Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.05.2016


BPatG 13.05.2016 - 29 W (pat) 28/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Main-PostLogistik (Wort-Bild-Marke)/POST/Deutsche Post (Unionsmarke)" – zur Zulässigkeit der Beschwerde – Löschungsklage kann anstatt oder neben einem Widerspruch erhoben werden – zur Kennzeichnungskraft u. a. einer verkehrsdurchgesetzten Marke – zur Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen - keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
13.05.2016
Aktenzeichen:
29 W (pat) 28/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 301 57 223

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters am Landgericht Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die (blau, weiß, gelbe) Wort-Bildmarke 301 57 223 Abbildung der Beschwerdegegnerin ist am 1. Oktober 2001 angemeldet und am 14. Januar 2003 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 28, 38, 39, 41 und 42

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Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke; Telekommunikation; Übermittlung von Nachrichten und allgemeinen Informationen über Telekommunikation, insbesondere Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk, Bereitstellen von Informationen im Internet, Bereitstellen von Internetzugängen, Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernet(z), Bereitstellen von Plattformen und Portalen im Internet, soweit in Klasse 38 enthalten; Sammeln, Liefern, Aufbereiten und Aktualisieren von Daten und Informationen zum Versenden von Texten und/oder Dateien von Telefax-, E-Mail- und x.400-Adressen, soweit in Klasse 38 enthalten; Betrieb von Systemen, bestehend aus Internetplattformen zum Austausch von Computerpost (E-Mail), zur Datenübertragung und zur Nutzungsanbietung von Informationen, soweit in Klasse 38 enthalten; Transportwesen, insbesondere Briefdienst, Frachtdienst, Kurierdienstleistungen; Verpackung und Lagerung von Waren; weitere unterstützende logistische Dienstleistungen, soweit in Klasse 39 enthalten; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere im Zusammenhang mit Telekommunikationseinrichtungen aller Art, soweit in Klasse 42 enthalten.

3

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 14. Februar 2003. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Eintragung Widerspruch erhoben aus der deutschen Wortmarke 300 12 966 (im Folgenden Widerspruchsmarke 1)

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POST

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die am 22. Februar 2000 angemeldet und am 3. November 2003 für nachfolgende Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 als verkehrsdurchgesetzt eingetragen wurde:

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Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen, Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften.

7

Sie hat zusätzlich Widerspruch aus der Unionswortmarke 1 798 701 (im Folgenden Widerspruchsmarke 2)

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Deutsche Post

9

erhoben, die am 8. August 2000 angemeldet und am 29. Juli 2002 u. a. für die nachfolgenden Dienstleistungen der Klasse 39 eingetragen wurde:

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Transportwesen, Verpackung und Lagerung von Waren, Veranstaltung von Reisen; Sendungsverfolgung durch elektronische Standortbestimmung der Waren und Güter sowie weitere unterstützende logistische Dienstleistungen wie die systematische Verknüpfung von Waren und Informationsströmen; Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen; Beförderung von Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Postkarten, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften, mit Fahrrädern, Kraftfahrzeugen, Maschinenfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern der vorgenannten Sendungen.

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Die Widersprüche richten sich ausweislich des Widerspruchsformulars nur gegen die Dienstleistungen der angegriffenen Marke „Transportwesen, insbesondere Briefdienst, Frachtdienst, Kurierdienstleistungen; Verpackung und Lagerung von Waren; weitere unterstützende logistische Dienstleistungen, soweit in Klasse 39 enthalten“.

12

Wegen mehrerer Löschungsanträge nach §§ 50, 54 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG gegen die ältere Marke 300 12 966 hat das DPMA das Verfahren über diese Widersprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbestand der Widerspruchsmarke 1 ausgesetzt.

13

Mit im Wesentlichen inhaltsgleichen Beschlüssen hat der 26. Senat des BPatG – nach vorangegangener Zurückverweisung durch den BGH (GRUR 2009, 669 – POST II) – alle gegen die Wortmarke „POST“ (300 12 966) der D… AG gestellten Löschungsanträge insgesamt und ohne Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen (26 W (pat) 24/06, 25/06, 26/06, 27/06 und 29/06). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Marke „POST“ zwar ausschließlich aus einer Angabe bestehe, die zur Bezeichnung eines Merkmals der beanspruchten Dienstleistungen dienen könne. Vorliegend lasse aber die Gesamtschau aller Umstände, insbesondere das von der Antragsgegnerin im Eintragungsverfahren in Auftrag gegebene Verkehrsgutachten der NFO Infratest Wirtschaftsforschung GmbH vom Februar 2003, welches von der Erhebung und Methodik her nicht zu beanstanden sei, den Schluss zu, dass sich die angegriffene Marke vor der Entscheidung über ihre Eintragung für die beanspruchten Dienstleistungen im Verkehr nach § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt habe. Der BGH selbst habe in seiner Rechtsbeschwerdeentscheidung bereits ausdrücklich klargestellt, dass durch den in dem o. g. Gutachten ermittelten Zuordnungsgrad von 84,6 % der allgemeinen Verkehrskreise die im Regelfall erforderliche untere Grenze von 50 % so deutlich überschritten sei, dass die an eine Verkehrsdurchsetzung des glatt beschreibenden Begriffs „POST“ zu stellenden Anforderungen erfüllt seien. Dies gelte auch für den sich nach Abzug zweifelhafter Zuordnungswerte ergebenden Zuordnungsgrad von immer noch 78,4 %.

14

Nachdem die gegen einen dieser Beschlüsse eingelegte – nicht zugelassene – Rechtsbeschwerde vom BGH mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 zurückgewiesen worden war, ist im Juni 2012 das Widerspruchsverfahren vor dem DPMA fortgeführt worden.

15

Die hiesigen Parteien haben vor dem Landgericht Nürnberg einen Rechtsstreit geführt. Das Landgericht Nürnberg hat die Klage der Beschwerdeführerin auf Unterlassung, Auskunft- und Rechnungslegung, Löschung und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gegen die Beschwerdegegnerin u. a. wegen einer behaupteten Verletzung der beiden Widerspruchsmarken durch das angegriffene Zeichen abgewiesen. Das Urteil vom 26. Oktober 2005 (3 O 13455/04) ist rechtskräftig.

16

Mit Beschluss vom 13. Februar 2013 hat die Markenstelle für Klasse 16 des DPMA die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den Zeichen bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Zeichen könnten sich zwar teilweise bei identischen Dienstleistungen begegnen oder lägen zumindest in einem sehr engen Ähnlichkeitsbereich. Auch könne zu Gunsten der Widerspruchsmarken in Bezug auf die identischen oder ähnlichen Dienstleistungen von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgegangen werden.

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Der erforderliche Abstand werde von der angegriffenen Marke aber eingehalten. Die Widerspruchsmarken 1 („POST“) und 2 („Deutsche Post“) auf der einen und die angegriffene Marke auf der anderen Seite wiesen in ihrer Gesamtheit ausreichende Unterschiede auf, insbesondere in ihrer Wortlänge. Es bestehe kein Anlass, einen Bestandteil der angegriffenen Marke oder der Widerspruchsmarke 2 wegzulassen oder zu vernachlässigen. Alle Bestandteile seien gleichermaßen beschreibend und damit prägend für die Gesamtmarke. Sie würden einen zusammenhängenden Sinn ergeben und wiesen auf logistische Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Beförderung und Verteilung schriftlicher Nachrichten in der Main-Region bzw. in ganz Deutschland hin. Die angesprochenen Verkehrskreise würden auch nicht davon ausgehen, dass es sich bei der jüngeren Marke um ein weiteres Produkt der Widersprechenden handele, da sie anders gebildet sei, etwa aufgrund der grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke, die den Widerspruchsmarken fehle und die auch in keiner Weise an die Widersprechende erinnerten. Da auch andere Firmen den Bestandteil „Post“ in ihren Marken verwendeten, weise dieser Wortbestandteil nicht zwingend auf die Widersprechende hin.

