Entscheidungsdatum: 28.01.2016
Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir
1. Die Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 und § 3a UWG dar, die einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt und deshalb gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der in Art. 6 dieser Richtlinie enthaltenen Regelung über irreführende Handlungen vorgeht.
2. Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht. Abweichendes gilt, wenn der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist.
3. Die Belegbarkeit von Werbeaussagen über kosmetische Mittel erfordert im Hinblick auf die in Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 enthaltenen Regelungen nicht, dass die Aussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen sind.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. Januar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien stehen sich auf dem Gebiet der Nassrasierer mit Wechselklingen als Wettbewerber gegenüber. Die Beklagte bietet die Rasierer "HYDRO 3" und "HYDRO 5" an, bei denen sich in einem Behälter oberhalb der drei oder fünf Klingen Pulver mit dem Hauptbestandteil "Polyox" befindet, das sich mit Wasser zu einem Gel verbindet. Sie warb im Jahr 2011 im Internet und auf Verpackungen mit den Aussagen
a) HYDRO
Spendet direkt Feuchtigkeit
b) Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir
und
c) Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit,
wie nachfolgend dargestellt:
Die Klägerin hat behauptet, von den in dieser Weise beworbenen Nassrasierern gehe keine, vor allem keine länger andauernde feuchtigkeitsspendende Wirkung aus. Sie hält die Werbeaussagen der Beklagten für irreführend. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht begehrt.
Die Beklagte macht demgegenüber geltend, bei der Verwendung ihres Rasierers werde durch das Gel der Feuchtigkeitsgehalt der oberen Hautschichten positiv beeinflusst, so dass im feuchten "Rasurmilieu" Wassermoleküle gebunden und diese langsam an die Haut abgegeben sowie die normale Abdampfrate der Haut vermindert werde, was die Hautfeuchtigkeit während der Rasur spürbar erhöhe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 303).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
I. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche wegen irreführender Werbung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 9 UWG, § 242 BGB für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die angegriffenen Werbeaussagen dahin, dass bei den Nassrasierern der Beklagten über die Erhaltung oder Schonung der bei jeder Nassrasur vorhandenen oberflächlichen Hautfeuchtigkeit und über das bloße Verhindern eines Feuchtigkeitsverlusts hinaus Feuchtigkeit aktiv zugeführt werde. Der von der Beklagten vorgetragene Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis biete keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass bei der Verwendung der Rasierer der Beklagten eine solche aktive Abgabe von Feuchtigkeit an die Haut stattfinde. Für die Vermeidung einer Irreführung und den Nachweis der Richtigkeit der Werbeangaben würden an den Grundsätzen über die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen orientierte erhöhte Anforderungen gelten. Die streitgegenständliche Werbung enthalte zwar keine medizinischen Wirkungsaussagen. Sie beziehe sich aber auf die Physiologie der Haut und damit auf das körperliche Wohlbefinden und die Unversehrtheit eines wichtigen Teils des menschlichen Organismus. Da sie die Gesundheit ins Spiel bringe, seien an ihre Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit besonders strenge Anforderungen zu stellen. Jedenfalls wegen des in der Werbung enthaltenen Appells an die Verbraucher, ihrer Haut durch Benutzung der "feuchtigkeitsspendenden" Rasiergeräte der Beklagten Gutes zu tun, sei die Bewertung der streitgegenständlichen Werbung an den für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbeangaben entwickelten Kriterien auszurichten. Nach den wissenschaftlichen Studien, auf die sich die Beklagte im Rechtsstreit bezogen habe, sei eine aktive Feuchtigkeitszufuhr aus dem Gel in die Haut allenfalls theoretisch möglich, nicht aber als wissenschaftlich gesichert anzusehen. Es könne schon nicht festgestellt werden, dass sich aus diesen Studien eine bei Anwendung der Rasierer mit Gel-Reservoir zweifelsfrei signifikant höhere Feuchtigkeit der oberen Hautschichten ergebe. Jedenfalls sei es nicht als wissenschaftlich gesichert anzusehen, dass diese Wirkung außer auf einer passiven Verminderung des natürlichen Feuchtigkeitsverlusts der Haut durch das aufliegende Gel oder andere Ursachen auch auf einer aktiven Zufuhr von Feuchtigkeit aus dem Gel in die Haut beruhe.