Entscheidungsdatum: 08.08.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 034 771.9
(hier: Erinnerung nach § 23 Abs. 2 RPflG)
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 8. August 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi
beschlossen:
1. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 10. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 44, hat die am 30. Mai 2011 für verschiedene Dienstleistungen der Klassen 35 und 44 als Wortmarke angemeldete Kennzeichnung
Bei Groß und Klein in aller Munde
mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen. Der Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung, in der es u. a. heißt: „Gegen diesen Beschluss findet gemäß § 66 des Markengesetzes die Beschwerde statt. … Innerhalb der Beschwerdefrist ist eine Beschwerdegebühr (Gebührennummer 401 300 PatKostG, EUR 200,00) auf das Konto … zu entrichten. Wird sie nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Beschwerde als nicht eingelegt. …“. Zur Statthaftigkeit einer Erinnerung nach § 64 MarkenG finden sich in dem Beschluss keine Ausführungen.
Gegen diesen, am 17. Oktober 2011 zugestellten, Beschluss haben die ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders beim Deutschen Patent- und Markenamt am 17. November 2011 „Erinnerung“ eingelegt. Bereits am 21. Oktober 2011 war auf dem Konto des Deutschen Patent- und Markenamts mit dem Verwendungszweck „EINSPRUCH - AKTENZEICHEN 30 2011 034 771.9 1129700001000128“ ein Betrag in Höhe von 150 EUR, überwiesen vom Anmelder, eingegangen.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2012 hat der Rechtspfleger des Senats festgestellt, die Beschwerde gelte gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, da der Beschwerdeführer die tarifmäßige Beschwerdegebühr in Höhe von 200 EUR nicht in voller Höhe gezahlt habe. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders am 18. September 2012 mitgeteilt hatte, aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden zu sein, ist der Beschluss des Rechtspflegers dem Anmelder am 15. Juni 2013 persönlich zugestellt worden.
Mit seiner am 19. Juni 2013 beim Bundespatentgericht eingegangenen Erinnerung wendet er sich gegen den Beschluss des Rechtspflegers und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Als Beleg für seine unverschuldete Unkenntnis verweist er auf „die email Korrespondenz mit RA Z…“. Der Erinnerung beigefügt ist ein zweiseitiger nicht unterschriebener Auszug einer E-Mail-Kommunikation vom 19. und 20. Oktober 2011, in der es unter anderem heißt: „Am 19.10.2011, 13:02, schrieb Einfachmarke Service: Guten Tag, wir haben im Rahmen des Eintragungsverfahrens Ihrer Wort-Marke Bei Groß und Klein in aller Munde den anliegenden Zurückweisungsbeschluss des DPMA erhalten. Sofern nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen ein Rechtsmittel eingelegt wird, wird die Marke endgültig nicht eingetragen. Nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage gehen wir weiterhin davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Eintragung vorliegen. Daher formulieren wir gerne einen Einspruch, ohne dass wir Ihnen hierfür zusätzliche Kosten berechnen. Allerdings verlangt das DPMA eine Gebühr von 150,00 EUR, die von Ihnen innerhalb der Frist direkt durch Einzahlung beim DPMA zu tragen wäre. Bitte beachten Sie daher auch die Zahlungshinweise des DPMA und informieren uns über Ihre Einzahlung. … Mit freundlichen Grüßen N… Z… Rechtsanwalt …“. Weiter findet sich in der Zusammenstellung folgender Text: „Sehr geehrter Herr Z…, ich verlasse mich in diesem Punkt auf Sie. … Ich werde der DPMA den Betrag die Tage überweisen (Bankverbindung wie im PDF Anhang angegeben - Bundeskasse Weiden?) … Dr. W…“.
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Rechtspflegers vom 10. Juli 2012 unter Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr aufzuheben.
Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers ist nach § 23 Abs. 2 RPflG zulässig, jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des Rechtspflegers vom 10. Juli 2012, nach der die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Oktober 2011 als nicht eingelegt gilt, entspricht nach wie vor der Rechtslage.
