Entscheidungsdatum: 11.06.2015
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2009 072 345
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 11. Juni 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Uhlmann und Akintche
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke
ist am 9. Dezember 2009 angemeldet und am 3. November 2010 unter der Nummer 30 2009 072 345 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden, und zwar unter anderem für die Waren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen aller Art“.
Gegen die Eintragung, die am 3. Dezember 2010 veröffentlicht wurde, hat die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, die Firma P… GmbH, am 13. Januar 2011 aus ihrer am 8. Januar 1998 eingetragenen Wortmarke 397 25 825
PUBLIC
Widerspruch erhoben, die unter anderem für die Waren „Bekleidungsstücke; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten)“ geschützt ist.
Der Widerspruch richtet sich ausschließlich gegen die in Klasse 25 geschützten Waren der jüngeren Marke „Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen aller Art“ und wird nur auf die Waren der Widerspruchsmarke „Bekleidungsstücke; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten)“ gestützt.
Mit Beschluss vom 8. Mai 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Marken könnten sich zwar hinsichtlich der Bekleidungsstücke auf identischem Gebiet begegnen. Angesprochen seien breite Verkehrskreise und es könne sich um niedrigpreisige Waren des alltäglichen Bedarfs handeln, die eher flüchtig erworben würden. Der Widerspruchsmarke komme mangels konkreter Anhaltspunkte durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Den deshalb erforderlichen weiten Abstand zu der Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke jedoch ein. Es stünden sich die Wortbestandteile „PUBLIC PROPAGANDA“ und „PUBLIC“ gegenüber, die sich durch Wortlänge, abweichende Silbenzahl und Vokalfolge und den unterschiedlichen Sprech- und Betonungsrhythmus deutlich unterschieden. Eine Prägung der jüngeren Marke durch einen einzelnen Bestandteil bestehe nicht, die Wortbestandteile würden als zusammengehöriger Begriff im Sinne einer öffentlichen Propaganda bzw. Werbung aufgefasst. Der Sinngehalt des Begriffs „PROPAGANDA“ diene dazu, die Zeichen begrifflich besser auseinander zu halten. Für andere Arten der Verwechslungsgefahr sei nichts dargetan und ersichtlich. Es sei – schon wegen einer unterschiedlichen Markenbildung – nicht davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die jüngere Marke für ein weiteres Produkt der Widersprechenden halten würden.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden und Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin vom 19. Juni 2012.
Sie trägt vor, die von Haus aus durchschnittlich kennzeichnungskräftige Widerspruchmarke verfüge über gesteigerte Kennzeichnungskraft infolge umfangreicher Benutzung. Das Bundespatentgericht habe dies bereits in der Entscheidung Public Nation/PUBLIC mit Beschluss vom 21. Dezember 2004 festgestellt (BPatG 24 W (pat) 43/03 – Public Nation/PUBLIC). Die Widerspruchsmarke sei auf dem Sektor der Damenbekleidung gut etabliert, woran sich auch in der Zwischenzeit nichts geändert habe, was auch aus einer in Kopie vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der P… GmbH hervor gehe. Dort werde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Inland unter dem Markenwort „PUBLIC“ seit Ende der 80-er Jahre tätig sei und im Jahr 2009 ca. eine … Artikel aus den Bereichen „Strick“, „Shirt“ und „Konfektion“ abgesetzt und damit einen Umsatz in Höhe von rund … Mio € erwirtschaftet habe. Im Jahr 2010 habe der Umsatz bei rund … Mio € bei ähnlichen Stückzahlen gelegen. Das Bundespatentgericht habe eine Prägung der im dortigen Verfahren angegriffenen Marke durch die ältere Marke „PUBLIC“ angenommen. Nach der neueren Rechtsprechung genüge es, wenn die ältere Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung in der jüngeren Marke einnehme, was im vorliegenden Fall anzunehmen sei. Zwischen den sich gegenüberstehenden Waren bestehe Warenidentität im Hinblick auf „Bekleidungsstücke“, zwischen den Schuhwaren und Kopfbedeckungen der jüngeren Marke und den Lederwaren der Widerspruchsmarke zumindest enge Ähnlichkeit. Kopfbedeckungen seien Bekleidungsstücken ähnlich.