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat die in die Rechtsmittelinstanzen gelangten Klageanträge zu Unrecht als aus §§ 8, 9, 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG begründet erachtet. Die streitgegenständliche Werbung bezieht sich auf die Wirkung des durch die Verbindung des Pulvers in den Nassrasierern der Beklagten mit Wasser entstehenden Gels, bei dem es sich um ein kosmetisches Mittel im Sinne von § 2 Abs. 5 LFGB und von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel (im Weiteren: Kosmetik-Verordnung) handelt (dazu unter II 1). Die Frage, ob die in der beanstandeten Werbung der Beklagten gemachten Angaben zu den Wirkungen des Gels als irreführend anzusehen sind, ist nach § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 3. Juli 2004 und nach § 3a UWG in der Fassung vom 2. Dezember 2015 in Verbindung mit den insoweit zeitlich jeweils anwendbaren speziellen Bestimmungen des Kosmetikrechts zu beurteilen (dazu unter II 2). Das Berufungsgericht ist zwar nicht hinsichtlich der Verteilung der Beweislast zwischen den Parteien (dazu unter II 3), wohl aber hinsichtlich des Beweismaßes von für die Beklagte zu strengen Maßstäben ausgegangen (dazu unter II 4). Da auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich dieser Umstand auf die Bewertung des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme ausgewirkt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben (dazu unter II 5). Im Hinblick darauf, dass die Beurteilung der Streitsache weitergehende tatsächliche Feststellungen erfordert, die in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden können, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt, so dass der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (dazu unter II 6). Beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand stellen sich keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern (dazu unter II 7).
1. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob von dem Pulver, das sich bei den Nassrasierern der Beklagten "HYDRO 3" und "HYDRO 5" in einem Behälter oberhalb der Klingen befindet und beim Gebrauch der Rasierer mit Wasser zu einem Gel verbindet, eine länger anhaltende feuchtigkeitsspendende Wirkung für die rasierte Haut ausgeht. Bei dem durch die Verbindung des Pulvers mit Wasser entstehenden Gel handelt es sich danach um eine Stoffzusammensetzung, die dazu bestimmt ist, äußerlich mit der menschlichen Haut in Berührung zu kommen, um diese in gutem Zustand zu halten, und damit um ein kosmetisches Mittel im Sinne von § 2 Abs. 5 LFGB, mit dem Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel in das deutsche Recht umgesetzt worden ist. Mit Wirkung vom 11. Juli 2013 sind die Vorschriften der Richtlinie 76/768/EWG durch die Bestimmungen der Kosmetik-Verordnung abgelöst worden (Art. 38 Unterabs. 1, Art. 40 Abs. 2 Kosmetik-Verordnung). Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Kosmetik-Verordnung sind kosmetische Mittel Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diesen zu schützen oder in einem guten Zustand zu halten. Auch diese Voraussetzungen erfüllt das fragliche Gel.
2. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB vor, wenn einem kosmetischen Mittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen (Fall 1) oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (Fall 2). Die Regelung galt bereits beim Erscheinen der beanstandeten Werbung im Jahr 2011. Sie diente der Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 88/667/EWG zur vierten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG geänderten Fassung (zuvor: Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 76/768/EWG). Danach hatten die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass bei der Etikettierung, der Aufmachung für den Verkauf und der Werbung für kosmetische Mittel nicht Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet wurden, die Merkmale vortäuschten, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besaßen.
Seit dem 11. Juli 2013 dürfen nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung für kosmetische Mittel keine Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen. Diese Bestimmung stellt ebenso eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a UWG nF dar wie die in § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB enthaltene Regelung (vgl. dazu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 11.132 und 11.136; MünchKomm.UWG/Schaffert, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 226 und 276 f., jeweils mwN).
Da es sich bei Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung um eine Rechtsvorschrift der Union handelt, die - jedenfalls in ihrem Zusammenwirken mit der auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 2 Kosmetik-Verordnung ergangenen Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln (vgl. dazu nachstehend unter II 3 b und II 4 a) - einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt, geht sie gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der in Art. 6 dieser Richtlinie enthaltenen und in § 5 UWG in deutsches Recht umgesetzten Regelung über irreführende Handlungen vor. Dasselbe gilt für die der Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch die Richtlinie 88/667/EWG geänderten Fassung in deutsches Recht dienende Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB, bei deren Auslegung Art. 7a Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 93/35/EWG zur sechsten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG ergänzten Fassung zu berücksichtigen war (dazu unter II 3 a). Seit der Ablösung der Richtlinie 76/768/EWG durch die Kosmetik-Verordnung mit Wirkung vom 11. Juli 2013 sind nunmehr Art. 20 Abs. 1 und 2 Kosmetik-Verordnung und die Verordnung (EG) Nr. 655/2013 einschlägig. Diese letztgenannte Verordnung gilt nach ihrem Art. 3 Unterabsatz 2 ebenfalls seit dem 11. Juli 2013.