18

Die Beschwerde der Widersprechenden richtet sich gegen die Zurückweisung ihrer Widersprüche.

19

Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin ein weiteres Verkehrsgutachten vom 10. Dezember 2015 zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 1 im Zusammenhang mit der Beförderung von Briefen und Paketen vorgelegt, wegen dessen Inhalts auf die Anlage 69 Bezug genommen wird.

20

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke bestehe Verwechslungsgefahr. Es müsse von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft beider Widerspruchsmarken ausgegangen werden. Eine solche gesteigerte Kennzeichnungskraft hätten mehrere Verkehrsgutachten ergeben. Insbesondere das Verkehrsgutachten der Firma Ipsos aus dem Jahr 2000 belege dies. Im Übrigen seien beide Widerspruchsmarken, wie sich aus den eingereichten Unterlagen ergebe, intensiv benutzt worden. Selbst die Annahme einer nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken würde zu einer Verwechslungsgefahr führen. Den Widerspruchsmarken könne nicht insgesamt, weil es sich um beschreibende Angaben handeln würde, die Unterscheidungseignung abgesprochen werden. Damit entzöge man den Widerspruchsmarken unzulässigerweise die Schutzwirkung. Die sich gegenüberstehenden Marken seien aufgrund der prägenden, jedenfalls selbständig kennzeichnenden Stellung des Zeichens oder Bestandteils „POST“ hochgradig ähnlich. Angesichts der durch die aktuelle Verkehrsbefragung aus dem Jahr 2015 belegten gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 1 nehme dieser Bestandteil in der angegriffenen Marke eine „prägende“ Stellung ein. Der angesprochene Verkehr zergliedere die angegriffene Marke in die Wortbestandteile „Main“, „Post“ und „Logistik“. Dies ergebe sich insbesondere durch die optische Absetzung des Begriffs „Post“. Der Bestandteil „Main“ sei ein Hinweis auf das geografische Gebiet, in dem die Ware oder Dienstleistung angeboten würde. Der Bestandteil „Logistik“ werde vom Verkehr lediglich als Angabe für die Branche verstanden. Dies seien rein beschreibende Angaben, die der angegriffenen Marke hinzugefügt worden seien. Vor dem Hintergrund identischer oder hochgradig ähnlicher Dienstleistungen sowie einer von der Markenstelle angenommenen überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken für zahlreiche Dienstleistungen, liege eine unmittelbare Verwechslungsgefahr vor, zumindest die Gefahr des gedanklich miteinander in Verbindungsbringens.

21

Die Beschwerdeführerin beantragt (Bl. 218 d. A.),

22

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 vom 13. Februar 2013 aufzuheben und die angegriffene Marke 301 57 223 im Umfang der Dienstleistungen der Klasse 39 zu löschen.

23

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Sie ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig. Ihr stehe die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Nürnberg entgegen. Das Landgericht Nürnberg habe rechtskräftig die Klage gegen die „Beschwerdeführerin“ [gemeint: Beschwerdegegnerin] wegen der Verletzung der streitgegenständlichen Marken abgewiesen. Im Übrigen sei die Beschwerde unbegründet. Es müsse von einer geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 1 ausgegangen werden. Dem Begriff „Post“ komme keine hervorgehobene Bedeutung zu. Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass die Beschwerdeführerin hohe Marketingausgaben getätigt habe. Es bestehe auch keine Zeichenähnlichkeit. Die angegriffene Marke sei in blau-weiß-orange gehalten. Der Bestandteil „POST“ sei nicht prägend.

26

Den Ausführungen der Beschwerdegegnerin tritt die Beschwerdeführerin entgegen. Der Einwand der entgegenstehenden Rechtskraft bestehe nicht. Der Inhaber älterer Rechte könne die Löschung einer jüngeren Marke sowohl im Rahmen eines patentamtlichen Widerspruchsverfahrens als auch – parallel – im Rahmen einer Löschungsklage vor den ordentlichen Gerichten verfolgen. Abweisende Entscheidungen entfalteten keine Bindungswirkung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

28

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat die Widersprüche zu Recht zurückgewiesen, weil keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG besteht. Vorliegend ist auf die Gesetzeslage vor dem 1. Oktober 2009 abzustellen (§ 165 Abs. 2 MarkenG), da die angegriffene Marke bereits am 1. Oktober 2001 angemeldet wurde.

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A. Der Zulässigkeit der Beschwerde nach § 66 MarkenG steht nicht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Nürnberg vom 26. Oktober 2005 (3 O 13455/04), mit dem neben Unterlassungs-, Auskunfts- sowie Rechnungslegungsansprüchen und der Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach auch der Anspruch der hiesigen Beschwerdeführerin auf Löschung der Marke Nr. 301 57 223 gegen die Beschwerdegegnerin abgewiesen wurden, entgegen.

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Die Löschungsklage kann anstatt oder neben einem Widerspruch nach § 42 MarkenG erhoben werden. Abweisende Entscheidungen entfalten keine Bindungswirkung im jeweils anderen Verfahren (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 55 Rn. 4).

31

B. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (EuGH MarkenR 2014, 245 ff. – Bimbo/HABM [BIMBO DOUGHNUTS/ DOGHNUTS]; GRUR Int. 2012, 754 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH./.HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein Trademark Trust/HABM [Calvin Klein]; BGH GRUR 2015, 1009 Rn. 19 – BMW-Emblem; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY). Von maßgeblicher Bedeutung sind insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/ oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie unter anderem etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen. Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist ebenfalls auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 33 – Barbara Becker/HABM [BARBARA BECKER]; BGH GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria).

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Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich hier jeweils gegenüberstehenden Vergleichszeichen aus.

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1. Der Widerspruch der Beschwerdeführerin aus der Marke 300 12 966 „POST“ (Widerspruchsmarke 1) bleibt ohne Erfolg.

34

a) Zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen der Klasse 39 liegt Identität oder hochgradige Dienstleistungsähnlichkeit vor.

35

aa) Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR Int. 2009, 397 Rn. 65 – P Les Éditions Albert René Sàrl/ HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH MarkenR 2016, 157 Rn. 21 – BioGourmet; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM/ZOOM; GRUR 2004, 601 – d-c-fix/CD-FIX; GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN). Maßgeblich für die Annahme einer Dienstleistungsähnlichkeit ist – unter Berücksichtigung der Kriterien der Warenähnlichkeit – nicht zuletzt angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen in erster Linie Art und Zweck der Dienstleistung, d. h. der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistung und die Vorstellung des Verkehrs, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht werden (BGH, a. a. O. Rn. 12 – BioGourmet; GRUR 2002, 544, 546 – BANK 24; GRUR 2001, 164, 165 – Wintergarten; Büscher, in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 223; Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 111).

