Entscheidungsdatum: 08.07.2015
Farbmarke Rot – HKS 13 (Sparkassen-Rot)
1. Die bei einer Entscheidung zu § 8 Abs. 3 MarkenG relevante Frage der markenmäßigen Benutzung einer konturlosen Farbe, die nicht in Form einer stets wiederkehrenden einheitlichen Produktgestaltung, sondern im Zusammenhang mit den im vorliegenden Verfahren beanspruchten „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ in unterschiedlichster Art und Weise verwendet wird (äußere Gestaltung von Bankzentralen und -filialen [Gebäude und Räume], von Briefpapier, von Geschäfts- und Werbeunterlagen und sonstigem Werbematerial), kann nicht isoliert von der Frage der Verkehrsdurchsetzung beantwortet werden. Eine nachgewiesene Verkehrsdurchsetzung muss zwangsläufig auch zur Bejahung einer markenmäßigen Benutzung führen.
2. Dem Markeninhaber obliegt im Löschungsverfahren die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die von ihm behauptete Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt auch dann, wenn die angegriffene Marke aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden ist (im Anschluss an EuGH, GRUR 2013, 844 Rn. 62 ff. - Sparkassen-Rot; abw. BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 48 - ROCHER-Kugel; GRUR 2009, 669 Rn. 31 – Post II). Dies ergibt sich aus Normstruktur der maßgeblichen Vorschriften § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 und § 8 Abs. 3 MarkenG und dem allgemein anerkannten Beweislastgrundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Norm trägt.
3. Soweit eine Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG geltend gemacht wird, unterliegen die tatsächlichen Umstände dem Beibringungs- und nicht dem Untersuchungsgrundsatz. Die aktuelle Verfahrensweise, wonach Gutachten zur Verkehrsdurchsetzung regelmäßig durch die Anmelder bzw. Markeninhaber erholt werden, ist auch im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes nicht vorgesehen. Diese Praxis birgt strukturelle Risiken in Form einer Einflussnahme der Auftraggeber auf die Gutachter. Solche Risiken werden durch eine ZPO-konforme Vorgehensweise nach §§ 404, 404 a ZPO vermieden.
4. Gegen die bislang übliche und in der Richtlinie des Deutschen Patent- und Markenamts für die Prüfung von Markenanmeldungen (vgl. BlPMZ 2005, 245 ff., 255, 256) empfohlene Fragestellung bei Verbraucherbefragungen zur Ermittlung des Kennzeichnungsgrades, die auf Entscheidungen des Bundespatentgerichts zurückgeht (vgl. dazu u. a. Beschluss vom 14. Mai 2003, 29 W (pat) 108/01 = GRUR 2004, 61 - BVerwGE; unter dem Gliederungspunkt II., 3., 3.3), legt dem Befragten suggestiv nahe, entsprechende Zeichen als Unternehmenshinweis zu qualifizieren. Die mit einer solchen Fragestellung erzielten Kennzeichnungsgrade dürften tendenziell über den bei angemessen neutraler Fragestellung zu erzielenden Werten liegen.
In der Beschwerdesache
…
…
betreffend die Marke 302 11 120
(Löschungsverfahren S 270/09 und S 271/09)
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie der Richterin Kriener und des Richters Schmid
beschlossen:
1. Auf die Beschwerden der Löschungsantragstellerinnen wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2012 aufgehoben. Die Löschung der Marke 302 11 120 wird angeordnet.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die am 7. Februar 2002 als Kollektivmarke angemeldete abstrakte Farbmarke 302 11 120
(Rot, HKS 13)
wurde am 11. Juli 2007 als verkehrsdurchgesetzt in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen für die Dienstleistungen
Klasse 36: Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden), insbesondere Kontoführung, Durchführung des Zahlungsverkehrs (Girogeschäft), Ausgabe von Debit- und Kreditkarten, Abwicklung von Geldgeschäften mit Debit-und Kreditkarten, Anlage- und Vermögensberatung, Beratung zu und Vermittlung von Geldanlagen, Wertpapiergeschäft, Depotgeschäft, allgemeine Geldberatung, Vermittlung von Versicherungen, Beratung zu und Vermittlung von Bausparverträgen, Kreditberatung, Kreditgeschäft, Kreditvermittlung.
Der Markeninhaber hatte mit der ursprünglichen Anmeldung noch weitere Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 14, 16, 35, 36, 38, 41 und 42 beansprucht, auf die er im Laufe des Verfahrens am 26. Juni 2007 verzichtet hat. Nach Vorlage eines von dem Markeninhaber in Auftrag gegebenen demoskopischen Gutachtens der I… GmbH vom 24. Januar 2006 (Die Farbe „Rot“ - Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005) ist die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA im Erinnerungsverfahren gemäß Beschluss vom 28. Juni 2007 unter Aufhebung des die Anmeldung zurückweisenden Erstbeschlusses vom 4. September 2003 davon ausgegangen, dass sich die angemeldete Farbe mit einem Durchsetzungsgrad von 67,9 % als Herkunftshinweis für den Anmelder gemäß § 8 Absatz 3 MarkenG im Verkehr durchgesetzt hat und hat sie am 11. Juli 2007 eingetragen.
Mit am 19. Oktober 2009 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz vom 16. Oktober 2009 und mit am 22. Oktober 2009 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz vom 20. Oktober 2009 haben die Antragstellerinnen die Löschung der vorgenannten Marke wegen Nichtigkeit aufgrund absoluter Schutzhindernisse gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 10 MarkenG beantragt. Zur Begründung haben sie angeführt, der Kollektiv-Farbmarke fehle insbesondere die Unterscheidungskraft, auch stehe ein Freihaltebedürfnis der Markeneintragung entgegen. Nur unter außergewöhnlichen Umständen sei eine originäre Unterscheidungskraft eines Zeichens, das aus einer Farbe als solcher besteht, anzunehmen. Diese Voraussetzungen fehlten, da der Markeninhaber Schutz weder in einem spezifischen, in sich abgeschlossenen Marktsegment, noch in einem solchen Dienstleistungsbereich, in dem die Verbraucher die angebotenen Dienstleistungen allein anhand der Farbe den Erbringern zuordneten, beanspruche. Die Farbe „Rot“ habe sich für die beanspruchten Dienstleistungen für den Markeninhaber auch nicht im Verkehr durchgesetzt. Zum einen fehle bereits eine markenmäßige Benutzung der Farbe „Rot“ durch den Markeninhaber und seine Mitglieder, zudem belegten die vorgelegten demoskopischen Gutachten auch kein anderes Verkehrsverständnis der Verbraucher. Die Befragungen wiesen methodische Mängel auf, denn darin werde insbesondere nicht die Zuordnung der Farbe zu einzelnen Dienstleistungen, sondern zu einem Unternehmenstyp abgefragt. Auch sei angesichts des für die Grundfarbe „Rot“ im Finanzdienstleistungsbereich sehr hohen Freihaltebedürfnisses ein Durchsetzungsgrad von mindestens 75 % zu fordern, der auch bei unterstellter Verwertbarkeit des Gutachtens mit dem darin ermittelten Durchsetzungsgrad von 65 % nicht erreicht werde. Darüber hinaus sei die Streitmarke bösgläubig angemeldet worden und daher auch gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG löschungsreif.
Der Markeninhaber hat den ihm jeweils am 30. Oktober 2009 zugestellten Löschungsanträgen mit den beim Deutschen Patent- und Markenamt jeweils am 5. November 2009 eingegangenen Schriftsätzen widersprochen und ausgeführt, die geltend gemachten Löschungsgründe seien nicht gegeben. Die Marke sei originär unterscheidungskräftig, so dass die Löschungsanträge bereits aus diesem Grund keinen Erfolg haben könnten. Der Schutz sei auf sehr wenige Dienstleistungen beschränkt, nämlich auf R…-Banking-Dienstleistungen, die ein spezifisches Marktsegment abdeckten. Dieses enge Geschäftsfeld werde maßgeblich von wenigen großen Anbietern geprägt, die ein im Wesentlichen identisches Bündel von Dienstleistungen anböten, u. a. Kontoführung, Vergabe von Privatkrediten und Dienstleistungen rund um das Sparen. Auch sei bereits wiederholt gerichtlich festgestellt worden, dass es sich bei dem R…-Banking-Markt um einen von ein- oder zweifarbigen Farbkodierungen geprägten Markt handle. Die angesprochenen Verkehrskreise seien zudem an die Benutzung von Farben als Herkunftshinweis gewöhnt. Farben würden im Bankensektor auch im Sinne von Zweitmarken neben den Unternehmenskennzeichen eingesetzt. Zudem sei die Farbe „Rot“ (HKS 13) im Verkehr für Publikumsbankdienstleistungen zu Gunsten der Sparkassen durchgesetzt. Die Verkehrsdurchsetzung der Farbmarke könne bereits auf der Grundlage der nachgewiesenen Benutzungshandlungen und der Nachweise zu Marktanteilen, Werbeausgaben usw. festgestellt werden. Den demoskopischen Nachweis der Verkehrsdurchsetzung erbrächten die vorgelegten Gutachten aus den Jahren 2005 (Gutachten der I… GmbH vom 24. Januar 2006, Die Farbe „Rot“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005, Seite 6) und 2011 (Gutachten der I… GmbH vom 20. Juni 2011, Die Farbe „Rot“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Juni 2011, Seite 6) mit einem ermittelten Zuordnungsgrad zur „Sparkasse“ von 66,1 % im allgemeinen Verkehr bzw. von 64,6 % (bereinigter Kennzeichnungsgrad – ohne Fehlzuordnungen, Gutachten vom 20. Juni 2011), was nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts ausreichend sei.
Mit Beschluss vom 24. April 2012 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts die mit Verfügung der Vorsitzenden der Markenabteilung vom 22. März 2012 in einem Verfahren verbundenen Löschungsanträge zurückgewiesen. Der Eintragung habe zwar das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft i. S. v. § 97 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden, dieses Schutzhindernis sei aber aufgrund der nachgewiesenen Durchsetzung der Marke in den beteiligten Verkehrskreisen überwunden gewesen. Für konturlose Farb-Kollektivmarken könne an die von der Rechtsprechung für die Beurteilung der Unterscheidungskraft abstrakter Individual-Farbmarken aufgestellten Grundsätze angeknüpft werden. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft kämen dabei dieselben Grundsätze zur Anwendung wie bei anderen Markenkategorien, insbesondere sei insoweit kein strengerer Maßstab anzulegen. Mit der europäischen und deutschen Spruchpraxis sei allerdings davon auszugehen, dass Farben nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen würden wie Wort- oder Bildzeichen und ihnen deshalb im Allgemeinen eine originäre Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle bzw. eine solche nur ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen zu bejahen sei. Solche besonderen Umstände fehlten im vorliegenden Fall. Schon mit Blick auf die von der angegriffenen Farbmarke beanspruchten Dienstleistungen könne nicht von einem eng umgrenzten, in sich abgeschlossenen Markt gesprochen werden. Der Oberbegriff des „R…-Banking“ umfasse, wie sich auch aus der nachfolgenden beispielhaften Aufzählung ergebe, eine große Zahl typischer Bankdienstleistungen für Privatkunden. Die darunter fallenden Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen in Bezug auf Bausparverträge und Versicherungen würden außerdem auch von Bausparkassen und Versicherungsunternehmen und zahlreichen anderen Finanzdienstleistern angeboten. Bei dem konkret beanspruchten roten Farbton handele es sich weder an sich noch im Hinblick auf die fraglichen Dienstleistungen um eine außergewöhnliche Farbe. Vielmehr sei "Rot" eine Primärfarbe und der konkret beanspruchte Farbton der beliebteste Rotton überhaupt. Im Bereich der Filialbanken sei die Verwendung von Farben beispielsweise für die Aufmachung der Filialen, Gestaltung der Werbe- und Informationsmaterialien etc. üblich. Hierbei würden gerade die Grundfarben Rot, Blau und Gelb einzeln oder in weiteren Farbkombinationen häufig verwendet, unter anderem Blau von der D…, Gelb von der C… und der P…, Gelb/Blau vom B…, Blau/Weiß/Rot von der T…, Gelb/Rot von der B1…,. Rottöne verwendeten neben dem Markeninhaber und den Antragstellerinnen weitere unmittelbare Wettbewerber, wie die U…/H…, die N…, die B2… und die O….
Auch würden die jeweiligen Marktauftritte der großen Publikumsbanken neben den farbigen Ausgestaltungen durch Schriftzüge und zusätzliche grafische Elemente geprägt. Angesichts dieser Umstände sei eine Wahrnehmung der vorliegenden Farbe – ohne weitere kennzeichnende Bestandteile – als Marke mit betrieblicher Herkunftsfunktion von Haus aus nicht nahe gelegt. Einer Monopolisierung dieser Primärfarbe stehe insbesondere auch das Allgemeininteresse an der freien Verwendung von einer nur begrenzten Anzahl unterschiedlicher Farben als dekorative Elemente entgegen.