Die Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung ist danach für von der Klägerin geltend gemachte Auskunfts- und Schadensersatzansprüche maßgeblich, denen seit dem 11. Juli 2013 vorgenommene Werbemaßnahmen der Beklagten zugrunde liegen. Da Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung hinsichtlich des der Beklagten obliegenden Beweises der Wirksamkeit des beworbenen Produkts auch nicht strenger ist als die nach dem früheren Recht anwendbare Regelung (vgl. unten unter II 4 a und b), gilt dasselbe für die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche. Unterlassungsansprüche sind in die Zukunft gerichtet und bestehen daher nur dann, wenn die zu untersagenden Verhaltensweisen zum Zeitpunkt ihrer Begehung und nach dem zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung geltenden Recht rechts- und wettbewerbswidrig sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 2014 - I ZR 26/13, GRUR 2015, 504 Rn. 8 = WRP 2015, 565 - Kostenlose Zweitbrille, mwN). Für die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Verpflichtung zur Auskunftserteilung für die Vorbereitung der Berechnung des Schadensersatzanspruchs kommt es wegen vor dem 11. Juli 2013 vorgenommener Werbemaßnahmen der Beklagten auf die seinerzeit geltende Rechtslage an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rn. 27 = WRP 2015, 347 - Hi Hotel II, mwN).
3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Mittel der Beklagten die ihm in der beanstandeten Werbung zugeschriebene Wirkung aufweise, liege bei der Beklagten, erweist sich sowohl für das bis zum 11. Juli 2013 geltende Recht (dazu unter II 3 a) als auch - jedenfalls im Ergebnis - für das seither geltende Recht als richtig (dazu unter II 3 b).
a) Bei der Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB war zu berücksichtigen, dass der Hersteller eines kosmetischen Mittels nach Art. 7a Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 76/768/EWG in der durch Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 93/35/EWG ergänzten Fassung sicherzustellen hatte, dass den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats der Nachweis der für das Mittel angepriesenen Wirkung leicht zugänglich war, wenn dies aufgrund der Beschaffenheit oder der angepriesenen Wirkung gerechtfertigt war. Aus dieser Regelung folgte, dass den Werbenden die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Wirkungsaussage traf und er diese daher im Streitfall zu beweisen hatte (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - I ZR 23/07, GRUR 2010, 359 Rn. 17 = WRP 2010, 522 - Vorbeugen mit Coffein!; Reinhart in Meyer/Streinz, LFGB BasisVO HCVO, 2. Aufl., § 27 LFGB Rn. 48 mwN).
b) Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungslast (vgl. Natterer in Reinhart, KosmetikVO, 2014, Art. 20 Rn. 27) wie auch die Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, allerdings grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht, und daher vorliegend bei der Klägerin (Bruggmann, LMuR 2010, 141, 145 mwN; Natterer in Reinhart aaO Art. 20 Rn. 28). Abweichendes gilt, wenn der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist (Bruggmann, LMuR 2010, 141, 145; Natterer in Reinhart aaO Art. 20 Rn. 29).
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast für die Belegbarkeit der von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen erweist sich nach dem neuen Recht jedoch im Blick auf die Regelung im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 als im Ergebnis richtig. Nach der Nummer 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, die den Stand der Technik berücksichtigen (Nrn. 1 und 2), und müssen als Nachweis herangezogene Studien für das Produkt und den behaupteten Nutzen relevant sein, auf einwandfrei entwickelten und angewandten Methoden basieren und ethischen Erwägungen Rechnung tragen (Nr. 3); außerdem muss die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen (Nr. 4). Diese Kriterien setzen ersichtlich durchweg voraus, dass der Werbende in der Lage sein muss, die Richtigkeit seine Behauptungen zu belegen (Natterer in Reinhart aaO Art. 20 Rn. 27 mwN).