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bb) Ausgehend von der Registerlage – Benutzungsfragen sind nicht aufgeworfen worden – besteht nach diesen Grundsätzen zwischen der Dienstleistung der angegriffenen Marke „Transportwesen“ und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke 1 „Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen“ Dienstleistungsidentität (BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 23 – EP-Europost). Da die angegriffene Marke für den Oberbegriff „Transportwesen“ eingetragen ist, wird Schutz auch für die darunter fallenden Dienstleistungen „Briefdienste, Frachtdienste, Expressdienste, Paketdienste und Kurierdienste“ beansprucht, für die die Widerspruchsmarke 1 eingetragen ist (vgl. BGH GRUR 2008, 903 Rn. 11 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2005, 326 – il Padrone/Il Portone; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14 Rn. 686).

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Zwischen der Dienstleistung der angegriffenen Marke „Verpackung und Lagerung von Waren“ und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke 1 „Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten“ besteht engste Ähnlichkeit (vgl. BPatG, Beschluss vom 10.11.1999, 29 W (pat) 361/98). Es handelt sich um unmittelbar ergänzende Dienstleistungen. Die Dienstleistungen des Einsammelns, des Weiterleitens und des Auslieferns setzen eine Möglichkeit der Lagerung des Transportgutes voraus. Dieses wird – soweit es die Umstände erfordern – auch verpackt oder neu verpackt, um den sicheren Transport der Waren zu gewährleisten. Da die einzelnen Dienstleistungen für den angesprochenen Verkehrskreis von einem Unternehmen angeboten und durchgeführt werden, stellt er sich ohne weiteres vor, dass diese Dienstleistungen unter gleicher Verantwortung erbracht werden.

38

Gleiches gilt im Ergebnis für die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen „weitere unterstützende logistische Dienstleistungen“.

39

b) Die im Wege der Verkehrsdurchsetzung eingetragene Widerspruchsmarke 1 „POST“ verfügte zum maßgeblichen Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Kennzeichnungskraft ist weder durch Benutzung erhöht noch durch Drittzeichen geschwächt (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 29 – EP-Europost; GRUR 2009, 672, 678 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 19.01.2012, 29 W (pat) 7/10 – regioPost; Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST).

40

Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (BGH GRUR 2013, 833 Rn. 41 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2009, 766 Rn. 30 – Stofffähnchen). Die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist stets produkt- bzw. dienstleistungsbezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2014, 382 Rn. 22 – REAL-Chips).

41

aa) Bei der Widerspruchsmarke 1 handelt es sich um eine von Haus aus beschreibende Angabe.

42

Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (BGH MarkenR 2016, 157 Rn. 31 – BioGourmet; GRUR 2015, 1127 Rn. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2014, 382 Rn. 18 – REAL-Chips; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 29 – pjur/pure). Marken kommt bereits dann eine geringe und keine normale Kennzeichnungskraft zu, wenn sie für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an einem beschreibenden Begriff angelehnt sind (BGH GRUR 2014, 382 Rn. 18 – REAL-Chips; BGH GRUR 2013, 833 Rn. 34 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 30 – pjur/pure; OLG Köln GRUR 2015, 596).

43

Die Widerspruchsmarke 1 ist eine Angabe über ein Merkmal der in Rede stehenden Dienstleistungen (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 28 – EP-Europost; Büscher, in: Ahrens/Bornkamm/Kunz-Hallstein (Hrsg.), FS Ullmann, S. 129, 138), mithin von Haus aus beschreibend. Der Begriff „Post“ bezeichnet nämlich einerseits die beförderten und zugestellten Güter selbst und beschreibt damit den Gegenstand, auf den sich die Dienstleistungen beziehen. Andererseits bezeichnet er im Allgemeinen inländischen Sprachgebrauch seit langem eine Dienstleistungseinrichtung, die Briefe, Pakete, Geldsendungen und andere Gegenstände entgegennimmt, befördert und zustellt. Auch heute noch wird zu beförderndes oder bereits befördertes und zugestelltes Schriftgut mit dem Sammelbegriff „Post“ bezeichnet, selbst wenn die Beförderung andere Unternehmen als die Widersprechende übernehmen (vgl. BGH a. a. O., Rn. 24 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011 – CITIPOST; Beschluss vom 26.04.2011, 26 W (pat) 193/09 – Die grüne Post).

44

bb) Allerdings verfügen in der Regel solche Zeichen, die – wie die Widerspruchsmarke 1 – aufgrund Verkehrsdurchsetzung ins Register eingetragen worden sind, über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2014 – I ZR 38/14 – TNT-POST (Nichtannahmebeschluss); Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 32 – EP-Europost; a. a. O. Rn. 26 – OSTSEE-POST; GRUR 2008, 719 Rn. 33 – idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2002, 171, 173 f. – Marlboro-Dach; BPatG, Beschluss vom 15.07.2008, 33 W (pat) 104/06 – electronica INNOVA/electronica; Büscher in: Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O. § 14 Rn. 279). Allein der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ursprünglich im vorliegend in Rede stehenden Dienstleistungsbereich über eine Monopolstellung verfügt hat, rechtfertigt nicht die Annahme, von einer Schwächung der Kennzeichnungskraft auszugehen.

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cc) Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass Marken, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden sind, eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukommen kann (BGH GRUR 2001, 171, 173 – Marlboro Dach; Büscher in: Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 14 Rn. 279).

46

Für die Annahme gesteigerter Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung bedarf es grundsätzlich konkreter Angaben zum Marktanteil im Inland, zur Dauer der Benutzung, zum Umsatz, zur geografischen Verbreitung und zum Werbeaufwand einschließlich dem Investitionsumfang zur Förderung der Marke (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder). Um den erhöhten Schutzumfang einer Marke im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen, müssen dessen Voraussetzungen bereits im Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke vorgelegen haben (BGH GRUR 2008, 903 – Rn. 14 – SIERRA ANTIGUO; Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 211). Sie müssen bis zum Entscheidungszeitpunkt fortbestehen (BPatG GRUR-RR 2015, 468, 469; Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 211).

47

Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung ist nach dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz von der Widersprechenden darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit die Benutzungslage nicht im Einzelfall amts- oder gerichtsbekannt ist (BGH GRUR 2006, 152 Rn. 19 – GALLUP; BPatG, Beschluss vom 11.06.2015, 29 W (pat) 76/12; GRUR-RR 2015, 468, 469 – Senkrechte Balken). Zwar ist dem Senat die Widersprechende, also das Unternehmen D… AG als Nachfolgerin des Monopolunternehmens Deutsche Bundes- post und bedeutender Anbieter von Transport-, Brief-, Fracht- und Kurierdienstleistungen bekannt. Jedoch liegen dem Senat keine eigenen Erkenntnisse über Tatsachen dahingehend vor, dass und in welchem Umfang die Widerspruchsmarken POST und Deutsche Post als solche zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke über eine erhöhte Bekanntheit innerhalb des Bundesgebietes verfügten. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken kann vorliegend daher nicht als gerichtsbekannt berücksichtigt werden.