Die Beschwerdeführerin verteidige die Widerspruchsmarke konsequent gegen verwechslungsfähige Neueintragungen. Deshalb entnehme der Verkehr auch dem jüngeren Zeichen, in dem das Widerspruchszeichen vollständig enthalten sei, einen Hinweis auf die Inhaberin der älteren Marke. Die Wortbestandteile der jüngeren Marke bildeten keinen echten Gesamtbegriff, weil sie durch den zwischen den Wortbestandteilen platzierten graphischen Bestandteil zergliedert würden. PUBLIC und PROPAGANDA stünden unverbunden nebeneinander, die Bedeutung „öffentliche Propaganda“ vermittle keinen verständlichen Sinngehalt. Zudem werde die jüngere Marke durch den Bestandteil „PUBLIC“ geprägt, da er am besonders beachteten Wortanfang stehe. Jedenfalls nehme die ältere in der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung ein.
Über das Vermögen der früheren Inhaberin der Widerspruchsmarke und Beschwerdeführerin ist mit Beschluss des A… in E… vom 1. August 2013 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden. Nach Übertragung der Widerspruchsmarke auf die jetzige Beschwerdeführerin am 20. Dezember 2013 ist diese auf Antrag vom 30. Dezember 2013 als neue Markeninhaberin in das Markenregister eingetragen worden und hat das Beschwerdeverfahren mit Erklärung vom 11. Februar 2014 übernommen.
Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag:
1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 08.05.2012 – Az.: 30 2009 072 345.1/35 – wird aufgehoben.
2. Die deutsche Marke 30 2009 072 345 wird für folgende Waren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen aller Art“ gelöscht.
Die Beschwerdegegnerin hat weder im Amts- noch im Beschwerdeverfahren Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte eine Sachentscheidung im schriftlichen Verfahren treffen, weil die Beteiligten keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 69 Nr. 1 MarkenG gestellt haben und eine solche auch nicht für sachdienlich erachtet wurde.
Die gem. § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
1. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237 Rn. 18 – PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235 Rn. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484 Rn. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905 Rn. 12 – Pantohexal; GRUR 2008, 258 Rn. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859 Rn. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60 Rn. 12 – coccodrillo m. w .N.). Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (BGH, a. a. O., pjur/pure; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY).
a) Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere Art, Beschaffenheit, Einsatz- und Verwendungszweck, wirtschaftliche Bedeutung der Waren und Dienstleistungen, der Nutzen für den angesprochenen Verkehr sowie dessen Vorstellung, dass die Waren und Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung hergestellt, erbracht und in Anspruch genommen werden oder hinsichtlich ihrer Eigenart als konkurrierende Angebote sich in sonstiger Weise ergänzen – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sind, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie – unterstellt man dies – mit identischen Marken gekennzeichnet sind (EuGH GRUR 2006, 582 Rn. 85 – VITAFRUIT; GRUR 1998, 922 Rn. 22 ff. – Canon; BGH GRUR 2004, 241 – GeDIOS; BGH GRUR 2001, 507 – Evian/Revian).
Ausgehend von der Registerlage besteht nach diesen Grundsätzen zwischen den Vergleichswaren teilweise Identität. Die Waren „Bekleidungsstücke“ der jüngeren Marke sind wortgleich im Verzeichnis der älteren Marke enthalten. Die weiteren angegriffenen Waren der jüngeren Marke „Kopfbedeckungen aller Art“ und „Schuhwaren“ stehen zu „Bekleidungsstücken“ in einem engen bis durchschnittlichen Ähnlichkeitsverhältnis (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 16. Aufl. 2014, S. 22, 151, 251).
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich.
Das englische Wort “PUBLIC“ gehört zum Grundwortschatz und wird von den hier angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar in der Bedeutung „öffentlich, Öffentlichkeit“ verstanden. In diesen Bedeutungen stellt das Zeichen jedoch für die relevanten Widerspruchswaren „Bekleidungsstücke“ weder eine beschreibende Angabe dar, noch steht es in einem engen Sachbezug zu diesen Waren. Denn zu dem möglichen Sachverständnis als Zielgruppenangabe bzw. als Hinweis, dass die bezeichneten Kleidungsstücke zum Tragen in der „Öffentlichkeit“ (im Gegensatz zu Hauskleidung) bestimmt sind, gelangt man – wenn überhaupt – erst über mehrere Gedankenschritte.
Von einer Steigerung der von Haus aus durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch intensive Benutzung ist ebenfalls nicht auszugehen. Für die Feststellung gesteigerter Verkehrsbekanntheit sind neben der von Haus aus vorhandenen Kennzeichnungskraft weitere Umstände wie der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den beteiligten Verkehrskreisen von Bedeutung (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder). Die Berücksichtigung einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke setzt im Widerspruchsverfahren voraus, dass diese Steigerung bereits im Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke, hier also bei deren Anmeldung am 9. Dezember 2009, vorlag und auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch, hier also im Mai 2015, fortbesteht (BGH GRUR 2008, 903, 904 - SIERRA ANTIGUO, Hacker in Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rn. 211).
Für die Erörterung der Markenbenutzung bei der Beanspruchung einer erhöhten Kennzeichnungskraft sind dieselben Grundsätze heranzuziehen wie sie für die Darlegung der Markenbenutzung im Rahmen des Benutzungszwangs gelten (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage 2014 § 9 Rn. 170). Eine erhöhte Kennzeichnungskraft ist folglich glaubhaft zu machen.
Bei der Glaubhaftmachung sind – neben den inhaltlichen Kriterien – wesentliche Verfahrensvoraussetzungen zu beachten: So erfüllt u. a. die Einreichung einer Kopie der eidesstattlichen Versicherung die Voraussetzungen des § 294 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die regelmäßig fehlende Strafbewehrung nicht (BPatG, Beschluss vom 22.02.2002, 24 W (pat) 40/01 SINTEC/ Sim Tec; Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rn. 78; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 43 Rn. 25). Eine Verweisung auf Originale von Glaubhaftmachungsunterlagen in anderen Verfahren ist grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur dann möglich, wenn das andere Verfahren zwischen denselben Beteiligten anhängig ist und einen weitgehend gleichen Benutzungszeitraum betrifft (Ströbele in Ströbele/ Hacker, a. a. O., § 43 Rn. 72; Ingerl/ Rohnke, a. a. O.). Adressat der Glaubhaftmachung muss das erkennende Gericht sein, was sich nicht ausdrücklich aus der Erklärung ergeben muss, sondern durch Einreichung der Erklärung bei dieser Stelle konkludent geschlossen werden kann. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn in der - für ein anderes Verfahren bestimmten - Erklärung ausdrücklich eine andere Behörde oder ein anderes Gericht benannt ist.
Hinreichende Anhaltspunkte für die Zuerkennung einer durch intensive Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im hier maßgeblichen Zeitraum sind nicht ersichtlich:
- Die von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Feststellungen des Bundespatentgerichts in der Entscheidung vom 21. Dezember 2004 (GRUR 2005, 772-773 – Public Nation/PUBLIC) sind insoweit nicht aussagekräftig, da sie sich auf die Nutzung der Marke bis zum Jahr 2003 und nicht auf die hier relevanten Zeitpunkte von Dezember 2009 bis Juni 2015 beziehen.
- Der bloße Hinweis der Beschwerdeführerin, an der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin „auf dem Sektor der Damenoberbekleidung gut etabliert“ sei, habe sich in den Jahren seit der Entscheidung des Bundespatentgerichts nichts geändert, ersetzt einen substantiierten Vortrag zu Marktanteilen, Umsatz, Verbreitung, Dauer der Nutzung etc. zu den relevanten Zeitpunkten nicht. Dies gilt vorliegend im Besonderen, da über das Vermögen der früheren Inhaberin der Widerspruchsmarke und Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin im Jahr 2013 ein Insolvenzverfahren eröffnet und die Marke in der Folge veräußert wurde. Eine entsprechende Kontinuität der Entwicklung etwaiger Verkaufszahlen kann schon deshalb nicht unterstellt werden.
- Zwar hat die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin eine Erklärung ihres Geschäftsführers mit Jahresumsatzzahlen vorgelegt. Diese Erklärung erfüllt aber weder die verfahrensrechtlichen noch die inhaltlichen Voraussetzungen an eine gelungene Glaubhaftmachung:
Es handelt sich um die Kopie einer Erklärung, die ausdrücklich gegenüber dem DPMA – nicht dagegen dem Bundespatentgericht – in einem anderen Widerspruchsverfahren abgegeben worden war, dessen Beteiligte mit den Beteiligten des gegenständlichen Verfahrens nicht übereinstimmen. Aus der Erklärung ergibt sich, dass – aufgeteilt in die Bereiche Strick/Shirt/Konfektion – Waren in Höhe von jeweils ca. … bis … Mio € bei jährlich rund … Million verkauften Artikeln in den Jahren 2009 und 2010 abgesetzt wurden. Daraus allein lässt sich aber angesichts eines Gesamtumsatzes der Deutschen Bekleidungsindustrie in den Jahren 2005 bis 2013 von jährlich rund … Milliarden Euro ein nennenswerter Marktanteil der Beschwerdeführerin nicht ablesen. Erst recht gilt dies für eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke im Entscheidungszeitpunkt. Für diesen Zeitpunkt liegen keinerlei Angaben vor. Eine Fortschreibung der genannten Umsatzzahlen bis in die Gegenwart kann – wie bereits erwähnt – schon wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz nicht angenommen werden.