4. Das Berufungsgericht ist bei seiner weiteren Beurteilung mit der Anforderung, die Nachweise für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Werbeangaben müssten denen entsprechen, die für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbeangaben entwickelt worden seien, und müssten daher als wissenschaftlich gesichert anzusehen sein, allerdings sowohl für das seit 11. Juli 2013 geltende Recht (dazu unter II 4 a) als auch für das bis dahin geltende frühere Recht von einem zu strengen Maßstab ausgegangen (dazu unter II 4 b).
a) Soweit es - für von der Klägerin geltend gemachte Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, denen seit dem 11. Juli 2013 vorgenommene Werbemaßnahmen der Beklagten zugrunde liegen, und für die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche - allein oder zumindest auch auf das seither geltende Recht ankommt, folgt dies aus der Verordnung (EU) Nr. 655/2013. Nach der Nummer 3 ihres Anhangs müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel (lediglich) durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, wobei neben Sachverständigengutachten auch andere Arten von Nachweisen herangezogen werden können, sofern diese Nachweise den Stand der Technik berücksichtigen (Nrn. 1 und 2). Da die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen muss, gelten für Aussagen, bei denen eine fehlende Wirksamkeit ein Sicherheitsproblem verursachen könnte, höhere Beweisanforderungen als für Werbeaussagen, bei denen dies nicht der Fall ist (Nrn. 4 und 7). Damit konnte im Streitfall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht verlangt werden, dass die von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen waren (vgl. auch Natterer in Reinhart aaO Art. 20 Rn. 30).
b) Der erkennende Senat hat zu § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB entschieden, dass sich eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung im Sinne dieser Vorschrift schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben kann, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (BGH, GRUR 2010, 359 Rn. 18 - Vorbeugen mit Coffein!). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den die Mitgliedstaaten bei Maßnahmen zur Durchführung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG zu wahren hatten (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2000 - C-220/98, Slg. 2000, I-117 = GRUR Int. 2000, 354 Rn. 26 ff. - Estée Lauder; Urteil vom 24. Oktober 2002 - C-99/01, Slg. 2002, I-9375 = ZLR 2003, 63 Rn. 26 - Linhart und Biffl), gilt auch für die Anforderungen, die an den Nachweis zu stellen sind, ob ein kosmetisches Mittel eine vom Werbenden behauptete Wirkung besitzt (BGH, GRUR 2010, 359 Rn. 19 - Vorbeugen mit Coffein!). Insoweit stellt die unter II 4 a angeführte Regelung im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 lediglich eine Konkretisierung dessen dar, was bereits nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 768/76/EWG gegolten hat und daher bei richtlinienkonformer Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB ebenfalls zu berücksichtigen war (vgl. Erwägungsgrund 6 der Verordnung [EU] Nr. 655/2013 mit Hinweis auf das Urteil "Estée Lauder" [Slg. 2000, I-117 Rn. 29] in Fn. 5).
5. Die Revision ist auch nicht gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen, weil sich die mit ihr angefochtene Entscheidung zwar nicht aus den vom Berufungsgericht angenommenen, aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und der von diesem im Rahmen seiner Beweiswürdigung angestellten Erwägungen kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht die streitgegenständliche Werbung bei Anwendung der richtigen Maßstäbe weder als täuschend im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung noch als irreführend im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB angesehen hätte.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Richtigkeit der umstrittenen Werbebehauptung, die "HYDRO"-Rasierer mit Gel-Reservoir führten der Haut während der Rasur Feuchtigkeit zu, sei nicht als wissenschaftlich gesichert anzusehen, weil schon nicht festgestellt werden könne, dass sich aus den von der Beklagten in Auftrag gegebenen Studien zweifelsfrei eine signifikant höhere Feuchtigkeit der oberen Hautschichten nach einer Anwendung ihrer Rasierer ergebe. Insbesondere könne dem in der Berufungsverhandlung erörterten und von der Beklagten besonders hervorgehobenen Research-Report S10-119 der CyberDerm Clinical Studies noch kein methodisch unanfechtbarer Nachweis entnommen werden, dass unter den Bedingungen einer normalen Rasur eine deutlich höhere Feuchtigkeit in den oberen Hautschichten vorhanden sei, wenn die Rasierer der Beklagten mit gefülltem Gel-Reservoir angewendet würden.