Die Eintragung der angegriffenen Marke sei aber zu Recht auf Grund ihrer Durchsetzung im Verkehr nach § 8 Abs. 3 MarkenG erfolgt. Den Löschungsantragstellerinnen, die im Löschungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Feststellungslast träfe, dass die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung zum Eintragungszeitpunkt nicht vorgelegen haben, sei dieser Nachweis nicht gelungen. Die in deren Auftrag erstellten demoskopischen Gutachten erschütterten nicht den Nachweis der Durchsetzung der Marke in den beteiligten Verkehrskreisen, wie er sich im Zeitpunkt der Eintragung durch das demoskopische Gutachten der I… GmbH vom 24. Januar 2006 (Die Farbe „Rot“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005), bestätigt durch das zweite Gutachten vom 20. Juni 2011 (Die Farbe „ROT“ (HKS 13) – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Juni 2011), ergebe. Denn der darin ermittelte Zuordnungsgrad liege unter Abzug der Anzahl der Beteiligten, die angegeben hatten, die Farbe im Zusammenhang mit Geldinstituten nicht zu kennen, bei 63,6 %, so dass die für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung grundsätzlich maßgebliche Untergrenze von 50 % weit übertroffen werde. Der Umstand, dass ein erhebliches Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit der Grundfarbe „Rot“ zu bejahen sei, rechtfertige es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR, 1999, 723, Nr. 48 u. 54 – Chiemsee) nicht, die Eintragung einer konturlosen Farbmarke von einem wesentlich höheren Durchsetzungsgrad abhängig zu machen. Auch der Einwand der Antragstellerinnen, wonach sich die I…-Um- frage vom 24. Januar 2006 auf einen zu weiten (Dienstleistungs-)Oberbegriff („Haben Sie diese Farbe schon mal im Zusammenhang mit Geldinstituten gesehen, …“) und nicht auf konkret umrissene Dienstleistungen bezogen habe, führe nicht zum Erfolg der Löschungsanträge. Damit seien vielmehr die in Rede stehenden typischen Leistungen einer Publikumsbank in einer für die befragten Personen hinreichend deutlichen und verständlichen Weise umschrieben worden. Dies wäre bei Verwendung der im Dienstleistungsverzeichnis enthaltenen fachsprachlichen Begriffe, wie „Retail-Banking“ oder „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ nicht in gleichem Maße gewährleistet gewesen. Im Übrigen wirkten die in der Befragung verwendeten Begriffe auch nicht suggestiv. Dagegen erbrächten die im Auftrag der Antragstellerinnen erstellten demoskopischen Gutachten nicht den erforderlichen Nachweis für eine fehlende Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Eintragung. So weise das am 29. Februar 2008 erstellte Gutachten (Gutachten der G… … vom 29. Februar 2008, Verkehrsbefragung über die Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot (HKS 13) im Zusammenhang mit Finanz- und Gelddienstleistungen Februar 2008) zwar nur einen Zuordnungsgrad von 36 % aus, allerdings sei mit dem Begriff der „Finanz- und Gelddienstleistungen“ ein abstrakter und weiter Dienstleistungsbegriff gewählt worden, der sich von dem maßgeblichen Dienstleistungsspektrum des Retail-Banking zu weit entferne. Nach § 1 Abs. 1a Kreditwesengesetz (KWG) handele es sich bei „Finanzdienstleistungen“ um Dienstleistungen, die von Finanzdienstleistungsinstituten erbracht würden und die sich von den so bezeichneten „Bankgeschäften“ unterschieden. Die weiteren Umfragen vom November/Dezember 2009 (Gutachten des I1…- … vom 26. Februar 2010, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit Verbraucherkrediten, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im November/Dezember 2009) und vom April 2010 (Gutachten des I1… vom 19. Mai 2010, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit Kontoführung, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im April 2010) seien bereits deshalb fehlerhaft, weil mit der Fragestellung weder die Zielrichtung der Befragung noch der Bezug zwischen dem gezeigten Farbton und den abstrakten Begriffen der „Verbraucherkredite“ und „Kontoführung“ deutlich geworden seien.
Angesichts einer langjährigen intensiven Verwendung der Farbe in der Werbung und der Aufmachung der Filialen der Mitglieder des Markeninhabers fehlten Anhaltspunkte dafür, dass bei der Anmeldung der angegriffenen Marke nicht die Förderung der eigenen Wettbewerbssituation im Vordergrund gestanden habe; Anzeichen für die behauptete Bösgläubigkeit seien somit nicht vorhanden.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Löschungsantragstellerinnen. Angesichts des erheblichen Freihaltebedürfnisses an der Farbe „Rot“ sei der in den beiden Verkehrsbefragungen ermittelte, nur wenig über der Untergrenze von 50 % liegende Kennzeichnungsgrad der Marken als unzureichend anzusehen. Denn bei einer Grundfarbe wie „Rot“ handele es sich um eine der beliebtesten Farben für die Unternehmenskommunikation überhaupt, besonders in dem Bereich der hier einschlägigen Dienstleistungen. Hierzu nennen die Löschungsantragstellerinnen einige Beispiele der Verwendung der Farbe „Rot“ durch klassische Publikumsbanken in ihrem Firmenlogo, in ihrer Unternehmenskommunikation, bei der Filialgestaltung und in der Werbung. Da zur Vermittlung gleichwertiger Bedeutungsinhalte tatsächlich nur wenig andere Farben zur Verfügung stünden, sei den Mitbewerbern des Markeninhabers ein Ausweichen auf eine andere Farbgestaltung nicht zumutbar. Angesichts dieser umfangreichen Verwendung sei ein erhebliches Freihaltebedürfnis an der streitgegenständlichen Farbe zu bejahen und hänge der Erwerb der Unterscheidungskraft von einem höheren Grad der Verkehrsdurchsetzung ab. Der erforderliche Durchsetzungsgrad sei umso höher anzusetzen, je höher der Grad des Freihalteinteresses sei. Im Einklang mit der Rechtsprechung sei daher ein Kennzeichnungsgrad zu fordern, der erheblich über der Untergrenze von 50 % läge. In diesem Zusammenhang haben die Löschungsantragstellerinnen angeregt, die Frage, ob sich das zu berücksichtigende Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit von Farben dahingehend auswirke, dass an den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung einer Grundfarbe höhere Anforderungen zu stellen seien, dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Ungeachtet der in ihrer Höhe unzureichenden Kennzeichnungsgrade eigneten sich die vom Antragsgegner eingereichten Gutachten auch aufgrund der ihnen anhafteten methodischen Mängel nicht zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung. Aus den von den Antragstellerinnen eingereichten Verkehrsbefragungen ginge hervor, dass der Kennzeichnungsgrad tatsächlich niedriger anzusetzen sei. So sei mit einer aus dem Jahr 2008 durchgeführten demoskopischen Befragung durch das A… zu der Farbe „Rot“ im Zusammenhang mit „Finanz- und Gelddienstleistungen“ (Gutachten der G… vom 29. Februar 2008; Verkehrsbefragung über die Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot (HKS 13) im Zusammenhang mit Finanz- und Gelddienstleistungen Februar 2008) ein Kennzeichnungsgrad von 40,2 % erreicht worden. Ähnliche Kennzeichnungsgrade in Bezug auf konkrete Dienstleistungen wie „Kontoführung“ von 34 % (Gutachten des I1… vom 19. Mai 2010, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit Kontoführung, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im April 2010), „Verbraucherkredite“ von 9 % (Gutachten des I1… vom 26. Februar 2010, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit Verbraucherkrediten, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im November/ Dezember 2009) und den zu weiten und lenkenden Oberbegriff „Geldinstitut“ von 47 % (Gutachten des I1… vom 20. August 2012, Die Unterscheidungskraft der Farbe Rot im Zusammenhang mit Geldinstituten, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im März 2012) belegten die Fehlerhaftigkeit der seitens des Antragsgegners eingereichten Gutachten. Vor allem die zuletzt genannte Erhebung sei sowohl angesichts der zeitlichen Nähe und vergleichbarer Fragestellung besonders dazu geeignet, die von dem Antragsgegner ermittelten Werte von 2011 (Gutachten der I… GmbH vom 20. Juni 2011, Die Farbe „ROT“ (HKS 13) Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Juni 2011) in Zweifel zu ziehen. In den Befragungen des Antragsgegners sei in unzulässiger Weise suggestiv auf den Unternehmenstyp „Geldinstitut“ hingewiesen worden, eine Abfrage der konkreten Dienstleistungen sei dagegen unterblieben. Zudem seien bloße Assoziationen anstelle eindeutiger Herkunftszuordnungen positiv gewertet worden. Durch das Einbeziehen zu vieler nicht hinreichend eindeutiger Antworten sei die Berechnung fehlerhaft; Fehlzuordnungen seien nicht abgezogen und durch einen lenkenden Einleitungssatz und mehrfache suggestive Nachfragen sei ein insgesamt fehlerhaftes Ergebnis erzielt worden.
Die Löschungsantragstellerinnen tragen weiter vor, die Markenabteilung sei im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft von einer Feststellungslast der Antragstellerinnen für den vollständigen Nachweis in Bezug auf das Fehlen der Verkehrsdurchsetzung ausgegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei es im Rahmen der sekundären Darlegungs- und Beweislast zunächst die Aufgabe des Markeninhabers, das Bestehen der Verkehrsdurchsetzung zum Eintragungszeitpunkt schlüssig darzulegen, da allein er über die erforderlichen Kenntnisse der relevanten Umstände der angeblichen Verkehrsdurchsetzung verfüge. Erst danach könne die Feststellungslast zum Tragen kommen. Vor diesem Hintergrund hätte das DPMA weder die aufgezeigten methodischen Mängel der Verkehrsgutachten des Antragsgegners außer Acht lassen dürfen noch die vorgelegten Benutzungsbeispiele des Antragsgegners als weiteren Nachweis der Verkehrsdurchsetzung gelten lassen dürfen, da diese die Farbe „Rot“ stets im Zusammenhang mit den weiteren Kennzeichen des Antragsgegners oder deren Mitglieder zeige und als Nachweis für die Verkehrsdurchsetzung ungeeignet seien. Auch läge nach der europäischen Rechtsprechung die Darlegungs- und Feststellungslast beim Markeninhaber, da andernfalls die nach Art. 49 und 56 AEUV geschützte Niederlassungsfreiheit (Warenverkehrsfreiheit, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit) beeinträchtigt werde. Denn der Erwerb eines Monopols durch die Eintragung einer Marke, die fundamentale Grundfreiheiten Anderer einschränke, könne nur dann gewährt werden, wenn die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands der Verkehrsdurchsetzung auch tatsächlich vorlägen. Derjenige, der sich auf diese Voraussetzungen berufe, habe sie darzulegen und zu beweisen.
Auf Anregung der Löschungsantragstellerinnen hat der 33. Senat des Bundespatentgerichts, der nach der Geschäftsverteilung des Gerichts bis 31. Dezember 2013 für das vorliegende Verfahren zuständig war, das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 Buchstabe a) AEUV dem G…- … zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom 22. Oktober 2008 (MRRL) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Steht Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie einer Auslegung des nationalen Rechts entgegen, wonach bei einer abstrakten Farbmarke (hier: Rot HKS 13), die für Dienstleistungen des Finanzwesens beansprucht wird, eine Verbraucherbefragung einen bereinigten Zuordnungsgrad von mindestens 70 % ergeben muss, damit angenommen werden kann, dass die Marke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat?
2. Ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass es auch dann auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke - und nicht auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung - ankommt, wenn der Markeninhaber im Rahmen der Verteidigung gegen einen Antrag auf Ungültigerklärung der Marke geltend macht, dass die Marke jedenfalls über drei Jahre nach der Anmeldung, aber noch vor der Eintragung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe?
3. Für den Fall, dass es auch unter den oben genannten Voraussetzungen auf den Zeitpunkt der Anmeldung ankommt:
Ist die Marke bereits dann für ungültig zu erklären, wenn ungeklärt ist und nicht mehr geklärt werden kann, ob sie zum Zeitpunkt der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat? Oder setzt die Ungültigerklärung voraus, dass durch den Nichtigkeitsantragsteller nachgewiesen wird, dass die Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung keine Unterscheidungskraft infolge ihrer Benutzung erlangt hat?
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 19. Juni 2014 (GRUR 2014, 316 ff. – Sparkassen-Rot) diese drei Fragen wie folgt beantwortet:
1. Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach es in Verfahren, in denen fraglich ist, ob eine konturlose Farbmarke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, stets erforderlich ist, dass eine Verbraucherbefragung einen Zuordnungsgrad dieser Marke von mindestens 70 % ergibt.
2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Ungültigerklärung einer nicht originär unterscheidungskräftigen Marke bei der Beurteilung, ob diese Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, zu prüfen ist, ob die Unterscheidungskraft vor der Anmeldung der Marke erworben wurde. Unerheblich ist insoweit, dass der Inhaber der streitigen Marke geltend macht, sie habe jedenfalls nach der Anmeldung, aber noch vor ihrer Eintragung, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt.
3. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, die streitige Marke im Rahmen eines Löschungsverfahrens für ungültig zu erklären, sofern sie nicht originär unterscheidungskräftig ist und ihr Inhaber nicht den Nachweis erbringen kann, dass die Marke vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hatte.
