Entscheidungsdatum: 30.05.2012
1. Selbst wenn die äußerste Frist für die Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle von mehr als fünf Monaten seit Verkündung des Urteils bzw. Niederlegung des Urteilstenors noch gewahrt ist, gilt ein Urteil im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO als nicht mit Gründen versehen, sofern zu dem Zeitablauf als solchem besondere Umstände hinzutreten, die bereits wegen des Zeitablaufs bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Urteilsfindung und den schriftlich niedergelegten Urteilsgründen nicht mehr gewahrt ist (wie Beschluss vom 9. August 2004 - BVerwG 7 B 20.04 - juris Rn. 17).
2. § 56 Abs. 1 VwVfG enthält keine Ermächtigung, von dem gesetzlichen Verbot gesetzesinkongruenter Abgabenverträge abzuweichen. Eine solche Ermächtigung ergibt sich aber aus § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BauGB 1990 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO.
3. Die nach § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO gebotene Prüfung der Angemessenheit eines vertraglich vereinbarten Beitragsvorausverzichts setzt jedenfalls für die Sondersituation in den neuen Bundesländern während der Jahre 1991/92 nicht zwingend voraus, dass bei Vertragsschluss bereits eine Beitragssatzung vorhanden war oder dass sich zumindest aufgrund durchgeführter Kalkulationen die künftige Beitragshöhe schon bestimmen ließ. Welche Anforderungen an die Vorhersehbarkeit der Beitragshöhe zu stellen sind, muss insoweit vielmehr einzelfallbezogen beurteilt werden.
4. Für die Beurteilung der Angemessenheit der vertraglichen Leistungen im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO sind alle der Gemeinde aus der vertraglichen Vereinbarung erwachsenden und dem Bauwilligen zurechenbaren Vorteile zu berücksichtigen. Dies trifft vor allem für solche Vorteile zu, die der Gemeinde durch die geplante Neuansiedlung entstehen, sofern diese erklärtes Ziel und Grundlage des Vertrags ist.
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwasserbeiträgen.
Sie betreibt am Standort L./Qu. ein Spanplattenwerk. Im Vorfeld der Ansiedlung führte sie mit den beiden Gemeinden und einem von diesen gebildeten Zweckverband Verhandlungen, die zu vier Verträgen führten:
Am 5. Juli 1991 schloss die Klägerin mit den Gemeinden L. und Qu. einen Industrieansiedlungsvertrag. Darin erklärten die Gemeinden ihre Bereitschaft, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Ansiedlungsvorhaben zu schaffen, das dafür vorgesehene Areal als Industriegelände auszuweisen und der Klägerin "als vollständig erschlossenes Industriegelände" zu verkaufen. Als geplante Erschließungsmaßnahmen wurden u.a. "Abwasserbeseitigung/Kläranlage" und "Kanalisation" aufgeführt. Der Vertrag sah vor, die Erschließungskosten teilweise aus Fördermitteln zu decken und im Übrigen durch ein Darlehen der Klägerin vorzufinanzieren.
Mit Vertrag vom selben Tage vereinbarten die Klägerin und die Gemeinden die Veräußerung einer erschlossenen Industriefläche von ca. 350 000 qm zum Preis von 10 DM/qm an die Klägerin nach Maßgabe eines noch abzuschließenden Kaufvertrags.
Am 11. März 1992 schloss die Klägerin mit den Gemeinden und dem Zweckverband einen Vertrag zur Fortschreibung des Industrieansiedlungsvertrags. Darin wurden die von den Gemeinden und dem Verband geschuldeten Erschließungsleistungen aufgeführt. Auch zur Finanzierung traf der Vertrag eine konkretisierende Regelung; die Klägerin sollte danach den Gemeinden ein zinsloses Darlehen für den nicht durch Fördermittel gedeckten Anteil der Erschließungskosten für das gesamte geplante Industrie- und Gewerbegebiet zur Verfügung stellen; das Darlehen sollte durch Verrechnung insbesondere mit der jährlich anfallenden Gewerbesteuer getilgt werden.
Ebenfalls am 11. März 1992 schlossen die Klägerin und die beiden Gemeinden auf der Grundlage des Fortschreibungsvertrags einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein Industriegelände mit einer Gesamtfläche von ca. 36,5 ha. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 10 DM/qm vereinbart, der die "Erschließungskosten für die im Fortschreibungsvertrag genannten Erschließungsmaßnahmen" umfassen sollte.
Zwei Bescheide vom 18. Juli 1997, mit denen der damalige Abwasserzweckverband S./K. die Klägerin nach Errichtung des Spanplattenwerks erstmals zur Zahlung von Abwasserbeiträgen heranzog, wurden auf deren Klagen hin vom Verwaltungsgericht Dresden wegen Mängeln bei der Verbandsgründung aufgehoben. Nachdem der Beklagte im Jahr 2003 im Wege der Sicherheitsneugründung errichtet worden war, setzte er auf der Grundlage seiner Abwassersatzung vom 20. November 2003 mit Bescheid vom 16. Dezember 2003 einen Abwasserbeitrag in Höhe von 763 918,74 € für das Flurstück 640 der Gemarkung Qu. fest. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren von der Klägerin dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Dresden durch Urteil vom 20. September 2005 mit der Begründung abgewiesen, dass in den zwischen den Beteiligten geschlossenen Verträgen lediglich die innere Erschließung geregelt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid dahin geändert, dass der Beitrag anstatt für das Flurstück 640 für das Grundstück lfd. Nr. 5 des Bestandsverzeichnisses des Blatts 70 des Grundbuchs von Qu. erhoben werde; die Änderung ist mit der Maßgabe erfolgt, dass im Wege der Teilflächenabgrenzung für die Teilflächen des Grundstücks mit den Flurstücksnummern 470/4, 439/1 und 642 kein Beitrag erhoben werde. Die Klägerin hat die Änderung in ihr Klagebegehren einbezogen.
Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25. Februar 2010 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine sachliche Beitragspflicht der Klägerin sei nicht entstanden. Vor dem Inkrafttreten der Abwassersatzung vom 20. November 2003 habe kein gültiges Beitragssatzungsrecht bestanden. Für die Zeit danach scheitere die sachliche Beitragspflicht daran, dass die 1991/92 geschlossenen Verträge einen Abwasserbeitragsvorausverzicht enthielten. Ihnen zufolge würde nicht nur die innere, sondern ebenso die äußere Erschließung durch den Grundstückskaufpreis abgegolten. Das gelte namentlich für die abwassertechnischen Maßnahmen, die die Herstellung der Abwasserbeseitigungseinrichtung insgesamt umfassten. Die vertragliche Regelung über die Erschließungskosten sei als Beitragsvorausverzicht zu werten. Dieser Verzicht sei nach § 56 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit Art. 8 des Einigungsvertrags wirksam. Die Gemeinden hätten für ihren Verzicht eine angemessene Gegenleistung erhalten. Der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle eines Vorausverzichts die Angemessenheit der Gegenleistung nur dann beurteilt werden könne, wenn bei Vertragsschluss entsprechende Satzungen bereits vorhanden seien oder wenn wenigstens aufgrund durchgeführter Kalkulationen die auf den Beitragspflichtigen nach einer künftigen Satzung zukommenden Lasten schon feststünden, könne für die Situation in den neuen Bundesländern unmittelbar nach dem Beitritt nicht gefolgt werden. Die Besonderheiten dieser Situation - dringliches Bemühen um die Neuansiedlung von Industriebetrieben zur Kompensation des Wegfalls der vorhandenen Industrie, flächendeckendes Fehlen von Beitragssatzungen - rechtfertigten es, jedenfalls für den maßgeblichen Zeitraum der Jahre 1991 und 1992 die Anforderungen an die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung den vorgefundenen Umständen anzupassen. Die Gegenleistung sei hier angemessen, obgleich der die Finanzierung der Abwasserbeseitigungseinrichtung betreffende Anteil des Kaufpreises wohl nicht den voraussichtlichen Abwasserbeitrag abbilde. Bestandteil der Gegenleistung sei nämlich auch die Verpflichtung der Klägerin, in den Gemeinden L. und Qu. ein modernes Spanplattenwerk mit einer Gesamtinvestition von 240 Mio. DM zu errichten, 270 Arbeitsplätze zu schaffen und den Firmensitz in Qu. einzurichten. Damit seien für die Gemeinden bedeutende finanzielle Auswirkungen verbunden, die die voraussichtlichen Abwasserbeiträge mit hoher Wahrscheinlichkeit überstiegen.
Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Revision vor: Das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Es sei nämlich von der Unwirksamkeit des rückwirkenden Verweises auf die Abgabenordnung im Änderungsgesetz zum sächsischen Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen ausgegangen, ohne seiner Pflicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Sächsischen Verfassungsgerichtshof zu genügen. Das Berufungsurteil gelte außerdem als nicht mit Gründen versehen. Es lägen besondere Umstände vor, die in Verbindung mit der zwischen der Niederlegung des Urteilstenors und der Zustellung des schriftlich begründeten Urteils verstrichenen Frist von knapp fünf Monaten den Schluss zuließen, dass die Entscheidungsgründe nicht mit den Erwägungen übereinstimmten, die das Berufungsgericht zu seiner Entscheidung bewogen hätten; zum einen sei nach Aussage des Senatsvorsitzenden und Berichterstatters der auf einem privaten Computer fast vollständig verfasste Urteilstext verlorengegangen und habe neu abgefasst werden müssen, zum anderen seien die Entscheidungsgründe wegen fehlender Ausführungen zu dem Konkurrenzverhältnis zwischen § 56 VwVfG und dem Verweis im Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen auf die Abgabenordnung inhaltlich lückenhaft. Auch in sachlicher Hinsicht verstoße das Berufungsurteil gegen Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass § 56 Abs. 1 VwVfG wegen der Verweisung im geänderten Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen auf die Abgabenordnung auf den Streitfall keine Anwendung finde. Außerdem habe das Gericht mit seinem Verständnis der vertraglichen Erklärungen als Beitragsvorausverzicht gegen die nach § 62 Satz 2 VwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB geltenden Auslegungsgrundsätze verstoßen. Ein Verzicht scheide aus, weil die Verträge hinsichtlich der Abwasserbeseitigung Regelungen enthielten, die sich nur auf die Kostentragung für Erschließungsmaßnahmen innerhalb des Bebauungsplangebiets bezögen. Die Annahme des Gerichts, dem gemeindlichen Beitragsvorausverzicht stehe eine angemessene Gegenleistung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG gegenüber, verstoße ebenfalls gegen Bundesrecht. Aufgrund des Fehlens einer Beitragssatzung und einer Globalkalkulation für die Abwasseranschlussbeiträge habe keine taugliche Grundlage bestanden, um in den Verträgen eine angemessene Gegenleistung für den Verzicht festzulegen. Ohne diese Grundlage handele es sich um einen Verzicht "ins Blaue hinein". Die besonderen Umstände in der Nachwendezeit rechtfertigten es nicht, grundlegende rechtsstaatliche Gebote zu umgehen, sondern ließen deren strikte Einhaltung im Gegenteil als besonders dringlich erscheinen. Ferner verstoße das Berufungsurteil gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der angenommene Beitragsvorausverzicht in § 56 Abs. 1 VwVfG eine rechtliche Grundlage finde. Das Urteil stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Namentlich enthalte § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB 1990 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 BauZVO keine Ermächtigung, im Rahmen eines Folgekostenvertrags einen gemeindlichen Beitragsvorausverzicht zu vereinbaren.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2010 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20. September 2005 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, namentlich die Erwägungen, die das Berufungsgericht zur Annahme eines wirksamen Beitragsvorausverzichts bestimmt haben.
Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Das Berufungsgericht ist nicht aufgrund willkürlicher Missachtung der Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorschriftswidrig besetzt gewesen.
Verstößt ein Gericht gegen eine Pflicht zur Vorlage an ein anderes Gericht, das über eine bestimmte Rechtsfrage zu entscheiden hat, so ist es im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt, sofern es seiner Vorlagepflicht willkürlich nicht nachkommt (Beschluss vom 17. Februar 1984 - BVerwG 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30 <36>; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. - BVerfGE 82, 159 <194 f.>). Ein solcher Verstoß ist zu verneinen.
Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe seine Pflicht missachtet, die als verfassungswidrig erkannte rückwirkende Regelung des Gesetzes zur Änderung des Vorschaltgesetzes Kommunalfinanzen vom 24. März 1992 (SächsGVBl S. 105) dem Bundesverfassungsgericht oder dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Das Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen vom 19. Dezember 1990 (SächsGVBl S. 18) habe i.d.F. des Änderungsgesetzes rückwirkend ab 1. Januar 1991 die Abgabenordnung auf Verfahren über Kommunalabgaben für anwendbar erklärt mit der Folge, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz keine Anwendung gefunden habe. Wenn das Berufungsgericht in seinem Urteil gleichwohl die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über den öffentlich-rechtlichen Vertrag angewandt habe, obgleich es zuvor in der mündlichen Verhandlung die Frage der Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verweisung auf die Abgabenordnung ausdrücklich thematisiert habe, lasse das nur den Schluss zu, dass es sich bewusst über seine Vorlagepflicht hinweggesetzt habe. Diese Schlussfolgerung erweist sich als nicht tragfähig. Selbst wenn das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verweisung auf die Abgabenordnung geäußert haben sollte, besagt dies nicht, dass sich diese Zweifel zur Überzeugung der Verfassungswidrigkeit verdichtet haben und das Gericht sich sehenden Auges über eine als notwendig erachtete Vorlagepflicht hinwegsetzen wollte.
Unabhängig davon lässt sich - selbst abgesehen von der Möglichkeit, vor Verkündung des Änderungsgesetzes zum Vorschaltgesetz geschlossene Verträge im Wege verfassungskonformer Auslegung von der Anwendung der Verweisungsnorm auszunehmen - schon nicht feststellen, dass das Berufungsgericht überhaupt vorlagepflichtig war. Die Anwendung der Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bund über den öffentlich-rechtlichen Vertrag steht nämlich nicht in einem zwingenden Widerspruch zu der Anordnung des Vorschaltgesetzes Kommunalfinanzen geänderter Fassung, die Bestimmungen der Abgabenordnung auf Kommunalabgaben sinngemäß anzuwenden.
