Entscheidungsdatum: 03.03.2014
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 20. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
I. Die Beteiligten streiten über die Art und den Grad der beim Kläger festzustellenden Schädigungsfolgen infolge rechtsstaatsrechtswidriger DDR-Haft.
Der 1942 geborene Kläger verbüßte vom 14.10.1975 bis zum 8.12.1976 aufgrund einer Verurteilung wegen so genannten ungesetzlichen Grenzübertritts in S. sowie in verschiedenen Haftanstalten der DDR Untersuchungs- bzw Strafhaft.
Mit Bescheid vom 10.4.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2004 erkannte das beklagte Land beim Kläger ab 1.12.1999 einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 4 Häftlingshilfegesetz (HHG) iVm §§ 10 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 wegen einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischen Symptomen im Sinne einer Verschlimmerung.
Das SG hat die dagegen erhobene, auf die Zahlung von Beschädigtenversorgung nach einer MdE von 60 sowie auf die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen gerichtete Klage mit Urteil vom 25.6.2007 abgewiesen. Das Thüringer LSG hat die Berufung mit Urteil vom 20.6.2013 zurückgewiesen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG sowie Verfahrensmängel geltend, § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.
Einen Verfahrensmangel durch Verletzung der Amtsermittlungspflicht hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Bei einer Verfahrensrüge, die auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt wird, muss gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ein Beweisantrag benannt werden, der im Berufungsverfahren - wenigstens hilfsweise - noch zuletzt zusammen mit den Sachanträgen gestellt worden ist und dem das LSG ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5).
Einen solchen Beweisantrag hat der im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger nicht benannt. Sein damaliger Prozessbevollmächtigter hat bei seinem Schlussantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ausweislich des Protokolls und auch nach dem Beschwerdevortrag gerade keinen Beweisantrag (mehr) gestellt. Damit hat er den nach seinen Angaben vorher mündlich gestellten Beweisantrag jedenfalls nicht, wie erforderlich, bis zum Ende der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten. Insoweit kann der Kläger sich auch nicht auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs, vgl § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, durch die unterbliebene Protokollierung eines Beweisantrags berufen. Es hätte seinem damaligen Prozessbevollmächtigten frei gestanden, am Schluss der mündlichen Verhandlung anstelle seines oder jedenfalls hilfsweise zusätzlich zu seinem Sachantrag zu Protokoll einen Beweisantrag zu stellen bzw zu wiederholen und sich damit rechtliches Gehör zu verschaffen.
Auch seine Divergenzrüge hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert begründet. Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG an die Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung nur, wenn sie Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberstellt und darlegt, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B -, Juris).
Der Kläger hat bereits keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG herausgearbeitet, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG widersprochen haben könnte. Die Beschwerde will dem Urteil des LSG den Rechtssatz entnehmen, |
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"eine mittelgradige depressive Episode mit somatoformen Symptomen (F 33.11) als Traumafolgestörung sei aufgrund eines Beschlusses des ärztlichen Sachverständigenbeirates vom 08.0/9.11.2000 nur auf von vornherein 'schwere' Störungen bezogen, so dass eine Anerkennung der Traumafolgestörungen des Klägers allenfalls als stark behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis - und Gestaltungsfähigkeit gemäß Versorgungsmedizin-VO Teil B Nr 3.7 anzuerkennen seien". |
Einen derartigen, schwer verständlichen, zudem einzelfallbezogenen Rechtssatz hat das LSG indessen nicht aufgestellt. Indem es vielmehr in einem Urteil ausführt, nur bei schweren Störungen im Sinne von Teil B Nr 3.7 Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) komme es darauf an, ob mittelgradige oder schwere soziale Anpassungsstörungen vorlägen, während für geringgradige Störungen eigene Beurteilungskriterien aufgeführt seien, gibt das LSG zutreffend den Beschluss des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 8./9.11.2000 wieder (vgl Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, Soziales Entschädigungsrecht und Sozialgesetzbücher, Stand Februar 2013, Band III, Anm zu Teil B Nr 3.7 Anlage zu § 2 VersMedV; ihn legt auch das vom Kläger zitierte Senatsurteil (vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R -, Juris) zugrunde. Das LSG hat insoweit das Vorliegen mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten und damit verbunden einer schweren Störung iS von Teil B Nr 3.7 Anlage zu § 2 VersMedV beim Kläger ausdrücklich verneint (Seite 14 des Urteils). Mit seinem daran geknüpften Vorwurf, das LSG habe insofern trotz des Rückgriffs auf die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten das Ausmaß der sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Einzelnen nicht korrekt ermittelt, insbesondere mit Blick auf die Kriterien aus dem Beschluss des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19.3.1998, legt der Kläger keine Divergenz dar; allenfalls macht er damit geltend, das LSG habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Die sinngemäße Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung, vgl § 103 SGG, ist wie ausgeführt, wegen des unterbliebenen Beweisantrags gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ausgeschlossen.
Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat der Kläger nicht dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65).
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, |
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"ob hinsichtlich der Symptome einer reaktiven depressiven Episode als Vorerkrankung und den Symptomen einer mittelgradigen depressiven Episode als Traumafolgestörung unterschieden werden kann, indem die reaktive depressive Episode als Teilsymptom einer Traumatisierung abgegrenzt und als schädigungsbedingt anerkannt wird, oder ob hinsichtlich der 'Überschneidung' der Symptome ein Ausschluss schädigungsunabhängiger eher unspezifischer Symptome nur dann in Betracht kommt, wenn der alternativen (schädigungsunabhängigen) Kausalität überragende Bedeutung zukommt," |
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zeigt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Denn die Beschwerde setzt sich schon nicht mit der Rechtsprechung des BSG zur zentralen Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung auseinander. Diese ist im Recht der Häftlingshilfe - Entschädigung genauso wie im gesamten sonstigen sozialen Entschädigungsrecht anwendbar (vgl § 4 Abs 1 HHG sowie BSG SozR 7190 § 4 Nr 1, § 1 Nr 4). Sie gilt unter anderem für Konstellationen, in denen mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen haben (vgl BSGE 1, 150; 1, 268; 6, 120; 7, 180). Wie auf dieser rechtlichen Grundlage im Einzelfall verschiedene Gesundheitsstörungen einem schädigenden Vorgang im Wege der wertenden Kausalitätsbetrachtung zuzurechnen sind (vgl BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R -, Juris), ist keine allgemeine revisible Rechtsfrage, sondern eine jeweils den Tatsachengerichten auf der Grundlage ihrer Ermittlungen obliegende Rechtsanwendung (aA wohl Bayerisches LSG, Urteil vom 19.7.2011 - L 15 VG 20/10 -, Juris; die vom LSG zugelassene Revision ist nach einem ablehnenden PKH-Beschluss des Senats zurückgenommen worden). Selbst wenn das LSG dabei die rechtlichen Anforderungen an die Beurteilung der Kausalität im Fall des Klägers verfehlt haben sollte, würde dies nicht zu einer Zulässigkeit der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 4). |
Soweit die Beschwerde es schließlich für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob an sich (nur) stärker behindernde Störungen iS von Teil B Nr 3.7 Anlage zu § 2 VersMedV als schwere Störungen festzustellen sind, wenn mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten vorliegen, hat sie nicht substantiiert dargetan, warum diese Frage im Verfahren des Klägers überhaupt entscheidungserheblich und damit im Revisionsverfahren klärungsfähig sein sollte (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 53 ). Denn nach den für den Senat nach § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG bestehen beim Kläger gerade keine solchen mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten.
Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).