Im Rahmen des wiedereröffneten Beschwerdeverfahrens tragen die Löschungsantragstellerinnen in Ergänzung ihrer bisherigen Ausführungen vor, Voraussetzung dafür, dass ein Zeichen durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangen könne, sei eine vorangegangene markenmäßige Benutzung. Angesichts der dekorativen gestalterischen Funktion einer Farbe könne bei einer konturlosen Farbe nach der ständigen Rechtsprechung nur ausnahmsweise von einer markenmäßigen Benutzung ausgegangen werden, etwa wenn es sich um einen aufgrund der Kennzeichnungsgewohnheiten farbkodierten Markt handele und wenn die Farbe neben allen sonstigen Elementen so hervortrete, dass die relevanten Verkehrskreise sie als Produktkennzeichen verstehen. Unter anderem fehle es im Bereich der Finanzdienstleistungen bereits an einer entsprechenden Übung, Farben als Herkunftshinweis wahrzunehmen. Es handele sich um einen zersplitterten Markt mit einer unüberschaubaren Zahl von Anbietern, die dieselbe Hausfarbe hätten (Blau: D…, B3…, D1…; Rot: S…, S1…, H…- …; Gelb: C…, P…, B4…; Orange/Blau: I2…, R1…). Zudem spiele die Farbe im Marktauftritt des Markeninhabers nur eine untergeordnete dekorative Rolle, sei nicht einheitlich und in erster Linie auf die Hervorhebung der Bezeichnungen „Sparkasse“ und „Sparkasse-S“ ausgerichtet. Die Löschungsantragstellerinnen verweisen ergänzend hierzu auf die Ausführungen aus einem Rechtsgutachten von Frau …- … K… vom 10. Januar 2015 (Anlage ASt 83 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2015, Ordner III der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen nach Bl. 656 (= Fehlblatt) d.A. [Band IV]) und einem Sachverständigenbericht von Herrn J… vom 16. Januar 2015 (Anlage Ast 78 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2015, Ordner III der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen nach Bl. 656 (= Fehlblatt) d.A. [Band IV]). Auch spräche die Gesamtabwägung aller im vorliegenden Fall gegebenen Umstände gegen eine Durchsetzung der Marke in den beteiligten Verkehrskreisen, wobei an den Grad der Durchsetzung nach ständiger Rechtsprechung – und auch noch nach der im vorliegenden Verfahren ergangenen Vorabentscheidung – ohnehin besonders hohe Anforderungen zu stellen seien. Zudem hätten das ausgeprägte Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit der Farbe Rot und die geringe Eignung der Farbe als Herkunftshinweis für Finanzdienstleistungen hohe Anforderungen zur Folge. Für den Fall, dass der Senat dieser Auffassung nicht folge, sei hierzu ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten.
Zur Frage der Feststellungslast führen die Löschungsantragstellerinnen u. a. aus, dass es sich bei der Feststellungslastverteilung im Löschungsverfahren auch nach der maßgeblichen Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs um eine materiell rechtliche Frage des Gemeinschaftsrechts handele. Für das Vorliegen der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft trage der Markeninhaber die Feststellungslast. Dies ergebe sich aus der Systematik des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/EG, da ein Markenanmelder, der sich auf den Ausnahmetatbestand der erlangten Unterscheidungskraft infolge Benutzung berufe, die Voraussetzungen für das tatsächliche Vorliegen dieses Sonderfalls nachzuweisen habe. Diese Verteilung der Feststellungslast entspreche auch der Billigkeit, da der Markeninhaber eher als der Antragsteller in der Lage sei, ausreichende Nachweise für das Vorliegen der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft im Zeitpunkt der Anmeldung beizubringen und vorzulegen. Eine solche Feststellungslastverteilung entspräche auch dem Interesse der Allgemeinheit, ungerechtfertigte Monopole zu verhindern, das gegenüber dem schutzwürdigen Vertrauen des Markeninhabers auf den Fortbestand seiner Marke überwiege. Für den Fall der abweichenden Beurteilung der Feststellungslast durch den Senat regen die Löschungsantragstellerinnen an, die Sache erneut dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Löschungsantragstellerinnen haben neben einem Sachverständigenbericht und Rechtsgutachten im Laufe des Verfahrens folgende demoskopische Gutachten vorgelegt:
- Gutachten der G1… vom 29. Februar 2008, Verkehrsbefragung über die Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot (HKS 13) im Zusammenhang mit Finanz- und Gelddienstleistungen Februar 2008 (Anlage ASt 30 zum Schriftsatz vom 26. August 2010, nach Bl. S285 der DPMA-Löschungsakte S270/09 bzw. nach Bl. S310 der DPMA-Löschungsakte S 271/09),
- Gutachten des Instituts für Demoskopie A… vom 26. Februar 2010, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit Verbraucherkrediten, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im November/Dezember 2009 (Anlage ASt 24 zum Schriftsatz vom 10. Mai 2010, nach Bl. S275 der DPMA-Löschungsakte S270/09 bzw. nach Bl. S300 der DPMA-Löschungsakte S 271/09),
- Gutachten des I… vom 19. Mai 2010, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit Kontoführung, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im April 2010 (Anlage ASt 29 zum Schriftsatz vom 26. August 2010, nach Bl. S285 der DPMA-Löschungsakte S270/09 bzw. nach Bl. S310 der DPMA-Löschungsakte S 271/09),
- Gutachten des I… vom 20. August 2012, Die Unterscheidungskraft der Farbe Rot im Zusammenhang mit Geldinstituten, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im März 2012 (Anlage ASt 46 zum Schriftsatz vom 28. August 2012, Bl. 113 (= Fehlblatt) d.A. [Band I] Ordner I der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen),
- Gutachten des I… vom 31. Oktober 2013, Die Filialen der Bank S2… und der S…, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne (Anlage ASt 94 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2015, Bl. 656 (= Fehlblatt) d.A. [Band IV] Ordner III der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen),
- Gutachten des I1… vom 19. Januar 2015, Die Zuordnung eines roten Farbtons im Zusammenhang mit „Dienstleistungen rund um finanzielle Angelegenheiten“, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im September 2014 (Anlage ASt 81 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2015, Bl. 656 (= Fehlblatt) d.A. [Band IV] Ordner III der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen),
- Gutachten des I1… vom 19. Januar 2015, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit „Geldanlagen“, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im Oktober 2014 (Anlage ASt 80 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2015, Bl. 656 (= Fehlblatt) d. A. [Band IV] Ordner III der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen),
- Gutachten des I… vom 19. Januar 2015, Die Zuordnung eines roten Farbtons in Zusammenhang mit „Kreditkarten“, Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung im November 2014 (Anlage ASt 79 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2015, Bl. 656 (= Fehlblatt) d.A. [Band IV] Ordner III der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen).
Die Löschungsantragstellerinnen beantragen sinngemäß,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2012 aufzuheben und die Löschung der Marke 302 11 120 „Farbmarke Rot“ (HKS 13) anzuordnen.
Der Markeninhaber und Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Markeninhaber darüber hinaus beantragt, ihm eine Frist von 8 Wochen zur Stellungnahme auf die in der mündlichen Verhandlung erörterten Gesichtspunkte zu gewähren.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen gegebenenfalls ebenfalls eine Schriftsatzfrist.
Der Markeninhaber hält daran fest, dass die bereits vorgelegten und seiner Meinung nach methodisch und inhaltlich zutreffenden demoskopischen Umfragen der I… GmbH aus den Jahren 2005 (Gutachten der I… GmbH vom 24. Januar 2006, Die Farbe „ROT“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005) und 2011 (Gutachten der I… GmbH vom 20. Juni 2011, Die Farbe „ROT“ (HKS 13) – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Juni 2011) die Verkehrsdurchsetzung nachweisen würden. Denn sie entsprächen den fachlichen und höchstrichterlichen Anforderungen, was auch aus der gutachterlichen Stellungnahme von E…, Vorsitzender Richter am BGH a.D. vom Januar 2012 (Anlage AG 136 zum Schriftsatz vom 4. Januar 2013, Bl. 144/174 d. A. [Band I]) hervorgehe. Insbesondere sei die Forderung unterschiedlich hoher Verkehrsdurchsetzungsgrade nach den Entscheidungen „Windsurfing Chiemsee“ des Europäischen Gerichtshofs und „Ostsee Post“ des Bundesgerichtshofs rechtlich unhaltbar. Habe ein Zeichen durch eine besonders langfristige, intensive Benutzung und durch zielgerichtete aufwendige Werbemaßnahmen den für die Annahme der Verkehrsdurchsetzung notwendigen Bedeutungswandel zum Herkunftshinweis einmal vollzogen und dies mit einem Zuordnungsgrad von über 50 % dokumentiert, bedeute die Forderung nach einem höheren Durchsetzungsgrad eine zusätzliche Hürde, die keine Stütze in der Rechtsprechung fände.
In Bezug auf die Auswertung der IPSOS Befragung von Dezember 2005 (Gut- achten der I… GmbH vom 24. Januar 2006, Die Farbe „ROT“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005) erkennt der Markeninhaber an, dass in unzutreffender Weise die positiven Antworten solcher Befragten hinzugerechnet worden seien, die angegeben hatten, die Farbe nicht zu kennen, und legt ein weiteres Gutachten der I… GmbH vom 20. Dezember 2012 vor, in dem die Modi der unterschiedlichen Filterung der jeweiligen Gutachten erläutert werden (Gutachten der I… GmbH vom 20. Dezember 2012, Die Farbe „Rot“ (HKS 13) – Befragung zur Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005, Erläuterungen zu den Modi der unterschiedlichen Filterung – Anlage AG 137 zum Schriftsatz vom 4. Januar 2013, Bl. 175/176 d.A. [Band I]).
Ausgehend davon sei nach Auffassung des Markeninhabers für das Jahr 2005 ein Bekanntheitsgrad von 74,5 %, ein Kennzeichnungsgrad von 67,6 %, ein Zuordnungsgrad von 65,8 % und ein sogenannter bereinigter Kennzeichnungsgrad (maßgeblicher Verkehrsdurchsetzungsgrad nach der Rechtsprechung) von 66,4 % anzusetzen (Modus 3 Filter 2011, Gutachten Seite 5 unten, Bl. 181 d.A.). Zudem belegten zwei weitere demoskopische Befragungen des I2…- … (Gutachten der P1… GmbH vom 20. Februar 2013, „Rot“ (HKS 13) – Verkehrsdurchsetzung dieser Farbe im Zusammenhang mit Dienstleistungen von Geldinstituten und Gutachten der P1… GmbH vom 20. Februar 2013, „Rot“ (HKS 13) – Verkehrsdurchsetzung dieser Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen) mit der Fragestellung nach konkreten Dienstleistungen anstelle des als suggestiv kritisierten Begriffs des „Geldinstituts“ mit bereinigten Kennzeichnungsgraden von 67,1 % bzw. 64,1 % die Durchsetzung der Farbe im Verkehr. Da eine Verkehrsdurchsetzung nachgewiesen sei, erübrige sich eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, im Übrigen sei die vorzulegende Frage nicht entscheidungserheblich. Zudem seien neben den Verkehrsbefragungen nach ständiger Rechtsprechung auch zusätzliche Umstände wie der gehaltene Marktanteil und die Kundenreichweite für die Frage der Durchsetzung der Marke bei den beteiligten Verkehrskreisen zu berücksichtigen. Der von den Sparkassen gehaltene Marktanteil von rund 60 % der Kunden im Inland, die … Millionen Ende des Jahres 2008 geführten Sparkonten, die mehr als 40 % der vom Gesamtgeldautomatenbestand dem Markeninhaber gehörenden Geldautomaten und ein Filialnetz von knapp … Geschäftsstellen (entspreche rund 40 % der Bankfilialen) belegten die einzigartige Stellung der Sparkassen unter den Geldinstituten in Deutschland. Der Markeninhaber nutze die Farbe Rot seit 1972 stringent und durchgängig als Haus- und Markenfarbe zur Kennzeichnung seiner publikumsbanktypischen Produkte wie dem roten Sparkassenbuch, bei der Gestaltung der Geschäftsstellen, seiner Informations- und Produktbroschüren, seinem Auftritt im Internet im Rahmen der Werbung mit konstant zwischen … Millionen Euro und … Millionen Euro Werbeausgaben pro Jahr. Die Farbe „Rot“ sei dabei ein zentrales Wiedererkennungsmerkmal.