Das Verwaltungsverfahrensgesetz Bund, an dem das angefochtene Urteil die in den Jahren 1991 und 1992 geschlossenen Verträge gemessen hat, galt gemäß Art. 8 in Verbindung mit Anlage I Kapitel II Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 1 Buchst. a) des Einigungsvertrags (EV) im Beitrittsgebiet für die Zeit bis zum 31. Dezember 1992. Nach der Regelung im Einigungsvertrag erstreckte sich die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes in Sachsen auch auf die Ausführung von Landesrecht, da das Vorläufige Verwaltungsverfahrensgesetz des Freistaats Sachsen vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl S. 74) erst nach dem genannten Stichtag in Kraft trat. Allerdings weist die Revision zutreffend darauf hin, dass Art. 1 des Änderungsgesetzes zum Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen in § 4 Abs. 2 des Vorschaltgesetzes als Satz 3 die Regelung eingefügt hat, dass auf Kommunalabgaben "die Bestimmungen der Abgabenordnung in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden (sind), soweit sie sich nicht auf bestimmte Steuern beziehen und soweit dieses Gesetz oder andere Gesetze keine besonderen Vorschriften enthalten". Art. 2 des Änderungsgesetzes hat der Neuregelung Rückwirkung ab dem 1. Januar 1991 beigemessen. Zu den in Bezug genommenen, durch die Verweisung in das Landesrecht inkorporierten Bestimmungen zählen namentlich auch Vorschriften über das Verwaltungsverfahren. Da die Erstreckung des Anwendungsbereichs des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bund auf die Ausführung von Landesrecht für eine Übergangszeit lediglich auf einer Notkompetenz des Bundes kraft Natur der Sache beruhte (P. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, Einl. Rn. 122), stand das Verwaltungsverfahrensgesetz Bund einer landesrechtlichen Teilregelung des Verwaltungsverfahrens durch die Bezugnahme im Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung auf die Abgabenordnung nicht im Wege. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass der Rückgriff auf die §§ 54 ff. VwVfG Bund versperrt sein sollte. Die Abgabenordnung erwähnt den öffentlich-rechtlichen Vertrag nur in ihrem § 78 Nr. 3; danach sind Beteiligte des Verwaltungsverfahrens auch diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat. Weitergehende Regelungen, etwa zu den Anwendungs- und Wirksamkeitsvoraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Vertrags, enthält die Abgabenordnung hingegen nicht. Angesichts dessen liegt es nicht fern, die Regelung des Verwaltungsverfahrens in der ohnehin nur für sinngemäß anwendbar erklärten Abgabenordnung insoweit als lückenhaft zu bewerten und diese Lücke durch Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG Bund - sei es nach Maßgabe des Anwendungsvorbehalts in § 4 Abs. 2 Satz 3 des Vorschaltgesetzes Kommunalfinanzen geänderter Fassung zugunsten "besonderer Vorschriften", sei es im Wege der Analogie - zu schließen. Dies gilt umso mehr, als es verbreiteter Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum entspricht, dass auch dort, wo landesrechtliche Vorschriften für das Verwaltungsverfahren über Kommunalabgaben auf die Abgabenordnung verweisen, die Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze über den öffentlich-rechtlichen Vertrag unmittelbar oder entsprechend zur Anwendung kommen (vgl. VGH München, Urteil vom 24. Oktober 1986 - 23 B 84 A.2812 - BayVBl 1987, 335 <337>; OVG Münster, Urteil vom 19. März 2002 - 15 A 4043/00 - NVwZ-RR 2003, 147 <148>; Allesch, DÖV 1988, 103 f.; derselbe, DÖV 1990, 270 <275 ff.>).
Ausgehend von dieser Rechtsauffassung blieb Raum für die Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG Bund, ohne die Gültigkeit der Verweisung im Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung auf die Abgabenordnung verneinen zu müssen und aufgrund dessen einer Vorlagepflicht zu unterliegen. Ob die genannte Auffassung tatsächlich zutrifft, ist anhand des § 4 Abs. 2 Satz 3 Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung in Verbindung mit der im Rahmen der Inbezugnahme als Landesrecht geltenden Abgabenordnung zu beurteilen (vgl. zu deren Geltung als Landesrecht Urteil vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 174.81 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 23 S. 18 f.) und entzieht sich damit revisionsgerichtlicher Überprüfung (§ 137 Abs. 1 VwGO). Lässt sich mithin schon die Grundannahme der Revision, es habe eine Vorlagepflicht bestanden, nicht bestätigen, so muss der Besetzungsrüge auch aus diesem Grund der Erfolg versagt bleiben.
b) Ebenso wenig ist die Rüge berechtigt, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO), weil die schriftlich niedergelegten Urteilsgründe die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe nicht zutreffend wiedergäben.
Ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil gilt im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe innerhalb einer - in Anlehnung an die in §§ 517 und 548 ZPO bestimmten - Frist von fünf Monaten nach Verkündung nicht unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Beratung und Verkündung des Urteils einerseits und der Übergabe der schriftlichen Urteilsgründe andererseits ist dann so weit gelockert, dass in Anbetracht des nachlassenden Erinnerungsvermögens der Richter die Übereinstimmung zwischen den in das Urteil aufgenommenen und den für die richterliche Überzeugung tatsächlich leitend gewordenen Gründen nicht mehr gewährleistet erscheint (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367 <375 f.>; BVerwG, Beschluss vom 26. April 1999 - BVerwG 8 B 67.99 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 30 S. 6 f.). Entsprechendes gilt, wenn das Urteil nicht verkündet, sondern zugestellt worden ist und zwischen Niederlegung des Tenors und Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten liegt (Beschluss vom 26. April 1999 a.a.O.).
Wird die Frist von fünf Monaten gewahrt, so kann ein Urteil gleichwohl als nicht mit Gründen versehen gelten. Dies trifft zu, wenn zu dem Zeitablauf als solchem besondere Umstände hinzutreten, die bereits wegen des Zeitablaufs bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Urteilsfindung und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (Beschluss vom 9. August 2004 - BVerwG 7 B 20.04 - juris Rn. 17; vgl. auch Beschluss vom 25. April 2001 - BVerwG 4 B 31.01 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47 S. 3).
Die Maximalfrist von fünf Monaten ist - wie auch die Revision einräumt - gewahrt worden; die Urteilsformel wurde am 25. Februar 2010 der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts übergeben, das vollständige Urteil gelangte ausweislich der Zuleitungsverfügung des Senatsvorsitzenden spätestens am 30. Juni 2010 zur Geschäftsstelle. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung fehlen aber auch besondere Umstände, die in Verbindung mit dem Zeitablauf die Annahme rechtfertigen, die schriftlichen Urteilsgründe und die für die richterliche Überzeugung tatsächlich leitend gewesenen Gründe fielen auseinander.