Nach diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht den der Beklagten obliegenden Beweis der Wirksamkeit ihres Produkts in dem Sinne, in dem der Durchschnittsverbraucher die Werbung der Beklagten versteht, mit der Begründung als nicht erbracht angesehen, die Beklagte habe für eine solche Wirksamkeit keinen "zweifelsfreien" bzw. "noch nicht methodisch unanfechtbaren Nachweis" erbracht. Danach lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht unter Zugrundelegung des weniger strengen Beweismaßes, das nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 insoweit maßgeblich ist (vgl. oben unter II 4 a), zur gegenteiligen Beurteilung gelangt wäre.
b) Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, dass selbst dann, wenn feststünde, dass die oberen Hautschichten nach Benutzung der "HYDRO"-Rasierer mit gefülltem Gel-Reservoir bis zu zehn Minuten lang erkennbar höhere Feuchtigkeitswerte aufwiesen als nach einer Rasur mit Rasierern ohne ein solches Reservoir, es damit noch nicht als wissenschaftlich gesichert anzusehen wäre, dass diese Wirkung nicht lediglich auf einer passiven Verminderung des natürlichen Feuchtigkeitsverlusts der Haut durch das aufliegende Gel oder andere Ursachen, sondern jedenfalls auch auf einer aktiven Zufuhr von Feuchtigkeit aus dem Gel in die Haut beruhte.
Auch in dieser Hinsicht ist das Berufungsgericht von einem zu strengen Maßstab für den der Beklagten obliegenden Beweis der Wirksamkeit ihres Produkts ausgegangen (oben unter II 4 a). In dieser Hinsicht kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht den der Beklagten obliegenden Beweis der Wirksamkeit ihres Produkts auch auf der Grundlage des niedrigeren Beweismaßes als nicht geführt angesehen und der Klage deshalb stattgegeben hätte.
c) Das vorstehend unter II 5 a und b für die bei Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung geltenden Beweisanforderungen Ausgeführte gilt entsprechend auch schon für die in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB enthaltene Regelung (oben unter II 4 b aE).
6. Die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte die in der angegriffenen Werbung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers beschriebene Wirkung des Gels, die sich aus der Verbindung des in dem Behälter oberhalb der Klingen ihrer Nassrasierer enthaltenen Pulvers mit Wasser ergibt, nach den vorstehend dargestellten Maßstäben hinreichend nachgewiesen hat, erfordert eine nochmalige Beurteilung der Sache durch den Tatrichter. Damit ist dem Senat die abschließende Beurteilung der Sache verwehrt und diese daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 ZPO).
7. Beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand stellen sich keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Die Voraussetzungen für die vom Senat angewandten Vorschriften des Unionsrechts sowie deren Verhältnis zueinander unterliegen keinen vernünftigen Zweifeln (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428 bis C-434/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 758 Rn. 42 - UGT-Rioja u.a.).
III. Nach allem wird das Berufungsgericht in der wiedereröffneten Berufungsinstanz unter Beachtung der vorstehend dargestellten Gesichtspunkte der Frage nachzugehen haben, ob die Klageansprüche aus §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG und § 3a UWG in Verbindung mit den zeitlich jeweils anwendbaren Bestimmungen des Kosmetikrechts sowie aus § 242 BGB begründet sind. Es wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass nach Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 die verantwortliche Person im Sinne von Art. 4 Kosmetik-Verordnung dafür zu sorgen hat, dass Formulierungen von Werbeangaben in Bezug auf kosmetische Mittel die gemeinsamen Kriterien in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 erfüllen und mit der Dokumentation zum Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung in Einklang stehen, die Teil der Produktinformation gemäß Art. 11 Kosmetik-Verordnung ist. Die Regelung des Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 spricht dafür, dass Nachweise für Angaben über Wirkungen, die für den Kaufentschluss relevant und nicht bereits seit langem bekannt und unumstritten oder offensichtlich sind, im Rahmen der dem Schutz vor Täuschung dienenden Vorschrift des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie bereits in der Produktinformationsdatei gemäß Art. 11 Abs. 2 Buchst. d Kosmetik-Verordnung enthalten sind (vgl. Reinhart in Reinhart aaO Art. 11 Rn. 20 ff., 22 f.).
Büscher Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke