rn. 13). Eine solche Gestaltung ist im Streitfall gegeben, weil die Schuldnerin die Sozialversicherungsbeiträge gegenüber der Beklagten ab Ende des Jahres 2007 und damit dem Beginn des hier einschlägigen Zahlungszeitraums fortlaufend mit einer Verzögerung von zwei bis drei Monaten entrichtete. Angesichts des sich über rund elf Monate erstreckenden Zahlungsverzuges entbehrt die Annahme eines lediglich vorübergehenden Liquiditätsengpasses einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 30; Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 44).
cc) Neben dem Beitragsrückstand traten weitere auf eine Zahlungseinstellung deutende Indizien hinzu (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 187). Seit Beginn des Jahres 2008 konnte die Beklagte Beitragszahlungen der Schuldnerin nur unter Anwendung von Vollstreckungsdruck erwirken, was die kritische Liquiditätslage der Schuldnerin unterstrich (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012, aaO). Überdies leistete die Schuldnerin ab Anfang des Jahres 2008 wiederholt bloße Teilzahlungen über bei unterschiedlichen Kreditinstituten unterhaltenen Konten an die Beklagte. Diese Umstände ließen strategische Zahlungen der Schuldnerin, die sich zur Schonung ihrer schwindenden Liquidität auf Teilzahlungen über gerade eine hinreichende Deckung ausweisende Konten beschränkte, und mithin eine Zahlungseinstellung erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 34; vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 19). Diese Gegebenheiten trugen auch aus der Sicht der Beklagten zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten (BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 23). Bereits diese Umstände begründen eine Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, die der Beklagten im Stadium der mindestens drohenden Zahlungsunfähigkeit ersichtlich bevorzugt Zahlungen zukommen ließ.
dd) Darüber hinaus hat die Beklagte im Rahmen der wegen Beitragsrückständen in Gang gesetzten Vollstreckungsverfahren ab August 2008 von der Zahlungseinstellung der Schuldnerin Kenntnis erlangt.
(1) Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO sind der Beklagten Kenntnisse des Hauptzollamts, dessen sie sich bei der Vollstreckung ihrer Bescheide nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 4 Buchst. b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 FVG bedient hat, über von weiteren Einzugsstellen wegen Beitragsrückständen gegen die Schuldnerin betriebenen Vollstreckungsverfahren entsprechend § 166 Abs. 1 zuzurechnen (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2013 - IX ZR 115/12, WM 2013, 567 Rn. 4 ff). Aus dem hier gemäß § 5 Abs. 1 VwVG anzuwendenden § 252 AO folgt eine gesetzliche Fiktion, nach der Gläubiger des zu vollstreckenden Anspruchs die Vollstreckungsbehörde wird, die mit der Vollstreckung beauftragt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Vollstreckungsbehörde Ansprüche anderer Körperschaften vollstreckt (BGH, aaO Rn. 5). Soweit es um die Vollstreckung geht, tritt die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht neutral gegenüber allen Beteiligten auf, sondern rückt in die Gläubigerstellung der Behörde ein, in deren Auftrag sie vollstreckt. Kenntnisse, die sie hinsichtlich einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund dieser Stellung erlangt, sind gegebenenfalls für die ersuchende Behörde zu sammeln und an diese weiterzuleiten. Diese Aufgabe der ersuchten Vollstreckungsbehörde rechtfertigt es, die von ihr erlangten Kenntnisse der ersuchenden Behörde zuzurechnen. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, nach der jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen muss, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können, und es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten (BGH, aaO Rn. 6). Vor diesem Hintergrund hatte das Hauptzollamt die hinsichtlich der Finanzlage der Schuldnerin bei ihr eingehenden Informationen zusammenzuführen. Aufgrund der Vertreterstellung des Hauptzollamts war die Beklagte auch über die von der D. , der T. und der A. gegen die Schuldnerin geführten Vollstreckungsverfahren, die eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin offenbarten, unterrichtet.
(2) Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass die Beklagte nicht davon ausgehen durfte, im Wege der Zwangsvollstreckung und nicht auf der Grundlage von Rechtshandlungen des Schuldners befriedigt worden zu sein. Vielmehr ist ihr auch insoweit das Wissen des Hauptzollamts zuzurechnen, wonach der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte.
4. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.
a) Die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs richtet sich gemäß § 146 Abs. 1 InsO nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß § 195 Abs. 1 BGB verjährt der Anfechtungsanspruch grundsätzlich nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Da das Insolvenzverfahren am 1. April 2009 eröffnet und zugleich der Rückgewähranspruch fällig wurde (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 20), kann die Verjährungsfrist frühestens zum 31. Dezember 2012 angelaufen sein. Die Klage wurde jedoch bereits am 27. Dezember 2012 unter Beifügung eines Kostenvorschusses bei Gericht eingereicht und der Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) am 11. Januar 2013 zugestellt.
b) Die mit einer Klageerhebung verbundene Hemmung der Verjährung scheitert nicht an einer unzureichenden Aufgliederung der verfolgten Einzelforderungen.
aa) Liegt zunächst nur ein Antrag wegen verschiedener Teilansprüche vor, so ist der Bundesgerichtshof auf der Grundlage der bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) maßgeblichen Rechtslage davon ausgegangen, dass die Verjährung für jeden hinreichend individualisierten Teilanspruch in Höhe der Gesamtsumme unterbrochen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1987 - VII ZR 189/86, NJW-RR 1988, 692, 693). Die nachträgliche Aufgliederung einer Teilklage, der mehrere nach Datum und Betrag bezeichnete Ansprüche zu Grunde lagen, wurde zugelassen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 - XI ZR 312/99, NJW 2001, 305, 307). Voraussetzung für die fortdauernde Unterbrechung der Verjährung war lediglich, dass im Laufe des Rechtsstreits aufgeschlüsselt wurde, aus welchen Forderungen oder Teilbeträgen von Forderungen sich die geltend gemachte Klagesumme zusammensetzt (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 1996 - VIII ZR 315/94, NJW-RR 1996, 885, 886). Danach unterbrach eine Teilklage, mit der verschiedene Ansprüche geltend gemacht wurden, in Höhe des insgesamt eingeklagten Betrags auch dann die Verjährung eines jeden dieser Ansprüche, wenn diese zunächst ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3494).
bb) An dieser Rechtsprechung ist auch nach den Veränderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz festzuhalten, weil die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung gegenüber den bisherigen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung gleich geblieben sind (BGH, Urteil vom 6. Mai 2014 - II ZR 217/13, NJW 2014, 3298 Rn. 19). Danach hemmt bereits die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bezeichneten Teilansprüche. Die Bestimmung, bis zu welcher Höhe und in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, kann rückwirkend nachgeholt werden (BGH, aaO Rn. 16). Bei dieser Sachlage ist es unschädlich, dass der Kläger dem zunächst verfolgten Antrag auf Zahlung von 79.221,78 € eine Aufstellung nach Einzelbeträgen und weiteren Merkmalen individualisierter Forderungen über 80.647,38 € unterlegt hat. Er war auch unter Aspekten der Verjährungshemmung nicht gehindert, den eingeklagten Betrag später durch Staffelung der betroffenen Einzelforderungen auf exakt 79.147,38 € zu ermäßigen.
III.
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klage kann nur in Höhe von 74.152,20 € stattgegeben werden, weil der Kläger für die behauptete Zahlung vom 14. Oktober 2008 über 4.995,18 €, deren Erhalt die Beklagte bestritten hat, keinen Beweis angetreten hat. Darum vermindert sich der Verurteilungsbetrag auf 74.152,20 €.
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring