Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.09.2014


BPatG 01.09.2014 - 30 W (pat) 41/12

Markenbeschwerdeverfahren – "SCAPE/Glasscape (Gemeinschaftswortmarke)" – Warenidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung – keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
01.09.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 41/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 008 702

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I. 

1

Die am 12. Februar 2010 angemeldete Wortmarke

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SCAPE

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ist am 30. September 2010 unter der Nummer 30 2010 008 702 für die Waren

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„Computermonitore; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; elektronische Geräte mit interaktiver Multitouchoberfläche, elektrische Geräte zur Steuerung, Vermessung, Kontrolle, Darstellung und Erkennung von Position und Drehrichtung von Objekten; Interfaces (Schnittstellengeräte oder -programme für Computer)“

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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 5. November 2010.

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Gegen die Eintragung ist am 27. Januar 2011 Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der am 11. November 2009 angemeldeten und am 13. Juni 2010 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 008 678 898

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Glasscape

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die für

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„Digitale Bilderrahmen; Bildtelefone; Bildfunkgeräte; elektronische Stifte [für Bildschirmgeräte]; Ton- und Bildempfangsgeräte; Unterhaltungsgeräte, die mit einem externen oder integrierten Bildschirm oder Monitor zu verwenden sind; Kapazitive Eingabefelder oder -tasten, insbesondere mittels Glas oder Folien abgedeckte Bedienfelder von elektronischen Geräten; elektronische, insbesondere mobile, Apparate und Instrumente, nämlich Telefone, elektrische Kalender, Computer; elektronische Taschengeräte und damit verbundene Software, nämlich Taschenrechner; Magnetaufzeichnungsträger; elektronisch, magnetisch oder mittels Lichtwellen betriebene Bedienfelder oder -tasten; taktile Tasten, insbesondere aus Glas, transparentem Metall oder Kunststoff; Kunststoffabdeckungen, die magnetische, elektrische oder mittels Lichtwellen betriebene Bedienfelder zu deren taktilen Betätigung verschließen; Teile und Zusatzteile für alle vorstehend genannten Waren“

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geschützt ist.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 19. Juni 2012 den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dabei ist die Markenstelle von teilweiser hochgradiger Ähnlichkeit der Waren sowie von geschwächter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Begründend ist ausgeführt, mit dem Markenbestandteil „Glas“ würde der Werkstoff und damit die Beschaffenheit der Waren beschrieben, während das weitere Segment „scape“, entlehnt von dem englischen Wort „landscape“ (= Landschaft), in Kunstwörtern wie „Netscape“ für einen Webbrowser, „Inkscape“ für ein Vektorgrafik-Programm, „Docscape“ für eine Publizierungssoftware, „Photoscape“ für eine Bildverwaltungs-, -betrachtungs- und -bearbeitungssoftware, „Meshscape“ für eine Funkübertragungstechnik und „Soundscape“ für eine „Klanglandschaft“, im Sinne von „Umfeld, Umgebung, Oberfläche“ verstanden werde. Dementsprechend werde „Glasscape“ als beschreibender Hinweis auf ein Umfeld, eine Umgebung, eine Oberfläche aus Glas aufgefasst, womit eine mögliche Beschaffenheit der eingetragenen Waren beschrieben werde. Den zur Vermeidung von Verwechslungen gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke ein. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sei zu verneinen, weil der nur in der älteren Marke vorhandene Wortbestandteil „Glas“ zu deutlichen und nicht überseh- bzw. überhörbaren Unterschieden in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht führe. Die Widerspruchsmarke werde durch den Bestandteil „scape“ auch nicht in der Weise geprägt, dass der weitere Markenbestandteil „Glas“ in einer für eine Verwechslungsgefahr relevanten Weise in den Hintergrund trete. „Glas“ sei zwar kennzeichnungsschwach, doch auch solche Angaben dürften nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch „scape“ kennzeichnungsschwach sei. Bei einer Kombination aus kennzeichnungsschwachen Bestandteilen sei grundsätzlich keiner geeignet, den Gesamteindruck eines Zeichens zu prägen. Auch Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen liege nicht vor, da „scape“ ein beschreibender Hinweis sei. Dafür, dass diesem Bestandteil eine Hinweisfunktion auf den Betrieb der Widersprechenden zukomme, würden Anhaltspunkte fehlen. Die Ähnlichkeit der sich im Übrigen gegenüberstehenden Waren könne dahingestellt bleiben, da selbst bei hochgradig ähnlichen Waren der Markenabstand zur Vermeidung von Verwechslungen gewahrt sei. Nichts anderes könne für ähnliche oder entfernt ähnliche Waren gelten.

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält mit näheren Ausführungen Verwechslungsgefahr für gegeben. Die sich gegenüberstehenden Waren seien identisch. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt sei nicht geschwächt, weil „scape“ nicht beschreibend sei und deshalb präge. Da dieser Bestandteil identisch durch die jüngere Marke unter Schutz gestellt sei, bestehe zwischen den sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen eine hochgradige Ähnlichkeit. Für die beteiligten Verkehrskreise bestehe die Gefahr von Verwechslungen, da sie annehmen würden, dass der Bestandteil „Glas“ auf die Beschaffenheit der Waren hinweise. Angesichts identischer Waren und hochgradiger Markenähnlichkeit müsse selbst bei einer geschwächten Kennzeichnungskraft Verwechslungsgefahr angenommen werden.

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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juni 2012 aufzuheben und die Marke 30 2010 008 702 zu löschen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie hält eine Verwechslungsgefahr nicht für gegeben. Die Widerspruchsmarke hebe sich im maßgeblichen Gesamteindruck deutlich von der angegriffenen Marke ab. Eine Verkürzung auf „scape“ sei nicht zulässig.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass zwischen den Vergleichsmarken keine Gefahr von Verwechslungen besteht (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 125b Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

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1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Nr. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren (oder Dienstleistungen). Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).

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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen nicht zu besorgen.

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a) Nach der hier maßgeblichen Registerlage kann es sich bei den Waren „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild“ der angegriffenen Marke um die für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren „Unterhaltungsgeräte, die mit einem externen oder integrierten Bildschirm oder Monitor zu verwenden sind“ handeln, so dass sich insoweit potentiell identische Waren gegenüberstehen. Aus diesen Waren der Widerspruchsmarke ergibt sich ferner enge Ähnlichkeit zu den Waren „Computermonitore“ der jüngeren Marke, da diese wesensbestimmender Teil solcher Produkte sein können. Identität kommt ferner zwischen den Waren „elektronische Geräte mit interaktiver Multitouchoberfläche“ einerseits und den Waren „Computer“ andererseits in Betracht, weil solche Geräte der angegriffenen Marke zum Beispiel Computer in Tabletform und Smartphones sein können, bei denen Bildschirm und Multitouchscreen kombiniert sind. Die Ware „Computer“ lässt sich außerdem als eng ähnlich mit den Waren „elektrische Geräte zur Steuerung, Vermessung, Kontrolle, Darstellung und Erkennung von Position und Drehrichtung von Objekten; Interfaces (Schnittstellengeräte oder -programme für Computer)“ einstufen.

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Ob und in welchem Grad sich aus weiteren Waren der Widerspruchsmarke eine Ähnlichkeit mit den Waren der jüngeren Marke herleiten lässt, kann offenbleiben.

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b) Die Widerspruchsmarke Glasscape verfügt im maßgeblichen Warenbereich von Haus aus über eine normale (durchschnittliche) Kennzeichnungskraft (zu den Graden der Kennzeichnungskraft vgl. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 55 - Culinaria/Villa Culinaria). Dass diesem Wort insoweit eine beschreibende, die Kennzeichnungskraft schwächende Bedeutung zukommen könnte, ist nicht erkennbar. Zutreffend ist die Markenstelle zwar davon ausgegangen, dass die Widerspruchsmarke aus „Glas“ und „scape“ zusammengefügt und „Glas“ ein Werkstoff ist. Die Kennzeichnungskraft zusammengesetzter Zeichen bestimmt sich indessen nach deren Gesamteindruck. Entgegen der Annahme der Markenstelle ist „Glas“ als Werkstoffangabe hier aber schon keine beschreibende Angabe hinsichtlich aller eingetragenen Waren. Entgegen der Annahme der Markenstelle lässt sich darüber hinaus insbesondere auch nicht feststellen, dass der weitere englischsprachige Wortteil „-scape“ im Deutschen „Oberfläche“ bedeutet. Das englische Wort für „Oberfläche“ ist vielmehr „surface“ (vgl. Langenscheidt, Muret-Sanders, Großwörterbuch Englisch, Teil 1, Englisch-Deutsch, S. 692). In Alleinstellung ist „scape“ im Englischen die Bezeichnung für „Schaft“ im Sinn von „Blütenstandsschaft“ in der Botanik oder „Säulenschaft“ in der Architektur; im Übrigen handelt es sich in der englischen Sprache um ein Wortbildungselement mit der Bedeutung „Landschaft“ (vgl. Langenscheidt, Muret-Sanders, a. a. O., S. 850) als ein Bereich der Erdoberfläche. Mit der sich ergebenden Bedeutung „Glaslandschaft“ des Gesamtwortes Glasscape werden indessen keine Merkmale der Waren der Widerspruchsmarke beschrieben. Im hier maßgeblichen Produktbereich der Klasse 9 geht es weder um aus Glas gestaltete Landschaften des Bereichs der Kunst noch um auf oder hinter Glas dargestellte Landschaften aus dem Gebiet der Glasmalerei. Selbst wenn die wohl im Deutschen weitergehende Bedeutung von „Landschaft“ berücksichtigt wird, die in Bildungen mit einem Substantiv auch einen Bereich von etwas in seiner Vielfalt kennzeichnet, etwa in Worten wie „Fernseh-, Hochschul-, Kunst-, Parteienlandschaft“ (vgl. Duden, Die deutsche Sprache, Band 2, S. 1251), ist die Bedeutung von „Glaslandschaft“ in Bezug auf die maßgeblichen Waren diffus und zur Merkmalsbeschreibung nicht geeignet. Darauf, dass „-scape“ Bestandteil einiger, von der Markenstelle genannter, Marken- oder auch Produktnamen ist wie beispielsweise „Netscape“ (EU 000182840), „Docscape“ (Wort-Bildmarke DE 304 52 513), „Soundscape“ (DE 2 068 546) oder Inkscape, kommt es für die Frage der beschreibenden Bedeutung der hier zu beurteilenden Marke nicht an.

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c) Ausgehend von teils identischen und teils eng ähnlichen Waren und einer normalen (durchschnittlichen) Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein.

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Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Nr. 23 - MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Nr. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60, Nr. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235, Nr. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 224 m. w. N.).

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In der Gesamtheit der Vergleichsmarken SCAPE und Glasscape besteht keine hinreichende Zeichenähnlichkeit in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht. Die zusätzliche Silbe „Glas-“ am Worteingang der Widerspruchsmarke beeinflusst den klanglichen Gesamteindruck u. a. in Bezug auf Sprechrhythmus und Betonung so stark, dass die sich daraus ergebenden Abweichungen nicht zu überhören sind. Bei der visuellen Wahrnehmung ist zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort. Dabei kann die Anfangssilbe „Glas-“, die zu einer unterschiedlichen Zeichenlänge führt, in dem noch relativ kurzen Wort Glasscape nicht überlesen werden, so dass sich die Zeichen auch in dieser Hinsicht deutlich unterscheiden. Das gilt auch in begrifflicher Hinsicht, zumal „scape“ in Alleinstellung „Schaft“ bedeutet, wie oben ausgeführt.

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Allerdings hält die Widersprechende wegen Übereinstimmung der Vergleichsmarken in „SCAPE/-scape“ eine Verwechslungsgefahr für gegeben, weil ihrer Ansicht nach die Widerspruchsmarke durch den Bestandteil „-scape“ geprägt wird. Dem kann nicht beigetreten werden.

29

Allerdings ist allgemein anerkannt, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. m. w. N. BGH GRUR 2009, 772, 776, Nr. 57 - Augsburger Puppenkiste). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 31 - MIXI; GRUR 2009, 1055, Nr. 23 - airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. EuGH GRUR 2007, 700, 702, Nr. 41, 42 - HABM/Shaker, GRUR Int. 2010, 129, 132, Nr. 62 - Carbonell/La Espanola; GRUR 2010, 1098, 1099, Nr. 56 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2008, 719, 722, Nr. 37 - idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2010, 828, 832 - DiSC; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 327, 332 m. w. N.).

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Darüber hinaus ist der Widersprechenden einzuräumen, dass diese Grundsätze nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch auf einteilige Zeichen - wie hier die Widerspruchsmarke - anzuwenden sein können (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Nr. 26 - Pantohexal; GRUR 2010, 729, Nr. 34 - MIXI; GRUR 2013, 631, Nr. 33 - AMARULA/Marulablu). Dies setzt allerdings voraus, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Veranlassung hat, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen (BGH GRUR 2010, 729, Nr. 34 - MIXI; GRUR 2013, 631, Nr. 33 - AMARULA/Marulablu). Bei der Feststellung solcher besonderen Umstände handelt es sich um einen eigenständigen Prüfungsschritt, der der eigentlichen Anwendung des Prägungsgrundsatzes vorgelagert ist und mit dieser nicht vermengt werden darf. Denn es geht bei dieser Prüfung darum festzustellen, ob die Anwendung des für kombinierte Zeichen geltenden Prägungsgrundsatzes trotz der formalen Einteiligkeit eines Zeichens ausnahmsweise in Betracht kommt.

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Ein solcher besonderer Umstand wurde z. B. für das Zeichen „Pantohexal“ (für Arzneimittel) bejaht, weil der Verkehr trotz der Zusammenschreibung die ihm bekannte Firmenbezeichnung „-hexal“ erkennt, kombiniert mit der Produktkennzeichnung „Panto-“ (BGH GRUR 2008, 905, Nr. 26, 38 - Pantohexal). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Andere besondere Umstände zeigt die Widersprechende nicht auf und können auch seitens des Senats nicht festgestellt werden. Insbesondere reicht es insoweit nicht aus, dass ein Zeichenteil möglicherweise beschreibender Natur ist, wie es vorliegend für „Glas-“ - jedenfalls für einen Teil der von der Widerspruchsmarke erfassten Waren - in Betracht kommt. So hat auch der Bundesgerichtshof im Fall des Zeichens „KOHLERMIXI“ (für Küchengeräte) keinen Anlass gesehen, von einer zergliedernden Betrachtungsweise des Verkehrs auszugehen, weil „KOHLER-“ keine im Verkehr bekannte Herstellerkennzeichnung war (BGH GRUR 2010, 729, Nr. 35 - MIXI). Dass „-MIXI“ für Küchengeräte deutliche beschreibende Anklänge aufweist, hat insoweit keine Rolle gespielt. Folgerichtig ist auch im Hinblick auf die Marke „VOLKSWAGEN“ noch einmal auf die ausgeprägte Klammerwirkung der einteiligen Zeichenbildung hingewiesen worden. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der glatt beschreibende Charakter des Zeichenteils „-WAGEN“ es nicht rechtfertigt, von einer Überwindung dieser Klammerwirkung auszugehen (BGH GRUR 2013, 1239, Nr. 35 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).

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Nach diesen Grundsätzen und höchstrichterlich entschiedenen Einzelfällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr die Widerspruchsmarke „Glasscape“ ungeachtet ihrer einteiligen Ausbildung als kombiniertes Zeichen auffasst. Für eine Erörterung des prägenden Charakters des Wortteils „-scape“ ist daher kein Raum. Vielmehr hat es bei einem Gesamtvergleich der Zeichen zu bleiben, bei dem sich diese - wie ausgeführt - hinreichend unterscheiden.

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d) Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren scheidet die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen damit aus.

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e) Ebenso scheidet eine Gefahr aus, dass die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die angegriffene Marke vom Verkehr als Abwandlung einer Zeichenserie der Widersprechenden aufgefasst werden könnte, zumal für eine solche Zeichenserie nichts vorgetragen ist.

35

f) Es besteht auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn. Bei der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn erkennt der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Marken; er stellt aber organisatorische oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Markeninhabern her. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2008, 903, Nr. 31 - SIERRA ANTIGUO; GRUR 2009, 1055, 1057, Nr. 37 - airdsl). Dass ein Zeichen geeignet ist, Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen, reicht hierzu nicht (vgl. BGH GRUR 2009, 772, 777, Nr. 69 - Augsburger Puppenkiste). Besondere Umstände, die die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne rechtfertigen, bestehen hier aber nicht. Die Vergleichsmarken sind mit Blick auf die dargelegten, deutlichen Abweichungen zu weit voneinander entfernt, um den Schluss auf eine Ursprungsidentität oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Anbietern der mit den Vergleichsmarken gekennzeichneten Waren nahezulegen.

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Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn infolge einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „-scape“ kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Frage nach der selbständig kennzeichnenden Stellung eines Bestandteils stellt sich nur dann, wenn eine ältere Marke oder zumindest der prägende Bestandteil der älteren Marke in ein jüngeres Kombinationszeichen aufgenommen wird und dort keine den Gesamteindruck prägende Wirkung entfaltet (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044, Nr. 37 - THOMSON LIFE; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 411 ff.; 474 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.

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2. Nach alledem ist die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

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3. Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand keine Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

39

4. Für die von der Widersprechenden angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass, da sämtliche im vorliegenden Fall relevanten Rechtsfragen - wie dargelegt - vom Bundesgerichtshof geklärt sind.