Die Zusammenschau der demoskopischen Befragungen und der sonstigen Belege zur Nutzung des Zeichens „Rot“ als Haus- und Markenfarbe dokumentiere jedenfalls eine Verkehrsdurchsetzung. Aus Sicht des Markeninhabers sind andererseits die von Seiten der Löschungsantragstellerinnen eingereichten demoskopischen Gutachten aufgrund zahlreicher handwerklicher Fehler, u. a. fehlende hinführende Einleitungen bei Mehrthemenumfrage, Vorlage nur kleinformatiger Farbkarten, ungeeignete Fragestellungen im Einzelnen, nicht aussagekräftig. Zur Frage der Feststellungslast vertritt der Markeninhaber die Auffassung, es handele sich um verfahrensrechtliche Regelungen, die den jeweiligen nationalen Maßstäben unterfielen und nicht Gegenstand des harmonisierten Rechts seien. Daher sei auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof insoweit unzulässig. Ungeachtet dessen sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Gemeinschaftsmarken (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rn. 58 – BORCO ) bereits entschieden, dass die Eintragungshindernisse von Amts wegen zu prüfen seien und dieses Erfordernis nicht zum Nachteil des Anmelders relativiert werden dürfe. Der Markeninhaber sei nach Art. 74, 52 GMV grundsätzlich nicht beweisbelastet. Auch aufgrund der im vorliegenden Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ergebe sich keine andere Bewertung. Denn die Antwort sei schon deshalb nicht bindend, weil der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit, im Rahmen eines Löschungsverfahrens zu überprüfen, ob die angegriffene Marke ihre ursprünglich fehlende Unterscheidungskraft infolge Benutzung überwunden habe (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL), Gebrauch gemacht habe, wohingegen der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung davon ausgegangen sei, dass dies gerade nicht der Fall sei. Dies sei auch die Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2014, 1101 Rn. 19 – Gelbe Wörterbücher). Die Regeln, die der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang zur Feststellungslast aufgestellt habe, wonach im Fall der Unaufklärbarkeit dies zum Nachteil des Löschungsantragstellers ginge, seien nach wie vor verbindlich.
Der Markeninhaber und Beschwerdegegner hat im Laufe des Verfahrens neben gutachterlichen Stellungnahmen, u. a. von E… (Anlage AG 136 zum Schriftsatz vom 4. Januar 2013, Bl. 144/174 d.A.) und Zusatzauswertungen folgende demoskopische Gutachten vorgelegt:
- Gutachten der I… GmbH vom 24. Januar 2006, Die Farbe „ROT“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005 (Anlage zum Schriftsatz vom 26. Juni 2006 (Bl. 159 (= Fehlblatt) Einschub d.A. - Anmeldeverfahren [Band II]),
- Gutachten der I… GmbH vom 20. Juni 2011, Die Farbe „ROT“ (HKS 13) Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Juni 2011 (Anlage AG 110 (neu) zum Schriftsatz vom 22. September 2011, nach Bl. S437 der DPMA-Löschungsakte S. 270/09 und Bl. S460/S461 der DPMA-Löschungsakte S. 271/09 mit Verweis auf S. 270/09),
- Gutachten der P… GmbH vom 20. Februar 2013, „Rot“ (HKS 13) – Verkehrsdurchsetzung dieser Farbe im Zusammenhang mit Dienstleistungen von Geldinstituten (Anlage AG 138 zum Schriftsatz vom 22. Februar 2013, Bl. 293 d.A. [Band II]),
- Gutachten der P… GmbH vom 20. Februar 2013, „Rot“ (HKS 13) – Verkehrsdurchsetzung dieser Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen (Anlage AG 139 zum Schriftsatz vom 22. Februar 2013, Bl. 294 d.A. [Band II]),
- Gutachten der P… GmbH vom 14. Januar 2014, „Rot“ – Welche Unternehmen werden an dieser Farbe erkannt (Anlage AG 149 zum Schriftsatz vom 23. Januar 2015, Bl. 712 d.A. [Band IV]).
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2015 hat der Markeninhaber weitere Schriftsätze und Unterlagen eingereicht, u. a. die Gutachten „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ – Was gehört aus Sicht der Bevölkerung dazu?“ (24. März 2015, Anlage AG 163 zum Schriftsatz vom 30. März 2015, Bl. 919 d.A. [Band V]) sowie „Kennzeichnungskraft von „Rot (HKS 13)“ im Zusammenhang mit „Bankdienstleistungen für Privatkunden“, Verständnis, welche Leistungen zu „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ gehören“ (24. April 2015, Anlage AG 164 zum Schriftsatz vom 9. April 2015, Bl. 967 (= Fehlblatt) d.A. [Band V] Zusatzmappe).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaften Beschwerden der Löschungsantragstellerinnen sind auch ansonsten zulässig, insbesondere gemäß § 66 Abs. 2 MarkenG form- und fristgerecht eingelegt. Sie haben auch in der Sache Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Löschungsverfahrens mit inhaltlicher Prüfung nach §§ 97 Abs. 2, 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG sind erfüllt, nachdem die im Oktober 2009 beim DPMA eingereichten Löschungsanträge dem Markeninhaber am 30. Oktober 2009 zugestellt worden waren und er diesen Anträgen jeweils am 5. November 2009 und damit rechtzeitig innerhalb der Frist von zwei Monaten nach § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen hat.
Die Antragstellerinnen haben die am 19. bzw. 22. Oktober 2009 beim Patentamt eingegangenen Löschungsanträge innerhalb der seit der Eintragung der angegriffenen Marke am 11. Juli 2007 laufenden Zehnjahresfrist des nach § 97 Abs. 2 MarkenG anwendbaren § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG gestellt.
2. Die Löschungsanträge sind auch begründet, weil der angegriffenen abstrakten Farbmarke „Rot“ die originäre Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt (siehe dazu nachfolgend a.) und eine Verkehrsdurchsetzung i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG zu Gunsten des Inhabers der angegriffenen Marke zu keinem der beiden maßgeblichen Zeitpunkte (siehe dazu nachfolgend b. bis f.), nämlich weder zum Zeitpunkt der Anmeldung (siehe dazu nachfolgend e.) der angegriffenen Marke noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschungsanträge (siehe dazu nachfolgend f.), festgestellt werden kann. Dies geht in Bezug auf die Feststellungen zum Anmeldezeitpunkt zu Lasten des Inhabers der angegriffenen Marke (siehe dazu nachfolgend e. bb. (1) bis (10)). In Bezug auf den Zeitpunkt der Entscheidung ist eine weitere Beweiserhebung zur Frage der Verkehrsdurchsetzung nicht veranlasst (siehe dazu nachfolgend g.).
Das vom Markeninhaber bereits im Eintragungsverfahren vorgelegte Gutachten und die von ihm im Laufe des Löschungsverfahren vorgelegten weiteren Gutachten sind schon für sich gesehen wenig geeignet, eine Verkehrsdurchsetzung zu den maßgeblichen Zeitpunkten zu belegen. Dies wird durch die von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Gutachten zudem derart nachhaltig bestätigt, dass jedenfalls der für die Bejahung einer Verkehrsdurchsetzung der Farbmarke „Rot“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen notwendige Zuordnungsgrad in den maßgeblichen Verkehrskreisen von mindestens 50 % nicht als festgestellt angesehen werden kann.
Demzufolge war der angefochtene Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2012 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke gemäß §§ 97 Abs. 2, 54, 50 Abs. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG anzuordnen.
Gegen die bislang übliche und in der Richtlinie des Deutschen Patent- und Markenamts für die Prüfung von Markenanmeldungen (BlPMZ 2005, 245 ff., 255, 256) empfohlene Fragestellung zur Ermittlung des Kennzeichnungsgrades und auch gegen die Art der Verfahrensweise, nämlich den Anmeldern selbst die Erholung des demoskopischen Gutachtens zu überlassen, hat der Senat darüber hinaus grundsätzliche Bedenken (siehe dazu nachfolgend e. bb. (1) letzter Absatz und 3.), wobei diese Gesichtspunkte sich letztlich nicht entscheidungserheblich auswirken.
a. Der als Kollektivmarke eingetragenen und im vorliegenden Löschungsverfahren angegriffenen abstrakten/konturlosen Farbmarke „Rot“ fehlt von Haus aus die Unterscheidungskraft gemäß §§ 97 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido ; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat ; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR !; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook ). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 - 57 – Flugbörse). Dies sind im Fall der beanspruchten Dienstleistungen des Retail-Ban-king (Bankdienstleistungen für Privatkunden) der Klasse 36 die Endverbraucher.
Die genannten Grundsätze finden auch bei abstrakten Farbmarken Anwendung, bei denen keine strengeren Anforderungen angelegt werden dürfen als bei anderen Markenformen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 316 Rn. 45 ff. – Sparkassen-Rot; GRUR Int. 2005, 227 Rn. 78 – Farbe Orange; BGH, GRUR 2010, 637, 638 Rn. 12 – Farbe Gelb; BPatG, GRUR 2014, 1106, 1108 – Farbe Rapsgelb). Die angesprochenen Verkehrskreise sind allerdings nicht daran gewöhnt, allein aus der Farbe, die im Zusammenhang mit konkreten Dienstleistungen verwendet wird, auf den Erbringer der Dienstleistungen zu schließen, da Farben auch im Geschäftsverkehr vornehmlich nicht als Mittel entsprechender Identifizierung verwendet werden. Zudem ist im Rahmen des Schutzhindernisses mangelnder Unterscheidungskraft das Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer zu berücksichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 – Libertel; GRUR 2004, 858 Rn. 41 – Heidelberger Bauchemie). Bei abstrakten Farbmarken ist deshalb regelmäßig zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die gleichwohl die Annahme rechtfertigen, die in Rede stehende Marke sei unterscheidungskräftig. Für die Beurteilung des Schutzhindernisses kann dabei auch von Bedeutung sein, ob die Eintragung der Farbe für eine Vielzahl von Waren oder Dienstleistungen oder eine bestimmte Gruppe von Waren oder Dienstleistungen beantragt worden ist. Eine abstrakte Farbmarke kann unter Umständen über eine originäre Unterscheidungskraft verfügen, wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet ist, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 71 – Libertel; GRUR Int. 2005, 227 Rn. 79 – Farbe Orange; BGH, GRUR 2010, 637, 638 Rn. 13 – Farbe Gelb).
Ausgehend davon kann der abstrakten Farbmarke „Rot“ (HKS 13) für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 eine originäre Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht zuerkannt werden. Bei der angegriffenen roten Farbe handelt es sich um eine der beliebtesten Grundfarben mit starker Signalwirkung, einer hohen Symbolik in den verschiedensten Bereichen (z. B. als Warnfarbe im Verkehr; als Farbe für Feuer und damit als Symbol für Wärme und Energie; als Farbe des Blutes und damit als Symbol für das Leben; als Symbol für Leidenschaft, Liebe sowie Erotik [vgl. z. B. Begriffe wie Rotlichtviertel]; als Farbe der politischen Linken; als Symbol für aussterbende Tier- und Pflanzenarten, die in „Roten Listen“ geführt werden usw. und nicht zuletzt im Bereich der Finanzen als Symbol für ein „Defizit“ [rote Zahlen]) und einem ausgeprägten Wiedererkennungswert, die branchenübergreifend und insbesondere im Bankenbereich, im Bereich der Vermittlungsdienste von Versicherungen und von Bausparverträgen häufig bei der Gestaltung der Filialen, in der Werbung und der Ausgestaltung diverser Begleitmaterialien verwendet wird, um einen hohen Aufmerksamkeitswert zu erreichen. Einige Banken und Finanzdienstleister benutzen zwar jeweils spezifische Farben, teilweise aber dieselben Farben und diese vornehmlich zusammen mit den üblichen herkunftshinweisenden Elementen, wie dem Namen des Finanzinstituts, entsprechenden Abkürzungen, Symbolen, Logos, oder mit anderen lediglich dekorativen Gestaltungen.
Anders als der Markeninhaber meint, ist nicht feststellbar, dass sich im Bereich der Publikumsbanken eine Verteilung der Farben auf bestimmte Banken bereits entwickelt hat, vielmehr zeigen die nachfolgenden bekannten Logos von in Deutschland tätigen Banken, dass eine Farbkodierung im Sinne einer Zuordnung jeweils einer ganz bestimmten Farbe auf nur ein Institut gerade nicht besteht.
Die Verwendung von Farben als betrieblicher Herkunftshinweis auf bestimmte Anbieter ist, wie die Markenabteilung zu Recht festgestellt hat, im Bankensektor nicht festzustellen, zumal es eine sehr große Anzahl von Anbietern gibt, die sich angesichts der begrenzten Anzahl voneinander ohne weiteres unterscheidbarer Farben farblich gar nicht voneinander abgrenzen können, so dass auch aus diesem Grund von einer entsprechenden individuell betriebskennzeichnenden Gewöhnung des Verkehrs und von einem entsprechenden Verkehrsverständnis nicht ausgegangen werden kann. Bei dem konkreten streitgegenständlichen Rotton handelt es sich um einen gängigen Farbton, dessen Monopolisierung nicht zuletzt auch das Allgemeininteresse an der freien Verwendung der geringen Anzahl voneinander deutlich unterscheidbarer Farben entgegensteht.
b. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die angegriffene Marke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG infolge einer markenmäßigen Benutzung (siehe dazu nachfolgend c.) für die Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt und damit das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft überwunden hätte, und zwar weder im Zeitpunkt der Anmeldung (siehe dazu nachfolgend e.) noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde (siehe dazu nachfolgend f.). Dabei können entsprechende hinreichend gesicherte Erkenntnisse bei einer abstrakten Farbmarke letztlich nur aufgrund eines demoskopischen Gutachtens getroffen werden (siehe dazu nachfolgend d.).
