Entscheidungsdatum: 29.09.2011
Die Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. November 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 4. Oktober 2007 über das Vermögen der W. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Dezember 2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Im Anschluss an den Eröffnungsantrag war der Kläger am 11. Oktober 2007 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ernannt worden.
Zwischen der Schuldnerin und der Einzelfirma W. bestand eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, bei der die Schuldnerin als Organgesellschaft und die Einzelfirma W. als Organträger fungierte. Das beklagte Land zog aufgrund einer ihm erteilten Einzugsermächtigung von dem bei einer S. geführten Konto der Schuldnerin am 13. Juli, 14. August und 13. September 2007 Umsatzsteuerbeträge von insgesamt 55.351,41 € ein, die auf der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin beruhten. Durch Schreiben vom 15. Oktober 2007 setzte der Kläger das beklagte Land von dem über das Vermögen der Schuldnerin gestellten Insolvenzantrag und von seiner Berufung zum vorläufigen Insolvenzverwalter in Kenntnis. Ferner genehmigte er die von dem beklagten Land vorgenommenen Lastschriften, kündigte aber zugleich an, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zahlungen im Wege der Anfechtung zurückzufordern.
Die Vorinstanzen haben - nach Erstattung eines Betrages von 15.146,17 € - der auf Zahlung von 40.205,24 € gerichteten Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, in der Genehmigung der Lastschriften durch den Kläger, die zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung geführt habe, liege eine anfechtbare Rechtshandlung. Zu Unrecht berufe sich das beklagte Land unter Hinweis auf die Entscheidung BFHE 226, 391 darauf, nicht Gläubigerin der Schuldnerin, sondern nur des Organträgers gewesen zu sein. Die Eigenschaft als Insolvenzgläubiger bestimme sich nach zivilrechtlichen und nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben. Aus der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ergebe sich, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft Steuerschuldner seien. Die nur subsidiäre Haftung der Organgesellschaft lasse die Stellung des Finanzamts als deren Insolvenzgläubiger nicht entfallen. Zwar sei ein Haftungsbescheid gegen die Schuldnerin nicht ergangen. Der Haftungsanspruch entstehe aber mit der Erfüllung der Voraussetzungen der Haftungsnorm unabhängig von dem Erlass eines Haftungsbescheids, dem nur deklaratorische Bedeutung zukomme. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO seien gegeben, weil die Beklagte nach dem Inhalt des Schreibens des Klägers vom 15. Oktober 2007 mit der Genehmigung der Lastschriften auch Kenntnis von dem Eröffnungsantrag erlangt habe.
Die Insolvenzanfechtung sei nicht wegen einer vorrangigen Anfechtung gegenüber dem Organträger ausgeschlossen. Es gelte nicht der Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter stets zuerst gegen den solventen Organträger im Wege der Anfechtung vorgehen müsse. Stünden zwei Anfechtungsansprüche gleichstufig nebeneinander, liege eine Gesamtschuld (§ 426 Abs. 1 BGB) vor. Dann sei es Sache des Insolvenzverwalters, welchen Anfechtungsschuldner er in Anspruch nehme.
II.
Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Die Klageforderung findet bereits ihre Grundlage in § 133 Abs. 1 InsO. Bei dieser Sachlage bedarf es nicht der Prüfung und Entscheidung, ob der von dem Bundesfinanzhof geäußerten Auffassung (BFH, Urteil vom 23. September 2009 - VII R 43/08, BFHE 226, 391) zu folgen ist, wonach in Fällen der vorliegenden Art eine Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) gegen die Finanzverwaltung ausscheidet. Jedenfalls hat der Bundesfinanzhof in Fällen der vorliegenden Art die Möglichkeit einer Vorsatzanfechtung nicht ausgeschlossen (BFH, aaO, S. 395).
1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
2. Die anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin liegt hier in der Mitte November 2007 erfolgten fingierten Genehmigung des von dem beklagten Land vorgenommenen Lastschrifteinzugs.
Bei einer Zahlung im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens liegt die anfechtbare Rechtshandlung erst in der Genehmigung der Lastschriftbuchung, nicht bereits in dieser Buchung selbst, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung bleibt (BGH, Urteil vom 30. September 2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rn. 21; vom 30. September 2010 - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rn. 11). Die Genehmigung ist nicht bereits durch das Schreiben des Klägers vom 15. Oktober 2007 erteilt worden, weil die Erklärung an das beklagte Land und damit den falschen Adressaten gerichtet war. Die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion des Nr. 7 Abs. 4 AGB-Spk waren aber Mitte November 2007 mit Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses vom 30. September 2007 erfüllt (BGH, Urteil vom 30. September 2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rn. 19). Da der Kläger bereits mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 das beklagte Land über den Insolvenzantrag unterrichtet hatte, wurde die fingierte Genehmigung als anfechtbare Rechtshandlung Mitte November 2007 und damit nach der Antragstellung vorgenommen (BGH, Urteil vom 30. September 2010 - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rn. 14).
3. Der Tatbestand der Vorsatzanfechtung setzt abweichend von §§ 130, 131 InsO nicht voraus, dass der Anfechtungsgegner als Insolvenzgläubiger zu betrachten ist (BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14, 17). Vielmehr richtet sich die Vorsatzanfechtung gegen jeden Leistungsempfänger.
4. Eine Gläubigerbenachteiligung ist gegeben. Auch soweit die Zahlungen aus einem nur geduldeten Überziehungskredit erfolgten, liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rn. 11 ff).
5. Die Schuldnerin hat mit einem von dem beklagten Land erkannten Benachteiligungsvorsatz gehandelt.
a) Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz (BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190, 194 f mwN; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 19; vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 19; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 8). In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 83 f). Im Zeitpunkt der Genehmigung des Forderungseinzugs Mitte November 2007 war der Schuldnerin - wie der von ihr zuvor am 4. Oktober 2007 gestellte Eigenantrag belegt - ihre Zahlungsunfähigkeit bekannt. Die Befriedigung des beklagten Landes bedeutete auch aus der Warte der Schuldnerin zwangsläufig, dass die übrigen Gläubiger mit einer geringeren Quote vorlieb nehmen mussten.
b) Kennt der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist ein solcher Gläubiger zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (BGH, Urteil vom 10. November 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 154; vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 19; vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 21). Das Mitte Oktober 2007 über den Insolvenzantrag unterrichtete beklagte Land erkannte im Zeitpunkt der Mitte November 2007 erfolgten Lastschriftgenehmigung durch seine maßgeblichen Sachbearbeiter (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 21), dass infolge der ihm zuteil gewordenen Leistung die Befriedigung anderer Gläubiger beeinträchtigt werden würde. Aufgrund des bei Vornahme der Rechtshandlung bereits gestellten Eröffnungsantrags war aus der Warte sowohl der Schuldnerin als auch des beklagten Landes eine Rettung des Unternehmens und eine erfolgreiche Fortsetzung seiner Geschäftstätigkeit ausgeschlossen. Angesichts der unmittelbar zu erwartenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der von der Schuldnerin dem beklagten Land noch nach der Antragstellung gewährten bevorzugten Befriedigung ergibt sich zwangsläufig, dass die Schuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz handelte und das beklagte Land dies erkannte.
III.
Danach ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis als zutreffend darstellt.
Vill Raebel Gehrlein
Grupp Möhring