Angesichts des unzureichenden Inhalts des Vortrags zur Glaubhaftmachung, der neben den verfahrensmäßigen Mängeln vorliegt, bestand seitens des Senats keine Veranlassung, der schriftsätzlich (Bl. 23 d. A.) geäußerten Bitte um Erteilung eines gerichtlichen Hinweises zu weiteren Erfordernissen der Glaubhaftmachung nachzukommen. Ein gerichtlicher Hinweis ist nur geboten, wenn ein Gesichtspunkt erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurde, wenn der Eindruck erweckt wurde, ein bestimmter Gesichtspunkt sei nicht entscheidungserheblich oder wenn die Parteien einen Gesichtspunkt übereinstimmend anders beurteilen als das Gericht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 139 Rn. 5 ff.; BPatG Mitt. 2006, 567, 570 – VisionArena/@rena vision).
Der Nachweis der erhöhten Kennzeichnungskraft unterliegt im Übrigen – ebenso wie die Frage der rechtserhaltenden Benutzung einer Widerspruchsmarke – dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz. Eigene Ermittlungen seitens des Gerichts waren deshalb ebenfalls nicht zu tätigen.
c) Den wegen der Teilidentität der Vergleichswaren und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen deutlichen Zeichenabstand hält die jüngere Marke
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auch bei Annahme einer nur flüchtigen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise ein.
aa) Beim unmittelbaren Zeichenvergleich unterscheiden sich die Marken durch den in der jüngeren Marke zusätzlichen Begriff „Propaganda“ und die in der Mitte zwischen beiden Wortelementen eingefügte, an ein Fadenkreuz oder eine Kompassnadel erinnernde Grafik, die in der Widerspruchmarke keine Entsprechung haben. Dies führt zu deutlichen Unterschieden im Schriftbild, in Vokal- und Silbenfolge sowie im Sinn der Vergleichszeichen.
Eine unmittelbare Ähnlichkeit wäre deshalb nur dann anzunehmen, wenn die jüngere Marke durch den übereinstimmenden Bestandteil „PUBLIC“ geprägt würde, was jedoch nicht der Fall ist.
Es ist anerkannt, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (BGH, GRUR 2009, 772 Rn. 57 – Augsburger Puppenkiste). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH, GRUR 2012, 64,Rn. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 31 - MIXI; GRUR 2009, 1055 Rn. 23 - airdsl), sodass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. Vorliegend wird die angegriffene Marke jedoch nicht durch den Begriff „Public“ geprägt.
Zwar steht der mit der älteren Marke identische Bestandteil „Public“ am stärker beachteten Zeichenanfang der jüngeren Marke. Gleichwohl tritt das weitere Wort „Propaganda“ nicht zurück. In der klanglichen Wahrnehmung hat der Verkehr schon deshalb keinen Anlass, den zweiten Begriff zu vernachlässigen, weil er mit vier klangvollen Silben wesentlich länger und auffälliger als der durch die konsonantisch endenden Silben kurz klingende Bestandteil „public“ ist. Zudem hat der Bestandteil „Propaganda“ keinerlei sachlichen Bezug zu den relevanten Vergleichswaren, der den Verkehr veranlassen könnte, ihn bei der Benennung der Marke zu vernachlässigen. Unter „Propaganda“ versteht man die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher u. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen, bzw. im wirtschaftlichen Bereich die Werbung oder Reklame. Synonyme sind „Aufklärungskampagne; (abwertend) Agitation, Demagogie, Hetze, Stimmungsmache; (besonders Politik abwertend) Indoktrination“ bzw. „Absatzförderung, Medienpräsenz, Öffentlichkeitsarbeit, Publicity, Reklame, Verkaufsförderung, Werbung; (umgangssprachlich) Medienrummel; (abwertend) Kundenfang; (Wirtschaft) [Sales]promotion“ (vgl. www.duden.de). In beiden Bedeutungen ist der Begriff in Deutschland negativ konnotiert, wie sich schon aus den in der Registerakte recherchierten Unterlagen ergibt. Er wird in erster Linie mit manipulativer Indoktrination verbunden. Auch in der Bedeutung „Werbung, Reklame“ ist der Begriff negativ belegt im Sinne einer aufbauschenden Anpreisung ohne sachlichen Hintergrund. Mit dem Begriff „öffentliche Propaganda“ verbindet der Verkehr daher eine gezielte negative und manipulative Beeinflussung der Öffentlichkeit. Die Begriffe „Public“ und „Propaganda“ stehen deshalb nicht isoliert nebeneinander, sondern verbinden sich zu der Gesamtbedeutung „öffentliche Propaganda“. Den Verkehrskreisen ebenfalls bekannt sind auch andere „Arten“ wie z. B. islamistische Propaganda, rechtsextreme Propaganda, politische Propaganda, Gräuel-Propaganda, Angst-Propaganda etc.. Das zwischen den Wörtern platzierte Symbol führt von dieser Wahrnehmung als Gesamtbegriff nicht weg. Denn es erinnert u. a. an ein Fadenkreuz, also eine Zieleinrichtung von Schusswaffen. Die Symbolik des Fadenkreuzes unterstreicht deshalb die Bedeutung der Wortkombination im Sinne einer gegen ein bestimmtes Objekt zielgerichteten negativen Beeinflussung der Öffentlichkeit.
Die jüngere Marke hielte nach dem Vorgesagten den erforderlichen Abstand selbst dann ein, wenn eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt würde.
bb) Auch eine Verwechslungsgefahr aufgrund selbständig kennzeichnender Stellung besteht nicht. Die Frage nach der selbständig kennzeichnenden Stellung eines Bestandteils stellt sich nur dann, wenn eine ältere Marke in ein jüngeres Kombinationszeichen aufgenommen wird und dort keine den Gesamteindruck prägende Wirkung entfaltet (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 37 – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2013, 833 Rn. 69 – Culinaria/Villa Culinaria m. w. N.; BPatG, Beschluss vom 01.09.2014, 30 W (pat) 41/12; Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 452 ff., 519). Sie setzt neben der Identität oder hochgradigen Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen und der identischen oder ähnlichen Übernahme der älteren in die jüngere Marke das selbständige Hervortreten des älteren Zeichens im Gesamtgefüge der jüngeren Marke voraus (Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 462 mit weiteren Nachweisen).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar wird die ältere, durchschnittlich kennzeichnungskräftige Marke in die jüngere Marke vollständig übernommen. Sie behält jedoch dort keine selbständig kennzeichnende Stellung, sondern ist mit dem weiteren Begriff „PROPAGANDA“ zu einem Gesamtbegriff im Sinne von „gezielte Beeinflussung der Öffentlichkeit“ verbunden. Das Zeichen „PUBLIC“ verliert in dem jüngeren Zeichen seine Funktion als betrieblicher Herkunftshinweis der Beschwerdeführerin und wird ausschließlich in seinem ursprünglichen Wortsinn „öffentlich“ verstanden.
Daran ändert auch die Grafik des jüngeren Zeichens nichts. Denn beide Wörter sind in einem einheitlichen Schriftbild gehalten, sodass es naheliegt, sie im Zusammenhang zu lesen. Die zwischen beiden Begriffen platzierte Grafik in Form eines stilisierten Fadenkreuzes trennt die Begriffe nicht voneinander, sondern unterstreicht – wie erwähnt – symbolisch die Gesamtbedeutung der Wortelemente.
Deshalb besteht kein Anlass zu der Annahme, dass der Verkehr die ältere Marke in dem jüngeren Zeichen wiedererkennt und daraus irrtümlich auf eine organisatorische oder wirtschaftliche Verbindung zwischen den Inhabern der Vergleichsmarken schließt.
cc) Ebenso scheidet eine Gefahr aus, dass die Zeichen aus anderen Gründen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, § 9 Abs. 1 Nr. 2 2. HS MarkenG. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die angegriffene Marke vom Verkehr als Abwandlung einer Zeichenserie der Widersprechenden aufgefasst werden könnte, zumal für eine solche Zeichenserie nichts vorgetragen ist.
dd) Anhaltspunkte für sonstige Arten der Verwechslungsgefahr bestehen nicht.
2. Zu einer Kostenauferlegung auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG bot der Streitfall keinen Anlass.