Die Frage, ob eine Marke sich infolge ihrer Benutzung im Verkehr durchgesetzt hat i. S. v. § 8 Abs. 3 MarkenG, ist auf Grund einer Gesamtschau sämtlicher Gesichtspunkte zu beurteilen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die in Rede stehenden Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit von den Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, GRUR 2014, 316 Rn. 40 – Sparkassen-Rot; GRUR 1999, 723 Rn. 54 – Chiemsee; BGH, GRUR 2014, 483, 486 Rn. 32 – test; GRUR 2006, 760 Rn. 20 – LOTTO). Diese Gesichtspunkte müssen sich auf eine Benutzung als Marke beziehen (siehe dazu nachfolgend c.), d. h. eine Benutzung, die der Identifizierung der Dienstleistungen durch die beteiligten Verkehrskreise als von einem Unternehmen stammend dient. Im Rahmen der Prüfung können insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern und von anderen Berufsverbänden von Bedeutung sein und berücksichtigt werden (vgl. EuGH, GRUR 2014, 316 Rn. 41 – Sparkassen-Rot; GRUR 1999, 723 Rn. 51 – Chiemsee; BGH, GRUR 2008, 710 Rn. 28 – VISAGE ). Wenn die Frage der Verkehrsdurchsetzung aufgrund der vorgenannten Umstände nicht hinreichend eindeutig beantwortet werden kann, besteht die Möglichkeit, die Klärung durch ein auf eine Verkehrsbefragung gestütztes Gutachten herbeizuführen. Dies stellt in der Regel das geeignetste Mittel dar, um entsprechende Feststellungen zu treffen. Für die Bejahung einer Verkehrsdurchsetzung ist ein Durchsetzungs- bzw. Zuordnungsgrad von mindestens 50 % erforderlich (vgl. zum notwendigen Mindestdurchsetzungsgrad BGH, GRUR 2008, 710 Rn. 26 – VISAGE ; GRUR 2010, 138 Rd. 41 – ROCHER-Kugel; GRUR 2014, 483 Rn. 34 – test; GRUR 2015, 581 Rn. 42 – Langenscheidt-Gelb; siehe dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 630).
c. Vorliegend kann zu Gunsten des Markeninhabers von einer markenmäßigen Benutzung der streitgegenständlichen Farbe ausgegangen werden.
Maßgeblich für die Prüfung einer markenmäßigen Verwendung eines Zeichens sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem betroffenen Waren- oder Dienstleistungssektor, anhand derer die Funktion der benutzten Farbe zu bestimmen ist (vgl. BGH, GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Ist eine Gewöhnung des Verkehrs an Farben als Kennzeichnungsmittel eingetreten, wirkt die konkret beanspruchte Farbe regelmäßig herkunftshinweisend (vgl. st.Rspr. zuletzt BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 17 – Langenscheidt-Gelb).
Aus den eingereichten Unterlagen des Markeninhabers geht hervor, dass er mit seinen Mitgliedern deutschlandweit über ein großes Filialnetz (über … Geschäftsstellen mit … Geldautomaten), einen umfangreichen Kundenstamm (… Millionen Girokonten) und bei jährlichen Werbeausgaben von über … Millionen Euro als Finanzdienstleister im Bankensektor im Inland über eine große Bekanntheit verfügt. Aus der Historie der Sparkassen als öffentlich-rechtliche Institute mit der Trägerschaft kommunaler Gebietskörperschaften (Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden) und Teil der Kommunalverwaltung sind entsprechend in fast jeder Kommune „Sparkassen“ vertreten. Gleichwohl bestehen erhebliche Zweifel daran, dass im Marktauftritt der Sparkassen die streitgegenständliche Farbe „Rot“ tatsächlich so eingesetzt wird, dass dies als markenmäßige Verwendung verstanden werden kann. Farben und farbliche Gestaltungen wirken in der Regel nur als dekorative Gestaltungsmittel im Sinne einer Signalfarbe bzw. eines „ Eyecatchers “. So verhält es sich aus Sicht des Senats auch bei der Verwendung der Farbe „Rot“ beim konkreten Marktauftritt des Markeninhabers bzw. von dessen Mitgliedern (vgl. auch Anlage AG 154 zum Schriftsatz vom 4. Februar 2015, Bl. 811 (= Fehlblatt) d.A. [Band V] Zusatzmappe; Anlage AG 156 zum Schriftsatz vom 4. Februar 2015, Bl. 811 (= Fehlblatt) d.A. [Band V] Zusatzmappe). Der Einsatz und die Art der Verwendung der Farbe in Bezug auf die Verwendung bei der Gestaltung der Geschäftsstellen, des Briefpapiers und der Informations- und Werbebroschüren der Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers weichen, wie die eingereichten Unterlagen zeigen, dabei nicht von dem ab, was branchenüblich ist. Meist wird die Farbe „Rot“ auch mit den herkunftshinweisenden Wort- und Gestaltungsmerkmalen wie oder verwendet (Anlagen ASt. 58 und 59, Anlagen zum Schriftsatz vom 28. August 2012 Bl. 113 (= Fehlblatt) d.A. [Band I] Ordner I der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen; Anlage AG 156 zum Schriftsatz vom 4. Februar 2015, Bl. 811 (= Fehlblatt) d.A. [Band V] Zusatzmappe), was für sich genommen allerdings noch nicht zwingend gegen eine markenmäßige Benutzung spricht (vgl. BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 23 ff. – Langenscheidt-Gelb). Soweit der Markeninhaber Produkte wie das Sparkassen-Sparbuch, Plastikgeldkarten, Geschenkartikel wie rot bedruckte Einkaufstaschen, Sparschweinchen usw. anführt, wirkt die Farbe auch insoweit für sich genommen vor allem als dekoratives Gestaltungsmittel, das zwar einen gewissen Bezug zu den Sparkassen herstellen kann, aus deren Verwendung allein aber ebenso wenig zweifelsfrei und nur auf den Markeninhaber oder dessen Mitglieder als Dienstleister geschlossen werden kann. Gleiches gilt für die Verwendung der streitgegenständlichen Farbe als Wandfarbe vor Geldautomaten oder für rote Farbstreifen an Glasflächen von Sparkassengebäuden.
Anders als bei der Markenbenutzung im Fall Langenscheidt Gelb (BGH a. a. O.), bei der das konkrete Produkt (zweisprachiges Wörterbuch) stets in gleicher farblicher Gestaltung, nämlich mit gelbem Einband, auf dem Markt angeboten worden war, kann eine solche einheitliche Produktgestaltung im Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ nicht festgestellt werden. Vielmehr wird die streitgegenständliche Farbe – wie im vorstehenden Absatz beschrieben – in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Keine dieser Verwendungen stellt für sich genommen eine markenmäßige Benutzung dar. Gleichwohl kann auch durch eine vielgestaltige und intensive Verwendung einer Farbe eine Gewöhnung des Verkehrs an diese Farbe als Kennzeichnungsmittel eintreten, woraus sich dann auch im Rückschluss ergibt, dass die Gesamtheit der verschiedenen Farbverwendungen eine markenmäßige Benutzung darstellt. Ob eine entsprechende Gewöhnung des Verkehrs eingetreten ist, lässt sich aber nur aufgrund des zu ermittelnden relevanten Durchsetzungsgrades feststellen. Somit ist bei einer derartigen Markenbenutzung die festgestellte Verkehrsdurchsetzung auch ein zwingender Grund, die Benutzung als markenmäßig anzuerkennen.
d. Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen kann bei der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Zeichen- bzw. Farbverwendung die Frage der Verkehrsdurchsetzung und auch der markenmäßigen Benutzung – anders als der Markeninhaber meint – letztlich nur auf der Grundlage eines demoskopischen Gutachtens beurteilt werden. Bei Marken, die ihrer Natur nach insbesondere in Verbindung mit weiteren Kennzeichen benutzt werden (wie z. B. bloße Warenformen, Farben, Muster usw.) sind Verkehrsbefragungen zur Feststellung einer Verkehrsdurchsetzung ohnehin angezeigt (so st.Rspr. z. B. BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 39 – ROCHER-Kugel) bzw. sogar unverzichtbar (siehe dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 648; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 321, 340 jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
Allein aufgrund der geltend gemachten anderen Umstände, wie des Marktanteils, der Größe des Filialnetzes und der aufgewendeten Werbemittel kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass die als Marke beanspruchte Farbe den notwendigen Bedeutungswandel von einem ursprünglich nicht als betriebliches Herkunftskennzeichnung aufzufassenden bloßen dekorativen Gestaltungsmittel zu einer die Herkunftsfunktion erfüllenden Marke vollzogen hat, zumal die vorgenannten Umstände – anders als dies häufig bei traditionellen Wort- oder auch Bildmarken der Fall sein wird – nicht ohne weiteres und zweifelsfrei ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend mit der Verwendung der streitgegenständlichen Farbe in Verbindung gebracht werden können.
Im vorliegenden Fall bestehen außerdem erhebliche Zweifel daran, ob überhaupt ein einheitlicher farbiger Marktauftritt der Mitglieder des Markeninhabers bereits im Jahr der Anmeldung 2002 vorhanden war. So ergibt sich aus den von Seiten der Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Internetrecherchen (Anlagen ASt 58 - 59, Anlagen zum Schriftsatz vom 28. August 2012 Bl. 113 (= Fehlblatt) d.A. [Band I] Ordner I der getrennt geführten, von den ASt eingereichten Unterlagen), dass jedenfalls bis zum Jahr 2003 der Auftritt der Sparkassen hinsichtlich der Farbgestaltung des Logos wie auch der Filialen selbst uneinheitlich war und wohl erst mit Verabschiedung einer Markensatzung für ein neues Corporate Design im Jahr 2003 nach und nach überhaupt ein einheitlich gestaltetes Sparkassen-Logo und ein gemeinsames einheitliches Erscheinungsbild aller Sparkassen unter Verwendung der Farbe „Rot“ in die Wege geleitet wurde. Aus der vom Markeninhaber vorgelegten Anlage „Farbnutzung der 100 größten deutschen Kreditinstitute“ von 2013 (vgl. Anlage AG 156 zum Schriftsatz vom 4. Februar 2015, Bl. 811 (= Fehlblatt) d.A. [Band V] Zusatzmappe, Seite 6 und S. 61: N… blau/rot) ergibt sich sogar, dass bis zum Jahr 2013 der Farbauftritt nicht aller Sparkassen durchgängig gleich war.
e. Den vom Markeninhaber in den die streitgegenständliche abstrakte Farbmarke „Rot“ betreffenden Verfahren (Eintragungs-, Löschungs-, und Beschwerdeverfahren) vorgelegten demoskopischen Gutachten und sonstigen Unterlagen kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass sich die Farbe „Rot“ zum Anmeldezeitpunkt am 7. Februar 2002 infolge ihrer Benutzung in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat, weil noch nicht einmal der Mindestzuordnungsgrad von 50 %, ab dem eine Verkehrsdurchsetzung in Betracht zu ziehen ist, festgestellt werden kann. Da eine Verschiebung des Anmeldetags nach § 37 Abs. 2 MarkenG im vorliegend maßgeblichen Eintragungsverfahren nicht stattgefunden hat, ist auf den Anmeldezeitpunkt abzustellen. Der fehlende Nachweis, der heute auch nicht mehr geführt werden kann, geht zu Lasten des Markeninhabers (siehe dazu nachfolgend bb. (1) bis (10)).
aa. Die im Eintragungsverfahren herangezogene und die Eintragungsentscheidung der Markenstelle wegen Verkehrsdurchsetzung tragende Verkehrsbefragung durch die I… GmbH fand zwischen dem 29. November und 5. Dezember 2005 statt (vgl. Gutachten der I… GmbH vom 24. Januar 2006, Die Farbe „ROT“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005). Es sind bereits erhebliche Zweifel dahingehend angebracht, ob das Ergebnis einer solchen Befragung irgendeine relevante Aussagekraft für den fast vier Jahre davor liegenden Anmeldezeitpunkt 7. Februar 2002 hat. Der Bundesgerichtshof hatte in einem entsprechenden Verfahren bei einem vergleichbaren Zeitabstand zwischen Anmeldung und Untersuchung zur Verkehrsdurchsetzung von knapp vier Jahren (Anmeldezeitpunkt: September 2006 und Verkehrsbefragung: Juli 2010) verneint, dass ein entsprechender Rückschluss auf das Verkehrsverständnis zum Anmeldezeitpunkt gezogen werden kann (vgl. BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 26 – smartbook ).
Zum maßgeblichen Verkehrskreis gehören nach Auffassung des Senats alle Verbraucher, ohne danach zu differenzieren, ob ein durchschnittliches Interesse oder nur am Rande liegendes Interesse oder kein Interesse an Geld besteht, weil es sich bei den vom Markeninhaber bzw. von seinen Mitgliedsunternehmen angebotenen Leistungen, vor allem hinsichtlich der Führung eines (Giro)Kontos um eine für alle Menschen ab einem gewissen Mindestalter notwendige Basisversorgung handelt. Davon, dass jemand seine finanziellen Angelegenheiten ausschließlich einem Partner bzw. Dritten überlässt, kann heute nicht mehr ausgegangen werden.
Die im Eintragungsverfahren herangezogene Verkehrsbefragung der I… GmbH vom 24. Januar 2006, die für Dezember 2005 einen Zuordnungsgrad von 66,1 % in den allgemeinen Verkehrskreisen bzw. nach Anwendung der Zusatzauswertung von 2008 einen Zuordnungsgrad von 63 % und bereinigten Kennzeichnungsgrad von 63,5 % bzw. nach Anwendung der Zusatzauswertung 2011 von 65,8 % und bereinigten Kennzeichnungsgrad von 66,4 % ermittelt, begegnet ungeachtet der späteren Korrekturen in den „Ergänzungsgutachten“ grundlegenden methodischen Bedenken mit der Folge, dass die Aussagekraft und der Beweiswert der dort getroffenen Aussagen und Ergebnisse nur als gering eingestuft werden können.
Schon die Eingangsfrage „Haben Sie diese Farbe schon mal im Zusammenhang mit Geldinstituten gesehen, …?“ entspricht nicht der notwendigen fachgerechten Vorgehensweise und entwertet die Ergebnisse der gesamten demoskopischen Erhebung in Bezug auf die Frage der markenmäßigen Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Farbmarke „Rot“. Bei fachgerechter Vorgehensweise muss zunächst der Bekanntheitsgrad eines Zeichens im Zusammenhang mit den fraglichen Waren oder Dienstleistungen ermittelt werden (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 675, 680 f.; v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 8 MarkenG Rn. 111).
Hier stellt sich – unabhängig von der korrekten Formulierung der Eingangsfragestellung – bereits vorab die Frage, ob ein Bündel von Einzelleistungen als solches in sinnvoller Weise zum Gegenstand einer aussagekräftigen Verkehrsbefragung gemacht werden kann bzw. ob nicht für jede der in Anspruch genommenen Einzelleistungen, welche der Inhaber der angegriffenen Marke unter dem Begriff „Retail-Banking“ (= Bankdienstleistungen für Privatkunden) fasst, eine gesonderte Feststellung der Verkehrsdurchsetzung notwendig wäre. Denn auch wenn solche Leistungen von den Unternehmen häufig unter einem Dach angeboten werden mögen, bedeutet dies nicht zwingend, dass diese Leistungen von den Kunden auch entsprechend einheitlich aufgefasst werden, zumal diese von den jeweiligen Anbietern nicht immer in gleicher Weise, mit identischen Kennzeichnungen und mit einem identischen Marktauftritt angeboten werden. Der Marktauftritt ist nach Kenntnis des Senats insbesondere schon bei den Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers insoweit unterschiedlich, als unterschiedliche Sparten betroffen sind, wie dies z. B. im Verhältnis zwischen Sparkassen mit den dort angebotenen Finanz- und Bankdienstleistungen und den Landesbausparkassen mit den dort in erster Linie angebotenen Finanzdienstleistungen im Bereich von Bausparverträgen der Fall ist. Auch der Einsatz der Farbe „Rot“ im Marktauftritt der jeweiligen Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers weicht insoweit nicht unerheblich voneinander ab. Nach Auffassung des Senats dürfte im Übrigen zweifelhaft sein, ob der allgemeine Verkehr bzw. der an einer solchen Verkehrsbefragung teilnehmende Verbraucher die Dienstleistungen „Vermittlung von Versicherungen, Beratung zu und Vermittlung von Bausparverträgen, Kreditvermittlung“ als Angebot eines „Geldinstituts“ (so die Eingangsfrage) auffasst oder zu den möglicherweise als Einheit angesehenen „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ rechnet. Trotz dieser Bedenken soll zu Gunsten des Markeninhabers im Weiteren unterstellt werden, dass die von ihm beanspruchten Dienstleistungen Gegenstand einer einzigen, im Übrigen noch nicht einmal beispielhaft nach Einzeldienstleistungen weiter ausdifferenzierten Befragung sein können.
Bei der Eingangsfrage nach der Bekanntheit eines Zeichens muss derjenige, der ein originär schutzunfähiges Zeichen – wie hier die Farbe „Rot“ als solche – im Zusammenhang mit den fraglichen Produkten – hier „Standarddienstleistungen im Bereich des Privatbankkundengeschäfts“ (wie Kontoführung, Zahlungsverkehr, Kreditkarten, Sparkonten, Kreditgeschäft usw.), nachfolgend kurz „Standardbankdienstleistungen“ – nicht kennt bzw. keinen entsprechenden Zusammenhang herstellt, von vornherein den Verkehrskreisen zugerechnet werden, die das Zeichen nicht als betrieblichen Herkunftshinweis werten. Die in der I…-Untersuchung vom 24. Januar 2006 (Gutachten der I… GmbH vom 24. Januar 2006, Die Farbe „ROT“ – Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Dezember 2005) zugrundeliegende Eingangsfragestellung bezieht sich nicht auf die hier zu beurteilenden Standardbankdienstleistungen, sondern stellt unmittelbar einen Bezug zu einer Unternehmensgattung, nämlich zu Geldinstituten her. Damit fehlt es an der notwendigen Abschichtung bzw. Aussonderung jener Verkehrsbeteiligten, die bei einer ordnungsgemäßen Eingangsfragestellung einen Zusammenhang zwischen den „Standardbankdienstleistungen“ und der Farbe „Rot“ überhaupt nicht herstellen. Da diese Fragestellung in die falsche Richtung geht, nämlich in Richtung „Unternehmen“ bzw. „Dienstleistungsanbieter“ und nicht in Richtung „Dienstleistung“, suggeriert sie darüber hinaus bereits den Bezug zu einem Unternehmen bzw. zu einem Unternehmenskennzeichen i. S. d. § 5 Abs. 2 MarkenG. Die Fragestellung mag sinnvoll und zutreffend sein, wenn der Grad der Bekanntheit eines als Unternehmenskennzeichen verwendeten Zeichens ermittelt werden soll. Dienstleistung und Dienstleistungsunternehmen dürfen im Rahmen einer Untersuchung zur Frage der Verkehrsdurchsetzung aber ebenso wenig gleichgesetzt werden, wie dies für das Verhältnis von Waren und Warenherstellern gilt. Auch wenn der Bezug zwischen der Dienstleistung als „unkörperlich-substanzlosem“ Produkt und dem Dienstleistungsanbieter enger sein mag als dies im Verhältnis zwischen Ware und Warenhersteller der Fall ist, dürfen diese Unterschiede im Rahmen einer Verkehrsbefragung zur Verkehrsdurchsetzung nicht ignoriert bzw. verwischt werden (so auch Harte-Bavendamm/Goldmann, Zur Verkehrsdurchsetzung abstrakter Farbmarken, MarkenR 2014, 480, 486).
Bei der Ermittlung des im Verkehr letztlich für die Frage der Verkehrsdurchsetzung maßgeblichen Zuordnungsgrades eines für Dienstleistungen verwendeten Zeichens zu einem konkreten Unternehmen ist die im Gutachten vom 24. Januar 2006 gestellte Eingangsfragestellung deshalb als suggestiv zu werten. Sie lenkt und verengt die Wahrnehmung und die Antwortmöglichkeiten bereits zu Beginn der Befragung in Richtung Unternehmenskennzeichen und angesichts des Unternehmensbezugs auch indirekt in Richtung betrieblicher Herkunftshinweis (vgl. zu dieser Problematik BPatG, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 29 W (pat) 20/05 – Magenta, juris Rn. 141; fraglich ist, ob in dem Verfahren des BPatG die dort gebilligte wohl entsprechende Fragestellung fachgerecht ist, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 29 W (pat) 1/09 – Farbmarke gelb HKS 5, vom BGH bestätigt im Löschungsrechtsbeschwerdeverfahren, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - I ZB 61/13 – Langenscheidt-Gelb, siehe dort Rn. 44). Dass eine solche Vorgehensweise nicht fachgerecht ist, mag ein einfaches Beispiel veranschaulichen. So wird der Verkehr, wenn er bei einer Verkehrsbefragung nach der Bekanntheit der Farbe „Rot“ im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen gefragt wird, wohl regelmäßig ganz allgemein einen Zusammenhang mit Fahrzeuglackierungen herstellen. Wenn ihm die entsprechende Frage im Zusammenhang mit Fahrzeugherstellern gestellt wird, dürfte ein erheblicher Teil der Befragten einen Zusammenhang mit der Firma „Ferrari“ herstellen. Es könnte sein, dass sich diese Farbe als Hinweis auf das „Unternehmen Ferrari“ durchgesetzt hat, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis für den Warenbereich „Kraftfahrzeuge“.
Soweit in diesem Zusammenhang in der vorgelegten rechtsgutachterlichen Stellungnahme von Herrn E… von Januar 2012 die Auffassung vertreten wird, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles die Frage (gemeint ist wohl die Eingangsfrage im I…-Gutachten vom 24. Januar 2006) nach „Geldinstituten“ als geeigneter und naheliegender Weg erscheine, der Verständlichkeit für die Beteiligten (d. h. die im Rahmen der von der I… GmbH durchgeführten Untersuchung befragten Personen) und eine hinreichend präzise Beschreibung des Leistungsbündels miteinander in Einklang bringe (siehe dazu die Stellungnahme von Herrn E2… von Januar 2012, Bl. 144/174 d.A., dort Bl. 28 der Stellungnahme = Bl. 171 d.A., vorletzter Absatz), kann diese Auffassung vom Senat nicht nachvollzogen werden, zumal die allein korrekte Vorgehensweise in der rechtsgutachterlichen Stellungnahme selbst an anderer Stelle präzise und rechtlich zutreffend beschrieben wird (siehe dazu Bl. 23 der Stellungnahme = Bl. 166 d.A., 2. Absatz; vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 675; v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 8 MarkenG Rn. 111). Denn die Eingangsfragestellung in der I…- Untersuchung vom 24. Januar 2006 nach „Geldinstituten“ kann aus den vorgenannten Gründen angesichts ihrer suggestiv-lenkenden und verengenden, ja sogar fehlleitenden Wirkung in Richtung Unternehmenskennzeichen und damit indirekt auch in Richtung betrieblicher Herkunftshinweis nicht gleichgesetzt werden mit der unter dem obigen Vorbehalt als fachgerecht angesehenen Fragestellung nach „Standardbankdienstleistungen im Bereich des Privatkundengeschäfts, wie Kontoführung, Zahlungsverkehr, Kreditkarten, Sparkonten, Kreditgeschäft usw.“.
Abgesehen davon, dass die Bezeichnung „Geldinstitut“ den Bereich von Instituten wie Banken und Sparkassen mit „Standardbankdienstleistungen“ nicht vollständig erfasst und zudem Anlass für Missverständnisse sein kann, kommt hinzu, dass die Sparkassen über Jahrzehnte sehr intensiv mit dem Slogan „Wenn’s um Geld geht – Sparkasse“ geworben haben, was offenkundig i. S. v. allgemein bekannt ist (§ 291 ZPO). Auch wenn dieser Gesichtspunkt sich im Hinblick auf die zahlreichen weiteren gegen die Aussagekraft und den Beweiswert des I…-Gutachten vom 24. Januar 2006 sprechenden Umstände letztlich nicht mehr entscheidungserheblich auswirkt, ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf diese Werbung die Fragestellung nach „Geldinstituten“ die Befragten sogar konkret in Richtung „Sparkassen“ lenken kann, so dass auch aus diesem Grund die Aussagekraft und der Beweiswert dieses Gutachtens in Bezug auf die Feststellung einer Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Farbmarke weiter deutlich einschränkt erscheint.
Entgegen der Auffassung des Markeninhabers entspricht die Eingangsfrage in der gestellten Form auch nicht der vom DPMA aufgestellten „Richtlinie für die Prüfung von Markenanmeldungen“ (BlPMZ 2005, 245 ff., 255, 256). Danach wird in Verkehrsdurchsetzungsverfahren sinngemäß empfohlen, in der zeichenbezogenen Eingangsfrage, beim Probanden zunächst abzufragen, ob er das zu beurteilende Zeichen (Bezeichnung/Bild/Farbe/Form) im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen schon einmal wahrgenommen (gehört, gesehen, gelesen) hat. Erst im Anschluss hieran kann bei dem Personenkreis, der das Zeichen im Zusammenhang mit Waren bzw. Dienstleistungen kennt, nachgefragt werden, ob er es als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen sieht oder nicht. Da dieser methodische Mangel auch bei der Befragung vom 20. Juni 2011 (I… GmbH Die Farbe „Rot“ (HKS 13) - Zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung Juni 2011, Anlage AG 110 (neu)) beibehalten wird, kann zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung – ungeachtet der Problematik des Rückbezugs auf das Jahr 2002 – hierauf ebenso wenig für den Zeitpunkt der Anmeldung zurückgegriffen werden.
Auf eine Abhandlung weiterer Kritikpunkte in Bezug auf das I…-Gutachten vom 24. Januar 2006, wie den ergänzenden Vorhalt in Frage 1 „oder kommt sie Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt vor“, wird an dieser Stelle verzichtet und auf die Ausführungen im nachfolgenden Teil f. verwiesen, weil es im vorliegenden Zusammenhang darauf nicht entscheidungserheblich ankommt.
Die vorstehend aufgeführten, sich bereits aus der I-Verkehrsbefragung vom 24. Januar 2006 selbst ergebenden Bedenken in Bezug auf den Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung werden durch die von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Unterlagen und Untersuchungen, insbesondere durch die Untersuchung der G1… vom 29. Februar 2008 „Verkehrsbefragung über die Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot (HKS 13) im Zusammenhang mit Finanz- und Gelddienstleistungen“ (eingereicht mit dem Schriftsatz vom 26. August 2010, Aktenband IV der DPMA-Löschungsakten S. 270/09 nach Bl. 285 d.A., 2. Gutachten, Anlage Ast 30) bestätigt. Die dieser G1…-Untersuchung zugrunde liegende Befragung erfolgte im Zeitraum von 8. bis 22. Februar 2008 und damit gut zwei Jahre nach der der I…-Untersuchung vom 24. Januar 2006 zugrunde liegenden Befragung, die zwischen dem 29. November und 5. Dezember 2005 stattfand. Allein unter dem Aspekt des zeitlichen Abstands der Untersuchungen zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt muss der G1…-Untersuchung grundsätzlich eine annähernd gleiche Aussagekraft und ein ähnlicher Beweiswert zugestanden werden wie der Ipsos-Untersuchung. Die I…-Verkehrsbefragung von Anfang Dezem- ber 2005 erfolgte knapp vier Jahre nach dem maßgeblichen Untersuchungszeitpunkt (7. Februar 2002), die G1…-Untersuchung von Februar 2008 sechs Jahre nach diesem Zeitpunkt. Angesichts der vom Markeninhaber eingereichten Unterlagen über die steigende Entwicklung des Werbeaufwands, das verstärkte Auftreten der Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers auf dem Finanzmarkt und letztlich auch die verstärkte Verwendung der Farbe „Rot“ im Marktauftritt der Mitgliedsunternehmen, müsste sich dies in der späteren Verkehrsbefragung eigentlich zu Gunsten des Markeninhabers im Sinne höherer oder zumindest gleichbleibender Durchsetzungswerte auswirken. Trotzdem kommt die G1…-Untersuchung innerhalb der maßgeblichen Gesamtbevölkerung (ab 14 Jahre) nur zu einem Bekanntheitsgrad von 52,6 %, einem Kennzeichnungsgrad von 40,2 % (39,2 % plus 1 %) und einem für die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung allein maßgeblichen Zuordnungsgrad von bereinigt lediglich 36,3 %. Beim engeren Verkehrskreis „der Personen, die im Haushalt über Finanz- und Geldangelegenheiten entscheiden“ liegt der Bekanntheitsgrad bei 54,5 %, der Kennzeichnungsgrad bei 41,8 % (40,7 % plus 1,1 %) und der maßgebliche Zuordnungsgrad bereinigt auch bei lediglich 37,9 %.
Diese Untersuchung der G1… vom 29. Februar 2008 kann nach den Vorgaben der Rechtsprechung im Wesentlichen als schulmäßig bezeichnet werden. Mit der produktbezogenen Eingangsfrage „Haben Sie diese Farbe im Zusammenhang mit Finanz- und Gelddienstleistungen schon einmal gesehen?“ wird fachgerecht nach der Bekanntheit der Farbe „Rot“ im Zusammenhang mit Dienstleistungen gefragt. Der Verkehrskreis der Gesamtbevölkerung mag mit der Einbeziehung der Personen im Alter zwischen 14 bis 18 etwas zu weit gezogen werden. Dies dürfte sich praktisch nicht auswirken, was sich auch bei dem Ergebnis in Bezug auf den engeren Verkehrskreis zeigt, bei dem ein nennenswerter Anteil an 14- bis 18-jährigen nicht enthalten sein dürfte. Außerdem kann kritisch hinterfragt werden, ob der bei der Fragestellung verwendete Begriff der „Finanz- und Gelddienstleistungen“ mit den vom Markeninhaber beanspruchten „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ deckungsgleich ist bzw. sich in der Vorstellung der Befragten deckt, da „Finanz- und Gelddienstleistungen“ auch die Dienstleistungen für Geschäftskunden umfasst. Nach Auffassung des Senats wird der durchschnittliche Verbraucher und Teilnehmer einer solchen Verkehrsbefragung hier keine relevanten Unterschiede erkennen, zumal die entsprechenden Unternehmen diese Dienstleistungen regelmäßig ohne strikte Trennung der jeweiligen Bereiche sowohl für Privat- als auch für Geschäftskunden anbieten und Geschäftskunden häufig auch Privatkonten bei derselben Bank unterhalten, so dass auch bei einer diesen Gesichtspunkt berücksichtigenden veränderten Fragestellung keine signifikant abweichenden Ergebnisse zu erwarten sind. Soweit der Markeninhaber nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung den Dienstleistungsbereich für vermögende Privatkunden (sog. Private Banking-Bereich) als nicht beansprucht ansieht und dieser deshalb nach seiner Auffassung nicht in die Verkehrsbefragung einzubeziehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn der Markeninhaber bei der Fassung seines Dienstleistungsverzeichnisses die Formulierung „Finanzwesen, nämlich „Retail-Banking“ verwendet und dieser Begriff im Allgemeinen die Bedeutung „standardisiertes Privatkundengeschäft“ haben mag, können die beanspruchten Dienstleistungen nicht darauf beschränkt werden. Denn das Dienstleistungsverzeichnis definiert als eigenständiges „Lexikon“ die Dienstleistungen durch den Klammerzusatz in anderer Form dahingehend, dass alle Privatkunden ohne entsprechende Differenzierung nach vermögenden oder weniger vermögenden Kunden umfasst sind. Nach Auffassung des Senats wird der durchschnittliche Verbraucher und Teilnehmer einer solchen Verkehrsbefragung im Übrigen auch hier keine relevanten Unterschiede erkennen, so dass auch bei einer diesen Gesichtspunkt berücksichtigenden veränderten Fragestellung unter Ausschluss des „Private Banking“ keine signifikant abweichenden Ergebnisse zu erwarten sind. Hier gelten die obigen Ausführungen zum Verhältnis von „Privat- und Geschäftskundengeschäft“ entsprechend.
Gegen die Ermittlung eines Zuordnungsgrads von 36,3 % in der G1…-Untersuchung im Rahmen einer Mehrthemenumfrage bestehen keine Bedenken. Mehrthemenumfragen sind grundsätzlich geeignet, Verkehrsdurchsetzungsfragen zu klären, wenn eine ausreichend große Anzahl von Personen, im Regelfall 1000 bis 2000, befragt werden (vgl. dazu Fezer, Hdb. Markenpraxis, 2. Auflage, Bd. I MarkenVerfR , 1.Teil, 1. Kap., Rn. 337; Hasselblatt/Eichmann, Münchener Anwaltshandbuch, Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Auflage, § 9 Rn. 30 ff.). An der Befragung im Rahmen der Untersuchung der G1… vom 29. Februar 2008 nahmen über 2000 Personen teil, womit die Untersuchung unter dem Aspekt der ausreichend großen Zahl von Befragten die Mindestanforderungen der Rechtsprechung sogar übererfüllte. Denn danach ist die Befragung im Rahmen einer ausreichend großen Stichprobe von „lediglich“ mindestens 1000 Personen erforderlich, jedenfalls dann, wenn Fehlertoleranzen außer Betracht bleiben sollen (vgl. BGH, GRUR GRUR 2014, 483 Rn. 38 – test).
In Bezug auf einen Punkt ist beim G1…-Gutachten allerdings eine Korrektur ange-bracht. Es ist zu beanstanden, dass bei dem Personenkreis, der bei der Frage zum Kennzeichnungsgrad angegeben hat, dass „mehrere Unternehmen“ in Frage kommen – dies waren 81 befragte Personen bzw. 3,9 % der Befragten -, nicht nachgefragt worden ist, welche mehreren Anbieter gemeint sind. Sofern dann zwei oder mehr Anbieter genannt worden wären, die allesamt zu den Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers gehören, hätten diese positiv beim Zuordnungsgrad berücksichtigt werden müssen. Den erforderlichen Aufschlag schätzt der Senat auf 2 % (siehe dazu nachfolgend unter f., vorletzter Absatz). Einer genauen Festlegung bedarf es im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht, denn selbst wenn alle 81 befragten Personen positiv im Sinne des Markeninhabers gezählt werden, würde dies nur einen Zuordnungsgrad von 40,2 % ergeben, nämlich 36,3 % + 3,9 %.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die angegriffene abstrakte/konturlose Farbmarke „Rot“, der die originäre Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, auf der Grundlage des I…-Gutachtens vom 24. Januar 2006 nicht als verkehrsdurchgesetzte Marke mit einem Anmeldetag vom 7. Februar 2002 hätte eingetragen werden dürfen, weil ein Mindestzuordnungsgrad von 50 % nicht nachgewiesen war. Zum einen war der zeitliche Abstand zwischen dem Anmeldetag und der Verkehrsbefragung mit fast vier Jahren deutlich zu groß und damit die Aussagekraft des vorgelegten Gutachtens in Bezug auf den Anmeldetag zu gering, zum anderen weist das I…-Gutachten grundlegende methodische Mängel auf. Schließlich werden die im I…-Gutachten er- mittelten Werte durch die jedenfalls in Bezug auf die Methodik weitgehend korrekte und damit insoweit aussagekräftigere Untersuchung der G1… vom 29. Februar 2008 zumindest nachhaltig erschüttert, wenn nicht sogar widerlegt. Jedenfalls kann nach aktuellem Entscheidungsstand nicht von einem über 50 % liegenden Zuordnungsgrad und damit nicht von einer Verkehrsdurchsetzung zu Gunsten des Markeninhabers ausgegangen werden.
Es ist nach Auffassung des Senats schon im Hinblick auf den Zeitablauf von mehr als 13 Jahren völlig ausgeschlossen, dass durch die Erhebung weiterer Beweise jetzt noch weitere Erkenntnisse zur Frage der Verkehrsdurchsetzung der streitgegenständlichen Farbe zum Anmeldezeitpunkt im Jahr 2002 gewonnen werden können. Insoweit spielt nach aktuellem Entscheidungs- und Erkenntnisstand für den Senat die Frage der Beweis-/Feststellungslast eine entscheidende Rolle, insbesondere für den Fall, dass die Beweis-/Feststellungslast die Löschungsantragstellerinnen treffen sollte (siehe dazu nachfolgend unter bb.).
bb. Dem Markeninhaber obliegt die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die von ihm behauptete Verkehrsdurchsetzung bzw. hat er jedenfalls die Feststellungslast in Bezug auf den fehlenden Nachweis zum Anmeldezeitpunkt auch in den Fällen zu tragen, in denen – wie vorliegend – der Löschungsantrag sich gegen eine aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marke richtet. Bei Fragen der Beweis-/Feststellungslast kommt es darauf an, welche Verfahrensmaxime gilt – Beibringungsgrundsatz oder Untersuchungsgrundsatz. Deshalb soll diese Frage vorab miterörtert werden (siehe dazu nachfolgend (1)).
(1) Soweit das markenrechtliche Verfahren vom Beibringungsgrundsatz geprägt ist, trägt jeder Beteiligte die Beweislast dafür, dass der Tatbestand der für ihn günstigen Rechtsnorm erfüllt ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., Vorbem. vor § 284 Rn. 23; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., MarkenG § 59 Rn. 10 und 13). Die Beweislast setzt sich zusammen aus der Beweisführungslast (= subjektive Beweislast), wozu der Vortrag der Tatsachen und die darauf bezogene Angabe der Beweismittel (Beweisantritt § 284 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 371, 373, 403, 420 ff., 445 ZPO) gehören, und der Feststellungslast (= objektive Beweislast), die bestimmt, wer die Folgen der Beweislosigkeit bzw. des nicht hinreichend geführten Beweises zu tragen hat (vgl. zu den Begrifflichkeiten Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 3 Rn. 5 f.). Der Beibringungsgrundsatz gilt jedenfalls im Bereich der Benutzungsfragen im Widerspruchsverfahren (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., MarkenG § 59 Rn. 10; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 43 Rn. 2).
Soweit das markenrechtliche Verfahren vom Untersuchungsgrundsatz geprägt ist – dies betrifft die wesentlichen Teile des Verfahrens, was in §§ 59 Abs. 1, 73 Abs. 1 MarkenG für das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren identisch und ausdrücklich als Regelfall normiert ist –, gibt es mangels Beibringungsobliegenheit folglich auf der „Beweisseite“ auch keine Beweisführungslast. Um eine Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es gleichwohl einer Regelung, wer die Folgen der Beweislosigkeit bzw. der nicht hinreichenden Tatsachenfeststellungen nach Ausschöpfung der nach § 73 Abs. 1 MarkenG gebotenen Ermittlungen zu tragen hat. Insoweit gelten dieselben Regeln wie in einem vom Beibringungsgrundsatz geprägten Verfahren, nämlich die Regeln der Feststellungslast (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., MarkenG § 73 Rn. 3, § 59 Rn. 13 f.; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 73 Rn. 5; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 73 Rn. 10 und § 8 Rn. 557).