48

(1) Ferner ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Marke handelt, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden ist. Tatsachen, die zum Nachweis der Feststellung der Verkehrsdurchsetzung beigetragen haben, sind nicht geeignet, zugleich einen erhöhten Schutzumfang der betreffenden Marke zu begründen. Dies käme einer „doppelten Belohnung“ gleich, die mit dem Wesen der Verkehrsdurchsetzung nicht vereinbar ist (vgl. BPatG GRUR 2008, 174, 176 – EUROPOSTCOM; GRUR 2008, 179 – dCP deutsche City Post; Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST; Beschluss vom 08.04.2011, 26 W (pat) 65/04 – GeoPost; Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 140). Etwas anderes vermag die Beschwerdeführerin nicht aus den – sehr viel älteren – Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (GRUR 1990, 274 – Klettverschluss (Anlage 16 d. VA.) und GRUR 1991, 609 – SL (Anlage 17 d. VA.)) herzuleiten. Diese Entscheidungen beziehen sich nicht auf die Frage, ob Tatsachen, die Grundlage der Annahme einer Verkehrsdurchsetzung gewesen sind, gleichzeitig eine erhöhte Kennzeichnungskraft begründen können; zudem hat der Bundesgerichtshof diese Frage in späteren Entscheidungen im obigen Sinne entschieden.

49

(2) Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es bei glatt beschreibenden, im Verkehr durchgesetzten Zeichen erforderlich ist, zusätzliche besondere Umstände festzustellen, wie des Nachweises eines nahezu einhelligen Zuordnungsgrades, um von einer erhöhten Kennzeichnungskraft ausgehen zu können (vgl. BGH a. a. O. Rn. 30 f. – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST; Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 143). Solche zusätzlichen Umstände sind von der Widersprechenden, insbesondere für den hier u. a. maßgeblichen Zeitpunkt des 1. Oktober 2001, weder hinreichend konkret vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung, in welcher die Beschwerdeführerin auf die Auffassung des Senats hingewiesen wurde, hat die Beschwerdeführerin keine weiteren Tatsachen vorgetragen.

50

Die Beschwerdeführerin beruft sich für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft u. a. auf Gutachten über die Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke 1 aus den Jahren Mai 2000 (Anlage 3 zum Schriftsatz vom 19.03.2003, Ipsos Deutschland GmbH) und November/Dezember 2002 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 19.03.2003, NFO Infratest Wirtschaftsforschung GmbH). Letzteres bezieht sich bereits nicht auf den vorliegend relevanten Anmeldezeitpunkt der angegriffen Marke. Das Gutachten aus Mai 2000 weist keinen nahezu einhelligen Zuordnungsgrad, sondern lediglich einen solchen von 74,9 % auf.

51

Insgesamt gilt für die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten späteren Datums zur Verkehrsdurchsetzung, dass auch ein Durchsetzungsgrad von über 80% nicht zu einer Erhöhung der Kennzeichnungskraft führt (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 35 – EP-Europost; BPatG, Beschluss vom 07.04.2011, 26 W (pat) 50/04; OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 149, 152 – TNT Post Deutschland; Büscher in Ahrens/Bornkamm/Kunz-Hallstein, a. a. O., S. 129, 139). Entscheidend ist für den erforderlichen Grad der Verkehrsdurchsetzung, wie dominant der beschreibende Inhalt der in Frage stehenden Bezeichnung ist (EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 50 – Chiemsee; Büscher in Ahrens/Bornkamm/Kunz-Hallstein, a. a. O., S. 129, 139). So erfordert ein sehr bekanntes Zeichen mit einem sehr starken beschreibenden Inhalt eine lange und intensive Benutzung als Marke, um von einer erhöhten Kennzeichnungskraft auszugehen. Dass dies im Zeitpunkt des Anmeldetages der angegriffenen Marke der Fall gewesen wäre, kann dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden. Soweit die Beschwerdeführerin im Beschwerderechtszug ein weiteres Verkehrsgutachten vom 10. Dezember 2015 vorgelegt hat (Anlage 69; Pflüger Rechtsforschung GmbH), können an Hand dessen keine Rückschlüsse auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft in Bezug auf den Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke im Jahr 2001 gezogen worden. Hierfür gibt das 14 Jahre später eingeholte Verkehrsgutachten nichts her.

52

Auch der Sachvortrag der Beschwerdeführerin, die Widerspruchsmarke 1 sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR 2008, 798 Rn. 25) eine bekannte Marke und gleiches gelte sinngemäß für das Unternehmenskennzeichen (vgl. Bl. 923 d. VA), gibt für ihre Auffassung nichts her. Zum einen hat dort der BGH lediglich zugunsten der hiesigen Beschwerdeführerin unterstellt, dass es sich um eine bekannte Marke handle; zum anderen bezieht sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf einen Zeitpunkt nach August 2002. Ferner wird die Beschwerdeführerin durch die von ihr behauptete „Bekanntheit“ nicht davon entlastet, ihrer Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast in diesem Verfahren nachzukommen. Zudem würde der Widerspruchsgrund einer bekannten Marke (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG) nicht eingreifen (dasselbe gilt im Übrigen für das bekannte Unternehmenskennzeichen gem. § 42 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 5 MarkenG). Die angegriffene Marke wurde am 1. Oktober 2001 angemeldet. Nach § 165 Abs. 2 MarkenG gilt das Markengesetz in diesem Fall in der bis zum 1. Oktober 2009 geltenden Fassung, welches einen solchen Widerspruch nicht vorsah.

53

Schließlich kann auch der Argumentation der Beschwerdeführerin, in der Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 28. Oktober 2010 (26 W (pat) 25/06 – POST II) sei bestätigt worden, dass der Widerspruchsmarke im Jahr 2000 ein hoher Bekanntheitsgrad zukomme, nicht gefolgt werden. Der 26. Senat hat in dieser Entscheidung – nach damals noch herrschender Rechtsprechung zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten im Löschungsverfahren – auf den Eintragungszeitpunkt (und nicht auf den nach mittlerweile geltender Rechtsprechung maßgeblichen Anmeldezeitpunkt, vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) der Widerspruchsmarke (03.11.2003) abgestellt, mithin nicht auf das vorliegend entscheidungserhebliche Jahr 2001. Zudem stützte er maßgeblich seine Auffassung auf ein Verkehrsgutachten der Firma Infratest Wirtschaftsforschung GmbH vom Februar 2003. Soweit der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt hat, dass „(d)ie im Gutachten vom Februar 2003 erzielten Zuordnungswerte zum Unternehmen der Antragsgegnerin … auch den Schluss zu(ließen), dass sich die angegriffene Marke vor der Entscheidung über ihre Eintragung für die beanspruchten Dienstleistungen der Antragsgegnerin im Verkehr durchgesetzt“ habe, ist nichts dafür ersichtlich, dass dies auch bereits für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke (01.10.2001) gelten sollte. Ferner sind – wie bereits ausgeführt – Tatsachen, die zum Nachweis der Feststellung der Verkehrsdurchsetzung beigetragen haben, ungeeignet, zugleich einen erhöhten Schutzumfang der betreffenden Marke zu begründen.

54

(3) Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft des Zeichens „POST“, und zwar zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke, ergibt sich auch nicht aus den von der Widersprechenden eingereichten sonstigen Unterlagen, insbesondere nicht aus den Anlagen zu den Schriftsätzen vom 19. November 2003 und 4. Mai 2011. Die Unterlagen beziehen sich fast ausschließlich auf einen Zeitraum nach dem Anmeldezeitpunkt.

55

(a) Die im Anlagenkonvolut A 1 eingereichten Zeitungsartikel beschäftigen sich mit dem Unternehmen Post z. B. im Zusammenhang mit Zwangsarbeitern, Umbaumaßnahmen, Börsengang, Streit über die Portohöhe, DHL oder Filialschließungen. Zwar lassen die Artikel Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Anmeldetages des angegriffenen Zeichens zu, indes wird die Bezeichnung POST in den Zeitungsartikeln ohne direkten Zusammenhang mit den von der Widerspruchsmarke 1 beanspruchten Dienstleistungen verwendet. Der Umstand, dass das Wort „Post“ selbst in den Zeitungsartikel erwähnt wird, reicht für einen Bezug zu konkreten Dienstleistungen, die zum Teil nicht Gegenstand der Artikel sind, nicht aus. Es fehlt an der Darlegung der konkreten Verwendung des Zeichens. Im Ergebnis Gleiches gilt für die Internetartikel gemäß Anlage A 2.

56

Die schlagwortartige Verwendung von „POST“ als Unternehmenskennzeichen, nicht dagegen als Marke wird bestätigt durch Anlage A11 (Bl. 863 d. VA; Markenartikel 6/2007, S. 78), wonach das Unternehmenskonzept noch im Jahr 2007 eine Nutzung von „POST“ als Marke nicht vorsah: „Wir haben unsere Unternehmensbereiche drei starken Leistungsmarken zugeordnet: «Deutsche Post» für das Geschäft mit Briefdienstleistungen im Inland, «Postbank» für alle Finanzdienstleistungen und «DHL» für das weltweite Paket-, Express- und Logistik-Geschäft, sowie für das Briefgeschäft außerhalb Deutschlands.“

57

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2007 auf die Gesamtwerbeaufwendungen für die Jahre 2000 – 2007 (letztes anteilig) verweist, bleibt dies ohne rechtliche Relevanz. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag von der Beschwerdegegnerin bestritten wurde und die Beschwerdeführerin ihren Sachvortrag nicht glaubhaft gemacht hat, da sie lediglich die Einreichung einer eidesstattlichen Versicherung angekündigt hat (Bl. 783 d. VA), lässt sich dem Vortrag der Widersprechenden nicht entnehmen, wie diese Werbeausgaben der Widerspruchsmarke 1 konkret zuzuordnen sind.

58

(b) Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen weiteren eigenen Marken können nicht als Anhaltspunkt für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft dienen, da es sich um zur Widerspruchsmarke 1 unterschiedliche Zeichen handelt („POSTEUROP“, „Regiopost“, „Die gelbe Post“ oder „Info-Post-Manager 2000“). Eine konkrete Zuordnung dieser Markenfamilie zur Beschwerdeführerin wäre nur unter dem Gesichtspunkt einer Serienmarke möglich. Einer einzelnen Marke, die zu einer Markenfamilie gehört, kann die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Markenfamilie zugutekommen (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 14 Rn. 272). Da es aber – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – viele verschiedene Unternehmen gibt, die das Wortelement „Post“ in ihrer Marke benutzen – wie z. B. auch die Inhaberin der angegriffenen Marke – ist eine konkrete Zuordnung der Marken zur Beschwerdeführerin gerade nicht im erforderlichen Maße möglich, um hinreichende Feststellungen treffen zu können. Es ist auch nicht aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin ersichtlich, wie intensiv sie die Marken der Markenfamilie genutzt haben will, mithin die Markenfamilie von dem angesprochenen Verkehrskreis hätte wahrgenommen werden können. Schließlich fehlt es an einer möglichen Ausstrahlungswirkung der Marken auf die Widerspruchsmarke 1 deshalb, weil sie nicht für identische Dienstleistungen beansprucht werden, wie z. B. die Marke „POSTEUROP“, welche lediglich für die hier nicht streitgegenständliche Warenklasse 16 registriert ist oder die Marke „Info-Post-Manager 2000“ für die Warenklasse 9.

59

(c) Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Marktanteil des Unternehmensbereichs „Brief“ in Höhe von 89,5 % ist ebenfalls unbehelflich, da sich die Anlage 7 (Bl. 791 d. VA.) des Schriftsatzes vom 17. Dezember 2007 auf das Jahr 2006 bezieht, aus ihrem eigenen Geschäftsbericht stammt und keine Rückschlüsse auf die konkrete Verwendung der Widerspruchsmarke 1 im Anmeldezeitpunkt zulässt.

60

Gleiches gilt für die Sonderveröffentlichung entsprechend der Anlage 8. Sie datiert nicht aus dem Jahr 2001 und lässt zudem das konkrete Verbreitungsgebiet der als Zeitungsbeilage vom 30. Mai 2007 beigefügten Sonderveröffentlichung nicht erkennen. Entsprechendes gilt für die Filmsequenz entsprechend der Anlage 9, welche auf der Internetseite www.deutschepost.de veröffentlicht wurde und somit einen Bezug zur Widerspruchsmarke 2 aufweist und nicht zur Widerspruchsmarke 1. Die Liste der Ausstrahlungen im deutschen Fernsehen (Anlage 10, Bl. 811 ff. d. VA) bezieht sich ebenfalls nicht auf das Jahr 2001.

61

Im Ergebnis gleiches gilt für die eingereichten Unterlagen gemäß den Anlage A 11 bis A 14.

62

Die Angaben zum Marktwert entsprechend den Unterlagen der Anlage 18 sind für die Widerspruchsmarke 1 und deren Kennzeichnungskraft ohne Aussageinhalt, da sich die Unterlagen lediglich auf die Widerspruchsmarke 2 beziehen. Insoweit geht die Schlussfolgerung der Beschwerdeführerin fehl, aus Markenwerten für die Jahre 2006 bis 2009 ergebe sich eine umfangreiche Benutzung und die Bekanntheit der Widerspruchsmarke 1 in den Jahren 2000 – 2010.

63

Die vorgelegte Mehrjahresansicht für die Jahre 2002 bis 2009 (Anlage 19) betrifft wiederum nur die Umsätze in den einzelnen Firmensparten, sagt aber nichts darüber aus, mit welchen Marken die Dienstleistungen der einzelnen Unternehmensbereiche gekennzeichnet wurden. Zudem bezieht sich der Geschäftsbericht nicht konkret auf die Widerspruchsmarke 1, sondern es handelt sich um einen Geschäftsbericht der Deutschen Post DHL. Umsätze können grundsätzlich nur dann für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sprechen, wenn sie auf den Verkauf bestimmter Waren/Dienstleistungen entsprechend des Warenverzeichnisses entfallen (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 38 – Culinaria/Villa Culinaria). Eine solche Zuordnung ist vorliegend aus den von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen nicht möglich. Der Vortrag der Beschwerdeführerin bietet unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie Inhaberin vielfältiger Marken ist auch keine Grundlage dafür, zu prüfen, ob und ggfls. in welchem Umfang im Wege der Schätzung jedenfalls ein Mindestumsatz festgestellt werden kann (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 39 – Culinaria/Villa Culinaria).

64

Die Kennzeichnung von Postämtern und -filialen mit „POST“ (Anlage 20) ist wiederum ein schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen und tradiert aus der Monopolstellung. Auf dem Foto Bl. 1039 d. VA ist zu erkennen, dass „POST“ die alte Bezeichnung war, über der „Deutsche Post“ mit dem schwarzen Posthorn nachträglich angebracht worden ist. Auch daraus ist eine markenmäßige Benutzung, die zu einer Erhöhung der Kennzeichnungskraft führen könnte, nicht zu entnehmen. Ferner ist eine konkrete zeitliche Einordnung der Unterlagen an Hand des nicht glaubhaft gemachten Sachvortrags der Beschwerdeführerin nicht möglich. Gleiches gilt für die als Kopie vorgelegten Werbeplakate der Anlage 21.

65

Die Unterlagen entsprechend der Anlage 22 (Bl. 1046 ff. d. VA.) haben zwar das Wortelement „Post“ zum Gegenstand. „Post im Dialog“ (Bl. 1046 d. VA) deutet aber wiederum auf einen Unternehmenshinweis hin, da das Unternehmen mit seinen Kunden in einen Dialog eintreten dürfte, nicht eine einzelne Dienstleistung. Eine hinreichend konkrete Zuordnung von Dienstleistungen zur Widerspruchsmarke 1 ergibt sich daraus nicht, da unwahrscheinlich ist, dass die Briefdienstleistung diesen Dialog mit dem Kunden aufnimmt. Ferner ist eine zeitliche Einordnung der Anlage nur bei Bl. 1046 d. A. (4/2004) möglich.

66

Zutreffend hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass einem Domainnamen – neben der Adressfunktion – herkunftshinweisende Funktion zukommen kann, wenn er zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwendeten Homepage führt (BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 49 – airdsl). Allein die markenmäßige Benutzung aufgrund der Inhaberschaft der Domain www.post.de (vgl. Anlagen 23, 24) reicht für eine Erhöhung der Kennzeichnungskraft dagegen nicht aus.

67

Mit den vorgelegten Anlagen A 26 bis A 33 ist zwar dargelegt worden, dass der im Juli 2010 eingeführte E-Postbrief durch Werbung in Print- und elektronischen Medien und durch Postwurfsendungen umfangreich beworben worden ist. Aus der – nicht im Original vorgelegten – eidesstattlichen Versicherung vom 4. Oktober 2010 (Anlage 31, Bl. 1094 d. VA) ergibt sich aber lediglich, dass dieser mit der grafischen Darstellung eines Kuverts und dem Slogan „Verbindlich, Vertraulich, Verlässlich“ auf dem Markt eingeführt wurde. Ein Rückschluss auf die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 1 zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke im Oktober 2001 ist demgegenüber daraus nicht zu entnehmen. Die weiter vorgelegten Unterlagen A32 bis A38 beziehen sich ebenfalls auf spätere Zeitpunkte.

68

Die weiteren von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen der Anlagen 25 – 38 beziehen sich nicht mehr auf den Zeitpunkt des Anmeldetages der angegriffenen Marke, so dass ihnen keine rechtliche Relevanz für die Frage der gesteigerten Kennzeichnungskraft in diesem Zeitpunkt zukommt.

69

Dasselbe gilt für das Gutachten von TNS Infratest aus dem Jahr 2005 (Anlage 5) und das als Anlage 69 vorgelegte Gutachten der PFLÜGER Rechtsforschung GmbH vom 10. Dezember 2015.

70

Insgesamt betrachtet, bieten die eingereichten Unterlagen, soweit sie zeitlich nicht dem Anmeldetag der angegriffenen Marke zuzuordnen sind, ebenfalls keine hinreichende Tatsachengrundlage, um von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit auszugehen, bereits im Anmeldezeitpunkt habe die Widerspruchsmarke über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt.

71

dd) Von einer Schwächung der Kennzeichnungskraft kann – entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin – ebenfalls nicht ausgegangen werden.

72

Die Beschwerdegegnerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die Grundlage für die Annahme einer Kennzeichnungsschwäche sein könnten. Allein die frühere Monopolstellung der Beschwerdeführerin und deren Rechtsvorgängerin reichen hierfür nicht aus (vgl. BGH GRUR 2009, 672 Rn. 26 – OSTSEE-POST).

73

c) Die in Rede stehenden Dienstleistungen richten sich sowohl an die allgemeinen Verkehrskreise als auch an unternehmerische Fachkreise, da diese die in Frage stehenden Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Aufgrund des Massengeschäfts und der eher in einem niedrigpreisigen Segment liegenden Dienstleistungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad.

74

d) Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 1 und bei Anwendung normaler Sorgfalt der Verkehrskreise hält die angegriffene Marke selbst im Bereich von Dienstleistungsidentität den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG erforderlichen Zeichenabstand ein.

75

aa) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (z. B. BGH, Beschluss vom 23.10.2014, I ZR 38/14 Rn. 10 – TNT Post; GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 23 – MIXI; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST). Das schließt es nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens für den durch das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 33 – Barbara Becker/ HABM [BARBARA BECKER]; GRUR 2007, 700 Rn. 41 – HABM/Shaker di Laudato & C. [HABM/Shaker]; BGH GRUR 2013, 833, Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2009, 1055 Rn. 23 – airdsl; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST). Allein auf den dominierenden Bestandteil einer zusammengesetzten Marke kommt es aber nur dann an, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (BGH GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; BGH GRUR 2011, 824 Rn. 23 – Kappa). Einer beschreibenden Angabe kann kein bestimmender Einfluss auf den Gesamteindruck einer Marke zukommen, da der angesprochene Verkehr beschreibende Angaben nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen, sondern lediglich als Sachhinweis auffasst (BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 40 – pjur/ pure). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA [Henkel]; BGH GRUR 2015, 173 Rn. 16 – for you; Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rn. 237). Weiter ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 30 – THOMSON LIFE; BGH, Beschluss vom 23.10.2014, I ZR 38/14 Rn. 10 – TNT Post; GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST). Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr anhand des durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindrucks sind insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 23.10.2014, I ZR 38/14 Rn. 10 – TNT Post; GRUR 2013, 1150 Rn. 22 – Baumann; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST).

76

Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 – THOMSON LIFE, BGH GRUR 2011, 824 Rn. 25 – Kappa; GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; GRUR 2006, 60 Rn. 17 – coccodrillo). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (BGH GRUR 2015, 114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2011, 824 Rn. 26 – Kappa; GRUR 2008, 719 Rn. 35 – idw Informationsdienst Wissenschaft).

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bb) In ihrer Gesamtheit sind die Zeichen

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Abbildung und POST

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für den angesprochenen Verkehrskreis der fraglichen Dienstleistungen ohne weiteres zu unterscheiden; dies schon wegen der sofort ins Auge fallenden Bildelemente und farblichen Ausgestaltung sowie der zusätzlichen Wortbestandteile der angegriffenen Marke, die weder überhört noch überlesen werden und auch begrifflich von der Widerspruchsmarke wegführen, Gegenteiliges macht auch die Beschwerdeführerin nicht geltend.

80

Eine unmittelbare klangliche, bildliche oder begriffliche Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen scheidet aufgrund der deutlichen Unterschiede daher aus.

81

cc) Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aufgrund des in der angegriffenen Marke enthaltenen Wortbestandteils „Post“ kommt ebenfalls nicht in Betracht, da dieser Zeichenbestandteil keine prägende Stellung einnimmt.

