Entscheidungsdatum: 13.09.2017
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. Dezember 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche nach ihrer am 30. Oktober 2010 verstorbenen Mutter geltend. Der frühere Beklagte, den ihre Mutter als Alleinerben eingesetzt hatte, verstarb während des Rechtsstreits und wurde von dem jetzigen Beklagten beerbt.
Die Klägerin reichte durch ihren Rechtsanwalt am 30. Dezember 2013 eine Klageschrift beim Landgericht ein. Dem damaligen Beklagten wurde am 15. Januar 2014 eine Kopie dieser Klageschrift zugestellt, auf deren erster Seite sich über dem Briefkopf der Stempel "Beglaubigte Abschrift“ und in dem Feld zwischen dem Briefkopf und der Überschrift "KLAGE und Prozesskostenhilfeantrag" ein mit der Unterschrift des Klägervertreters versehener Stempel mit folgendem Inhalt befand:
"Beglaubigt zwecks Zustellung
Beglaubigt
[Unterschrift]
Rechtsanwalt"
Weitere Stempel, Vermerke oder Unterschriften befanden sich auf dem siebenseitigen Schriftsatz nicht.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, da der zugestellte Schriftsatz nicht den Anforderungen an eine beglaubigte Abschrift entsprochen habe und die Zustellung daher die Verjährung nicht habe hemmen können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihr bisheriges Begehren weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind etwaige Ansprüche der Klägerin verjährt. Eine Verjährungshemmung durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei nicht eingetreten. Zwar habe hier - neben der Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages - eine unbedingte Klageerhebung erfolgen sollen. Es fehle jedoch an der wirksamen Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift als zwingendem Erfordernis der Klageerhebung. Ein Beglaubigungsvermerk mit eigenhändiger Unterschrift des Rechtsanwalts nur auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes genüge nicht den Anforderungen an eine Beglaubigung. Vielmehr habe beides grundsätzlich auf der letzten Seite des beglaubigten Schriftsatzes als dessen abschließende Bestätigung zu erfolgen. Der vorhandene Vermerk entspreche auch nicht der - ausnahmsweise zulässigen - Beglaubigung auf einem dem Schriftsatz vorangestellten "Deckblatt".
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist das Berufungsurteil auf die Revision hin sachlich nachzuprüfen. Die Zulässigkeit der Berufung als eine Prozessvoraussetzung, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch noch das Verfahren in der Revisionsinstanz, in seiner Gültigkeit und Rechtswirksamkeit abhängt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn. 7; vom 30. September 1987 - IVb ZR 86/86, BGHZ 102, 37 unter I 2 a [juris Rn. 10]), hat die Vorinstanz zutreffend bejaht. Zwar hat der Beklagte unter anderem in der Berufungserwiderung bestritten, dass der Klägervertreter noch bevollmächtigt sei, nachdem die zunächst für die Klägerin tätige Anwaltssozietät aufgelöst worden sei. Die dem Klägervertreter und einer weiteren Anwältin als Sozien erteilte Prozessvollmacht hat die Klägerin jedoch bereits mit der Vorlage der Originalvollmacht vom 24. Oktober 2013 als Anlage zur Klageschrift nachgewiesen. Damit war der Klägervertreter auch zur Einzelvertretung der Klägerin berechtigt, § 84 Satz 1 ZPO. Ein etwaiges Erlöschen der Prozessvollmacht des Klägervertreters infolge einer Auflösung der Sozietät hätte gemäß § 87 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit erlangt; eine solche ist hier nicht erfolgt.
2. Die Klageansprüche sind nicht verjährt. Bevor die hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen mit dem Schluss des Jahres 2010 beginnende dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB zum Jahresende 2013 ablaufen konnte, trat eine Hemmung der Verjährung ein.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass eine Klageerhebung, die gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung hemmt, die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift erfordert. Die Erhebung der Klage erfolgt durch die Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift), § 253 Abs. 1 ZPO. Die Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in dem Titel 2 des ersten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 166 ff. ZPO) bestimmten Form, § 166 Abs. 1 ZPO. Auch nach der Streichung der Regelung in § 170 Abs. 1 ZPO a.F., die ausdrücklich die Zustellung durch Übergabe einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks vorsah, geht das Gesetz weiterhin davon aus, dass Schriftstücke grundsätzlich (nur) in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift zugestellt werden können (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 16). Dabei ist die Zustellung einer beglaubigten Abschrift stets dann ausreichend, wenn das Gesetz keine andere Regelung enthält (BGH, Teilversäumnisurteil vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 79/15, BGHZ 208, 255 Rn. 9; Beschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 132/09, BGHZ 186, 22 Rn. 13).
b) Im Ergebnis ebenfalls zutreffend und von der Revision nicht angegriffen nimmt das Berufungsgericht an, dass die hier zugestellte Abschrift der Klageschrift den Anforderungen an eine wirksame Beglaubigung nicht genügt.
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts trifft es allerdings nicht zu, dass ein Beglaubigungsvermerk auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes generell unzureichend wäre und grundsätzlich auf der letzten Seite des Schriftsatzes angebracht werden müsste.
Für die Beglaubigung ist keine besondere Form vorgeschrieben (BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335 unter I 4 [juris Rn. 26]; vom 27. Mai 1974 - VII ZB 5/74, NJW 1974, 1383 unter II a [juris Rn. 12]; vom 2. November 1961 - II ZR 98/61, BGHZ 36, 62 unter 2 [juris Rn. 7]). Die Beglaubigung eines bestimmenden Schriftsatzes hat primär den Zweck, dem Gegner die Überzeugung der Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift zu verschaffen (BGH, Beschluss vom 26. März 2012 - II ZB 23/11, NJW 2012, 1738 Rn. 9). Deshalb hat der Beglaubigende zu erklären, die zuzustellende Abschrift sei von ihm mit der in seinem Besitz befindlichen Vorlage verglichen worden und stimme mit dieser völlig überein (BGH, Teilversäumnisurteil vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 79/15, BGHZ 208, 255 Rn. 13; vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1959 - IV ZR 68/59, BGHZ 31, 32, 36 [juris Rn. 13]). Erforderlich ist daher, dass sich die Beglaubigung unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt und mit diesem zu einer Einheit verbunden ist (BGH, Beschluss vom 27. Mai 1974 - VII ZB 5/74, NJW 1974, 1383 unter II a [juris Rn. 12]; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335 unter I 4 [juris Rn. 26]).
Diese Anforderung ist erfüllt, wenn entweder der Vermerk dies ausdrücklich beinhaltet oder er durch seine Anbringung auf der letzten Seite als abschließende Bestätigung im Hinblick auf alle vorangehenden Schriftstücke dient (Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO 4. Aufl. § 169 Rn. 18 m.w.N.; vgl. auch Roth in Stein/Jonas, ZPO 23. Aufl. § 169 Rn. 9). Ein Beglaubigungsvermerk auf dem letzten Blatt eines zu einer Einheit verbundenen Schriftsatzes bezieht sich daher auf das gesamte zugestellte Schriftstück (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335 unter I 4 [juris Rn. 26]). Wenn der Beglaubigungsvermerk aber im Übrigen eindeutig erkennen lässt, dass er sich auf den ganzen Inhalt eines Dokuments erstreckt, schließt dies auch ein Anbringen des Vermerks neben dem zu beglaubigenden Text (vgl. RGZ 164, 52, 54) oder auf einem besonderen Bogen nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1974 - II ZB 13/73, NJW 1974, 861 unter I [juris Rn. 5]; vom 27. Mai 1974 - VII ZB 5/74, NJW 1974, 1383 unter II a [juris Rn. 12] für die Beglaubigung durch die angefügte Zustellbescheinigung).
bb) Aus dem hier auf der ersten Seite der Abschrift angebrachten Vermerk "Beglaubigt zwecks Zustellung" ist jedoch nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Rechtsanwalt eine Übereinstimmung bestätigen will. Der Beglaubigungsvermerk verweist nach seinem Inhalt weder auf ein darin bezeichnetes Dokument in seinem vollen Umfang - hier: die Klageschrift vom 30. Dezember 2013 - noch auf eine bestimmte Anzahl von Dokumentseiten. Auch aus der Position des Vermerks auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes lässt sich nicht entnehmen, ob der beglaubigende Rechtsanwalt die Gewähr für eine Übereinstimmung des gesamten Dokuments mit dem Original übernimmt.
c) Es kann hier offen bleiben, ob - wie die Revision annimmt - die Verjährung mit der Einreichung eines erstmaligen Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt wurde. Der Mangel der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift wurde jedenfalls gemäß § 189 ZPO dadurch geheilt, dass dem früheren Beklagten eine einfache Abschrift der Klageschrift tatsächlich zugegangen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift um einen Zustellungsmangel, der nach § 189 ZPO geheilt werden kann, sofern die zugestellte Abschrift mit der Urschrift übereinstimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - V ZB 174/15, NJW 2017, 411 Rn. 22; Teilversäumnisurteil vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 79/15, BGHZ 208, 255 Rn. 14 ff. m.w.N.). Denn das Erfordernis, bei dem Zustellungsakt eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift zu verwenden, stellt eine Zustellungsvorschrift im Sinne von § 189 ZPO dar (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2015, aaO Rn. 20).
§ 189 ZPO hat den Sinn, die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht wird (BGH aaO Rn. 21). Der Zweck der Zustellung ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - VII ZR 186/09, BGHZ 188, 128 Rn. 47; vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 24). Diese Gelegenheit zur Kenntnisnahme war hier gewährleistet; auch der Zeitpunkt der Zustellung steht fest. Dass die dem damaligen Beklagten zugestellte Abschrift die Klageschrift nicht vollständig und richtig wiedergebe, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.
d) Die Verjährung wurde daher noch im Jahr 2013 durch Einreichung der Klageschrift gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO. Nach dieser Vorschrift treten die Wirkung der Zustellung und damit die Hemmung der Verjährung bereits mit Eingang des Antrags ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. § 167 ZPO erfasst auch die erst durch eine (insgesamt noch "demnächst" erfolgende) Heilung wirksam gewordene Zustellung, da die Fiktion des § 189 ZPO sämtliche Rechtsfolgen einer wirksamen Zustellung herbeiführt (BGH, Urteil vom 12. März 2015- III ZR 207/14, BGHZ 204, 268 Rn. 19 m.w.N.).
III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil Feststellungen zu den nicht verjährten Ansprüchen fehlen. Sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Mayen |
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Dr. Karczewski |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Götz |
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