Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.07.2010


BPatG 01.07.2010 - 26 W (pat) 25/06

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "POST" – zur Ablehnung von Richtern eines Senats wegen Besorgnis der Befangenheit: kein Vorliegen einer verfahrensfehlerhaften Verlängerung der Verfahrensdauer – Ladung einer Gutachterin, die zuvor im Auftrag der Markeninhaberin ein Gutachten erstellt hat, als sachverständige Zeugin, stellt keinen objektiv vernünftigen Grund für eine Befangenheit dar – kein Erwecken eines täuschenden Eindrucks


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
01.07.2010
Aktenzeichen:
26 W (pat) 25/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 300 12 966

hier: Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 1. Juli 2010 unter Mitwirkung...

beschlossen:

Das gegen den Vorsitzenden Richter Dr. F… und die Richter R… und L… gerichtete Ablehnungsgesuch vom 25. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der Marke 300 12 966

2

POST

3

für verschiedene Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 54, 50 MarkenG gestellt. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 15. November 2006 zurückgewiesen. In seiner Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass die angegriffene Marke von Haus aus schutzunfähig sei und dass eine Verkehrsdurchsetzung vor dem Eintragungszeitpunkt nicht ausreichend nachgewiesen sei. Die aus den von der Markeninhaberin vorgelegten demoskopischen Gutachten von I… aus dem Jahr 2000 und N… von 2002 hervorgehenden Durchsetzungsgrade reichten für die erforderliche nahezu einhellige Verkehrsbekanntheit nicht aus. Zudem wiesen die Gutachten methodische Mängel auf. Eine Verkehrsdurchsetzung sei auch nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung nachgewiesen. Insbesondere bestünden auch gegen das hierzu vorgelegte weitere Gutachten von T… von 2005 methodische Bedenken.

4

Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Zwar handele es sich bei der angegriffenen Marke um eine von Haus aus schutzunfähige Angabe, jedoch habe das Bundespatentgericht die Voraussetzungen für die Verkehrsdurchsetzung nicht richtig beurteilt, insbesondere die Anforderungen an die Voraussetzungen einer einhelligen Verkehrdurchsetzung glatt beschreibender Begriffe überspannt. Die Erwägungen des Bundespatentgerichts, mit denen es die Durchsetzungswerte der demoskopischen Gutachten herabgesetzt habe, trügen nicht die Annahme mangelnder Verkehrsdurchsetzung. Zu Unrecht habe das Gericht der Markeninhaberin die Feststellungslast im Fall der Unaufklärbarkeit auferlegt. Methodische Bedenken reichten nicht, um die Verkehrsdurchsetzung zu verneinen. Vielmehr hätte das Bundespatentgericht die Bedenken aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes mit den Beteiligten erörtern, ihnen unter Berücksichtigung der wechselseitigen Mitwirkungspflichten Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag und Vorlage von Beweismitteln geben müssen. Verblieben danach Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung, dürfe das Gericht nicht die Löschung beschließen.

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Nach der Zurückverweisung hat der Senat am 30. September 2009 erneut mündlich verhandelt, wobei er neben dem vorliegenden Beschwerdeverfahren u. a. zugleich auch in der weiteren Beschwerdesache … W (pat) … (Löschungsverfahren gegen die gleiche angegriffene Marke unter Beteiligung einer anderen Löschungsantragstellerin) verhandelt hat. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat der Senat beschlossen, dass eine Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt wird, jedoch nicht vor dem 30. November 2009.

6

Auf die mündliche Verhandlung hat der Senat in der o. g. Parallelsache … W (pat) … einen Beweisbeschluss (vom 27. Januar 2010) erlassen, in dem es u. a. heißt: " … soll Beweis erhoben werden durch Einholung einer schriftlichen Auskunft der Gutachterin Dr. A… P… zu der Behauptung der Antragsteller, … ".

7

Über diesen Beweisbeschluss ist die Antragstellerin und zugleich Beschwerdegegnerin des vorliegenden Löschungs- und Beschwerdeverfahrens mit Bescheid des Senats vom 8. Februar 2010 informiert worden. Daraufhin hat sie mit Schriftsatz vom 16. Februar 2010 einen Antrag auf Aufhebung des Beweisbeschlusses, hilfsweise auf Ablehnung der Gutachterin Dr. A… P… und Beauftragung eines anderen Gutachters gestellt. Zur Begründung hat sie auf die sachliche Verbundenheit der beiden Beschwerdeverfahren, die Bestimmungen des § 74 MarkenG über die Beweiserhebung vor dem Bundespatentgericht, die ihrer Meinung nach der Einholung einer schriftlichen Auskunft entgegen stehen, und weiter auf die Eigenschaft von Frau Dr. P… als von der Markeninhaberin beauftragte Parteigutachterin hingewiesen, die die von der Markeninhaberin vorgelegten Parteigutachten, nämlich die demoskopischen Gutachten von 2003 und 2006, selbst erstellt bzw. mit ihrer Unterschrift verantwortet habe. Als Parteigutachterin, die zudem in verschiedenen Stellungnahmen die vermeintliche Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke als gegeben angesehen habe, gebe sie Anlass zur begründeten Vermutung, dass sie keine neutrale Stellungnahme, sondern eine solche im Sinne der Markeninhaberin abgeben werde.

8

Mit Bescheid vom 3. März 2010 hat der Vorsitzende des Senats der Antragstellerin mitgeteilt, dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren kein Beweisbeschluss ergangen sei, so dass schon die Zulässigkeit ihres Antrags fehle. Im Übrigen bestehe kein Anlass zur Aufhebung des Beschlusses. Frau Dr. P… sei in Bezug auf Fragen zu Umständen in Zusammenhang mit den von ihr erstellten Verkehrsbefragungen als sachverständige Zeugin zu behandeln. Der Senat könne gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 377 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch die schriftliche Beantwortung einer als entscheidungserheblich erachteten Beweisfrage anordnen. Für die Ablehnung von Frau Dr. P… als sachverständige Zeugin sehe der Senat ungeachtet des fehlenden formalen Antragsrechts keine Rechtsgrundlage. Die Beurteilung der Beweiskraft der Auskunft werde Gegenstand der freien Beweiswürdigung sein.

9

Mit Eingabe vom 30. April 2010 hat Frau Dr. P… die vom Senat in der Sache … W (pat) … erbetene Stellungnahme abgegeben. Die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens hat vom Senat eine Kopie hiervon erhalten.

10

Mit Ladung vom 17. Mai 2010 hat der Senat zur mündlichen Verhandlung geladen (zunächst auf den 30. Juni 2010, später - unter Bezugnahme auf die o. g. Ladung - auf den 7. Juli 2010). Die Ladung weist folgenden Zusatz auf:

11

"Auf Anordnung des Vorsitzenden:

12

Die Ladung erfolgt auf Antrag der Antragstellerin (MarkenG § 69 Nr. 1).

13

Zu diesem Termin wird Frau Dr. P… als sachverständige Zeugin geladen, um die Gutachten von 2002 und 2005 sowie ihre Stellungnahme vom 30. April 2010 zu erläutern."

14

Hierauf hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. Juni 2010 die Richter Dr. F…, R… und L… wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zugleich hat sie Frau Dr. A… P… wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs gegen die o. g. Richter führt die Antragstellerin aus, dass grobe Verfahrensverstöße in Form unsachgemäßer Verfahrensleitung des Vorsitzenden Richters Dr. F… unter Verkürzung rechtlichen Gehörs bzw. Zurückweisung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Ablehnungsgesuch gegen Frau Dr. P… als Sachverständige durch Umdeklarierung zur sachverständigen Zeugin und Täuschung über die Absichten des Senats vorliege, an der die Richter R… und L… u. a. durch Unterzeichnung des Beweisbeschlusses vom 27. Januar 2010 mit beteiligt seien.

15

Zunächst sei der Abschluss des Beschwerdeverfahrens durch das Verhalten der abgelehnten Richter ungebührlich zu Lasten der Antragstellerin verzögert worden. Unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2009, spätestens innerhalb von drei Wochen nach dem Termin, allerspätestens nach Ablauf der im Anschluss an die Verhandlung eingeräumten Frist bis zum 30. November 2009 hätte das Gericht entscheiden müssen. Gleichwohl habe es weder einen Aussetzungs-, Hinweis- oder sonstigen Beschluss gegeben, sondern es sei lediglich ein neuer Termin anberaumt worden. Die Verzögerung benachteilige die Antragstellerin, da es mit zunehmenden Zeitablauf für sie schwieriger werden könnte, die Schutzunfähigkeit der angegriffenen Marke nachzuweisen, während sich die Möglichkeiten der Markeninhaberin erhöhten, weitere Materialien zu beschaffen, um die Schutzfähigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag zu belegen (sofern man nicht – richtigerweise – den Abschluss des "ersten Verfahrens" vor dem Bundespatentgericht als Zäsur betrachte, nach der keine neuen Tatsachen eingeführt werden könnten).

16

Weiter habe der Vorsitzende Richter Dr. F… in seinem als Reaktion auf den Ablehnungsantrag gegen Frau Dr. P… vom 16. Februar 2010 erlassenen Bescheid vom 3. März 2010 den Eindruck erweckt, dass sie im vorliegenden Verfahren … W (pat) …nicht beauftragt und das Verfahren vom Beweisbeschluss in der Sache … W (pat) … nicht beeinflusst werde. Insbesondere habe der Senat keine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Vorlage des Gutachtens oder sonstiger Ereignisse im Parallelverfahren verfügt. Wie aber die Ladung vom 17. Mai 2010 und die Zustellung der Stellungnahme zeigten, beabsichtigten die abgelehnten Richter offenbar doch, das Gutachten von Frau Dr. P… auch in diesem Verfahren zu verwerten. Der Vorsitzende habe nach dem Ablehnungsantrag der Antragstellerin gegen die Sachverständige Dr. P… vom 16. Februar 2010 auch erkannt, dass ihre Beauftragung als Sachverständige fraglich sei und habe sie deshalb nachträglich im Bescheid vom 3. März 2010 als "sachverständige Zeugin" deklariert. Damit habe er offenbar einer Auseinandersetzung über deren Befangenheit entgehen wollen. Hierdurch habe er nicht nur den falschen Eindruck erweckt, das Gutachten von Frau Dr. P… werde das vorliegende Verfahren nicht betreffen, sondern durch Deklarierung der Gutachterin als sachverständige Zeugin, gegen die ein Ablehnungsverfahren nicht möglich sei, auch noch das rechtliche Gehör verkürzt.

17

Die Täuschung über die Absicht zur Verwertung des Gutachtens im vorliegenden Verfahren und die Verkürzung der Anhörungs- bzw. Ablehnungsmöglichkeiten durch Umdeklarierung zur "sachverständigen Zeugin" bzw. Zurückweisung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Ablehnungsgesuch stellten eine unsachgemäße Verfahrensleitung und grobe Verfahrensverstöße dar, die die Besorgnis der Befangenheit begründeten. Auch die Ladung auf Antrag der Antragstellerin ohne anderweitige substantielle Verfahrensfortschritte seit der mündlichen Verhandlung zeige, dass die Richter offenbar beabsichtigten, der Beschwerde allein aufgrund der Stellungnahme von Frau Dr. P… stattzugeben.

18

Die Beauftragung von Frau Dr. P… als gerichtliche Gutachterin trotz gerichtsbekannter Tätigkeit als Parteigutachterin sei ebenfalls eine unsachgemäße Verfahrensleitung und stelle ein unsachliches, unangemessenes Verfahren dar. Im Bescheid vom 3. März 2010 habe der Vorsitzende Frau Dr. P… noch selbst als "Gutachterin Dr. P… " bezeichnet. Damit werde offensichtlich, dass er sie als vom Gericht beauftragte Gutachterin (gemeint offenbar: Sachverständige) sehen wolle. Die Umbenennung zur "sachverständigen Zeugin" sei offenbar unter dem Eindruck des Ablehnungsantrags vom 16. Februar 2010 und zur Vermeidung einer Entscheidung darüber erfolgt. Die Beauftragung einer solchen Parteigutachterin stelle eine unsachliche Verfahrensleitung und Benachteilung der Antragstellerin dar. Dies gelte nicht nur für den Vorsitzenden Richter Dr. F…, sondern auch für die Richter R… und L…, die den Beweisbeschluss vom 14. Januar 2010 in der Sache … W (pat) … mit unterzeichnet und sich offenbar mit ihrem Senatsvorsitzenden und untereinander über die (unsachgemäße) Verfahrensführung verständigt sowie diese gebilligt hätten.

19

Die abgelehnten Richter haben zum Ablehnungsgesuch jeweils dienstliche Stellungnahmen abgegeben. Sie haben sich übereinstimmend dahingehend geäußert, dass sie keinen Grund für eine Ablehnung sähen und sich nicht befangen fühlten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Stellungnahmen verwiesen.

20

Die dienstlichen Stellungnahmen sind den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis übersandt worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

22

Das gegen die Richter Dr. F…, R… und L… gerichtete Ablehnungsgesuch ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die Anlass zu der Besorgnis geben könnten, die abgelehnten Richter seien befangen i. S. d. § 72 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO.

23

Die Besorgnis der Befangenheit besteht dann, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der die Partei von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Baumbach/Lauterbach, 67. Aufl., § 42, RdNr. 10; Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung - Gehrlein (Müko), 3. Aufl., § 42, RdNr. 4). Unsachgemäß ist eine Verfahrensleitung, wenn sich aus der Art der Prozessleitung und dem prozessualen Vorgehen durch den Richter das Verfahren soweit vom üblicherweise praktizierten entfernt, dass sich die Besorgnis einer sachwidrigen Benachteiligung aufdrängt bzw. dass an die Stelle richtiger Rechtsanwendung Willkür tritt (Musielak, Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 42, RdNr. 10). Ein solcher objektiv vernünftiger Grund für eine Befangenheit der abgelehnten Richter ist von der Antragstellerin nicht dargetan worden oder sonst ersichtlich.

24

Zunächst ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine verfahrensfehlerhafte Verlängerung der Verfahrensdauer ersichtlich. Selbst wenn man mit der Antragstellerin die Dreiwochenfrist des § 79 Abs. 1 Satz 2 MarkenG auch in den Fällen des § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG heranzieht, so läge keine verfahrensfehlerhafte Verzögerung vor, da dann in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bei umfangreichen oder schwierigen Sachverhalten eine längere Dauer zulässig wäre. Im vorliegenden Fall zeigen schon der bloße Umfang des vorliegenden Aktenmaterials, die erforderliche Beurteilung der Aussagekraft von drei demoskopischen Verkehrsgutachten, die parallele Anfechtung der angegriffenen Marke durch mehrere Antragsteller und nicht zuletzt der Gang des Verfahrens unter Beteiligung des Bundesgerichtshofs den erheblichen Umfang und die besondere Schwierigkeit der Sache.

25

Dass der Inhaber einer angegriffenen Marke im Laufe eines längeren Verfahrens unter Umständen zusätzliches, möglicherweise ausschlaggebendes Material zum Beleg der Verkehrsdurchsetzung herbeischaffen kann, ist ein durch die Regelung des § 50 Abs. 2 MarkenG bedingtes Risiko des Antragstellers, dass dieser hinzunehmen hat, solange die Verlängerung des Verfahrens nicht auf Voreingenommenheit oder Willkür des Richters beruht. Hierfür finden sich jedoch, auch angesichts der o. g. Besonderheiten des Falls, keine Anhaltspunkte.

26

Auch die Anforderung einer Stellungnahme von Frau Dr. P… und ihre Ladung als Zeugin stellt keinen objektiv vernünftigen Grund für eine Befangenheit der abgelehnten Richter dar. Die Entscheidung, ob überhaupt und wie Beweis zu erheben ist, rechtfertigt die Ablehnung nicht, auch wenn sie eine Rechtsauffassung des Gerichts erkennen lassen sollte. Gerechtfertigt wäre sie vielmehr erst dann, wenn eine solche richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage entbehrt, offensichtlich unhaltbar oder so grob fehlerhaft ist, dass sie als Willkür erscheint (vgl. MüKo, a. a. O., RdNr. 30).

27

Schon unter dem Gesichtspunkt des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 73 Abs. 1 MarkenG, nach dem das Gericht an Vorbringen und Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 73 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), kann es nicht als willkürlich oder auf Voreingenommenheit beruhend angesehen werden, wenn der Senat – auch gegen den Willen eines Beteiligten – die ihm zustehenden Erkenntnismöglichkeiten ausschöpft. Aufgrund der Formulierung "insbesondere" in der Vorschrift des § 74 Abs. 1 Satz 2 MarkenG wird in der Kommentarliteratur auch die Einholung von Auskünften (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 74, RdNr. 2) oder die Anordnung schriftlicher Beantwortung der Beweisfrage mit oder ohne anschließende Zeugenladung (§ 377 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 MarkenG) als zulässig erachtet. Zudem hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsbeschwerdeentscheidung vom 23. Oktober 2008 festgestellt, dass bloße methodische Bedenken des Bundespatentgerichts gegen die vorgelegten demoskopischen Gutachten nicht für die zur Löschung der Marke erforderliche positive Feststellung ausreichten, dass eine Verkehrsdurchsetzung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorlag bzw. vorliegt, das Gericht seine methodischen Bedenken vielmehr aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes mit den Verfahrensbeteiligten erörtern und ihnen Gelegenheit geben müsse, unter Berücksichtigung der wechselseitigen Mitwirkungspflichten zu den relevanten Umständen ergänzend vorzutragen und Beweismittel vorzulegen, evt. auch von Amts wegen ein demoskopischen Gutachten einzuholen sei (RdNr. 33, 35 ff. der Rechtsbeschwerdeentscheidung).

28

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Vorsitzende oder ein anderes Mitglied des Senats gegenüber der Antragstellerin den täuschenden Eindruck erweckt hat, dass Stellungnahmen oder sonstige Äußerungen von Frau Dr. P… auf das vorliegende Verfahren keinen Einfluss nehmen könnten. Vielmehr hat der Senat die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens mit Bescheid vom 8. Februar 2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Verfahren … W (pat) … beschlossen habe, eine Auskunft von Frau Dr. P… einzuholen und dass ihr die Auskunft nach Eingang zur Kenntnis gegeben werde (was dann später auch mit Bescheid vom 7. Mai 2010 geschehen ist). Zwar hat der Senat im Bescheid vom 3. März 2010 darauf hingewiesen, dass Einwendungen gegen den Beweisbeschluss unzulässig seien, da dieser ein Parallelverfahren betreffe, was trotz der nicht gegebenen selbständigen Anfechtbarkeit von Beweisbeschlüssen und Beweisanordnungen (vgl. Musielak, a. a. O., § 358, RdNr. 3) im Hinblick auf die Unmittelbarkeit einer Beweisaufnahme, bei der lediglich für die Verwertung von Sachverständigengutachten eine Ausnahme vorgesehen wäre (§ 411a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 MarkenG) nicht unproblematisch erscheint. Für das Vorliegen der Befangenheit reicht dieser Umstand indes nicht, weil die Verfahrensführung insgesamt betrachtet, erkennen lässt, dass das Gericht das Verfahren so gestaltet, dass sämtlichen Beteiligten die Möglichkeit gewährt wird, an der Beweisaufnahme mitzuwirken. Insbesondere die Ladung von Frau Dr. P… als sachverständige Zeugin zur mündlichen Verhandlung belegt, dass die Richter die Anwesenheits- und Fragerechte der Verfahrensbeteiligten im Rahmen der Beweisaufnahme wahren wollen.

29

Einen gegenteiligen Eindruck hat der Senat oder eines seiner Mitglieder in der Folgezeit nicht erweckt, insbesondere nicht durch den Bescheid vom 3. März 2010. Darin hat der Senatsvorsitzende das Antragsrecht zur Stellung eines Ablehnungsantrags bezweifelt, einen Anlass für die Aufhebung des Beweisbeschlusses im Parallelverfahren verneint und die Bedeutung von Frau Dr. P… in Bezug auf Fragen zu Umständen über die von ihr erstellten Verkehrsbefragungen hervorgehoben. Zudem hat er im letzten Satz bemerkt, dass die Beurteilung der Beweiskraft der Auskunft von Frau Dr. P… Gegenstand der freien Beweiswürdigung des Gerichts sein werde. Da der Antragstellerin die Bedeutung der demoskopischen Gutachten für die auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu beurteilenden Tatsachenfragen klar sein musste, kann unter diesen Umständen nicht von einer (gewollten oder ungewollten) Täuschung durch den Senat oder eines seiner Mitglieder die Rede sein.

30

Auch der in verschiedenen Bescheiden und Beschlüssen enthaltenen Wortwahl kann aus objektiver Sicht keine unsachgemäße, auf Willkür oder Voreingenommenheit beruhende Verfahrensleitung entnommen werden. Soweit der Senat im Bescheid vom 8. Februar 2010, im darin erwähnten Beweisbeschluss vom 27. Januar 2010 und im Bescheid vom 3. März 2010 die Bezeichnung "Gutachterin Dr. P…" gewählt hat, mag dies für sich gesehen missverständlich sein, der Inhalt des Beweisbeschlusses und die Formulierung des Beweisthemas lassen jedoch erkennen, dass sie als sachverständige Zeugin eine schriftliche Auskunft erteilen sollte. Die ursprüngliche Wortwahl kann damit als solche noch kein Beleg für eine "Umdeklarierung", insbesondere aus unsachlicher Einstellung der Richter sein. Vielmehr ist eine ursprünglich missverständliche Formulierung klargestellt worden.

31

Auch die beabsichtigte Einvernahme der Zeugin selbst lässt keinen Befangenheitsgrund erkennen. Soweit die Antragstellerin hiergegen im Kern einwenden will, dass es sich um einen unzulässigen, sozusagen "verkappten" Sachverständigenbeweis und damit um eine Umgehung der Ablehnungsmöglichkeit nach § 406 ZPO handele, nimmt sie die Beweiserhebung und die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweg.

32

Insgesamt lassen sich daher keine derart groben Verfahrensfehler erkennen, die Anlass für die Besorgnis einer Befangenheit der Richter ergeben könnten.

33

Da der Senat in der Besetzung mit den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertretern seiner abgelehnten Mitglieder lediglich nach § 72 Abs. 3 Satz 1 MarkenG über die Ablehnung der Richter befindet, war über das gegen Frau Dr. P… gerichtete Ablehnungsgesuch vorliegend nicht zu entscheiden.