82

Das Wortelement „Post“ weist entgegen der Ansicht der Widersprechenden in der jüngeren Marke keine prägende Funktion auf, weil die weiteren Wortelemente „Main“ und „Logistik“ für die angesprochenen Verkehrskreise nicht in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. EuGH GRUR 2007, 700 Rn. 41 – HABM/Shaker [Limoncello]; GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2008, 903 Rn. 18 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2006, 859 Rn. 18 – Malteserkreuz I). Auch beschreibende und deshalb kennzeichnungsschwache Angaben können beim Zeichenvergleich Berücksichtigung finden, wenn sie mit weiteren Bestandteilen eine Einheit bilden (GRUR 2013, 1239 Rn. 35 – Volkswagen/Volks.Inspektion; GRUR 2009, 1055 Rn. 30 – airdsl). Alle drei Wortelemente sind aufeinander inhaltlich bezogen und bilden zwanglos für den Durchschnittsverbraucher eine – gesamtbegriffliche – Einheit. Der angesprochene Verkehrskreis wird die Wortbestandteile der angegriffenen Marke „Main-PostLogistik“ in ihrer Gesamtheit ohne weiteres im Sinne eines im Maingebiet tätigen Brief-/Fracht-/Kurier- und Logistikunternehmens verstehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 40 – EP-Europost; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST). Das Wortelement „Logistik“ ist unmittelbar an das Wortelement „Post“ angefügt. Das Wortelement „Main“ ist mit einem Bindestrich schreibüblich mit dem Wortelement „Post“ verbunden, was eine Klammerwirkung begünstigt (vgl. BGH GRUR 2002, 342, 344 – ASTRA/ ESTRA-PUREN).

83

Der Verkehr hat auch keinen Anlass, das angegriffene Zeichen zergliedernd zu betrachten und sich bei der Frage des Herkunftshinweises allein an seinem Bestandteil „Post“ zu orientieren. In der hier betroffenen Transport- und Logistikbranche fasst der Verkehr den Begriff „Post“ in zusammengesetzten Zeichen beschreibend auf (vgl. BGH a. a. O. Rn. 36 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 19.01.2012, 29 W (pat) 7/10 – regioPost). Der angesprochene Verkehr ist aufgrund der seit Jahren andauernden und umfangreichen Berichterstattung in deutschen Medien über den schrittweisen Abbau des Postmonopols gut darüber informiert, dass es zwischenzeitlich außer der Widersprechenden eine nicht unerhebliche Anzahl weiterer Anbieter von – auch nur regional tätigen – Postdiensten im Inland gibt (BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST). Der angesprochene Verkehrskreis wird – wie auch die Mitglieder des Senats aus eigener Anschauung wissen – im täglichen Leben mit verschiedenen Brief- und Paketzustellern konfrontiert. Durch entsprechende Benachrichtigungskarten zwecks Abholung von Brief- und Paketsendungen wird der angesprochene Verkehrskreis jeweils auf die Beschwerdeführerin und ihre Konkurrenzunternehmen hingewiesen. So existieren regional tätige Unternehmen, die den Begriff „Post“ verwenden, wie „LVZ Post“ (Leipzig) oder „Citi CP Post“ (Leipzig).

84

Auch die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke Abbildungbegünstigt die Wahrnehmung des Zeichens als Gesamtbegriff und nimmt insoweit Einfluss auf dessen klangliche Wiedergabe. Der Verkehr erkennt die optische Aufteilung in einen weißen Bereich „Main-Post“, den er als Einheit auffasst, und einen gelben Bereich „Logistik“. Er wird daher – anders als die Beschwerdeführerin meint – die üblicherweise für sie typische Farbe „gelb“ nicht ihr zuordnen, da „Post“ gerade nicht in der Farbe „gelb“ ausgestaltet und nicht als Einzelelement hervorgehoben ist.

85

Zu keiner anderen Beurteilung führen die durch die Beschwerdeführerin eingereichten Gutachten von Ipsos Deutschland vom Mai 2000 (Anlage 45, Bl. 1209ff. d. VA.) und von TNS Infratest vom Juli 2004 (Anlage 45, Bl. 1175ff. d. VA.), in denen demoskopisch die tatsächlich bestehende Verwechslungsgefahr im Verkehr einmal zwischen den Bezeichnungen „Post“ und „Postmodern“ und einmal zwischen „TNT Post Deutschland“ und „Deutsche Post AG“ gutachterlich beurteilt wurde. Zum einen ist die Frage der Verwechslungsgefahr eine rechtliche, keine tatsächliche (vgl. BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 62 – airdsl; GRUR 2000, 506, 509 – ATTACHE/TISSERAND). Zum anderen betrifft sie nur einen Teil der verfahrensgegenständlichen Marken, jedenfalls nicht die angegriffene.

86

dd) Auch liegen keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 2. HS MarkenG vor.

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Die Gefahr, dass Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, obwohl die beteiligten Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, liegt nur dann vor, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2010, 646 Rn. 15 – OFFROAD; GRUR 2008, 258 Rn. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect; Büscher, in: Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 14 MarkenG Rn. 488). Dies würde voraussetzen, dass der Verkehr auf Grund besonderer Umstände Veranlassung hat, das zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen (vgl. GRUR 2010, 729 Rn. 34 – MIXI). Solche Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Das Element „Post“ bildet in der jüngeren Marke zusammen mit den Wortelementen „Main“ und „Logistik“ eine gesamtbegriffliche Einheit zu „Main-PostLogistik“, weshalb ihm keine eigenständig kennzeichnende Stellung zukommt, so dass eine Verwechslungsgefahr unter diesem Gesichtspunkt zu verneinen ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 40 – EP-Europost; GRUR 2009, 672 Rn. 36 – OSTSEEPOST). Allein der Umstand, dass die drei Wortbestandteile der jüngeren Marke den Gesamteindruck der Marke gleichermaßen bestimmen, weil keiner dieser Bestandteile das Erscheinungsbild der Marke prägt, führt nicht dazu, eine selbständig kennzeichnende Stellung eines der Wortelemente anzunehmen (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 14 MarkenG Rn. 420).

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Daran ändert auch die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke nichts. Soweit in dem gelb gestalteten Wortelement „Logistik“ für den angesprochenen Verkehrskreis Anklänge an die von der Beschwerdeführerin vornehmlich gewählte farbliche Gestaltung wahrzunehmen sind, treten diese nicht derart in den Vordergrund, dass der Verkehr von einem betrieblichen Herkunftshinweis ausgeht. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht es nicht aus, dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen (BGH MarkenR 2015, 561 Rn. 102 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; GRUR 2013, 833 Rn. 69 – Culinaria/Villa Culinaria). Allein der Umstand, dass das Wortelement „Logistik“ in gelber Farbe für den angesprochenen Verkehrskreis wahrzunehmen ist, vermag eine gedankliche Brücke zum Unternehmen der Beschwerdeführerin nicht zu schlagen. Mit dem Unternehmen der Widersprechenden verbinden die Verbraucher in erster Linie die (alleinige) Farbe Gelb und das stilisierte Posthorn. Die angegriffene Marke stimmt aber in diesen kennzeichnenden Elementen mit der Widerspruchsmarke in keiner Weise überein, sondern hat überwiegend eine andere Farbgebung und bildliche Gestaltung.

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ee) Schließlich scheidet eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens aus.