Der Verlust der Erstfassung des Urteilstextes auf dem Privatcomputer des Vorsitzenden und Berichterstatters Mitte Mai 2010 stellt keinen solchen Umstand dar. Im Gegenteil liefert dieser Vorfall eine nachvollziehbare Erklärung für die Dauer der Urteilsabsetzung und belegt, dass der Verfasser des Urteilstextes sich in der Zwischenzeit mit dem Fall gedanklich befasst und dadurch die Erinnerung an die der Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen wach gehalten hat. Dass die Entscheidungsgründe bereits einmal schriftlich fixiert waren, bietet eine zusätzliche Gewähr für die Übereinstimmung der später abgefassten mit den für die Entscheidung maßgeblich gewordenen Gründen. Aus der Zeitspanne von ca. vier Wochen zwischen dem Verlust des ersten Computertextes und der Übergabe der späteren Urteilsfassung an die Geschäftsstelle ergibt sich nichts anderes, zumal der Urteilsverfasser nach eigenem Bekunden zwischenzeitlich noch Urlaub hatte.
Die Entscheidungsgründe bieten ebenfalls keine Anhaltspunkte für die Annahme, sie würden ihrer Funktion, die das Beratungsergebnis tragenden Gründe zu dokumentieren, nicht gerecht. In ihnen kommt eine geordnete Gedankenführung zum Ausdruck, die den zu beurteilenden Lebenssachverhalt im Einzelnen erfasst, das Vorbringen der Beteiligten würdigt und sich mit den als zentral erachteten rechtlichen Problemen des Falles auseinandersetzt. Zwar bleibt unerörtert, aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über den öffentlich-rechtlichen Vertrag für anwendbar gehalten und welche Bedeutung es in diesem Zusammenhang der Bezugnahme im Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung auf die Abgabenordnung beigemessen hat. Einer solchen singulären Argumentationslücke ist aber kein so großes Gewicht beizumessen, dass sie in Verbindung mit der zeitlichen Komponente den Schluss zuließe, der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen den für die Überzeugungsbildung wesentlichen Erwägungen und den schriftlich niedergelegten Gründen sei nicht mehr gewahrt.
2. In materieller Hinsicht verstößt das Urteil gegen Bundesrecht.
a) Ein Verstoß gegen Bundesrecht durch fehlerhafte Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bund und insbesondere des § 56 VwVfG Bund ist allerdings zu verneinen. Die Revision macht hierzu geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Geltung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bund für das Kommunalabgabenrecht in Sachsen durch die Verweisung in § 4 Abs. 2 Satz 3 Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung auf die Abgabenordnung als speziellere Regelung rückwirkend ab dem 1. Januar 1991 beseitigt worden sei. Damit habe das Gericht nicht nur gegen die landesrechtliche Verweisungsnorm, sondern auch gegen die bundesrechtliche Vorschrift des Art. 8 in Verbindung mit Anlage I Kapitel II Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 1 EV verstoßen. Diese Argumentation geht fehl. Wie bereits zur Besetzungsrüge ausgeführt wurde, ist anhand der landesrechtlichen Bestimmung des § 4 Abs. 2 Satz 3 Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung in Verbindung mit der im Rahmen der Inbezugnahme als Landesrecht geltenden Abgabenordnung zu beurteilen, ob und inwieweit für eine Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG Bund Raum blieb. Die von der Revision gegen die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bund erhobenen Einwände erschöpfen sich sachlich in dem Vorwurf, die Verweisungsnorm im Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen geänderter Fassung und die in Bezug genommenen Regelungen der Abgabenordnung missachtet zu haben; sie betreffen damit ausschließlich nicht revisible landesrechtliche Maßstabsnormen und nicht die revisiblen Regelungen des Einigungsvertrags über die grundsätzliche Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes Bund auf die Ausführung von Landesrecht in den neuen Bundesländern.
b) Der Revision kann nicht gefolgt werden, soweit sie einen Verstoß gegen Bundesrecht bei der Vertragsauslegung rügt. Bei der Ermittlung des gewollten Inhalts von Verträgen handelt es sich um Tatsachenfeststellungen, die das Revisionsgericht nach Maßgabe von § 137 Abs. 2 VwGO binden. Diese Bindung tritt - vorbehaltlich erfolgreicher Verfahrensrügen - nur dann nicht ein, wenn die vom Tatsachengericht vorgenommene Auslegung einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder gesetzliche Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) erkennen lässt (Urteile vom 19. Februar 1982 - BVerwG 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <69> und vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>).
Einen Verstoß gegen diese Vorgaben hat die Revision nicht aufzuzeigen vermocht. Sie beruft sich für ihr Verständnis der vertraglichen Erschließungsregelungen im Wesentlichen auf den Wortlaut des Fortschreibungsvertrags vom 11. März 1992, aus dem sich ergebe, dass bezogen auf die Grundstücksentwässerung nur Maßnahmen der beitragsrechtlich irrelevanten inneren Erschließung vertraglich geregelt werden sollten. Das Berufungsgericht hat bei seiner abweichenden Auslegung, wonach neben der inneren auch die äußere (grundstücksexterne) Erschließung Gegenstand der vertraglichen Regelung geworden sei, den Wortlaut des vorerwähnten Vertragspassus jedoch keineswegs außer Acht gelassen, sondern ausdrücklich gewürdigt. Dass das Gericht sich darauf nicht beschränkt, sondern die Regelung des Kanalanschlusses in einem Gesamtzusammenhang mit den Regelungen anderer Erschließungsleistungen gesehen und überdies sein Verständnis der einschlägigen vertraglichen Regelung an dem aus der Gesamtheit der Verträge abgeleiteten Willen der Vertragspartner, bebaubare Grundstücke zu verkaufen bzw. zu erwerben, orientiert hat, widerspricht keinen Auslegungsgrundsätzen oder anderen Vorgaben für die Ermittlung des Sinngehalts der vertraglichen Vereinbarungen. Im Gegenteil wird darin das Bemühen erkennbar, nicht beim Wortlaut stehen zu bleiben, sondern den wirklichen Willen der Vertragspartner zu erforschen (§ 133 BGB). Das gewonnene Auslegungsergebnis mag nicht zwingend sein; da sich das Berufungsgericht mit seiner Deutung nach den vorstehenden Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Vorgaben gehalten hat, kommt es darauf indes für die revisionsrechtliche Beurteilung nicht an.
c) Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht aber dadurch, dass es in § 56 VwVfG Bund eine gesetzliche Ermächtigung gesehen hat, durch Vertrag einen Beitragsvorausverzicht zu regeln.
Im Ansatz zutreffend geht das Urteil davon aus, dass der dem Vertragswerk entnommene Beitragsvorausverzicht als eine von den einschlägigen abgabenrechtlichen Vorschriften abweichende Regelung einer gesetzlichen Ermächtigung bedurfte. Dass bei Abschluss der Verträge noch keine Beitragssatzung vorhanden war, stellt eine Abweichung nicht in Frage, denn der Vorausverzicht richtete sich gerade darauf, einen Beitragsanspruch aufgrund einer künftig zu erlassenden Beitragssatzung auszuschließen. Das Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung folgt aus § 54 Satz 1 VwVfG Bund in Verbindung mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip. § 54 Satz 1 VwVfG Bund erklärt öffentlich-rechtliche Verträge unter der Voraussetzung für zulässig, dass Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insoweit ist zu beachten, dass öffentliche Abgaben grundsätzlich nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden dürfen. Diese strikte Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) schließt aus, dass Abgabengläubiger und Abgabenschuldner von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen treffen, sofern nicht das Gesetz dies ausnahmsweise gestattet. Der Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen darf, ist für einen Rechtsstaat so fundamental, dass seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist, das nach § 59 Abs. 1 VwVfG Bund in Verbindung mit § 134 BGB die Nichtigkeit des Vertrags zur Folge hat (vgl. Urteile vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <363 f.> und vom 23. August 1991 - BVerwG 8 C 61.90 - BVerwGE 89, 7 <11 f.>).
Mit Bundesrecht unvereinbar ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, § 56 VwVfG Bund ermächtige zur Vereinbarung eines Beitragsvorausverzichts. § 56 VwVfG Bund erkennt die Zulässigkeit des Austauschvertrags als Sonderform des subordinationsrechtlichen Vertrags im Sinne des § 54 Satz 2 VwVfG Bund an und stellt Voraussetzungen für die Wirksamkeit dieser Vertragsform auf. Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um generelle, unabhängig vom jeweiligen Sachgebiet der vertraglichen Vereinbarung geltende Vorgaben, die sachgebietsspezifische gesetzliche Verbote nicht ausschließen und auch nicht zur Abweichung von solchen Verboten ermächtigen. Das belegt auch § 59 Abs. 1 VwVfG Bund mit seinem Verweis auf § 134 BGB. Eine gesetzliche Ermächtigung zur Abweichung von dem aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitbaren gesetzlichen Verbot gesetzesinkongruenter Abgabenverträge kann demgemäß nicht aus § 56 VwVfG Bund, sondern nur aus den Vorschriften des jeweils einschlägigen Fachrechts resultieren (vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 54 Rn. 124).
3. Die Revision kann gleichwohl keinen Erfolg haben, weil das Berufungsurteil sich aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Eine den vertraglichen Beitragsvorausverzicht deckende Ermächtigung ergibt sich aus § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BauGB i.d.F. von Art. 8 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIV Abschnitt II Nr. 1 EV - BauGB 1990 - in Verbindung mit § 54 Abs. 2 der Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der DDR - BauZVO - vom 20. Juni 1990 (GBl der DDR I S. 739). Diese Regelung findet auf die den Verträgen entnommenen Vereinbarungen über die Kosten der Abwasserbeseitigungseinrichtung und die Kanalanschlussbeiträge Anwendung (a). Die vertraglichen Vereinbarungen genügen den Anforderungen, die § 54 Abs. 2 BauZVO an ihre inhaltliche Ausgestaltung stellt (b). Nachträgliche Entwicklungen haben die Wirksamkeit des Beitragsvorausverzichts nicht berührt (c).
a) Die vertraglichen Vereinbarungen über die Kostentragung für die Abwasserbeseitigungseinrichtung und den Beitragsvorausverzicht fallen unter die Regelung des § 54 Abs. 2 BauZVO.
aa) Die genannte Vorschrift war bei Vertragsschluss Bestandteil des im Freistaat Sachsen geltenden Bundesrechts. Sie ist zwar als DDR-Recht erlassen worden, um den Bedürfnissen der zum 1. Juni 1990 eingeführten Währungs- und Wirtschaftsunion Rechnung zu tragen (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. I, Stand Januar 2012, § 11 Rn. 10), als solches aber aufgrund der Überleitung von Bundesrecht außer Kraft getreten. Art. 8 EV leitete das Baugesetzbuch in die neuen Bundesländer über; dies geschah gemäß § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BauGB 1990 mit der Maßgabe, dass anstelle von § 124 BauGB damaliger Fassung § 54 BauZVO anzuwenden war, der in seinem Absatz 2 die vertragliche Übernahme der Kosten städtebaulicher Maßnahmen durch den Bauwilligen regelte.
bb) § 54 Abs. 2 BauZVO ist die Ermächtigung zu entnehmen, vom Abgabenrecht abweichende vertragliche Regelungen über die Kosten von Erschließungsmaßnahmen zu treffen. Nach § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO können sich Bauwillige gegenüber der Gemeinde durch Vertrag verpflichten, Kosten und sonstige Aufwendungen zu übernehmen, die der Gemeinde für "städtebauliche Planungen, andere städtebauliche Maßnahmen sowie Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen", entstehen. Die Vorschrift ist vor allem mit Blick auf ihren Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass sie auch Kostenvereinbarungen über Erschließungsmaßnahmen erfasst.
Der Normtext lässt dieses Verständnis ohne Weiteres zu. Neben Maßnahmen wie der Neuordnung der Grundstücksverhältnisse oder der städtebaulichen Sanierung kann auch die Grundstückserschließung aufgrund ihrer Zielrichtung, städtebauliche Siedlungstätigkeit zu ermöglichen, als städtebauliche Maßnahme begriffen werden. Davon geht schon § 54 Abs. 1 BauZVO aus, der der Erschließung die Vorbereitung und Durchführung "anderer städtebaulicher Maßnahmen" gegenüberstellt.
Entstehungsgeschichtliche Umstände lassen keine eindeutigen Schlüsse auf den Anwendungsbereich der Regelung zu, stehen ihrer Anwendung auf Kosten für Erschließungsmaßnahmen aber jedenfalls nicht entgegen. In § 54 Abs. 2 BauZVO ist erstmals eine positiv-rechtliche Regelung vertraglicher Vereinbarungen über städtebauliche Kosten getroffen worden. Bereits vorher ging das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung von der grundsätzlichen Zulässigkeit sogenannter Folgekostenverträge aus (Urteile vom 6. Juli 1973 - BVerwG 4 C 22.72 - BVerwGE 42, 331 <334 ff.> und vom 14. August 1992 - BVerwG 8 C 19.90 - BVerwGE 90, 310 <311 ff.>). Als vertraglich abwälzbare Folgekosten verstand es indes nur solche Aufwendungen, die den Gemeinden jenseits der beitragsfähigen Erschließung als Folge neuer Ansiedlungen für Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs entstanden (Urteil vom 6. Juli 1973 a.a.O. S. 336 f. m.w.N.). Aus dem sachlichen Zusammenhang der verordnungsrechtlichen Regelung mit dieser Rechtsprechung kann dennoch nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, § 54 Abs. 2 BauZVO betreffe ebenfalls nur Folgekosten im herkömmlichen Sinne (so aber Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 6 Rn. 9 für die Nachfolgeregelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB). Materialien über die Entstehung des § 54 BauZVO, die Aufschluss über die Motive des Verordnungsgebers geben könnten, sind nicht vorhanden. Angesichts dessen bleibt durchaus die Möglichkeit offen, dass der Anwendungsbereich vertraglicher Kostenvereinbarungen unter dem Eindruck der besonderen Umbruchsituation im Zuge der Wiedervereinigung über die von der Rechtsprechung bereits anerkannten Fallgestaltungen hinaus ausgedehnt werden sollte.