Statthaftes Rechtsmittel gegen den Amtsbeschluss ist nach § 66 Abs. 1 S. 1 MarkenG allein die Beschwerde, da die Markenstelle durch eine Beamtin des höheren Dienstes entschieden hat. Insoweit ist die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene und als solche nicht statthafte „Erinnerung“ als Beschwerde auszulegen; die falsche Bezeichnung schadet insoweit nicht (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 66 Rn. 41).
Die Beschwerde hat jedoch nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt zu gelten, weil der Beschwerdeführer die fällige Beschwerdegebühr innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht vollständig gezahlt hat und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
Innerhalb der Beschwerdefrist nach § 66 Abs. 2 MarkenG wäre nach § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG die Beschwerdegebühr von 200 EUR (Gebührenverzeichnis Nr. 401 300) zu zahlen gewesen, worauf die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss der Markenstelle zutreffend hinweist.
Die einmonatige Beschwerdefrist und damit Frist zur vollständigen Einzahlung der Beschwerdegebühr ist am 17. November 2011 abgelaufen (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 222 ZPO, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), nachdem der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes den vormaligen Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2011 zugestellt worden ist. Diese Frist hat der Beschwerdeführer mit seiner Zahlung von nur 150 EUR nicht eingehalten.
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr kann nicht gewährt werden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist ist zwar statthaft und zulässig (§ 91 Abs. 1 bis 3 MarkenG). In der Sache selbst hat er jedoch keinen Erfolg, da das Fristversäumnis nicht ohne Verschulden erfolgt ist.
Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war (Ströbele/Hacker, MarkenG, a. a. O., § 91 Rn. 10 m. w. N.). Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Von einem fehlenden Verschulden des Beschwerdeführers kann danach nicht ausgegangen werden. Der Irrtum über das statthafte Rechtsmittel und damit über die Höhe der fälligen Gebühr kann nicht als unverschuldet angesehen werden.
Zunächst fehlt es bereits an einer Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 91 Abs. 3 S. 2 MarkenG). Das zur Glaubhaftmachung vorgelegte Dokument ist eine - offenbar - vom Beschwerdeführer zusammengestellte Collage aus einer E-Mail-Korrespondenz mit seinen vormaligen Verfahrensbevollmächtigen, das allenfalls als bloßes schriftsätzliches Beteiligtenvorbringen gewertet werden kann. Dies ist zur Glaubhaftmachung ungeeignet (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rn. 39). Anderweitige präsente Beweismittel (vgl. § 294 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Aber selbst dann, wenn man zugunsten des Beschwerdeführers von einer Glaubhaftmachung der in seinem Antrag und der genannten Anlage enthaltenen Tatsachen ausgehen sollte, ergeben sich daraus keine Gründe für eine Wiedereinsetzung. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der E-Mail-Nachricht seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Oktober 2011 der angefochtene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts als Anhang beigefügt war und dass der Beschwerdeführer die Rechtsmittelbelehrung tatsächlich auch gelesen hat („Bankverbindung wie im PDF Anhang angegeben - Bundeskasse Weiden?“).
Auf den schuldhaft unzutreffend erteilten Hinweis seiner vormaligen Verfahrensbevollmächtigten, „das DPMA verlange eine Gebühr von 150,00 EUR“, kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen, denn ihm wird nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Bevollmächtigten zugerechnet; dieser hat den verfahrensgegenständlichen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts offenkundig nicht mit der gebotenen Sorgfalt gelesen und deshalb „Beschwerde“ und „Erinnerung“ verwechselt.
Auch von einem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer kann im Übrigen verlangt werden, dass er die Beschlüsse, die er mit seiner Beschwerde angreift, liest und beachtet. Aus der Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 11. Oktober 2011 ergibt sich unmissverständlich, dass innerhalb der Beschwerdefrist die Beschwerdegebühr von 200 EUR zu zahlen ist und die Beschwerde auch bei nicht vollständiger Zahlung als nicht eingelegt gilt.
Von einer schuldlos versäumten Frist kann deshalb nicht ausgegangen werden.
Da Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr nicht gewährt werden kann, ist die auf § 6 Abs. 2 PatKostG gestützte Entscheidung des Rechtspflegers vom 10. Juli 2012 nach wie vor zutreffend und die Erinnerung mithin zurückzuweisen.