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Diese Art der Verwechslungsgefahr greift ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Inhaber zuordnen (GRUR 2013, 1239 Rn. 40 – Volkswagen/ Volks.Inspektion; GRUR 2010, 729 Rn. 40 – MIXI; BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 79/06 Rn. 43 – EP-Europost; GRUR 2008, 484 Rn. 38 – METROBUS; GRUR 2007, 1066 Rn. 45 – Kinderzeit). Bei der Annahme einer Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens sind besondere Anforderungen an die Wesensgleichheit dieses Zeichens mit dem angegriffenen Zeichen zu stellen (BGH GRUR 2010, 729 Rn. 41 – MIXI; GRUR 2007, 1066 Rn. 46 – Kinderzeit). Hinzu kommt, dass zum Nachweis des Vorliegens eines Serienzeichens dargelegt werden muss, dass eine hinreichende Zahl von Marken benutzt wird, die eine Serie bilden (EuGH GRUR 2012, 1257 Rn. 27 – Rintisch/Eder [PROTI]; BGH GRUR 2013, 840 Rn. 20 – PROTI II). Für das Bestehen einer Gefahr, dass sich das Publikum hinsichtlich der Zugehörigkeit der angemeldeten Marke zu einer Serie von Marken irrt, ist es ferner erforderlich, dass die anderen dieser Serie angehörenden Marken auf dem Markt präsent sind (EuGH GRUR 2012, 1257 Rn. 28 – Rintisch/Eder [PROTI]).

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Die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens scheidet schon deshalb aus, weil der gemeinsame Wortbestandteil „Post“ in der angegriffenen Marke wegen der Verbindung zu einem eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriff nicht in der Art eines eigenständigen Wortstammes hervortritt und damit von der Vorstellung wegführt, es handele sich um eine Serienmarke ein und desselben Unternehmens (vgl. BGH a. a. O. Rn. 40 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 19.01.2012, 29 W (pat) 7/10 – regioPost; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST). Dass für die Widersprechende zahlreiche Marken mit dem Bestandteil „Post“ eingetragen sind (vgl. Anlage 42, Bl. 1128-1141 d. A.), ist in der Transport- und Logistikbranche nicht geeignet, das Verständnis des Verkehrs zu beeinflussen. Nur bei einem Teil dieser Marken ist dem Bestandteil „Post“ ein weiterer Begriff wie bei der angegriffenen Marke vorangestellt, wie u. a. bei den Wort-/Bildunionsmarken „INFOPOST“ (EU 3280121) und „E POST (EU 8408056)“ sowie den deutschen Wortmarken „Kinderpost“ (30035645), „Schulpost“ (30035646), „PLUSPOST“ (30122890), „SMARTPOST“ (30403717) und der Wort-/Bildmarke „easyPost“ (39718576). Zur tatsächlichen Verwendung dieser als Serie in Betracht kommenden Marken und ihrer Präsenz auf dem Markt fehlt jedoch ein hinreichend substantiierter Vortrag der Widersprechenden. Abgesehen davon hat im Zuge der Berichterstattung zum schrittweisen Abbau des Postmonopols in Deutschland zudem eine breite Öffentlichkeit Kenntnis davon erlangt, dass eine Vielzahl von Unternehmen Marken und Unternehmenskennzeichen mit dem Bestandteil „Post“ nutzen (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 40 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST). Das angesprochene Publikum wird daher nicht jede Marke mit dem Bestandteil „Post“ einer Serienreihe der Beschwerdeführerin zuordnen.

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2. Der Widerspruch aus der Unionswortmarke 1 798 701 „Deutsche Post“ (Widerspruchsmarke 2) hat ebenfalls keinen Erfolg.

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a) Die Vergleichszeichen können sich auf identischen Dienstleistungen begegnen. Ergänzend wird insoweit auf obige Ausführungen unter B. 1. a) Bezug genommen.

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b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 2 ist in Anbetracht der beschreibenden Gesamtbezeichnung „Deutsche Post“, die sich aus einer geografischen Herkunftsangabe und einer beschreibenden Sachangabe zusammensetzt, im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Dienstleistungen von Haus aus auf ein Minimum beschränkt. Die Wortkombination wird in ihrer Gesamtbedeutung ohne weiteres im Sinne von „Deutschland betreffendes Dienstleistungsunternehmen zur Beförderung von Briefen, Paketen, Geldsendungen“ oder „zu beförderndes oder bereits befördertes und zugestelltes Schriftgut aus Deutschland“ verstanden.

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Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen geeignet sind, aufgrund einer intensiven Benutzung im maßgeblichen Zeitpunkt von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 2 auszugehen zu können. Hieran bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, weil sich die vorgelegten Benutzungsunterlagen größtenteils zeitlich nicht zuordnen lassen und sich die weiter zur Akte gereichten Belege (u. a. Artikel, Umfrageergebnisse, Geschäftsberichte) auf ein anderes Zeichen, und/oder auf Zeiträume beziehen, die vom Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke so weit entfernt sind, dass sie keine Aussagen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Jahr 2001 ermöglichen. Die Umsatzzahlen aus dem Geschäftsbericht (Mehrjahresübersicht) des Post- und Logistikkonzerns Deutsche Post DHL für die Jahre 2002 bis 2009 lassen ebenfalls den erforderlichen Bezug gerade zu der Marke „Deutsche Post“ vermissen und sind darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht worden. Aus Anlage A11 (Bl. 863 d. VA) ergibt sich ferner, dass die Widerspruchsmarke 2 lediglich für Briefdienstleistungen im Inland genutzt wird, wohingegen „DHL“ für „das weltweite Paket-, Express- und Logistik-Geschäft, sowie für das Briefgeschäft außerhalb Deutschlands“ verwendet wird.

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Aber selbst eine hinreichend glaubhaft gemachte intensive Benutzung der Widerspruchsmarke 2 zum maßgeblichen Zeitpunkt würde hier lediglich dazu führen, dass ihre ursprünglich auf ein Minimum reduzierte Kennzeichnungskraft für die betreffenden Dienstleistungen als kompensiert anzusehen wäre, so dass der Widerspruchsmarke insoweit ein durchschnittlicher Schutzumfang zukäme (BPatG Beschluss vom 19.01.2012, 29 W (pat) 7/10 – regioPost).

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c) Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 2 zu Gunsten der Widersprechenden und Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt seitens der angesprochenen Verkehrskreise ist ausgehend von identischen Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr mangels hinreichender Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken zu verneinen. Insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.

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Vorliegend ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die beiden Wortbestandteile „Deutsche“ und „Post“ in der Widerspruchsmarke 2 – ebenso wie die beiden Wortbestandteile des angegriffenen Zeichens – für den Verbraucher zu einem Gesamtbegriff verbinden. Eine Prägung durch eines dieser beiden Elemente scheidet aus (BPatG, Beschluss vom 19.01.2012, 29 W (pat) 7/10 – regioPost). Der Grad der Ähnlichkeit der Marke Abbildungzur Widerspruchsmarke 2 „Deutsche Post“ ist daher wegen des zusätzlichen abweichenden Wortes „Deutsche“ sogar geringer als zur Widerspruchsmarke 1.

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Ferner ist eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen schon deshalb nicht zu bejahen, weil die Widerspruchsmarke 2 nicht in identischer oder ähnlicher Form in die jüngere Marke übernommen worden ist. Denn der Bestandteil „Post“ der Widerspruchsmarke kann, ohne dass er die Widerspruchsmarke dominiert oder prägt, keine selbständig kennzeichnende Stellung in der zusammengesetzten jüngeren Marke einnehmen, weil ein selbständiger Elementenschutz dem Kennzeichenrecht fremd ist (vgl. BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 31 – airdsl; GRUR 2008, 903 Rn. 34 – SIERRA ATNIGUO; Hacker in: a. a. O., § 9 Rn. 455).

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3. Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestand kein Anlass.