Die Systematik der Verordnung vermittelt ebenfalls kein eindeutiges Bild, spricht aber eher für die Einbeziehung von Erschließungskosten in den Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 BauZVO. Der Bestimmung vorangestellt sind in § 54 Abs. 1 BauZVO Regelungen über den Erschließungsvertrag (Satz 1 Nr. 1) und den städtebaulichen Vertrag (Satz 1 Nr. 2). Die Regelung von Kostenübernahmevereinbarungen in einem selbständigen nachfolgenden Absatz deutet darauf hin, dass damit an beide Vertragsarten angeknüpft werden sollte. Dies impliziert freilich, dass der Begriff der "anderen städtebaulichen Maßnahmen" in § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO in einem anderen Sinne verwandt wird als in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauZVO. Dort steht er in Abgrenzung zu Erschließungsmaßnahmen (Nr. 1), hier wären Erschließungsmaßnahmen mit umfasst. Eine Auslegung, die ein und demselben Begriff innerhalb einer Rechtsnorm unterschiedliche Bedeutungsgehalte beimisst, ist grundsätzlich besonders begründungsbedürftig. Für den Begriff der "anderen städtebaulichen Maßnahmen" ist allerdings zu beachten, dass er seinen Bedeutungsgehalt notwendig durch den Kontext mit Maßnahmen gewinnt, von denen er durch den Zusatz "andere" abgegrenzt wird; je nach Bezugspunkt variiert also die Bedeutung. Nach dem Normtext liegt es nahe, als Bezugspunkt für die "anderen städtebaulichen Maßnahmen" in § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO nicht die Erschließungsmaßnahmen in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauZVO, sondern die unmittelbar vor Verwendung dieses Begriffs in § 54 Abs. 2 BauZVO erwähnten "städtebaulichen Planungen" zu sehen.
Die Erwägungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2010 - BVerwG 9 C 8.09 - (BVerwGE 138, 244 Rn. 33 f.) zum Verhältnis von § 124 BauGB und § 11 BauGB zwingen nicht zu einem anderen systematischen Verständnis des § 54 BauZVO. Der Senat hat in dem erwähnten Urteil entschieden, dass die Regelung des Erschließungsvertrags in § 124 BauGB im Verhältnis zur Regelung des städtebaulichen Vertrags in § 11 BauGB einschließlich der - dem § 54 Abs. 2 BauZVO ähnelnden - Regelung des Folgekostenvertrags in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB die speziellere Norm sei. Ausweislich der Gesetzesmaterialien habe der Gesetzgeber mit § 11 BauGB die direkte Vorgängerregelung in § 6 BauGB-Maßnahmengesetz inhaltlich weitgehend übernehmen und bezogen auf den Folgekostenvertrag eine von der Rechtsprechung seit langem gebilligte Verwaltungspraxis aufgreifen wollen; das Erschließungsbeitragsrecht und insbesondere das Verhältnis des städtebaulichen Vertrags zu § 124 BauGB werde dagegen in den Gesetzesmaterialien mit keinem Wort erwähnt. Hätte der Gesetzgeber das System des Erschließungsrechts durch § 11 BauGB aufweiten wollen, hätte es nahegelegen, § 124 BauGB im Zuge der Gesetzesänderung zu streichen oder in § 11 BauGB aufzunehmen. Diese Erwägungen lassen sich auf das Verhältnis der Regelungen des § 54 BauZVO zueinander nicht übertragen. Anders als bei der Einfügung des § 11 BauGB ist bei der Überleitung des Baugesetzbuchs auf das Beitrittsgebiet nicht eine gesonderte Regelung des städtebaulichen Vertrags unter Beibehaltung der vorher in § 124 Abs. 1 BauGB enthaltenen Regelung des Erschließungsvertrags getroffen worden. Vielmehr hat § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BauGB 1990 durch Verweisung auf § 54 BauZVO eigenständige Regelungen über den Erschließungsvertrag, den städtebaulichen Vertrag und die Vereinbarung der Kostenübernahme durch Bauwillige getroffen und in ein und derselben Vorschrift zusammengefasst. Diese Handhabung unterscheidet sich grundlegend von derjenigen bei Einfügung des § 11 BauGB, die der Senat als Indiz für eine Sperrwirkung des § 124 BauGB gegenüber der Anwendung des § 11 BauGB auf Erschließungsverträge genannt hat.
Spricht demnach schon die Normsystematik mehr für als gegen die Anwendbarkeit des § 54 Abs. 2 BauZVO auf Erschließungskosten, so erweist sich diese Auslegung erst recht und vor allem unter Berücksichtigung des Regelungszwecks als geboten. Die durch § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BauGB 1990 speziell für die neuen Bundesländer in Geltung gesetzten Regelungen des § 54 BauZVO dienten ersichtlich dem Zweck, die dortige besondere Umbruchsituation im Zuge der Wiedervereinigung städtebaulich zu bewältigen. In dieser Situation bestand wegen zerfallender Industriestrukturen der ostdeutschen Wirtschaft ein dringliches Interesse an der Neuansiedlung von Wirtschaftsunternehmen. Mit § 54 BauZVO sollte den Gemeinden ein Instrumentarium an die Hand gegeben werden, um die erforderlichen Investitionen durchführen zu können und durch kooperatives Zusammenwirken mit bauwilligen Investoren im Rahmen eines angemessenen Ausgleichs der Kosten- und Lastentragung die sich aus der Umbruchsituation ergebenden Hemmnisse zu überwinden (Bielenberg, DVBl 1990, 1314 <1320>; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. I, Stand Januar 2012, § 11 Rn. 11). Vertragliche Vereinbarungen bildeten wegen ihrer Flexibilität ein besonders geeignetes Mittel, um interessengerechte, investitionsfördernde Lösungen zu entwickeln. Diese Zielrichtung war bezogen auf Erschließungskosten nicht von geringerer Bedeutung als für Kosten sonstiger städtebaulicher Maßnahmen, da es in den neuen Bundesländern zunächst flächendeckend keine Beitragssatzungen gab, die eine rasche Finanzierung von Erschließungsmaßnahmen im Beitragswege hätten gewährleisten können. Nach seinem Sinn und Zweck ermöglichte § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO mithin die Übernahme auch der Erschließungskosten durch den Bauwilligen.
Das gilt nicht nur für Erschließungsanlagen, die nach dem Baugesetzbuch beitragsfähig sind, sondern auch für solche Erschließungsanlagen, deren Beitragsfähigkeit sich aus Landesrecht ergibt. Dafür spricht zum einen die Herkunft des § 54 BauZVO aus dem Recht der DDR, dem die Differenzierung zwischen Bundes- und Landesrecht fremd war, zum anderen aber auch der Zweck der Vorschrift, interessengerechte Gesamtlösungen als Mittel zur Realisierung von Neuansiedlungen zu ermöglichen. Auch den §§ 123, 124 BauGB damaliger Fassung lag bereits ein weiter, die nach Landesrecht abrechenbaren Anlagen umfassender Erschließungsbegriff zugrunde.
cc) § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO beschränkte sich im Übrigen nicht darauf, die Übernahme von Erschließungskosten durch den Bauwilligen zu ermöglichen. Ihm ist vielmehr zugleich die Ermächtigung der Gemeinden zu entnehmen, im Zusammenhang mit der (Teil-)Übernahme von Erschließungskosten durch den Bauwilligen diesem gegenüber vertraglich auf die künftige Beitragserhebung zu verzichten. Auch das folgt maßgeblich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Folgekostenvertrag in der Umbruchphase der Wiedervereinigung als Instrument zur kooperativen Verwirklichung investitionsfördernder städtebaulicher Planungen zu nutzen. Denn für Erschließungskosten hätte sich der mit diesem Instrument angestrebte interessengerechte Ausgleich der beiderseitigen Kosten- und Lastentragung nicht erreichen lassen, wenn die Beitragslasten in die vertragliche Regelung nicht hätten einbezogen werden dürfen.
Kompetenzrechtliche Bedenken stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Anders als für Regelungen über Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch fehlte dem Bund für beitragsrechtliche Regelungen über leitungsgebundene Erschließungsanlagen zwar schon zur Zeit der Übernahme des § 54 BauZVO in das bundesdeutsche Recht eine allgemeine Gesetzgebungskompetenz. Der Bund konnte sich aber auf eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs stützen. Zu § 124 Abs. 2 BauGB hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Bodenrecht kraft Sachzusammenhangs gesetzliche Regelungen abdeckt, die zu Verträgen über Erschließungskosten ermächtigen, auch soweit die den Gegenstand des Vertrags bildenden Erschließungsanlagen nach Landesrecht beitragsfähig sind (Urteil vom 10. August 2011 - BVerwG 9 C 6.10 - BVerwGE 140, 209 Rn. 21). Ob sich diese Bewertung auf den hier in Rede stehenden Regelungsgegenstand, die Ermächtigung zur Abweichung vom landesrechtlichen Anschlussbeitragsrecht, in vollem Umfang übertragen lässt, kann dahinstehen. Jedenfalls bestand eine entsprechende Annexkompetenz des Bundes übergangsweise zur Bewältigung der besonderen wirtschaftlichen Herausforderungen, die mit dem Beitritt der neuen Länder verbunden waren.
dd) Hiervon ausgehend ist der Gegenstand der von der Klägerin mit den Gemeinden geschlossenen Verträge durch § 54 Abs. 2 Satz 1 BauZVO gedeckt. Der von der Klägerin zu entrichtende Kaufpreis enthielt ein - nicht näher beziffertes - Entgelt für die Herstellung der Erschließungsanlagen, das deren Kosten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls teilweise abdeckte. Dem stand, wie das Berufungsgericht ebenfalls bindend festgestellt hat, der von den Gemeinden im Vertrag erklärte Beitragsvorausverzicht gegenüber.
b) Die Bindungen, denen die Vertragsparteien bei der Regelung dieser Vertragsgegenstände nach § 54 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 BauZVO unterlagen, sind gewahrt. Namentlich genügt das Vertragswerk dem Erfordernis des § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO, wonach die vertraglich vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen.
aa) Die nach § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO gebotene Angemessenheitsprüfung scheitert nicht daran, dass bei Abschluss der Verträge die spätere Höhe des Abwasserbeitrags sich noch nicht berechnen ließ. Der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die Angemessenheitsprüfung setze zwingend das Vorhandensein einer Beitragssatzung oder zumindest bereits durchgeführte Kalkulationen späterer Beitragslasten voraus (Urteil vom 16. März 1990 - 23 B 88.01496 - juris Rn. 34; Beschluss vom 19. Januar 1998 - 23 ZS 97.2985 - BayVBl 1998, 566), ist für die Anwendung des § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO zumindest in den Jahren 1991/92 nicht zu folgen. Welche Anforderungen an die Vorhersehbarkeit der Beitragshöhe zu stellen sind, muss vielmehr einzelfallbezogen beurteilt werden.
Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist zuzugeben, dass im Rahmen der Angemessenheitsprüfung die vereinbarten Leistungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen und dass der Wert des gemeindlichen Beitragsvorausverzichts als Faktor dieser Prüfung sich ohne eine Beitragssatzung oder zumindest eine Kalkulation der voraussichtlichen Beitragshöhe nicht präzise berechnen lässt. Sinn und Zweck des § 54 Abs. 2 BauZVO schließen es gleichwohl aus, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entwickelten Vorgaben auf die Anwendung dieser Vorschrift zu übertragen. Dies gilt jedenfalls für die Jahre 1991/92.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war es unter den Verhältnissen in den neuen Bundesländern während dieser Zeit unmöglich, die genannten Vorgaben zu erfüllen; insbesondere gab es - wie schon erwähnt - keine zur Erhebung von Abwasserbeiträgen ermächtigenden gemeindlichen Satzungen. Legte man die Vorgaben des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde, wären Kostenvereinbarungen als Mittel, um flexible Gesamtlösungen unter Einschluss der beitragsrechtlichen Aspekte zu erzielen, nach § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO vollständig ausgefallen; das Ziel, auf diese Weise die dringend benötigte Neuansiedlung von Industrieunternehmen zu ermöglichen, wäre verfehlt worden. Angesichts dessen gebieten Sinn und Zweck des § 54 Abs. 2 BauZVO jedenfalls für Verträge, die in den beiden Jahren nach der Wiedervereinigung geschlossen wurden, im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob nicht auch ohne die Berechenbarkeit der späteren Beitragshöhe eine Beurteilung der Angemessenheit möglich ist. Diese Möglichkeit kann durchaus bestehen, da die Angemessenheit gemäß § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO "den gesamten Umständen nach" zu beurteilen ist. Diese Umstände können für die Gemeinde im konkreten Fall so vorteilhaft sein, dass auch ohne genaue Vorhersehbarkeit der künftigen Beitragshöhe eine angemessene Berücksichtigung der gemeindlichen Interessen im vertraglichen Austauschverhältnis auf der Hand liegt.
Der Einwand der Revision, mit Blick auf die Unerfahrenheit der Gemeindeverwaltungen in den neuen Bundesländern während der Anfangsphase nach der Wiedervereinigung und damaliger Defizite der Kommunalaufsicht sei die Anwendung der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entwickelten Vorgaben in den neuen Bundesländern sogar besonders dringlich gewesen, überzeugt nicht. Auch ohne diese Vorgaben kann einer vertraglichen Regelung die Angemessenheit nur attestiert werden, wenn nach Lage des Falles die tatsächlichen Grundlagen ausreichen, um eine Angemessenheitsprüfung durchführen zu können und wenn diese Prüfung zu einem positiven Ergebnis führt. Der Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit ist also nicht berührt, so dass der den Gemeinden durch § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO vermittelte Schutz ungeschmälert wirksam werden kann.
Das Berufungsgericht hat sich zu einer nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG Bund durchgeführten, aber auch dem entsprechenden Maßstab des § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO gerecht werdenden Angemessenheitsprüfung in der Lage gesehen, obwohl nach seinen Feststellungen bei Abschluss der Verträge die Erschließungskosten und damit auch die auf die Klägerin entfallenden Abwasserbeiträge nicht bekannt waren. Dies ist nach Lage des Falles nicht zu beanstanden. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, lassen es die mit dem Vertragswerk für die Gemeinden verbundenen Vorteile zu, auch ohne diese Kenntnis die Angemessenheit zu beurteilen.
bb) Die vertraglich vereinbarten Leistungen sind den gesamten Umständen nach angemessen im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO.
Dem gemeindlichen Beitragsvorausverzicht steht als Gegenleistung ein für die Erschließungsleistungen gezahlter Teil des Grundstückskaufpreises gegenüber. Dieser Anteil ist in den Verträgen nicht beziffert, bildet nach Einschätzung des Berufungsgerichts den künftigen Abwasserbeitrag aber wohl nicht in voller Höhe ab. Das Berufungsgericht hat dennoch die Angemessenheit des vertraglichen Austauschverhältnisses bejaht, weil als weitere Gegenleistung der Klägerin die Verpflichtung zu berücksichtigen sei, auf dem Gebiet der Gemeinden ein Spanplattenwerk mit einer Gesamtinvestition von 240 Mio. DM und 270 Arbeitsplätzen zu errichten und zu betreiben. Damit seien für die Gemeinden finanzielle Vorteile in Gestalt sinkender sozialer Transferleistungen, steigender Kaufkraft durch Zuzug von Arbeitnehmern, weiterer Arbeitsplätze durch sich ansiedelnde Zulieferbetriebe und Gewerbesteuereinnahmen in beträchtlicher Höhe verbunden, die die späteren Abwasserbeiträge mit hoher Wahrscheinlichkeit überstiegen.
Diese Gesamtwürdigung des Vertragswerks erweist sich im Ergebnis als tragfähig. Sie entspricht dem Erfordernis des § 54 Abs. 2 Satz 4 BauZVO, bei der Angemessenheitsprüfung die gesamten Umstände des Falles zu berücksichtigen. Danach ist es geboten, alle den Gemeinden aus den vertraglichen Regelungen erwachsenden und der Klägerin zurechenbaren Vorteile in die Prüfung einzubeziehen. In Anbetracht der Zielsetzung des § 54 Abs. 2 BauZVO, die nach der Wiedervereinigung besonders dringliche Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben in den neuen Bundesländern zu fördern, trifft dies vor allem für solche Vorteile zu, die der Gemeinde durch Neuansiedlungen entstehen. Soweit die Revision einwendet, das Berufungsgericht sei fälschlich von einer vertraglichen Verpflichtung der Klägerin ausgegangen, ein Spanplattenwerk der genannten Größenordnung zu errichten und zu betreiben, schließt dies die Berücksichtigung der genannten Vorteile nicht aus. Selbst wenn das Gericht mit seinem Verständnis der von der Klägerin hierzu abgegebenen vertraglichen Erklärungen Auslegungsgrundsätze verletzt haben sollte, ist doch zu beachten, dass die Errichtung und der Betrieb eines solchen Werks zumindest erklärtes Ziel und Geschäftsgrundlage der vertraglichen Vereinbarungen war. Das hat nicht nur in der Präambel des Ansiedlungsvertrags, sondern vor allem auch in der Klausel unter Nr. IV. des Kaufvertrags Ausdruck gefunden, die den Gemeinden das Recht zum Rücktritt für den Fall einräumt, dass die vorgesehenen Arbeitsplätze nicht geschaffen werden. Angesichts dessen erweist sich die Wirksamkeit des Beitragsvorausverzichts als untrennbar mit dem projektierten Bau und Betrieb des Werks verbunden mit der Folge, dass es auf das Fehlen einer rechtlich durchsetzbaren Verpflichtung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung, die die Gesamtumstände des Falles zu berücksichtigen hat, nicht ankommen kann.
Sind demnach die Ansiedlung des Spanplattenwerks und die damit für die Gemeinden verbundenen wirtschaftlichen Vorteile in die Beurteilung einzubeziehen, so ist auch ohne Bezifferbarkeit der Beitragshöhe und des vom Kaufpreis umfassten Anteils an den Erschließungskosten offenkundig, dass den Gemeinden durch die vertraglichen Vereinbarungen ein angemessener Ausgleich für ihren Beitragsvorausverzicht zuteil wurde. Dies gilt umso mehr, als ihnen im Zusammenhang mit der Werksansiedlung zusätzliche bei Vertragsschluss vorausgesetzte Vorteile in Gestalt öffentlicher Fördermittel erwuchsen, die die Erschließungskosten entsprechend senkten. Die Erschließung sollte nämlich nach der vertraglichen Finanzierungsvereinbarung, der die spätere tatsächliche Zuschussgewährung entsprach, zu 80 % durch öffentliche Fördermittel finanziert werden. Für die restlichen 20 % der Kosten wurde vertraglich eine Vorfinanzierung durch die Klägerin vereinbart, die eine weitere Gegenleistung für den Vorausverzicht der Gemeinden darstellt.
cc) Soweit die vorerwähnten Vorteile nicht dem Abgabenhaushalt zugute gekommen sind, schließt das nicht aus, sie bei der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen. Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Mehrbelastung anderer Beitragspflichtiger ist damit nicht verbunden. Einnahmeausfälle aufgrund eines gemeindlichen Beitragsvorausverzichts dürfen nämlich nicht dem Kreis der übrigen Abgabepflichtigen überbürdet werden, sondern sind von der durch den Vertrag begünstigten Gemeinde selbst zu tragen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 19. März 2002 - 15 A 4043/00 - NVwZ-RR 2003, 147 <149>).
dd) Die Angemessenheit der vertraglichen Leistungen wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass die berücksichtigten Vorteile allein den Gemeinden zugute kommen, während die Aufgaben- und Haushaltsverantwortung für die Abwasserbeseitigung auf den beklagten Abwasserverband übergegangen ist. Derartige nach Vertragsschluss eingetretene Umstände haben bei der Angemessenheitsprüfung außer Betracht zu bleiben; ihnen kann allenfalls im Innenverhältnis von Gemeinden und Verband Rechnung getragen werden.
c) Unerwartete extreme Kostensteigerungen für die Herstellung der Abwasserbeseitigungseinrichtung, auf die die Revision ergänzend hinweist, sind gleichfalls nicht geeignet, die Wirksamkeit des Beitragsvorausverzichts in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn von einer solchen Entwicklung die Geschäftsgrundlage des Vertrags berührt worden sein sollte, wäre es allein Sache der Gemeinden als Vertragspartner der Klägerin, daraus Konsequenzen zu ziehen und gegebenenfalls eine Vertragsanpassung zu verlangen. Der Beklagte kann daraus keine Rechte gegenüber der Klägerin für sich herleiten.