Bei Verkehrsdurchsetzungsfragen nach § 8 Abs. 3 MarkenG kann in Frage gestellt werden, ob dieser Bereich allein dem Beibringungsgrundsatz unterliegt oder teilweise auch dem Untersuchungsgrundsatz. Im Eintragungsverfahren wird vom Anmelder jedenfalls zunächst entsprechender Sachvortrag zur Verkehrsdurchsetzung einschließlich einer Anfangsglaubhaftmachung verlangt, was nur i. S. d. Geltung des Beibringungsgrundsatzes interpretiert werden kann. Gleichwohl können sich Amtsermittlungen anschließen, wobei auch in diesem späteren Verfahrensstadium die Erholung von Verkehrsgutachten trotzdem allein dem Anmelder auferlegt wird (vgl. zum Verfahrensablauf bei der Geltendmachung einer Verkehrsdurchsetzung HK-MarkenR/Fuchs-Wissemann, 3. Aufl., § 8 Rn. 73 f.; vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 669 ff., 672, 673 f.). In der Praxis des Patentamts und des Bundespatentgerichts überwiegen die vom Beibringungsgrundsatz geprägten Verfahrenselemente, so dass in diesem Bereich eher von der Geltung des Beibringungsgrundsatzes gesprochen werden kann, der durch Elemente der Amtsermittlung ergänzt wird. Einer Entscheidung über eine ausschließliche Geltung der einen oder anderen Verfahrensmaxime bedarf es aber nicht, weil in beiden Fällen die Frage der Feststellungslast identisch zu entscheiden ist.
Kritisch anzumerken bleibt, dass die Verfahrensweise, wonach das Gutachten zur Verkehrsdurchsetzung durch den Anmelder bzw. Markeninhaber erholt wird, weder vom Beibringungs- noch vom Untersuchungsgrundsatz gedeckt ist. Für den Untersuchungsgrundsatz ist dies offensichtlich. Aber auch im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes entspricht diese Praxis nicht den Regeln der ZPO, die insoweit im markenrechtlichen Verfahren gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG vor dem Bundespatentgericht und grundsätzlich auch im Amtsverfahren vor dem Patentamt gelten. Bei einem demoskopischen Gutachten zur Frage der Verkehrsdurchsetzung handelt es sich letztlich um einen Sachverständigenbeweis. Neben dem Sachvortrag erfolgt im ZPO-Verfahren der Beweisantritt gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 404 ZPO durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte. Ausgehend davon müsste das Gericht (bzw. das Patentamt) den Sachverständigen gemäß § 404 ZPO auswählen und beauftragen und ihn gemäß § 404 a ZPO bei seiner Tätigkeit in dem erforderlichen Umfang auch anleiten. Nach der bislang üblichen Amts- und Gerichtspraxis wird dieses Feld den Beteiligten (dies sind im Regelfall die Anmelder im Eintragungsverfahren) allein überlassen, mit all den jedenfalls abstrakt vorhandenen und deshalb zu vermeidenden Risiken der Einflussnahme, die ein Auftraggeber auch auf einen von ihm beauftragten Gutachter ausüben kann. Zudem wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, dass mehrere Gutachten in Auftrag gegeben und nur die mit den „passenden“ Ergebnissen vorgelegt werden. Die zum Beibringungsgrundsatz gehörende Beweislast wird zu einer Beweiserhebungslast ausgeweitet, die durch keine der in Betracht kommenden verfahrensrechtlichen Regelungen gedeckt ist. Die übliche Amts- und Gerichtspraxis hat sich historisch wohl aus der Annahme entwickelt, dass auch Verkehrsdurchsetzungsfragen dem Untersuchungsgrundsatz unterliegen und dass das Patentamt kostspielige Gutachten nicht auf eigene Kosten erholen kann. Soweit diese Fragen dem Beibringungsgrundsatz unterstellt werden, hat die beweisbelastete Beteiligte und nicht das Patentamt die Kosten zu tragen, wobei die voraussichtlich anfallenden Kosten vorab durch die Erhebung eines Auslagenvorschusses gemäß § 402 i. V. m. § 379 ZPO abgesichert werden können, so dass auch unter dem Kostengesichtspunkt kein Anlass besteht, die Beweiserhebung in die Hände der Beteiligten zu geben.
(2) Für die Beurteilung der Beweis- bzw. Feststellungslast gibt es unterschiedliche Lösungsansätze (vgl. Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 5 Rn. 16 ff., 23 ff., 27 ff.). Nach allgemeiner Auffassung kommt der Normstruktur die maßgebliche Bedeutung zu (Baumgärtel/Laumen/Prütting, a. a. O. § 5 Rn. 20, 26), wobei auch die Gefahrbereichslehre/Sphärenlehre regelmäßig hilfreich sein kann (Baumgärtel/Laumen/Prütting, a. a. O. § 5 Rn. 34).
(3) Im Zusammenhang mit der Frage der Verkehrsdurchsetzung werden die Feststellungs- bzw. Beweislastregeln im Eintragungsverfahren und im Löschungsverfahren bei nachträglich im Löschungsverfahren geltend gemachter Verkehrsdurchsetzung aus der Normstruktur des materiellen Markenrechts gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG und § 8 Abs. 3 MarkenG abgeleitet, wonach das Patentamt bzw. der Löschungsantragsteller im Anmelde- und Löschungsverfahren die Feststellungslast in Bezug auf das Vorliegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG trägt und der Anmelder bzw. Markeninhaber die Beweis-/Feststellungslast trägt in Bezug auf die Voraussetzungen einer behaupteten Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG, durch welche die Schutzhindernisse ausnahmsweise überwunden werden. Dies folgt dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweis-/Feststellungslast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Norm trägt.
Für das Eintragungsverfahren geht auch der Bundesgerichtshof von einer entsprechenden Verteilung der Beweis-/Feststellungslast aus (vgl. st.Rspr. z. B. BGH GRUR 2004, 683, 685 unter III.3. – Farbige Arzneimittelkapsel; GRUR 2006, 475 Rn. 10 – Casino Bremen; GRUR 2008, 710 Rn. 30 – VISAGE ; vgl. im Übrigen auch v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., MarkenG § 8 Rn. 57 und Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 666).
Entsprechendes gilt im Löschungsverfahren für eine Marke, die fehlerhaft als originär schutzfähige Marke eingetragen worden ist, wenn im Verfahren Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG festgestellt werden und der Markeninhaber sich gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zur Verteidigung nachträglich auf Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Entscheidung beruft (st.Rspr., BPatG, Beschlüsse vom 5. November 2013, 24 W (pat) 22/12 - Blätterkatalog; vom 6. März 2013, 25 W (pat) 37/12 = GRUR 2013, 733, 736 - Gute Laune Drops; vom 3. August 2011, 26 W (pat) 164/09 - Löss). Auch der EuGH folgt dieser Auffassung in Bezug auf das Löschungsverfahren, soweit es um die entsprechenden Vorschriften der MRRL bzw. entsprechend umgesetzte nationale Regelungen geht, die von der Befugnis des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. Urteil vom 19. Juni 2014, C-217/13 = GRUR 2014, 776 Rn. 68, 69, 74 - Sparkassen-Rot).
Entsprechendes gilt für einen dritten, in der Praxis wohl eher selten vorkommenden, theoretisch aber gleichwohl denkbaren Fall, der – soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht diskutiert worden ist, nämlich der Fall, dass ein Inhaber einer trotz bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG als schutzfähig eingetragenen Marke sich erstmals im Löschungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG darauf beruft, dass sich seine Marke bereits zum Anmeldezeitpunkt infolge ihrer Benutzung für bestimmte Waren und Dienstleistungen in den beteiligten Verkehrskreisen gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt gehabt habe. Auch einen solchen Einwand wird man nicht unberücksichtigt lassen können, da bei unterstellter Richtigkeit dieser Behauptung die mit dem Löschungsantrag angegriffene Marke nicht entgegen der in § 50 Abs. 1 MarkenG aufgeführten Vorschriften eingetragen worden ist. Denn § 50 Abs. 1 MarkenG verweist pauschal auf § 8 MarkenG und damit auch auf dessen Absatz 3.
(4) Im Zusammenhang mit der Frage der Beweislast für die Verkehrsdurchsetzung ist nach Auffassung des Senats auch die Gefahrbereichslehre/Sphärenlehre von erheblichem Gewicht. Soweit es um relevante Umstände wie Intensität, Umfang und Dauer der Benutzung eines Zeichen im Zusammenhang mit bestimmten Produkten geht, wird häufig nur der Markeninhaber entsprechend vortragen und Beweis führen können. Auch diesen Gesichtspunkt hat der EuGH hervorgehoben (vgl. Sparkassen-Rot a. a. O. Rn. 70).
(5) Von dieser an der Normstruktur und den (Einfluss-)Sphären orientierten Feststellungs- und Beweislastverteilung ist das Bundespatentgericht in jüngerer Zeit auch mehrfach in den Fällen ausgegangen, in denen die Löschungsanträge gegen Marken gerichtet waren, die als verkehrsdurchgesetzt eingetragen worden waren (vgl. GRUR 2007, 714, 717 – POST ; GRUR 2008, 420, 425 – ROCHER-Kugel; GRUR 2011, 232, 234 unter II. 1. c) – Gelbe Seiten). Dieser Rechtsprechung ist der BGH nicht gefolgt. Vielmehr hat er in Fällen dieser Art dem Löschungsantragsteller die Feststellungslast dafür aufgebürdet, dass die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht vorgelegen haben (vgl. BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 48 - ROCHER-Kugel; GRUR 2009, 669 Rn. 31 – Post II). Die Auffassung steht nicht im Einklang mit wesentlichen Grundregeln des Beweislastrechts. Durch eine solche Beweislastverteilung wird zudem ein Hauptziel des Löschungsverfahrens, nämlich die Allgemeinheit vor Fehlmonopolisierungen zu bewahren, unangemessen erschwert, wenn nicht sogar teilweise verhindert.
(6) Die an der Normstruktur des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und Abs. 3 MarkenG orientierte Feststellungs- und Beweislastverteilung in Bezug auf Schutzhindernisse und deren Überwindung – wie oben unter (3) dargestellt –, muss bei Löschungsverfahren mit als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Marken auch für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt gelten. Soweit der BGH demgegenüber dem Löschungsantragsteller die Feststellungslast für das Fehlen der Verkehrsdurchsetzung aufbürdet und dies damit begründet, dass dieser die Feststellungslast für das Vorliegen eines absoluten Schutzhindernisses zum Eintragungszeitpunkt nach § 50 Abs. 1 MarkenG trägt, erscheint dies verfehlt. Zum einen normiert § 50 Abs. 1 MarkenG keine Schutzhindernisse. § 50 MarkenG ist eine Vorschrift, die regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Marke auf Antrag wegen Nichtigkeit zu löschen ist. § 50 Abs. 1 MarkenG verweist dabei u. a. auf die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG. Zum anderen ist die Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG, auf die in § 50 Abs. 1 MarkenG ebenfalls verwiesen wird, kein Schutzhindernis, sondern eine Vorschrift, die aufzeigt, unter welchen Voraussetzungen die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG überwunden werden können. Ausgehend von dieser Normstruktur, die sich nicht von der im Eintragungsverfahren unterscheidet, ist kein Grund ersichtlich, die Beweis-/Feststellungslast für die Verkehrsdurchsetzung hier anders zu behandeln als im Eintragungsverfahren und in Fällen, in denen der Markeninhaber sich im Löschungsverfahren nachträglich auf eine Verkehrsdurchsetzung seiner Marke (zum Zeitpunkt der Entscheidung oder auch zum Zeitpunkt der Anmeldung) beruft.
(7) Auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahrbereichslehre bzw. Sphärenlehre ist eine abweichende Beurteilung nicht angebracht. Ganz im Gegenteil muss bei als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Marken der Markeninhaber im Vergleich zu den anderen Fallgestaltungen die Beweis-/Feststellungslast erst recht tragen. In diesen Fällen liegt der maßgebliche Anmeldezeitpunkt nämlich häufig Jahre zurück. Zwischen der Anmeldung der hier angegriffenen Marke am 7. Februar 2002 und ihrer Eintragung am 11. Juli 2007 lagen mehr als 5 Jahre. Zwischen der Anmeldung und der Einreichung des Löschungsantrags im Oktober 2009 lagen annähernd 8 Jahre. Seither sind mehr als 13 Jahre vergangen. Nach einem Zeitablauf von mehr als 4 Jahren kann von einem Löschungsantragsteller ein Beweis dahingehend, dass eine Marke zum Anmeldezeitpunkt nicht verkehrsdurchgesetzt war, nach der Lebenserfahrung faktisch nicht geführt werden. Der Bundesgerichtshof geht selbst davon aus, dass aus einer Untersuchung zur Verkehrsdurchsetzung keine Rückschlüsse auf das Verkehrsverständnis zu einem knapp vier Jahre früheren Zeitpunkt gezogen werden können (so BGH GRUR 2014, 565, Rn. 26 – smartbook ; der BGH bestätigt die entsprechende Auffassung des 30. Senats gemäß Beschluss vom 16. Februar 2012, 30 W(pat) 34/11 mit den Daten: Verkehrsbefragung Juli 2010 und Anmeldezeitpunkt 14. September 2006). Da im vorliegenden Verfahren die Veröffentlichung der bereits am 7. Februar 2002 angemeldeten Streitmarke erst am 7. September 2007 erfolgt ist, konnten potentielle Löschungsantragsteller frühestens nach fünf Jahren und sieben Monaten überhaupt von der Eintragung Kenntnis erhalten. Es ist nicht ersichtlich, wie ein Löschungsantragsteller bei einer solchen Konstellation einen Beweis in Bezug auf das Fehlen der Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Anmeldung führen können soll. Es ist auch nicht ersichtlich, wie einer solchen Beweislastregelung mit den vom BGH angedeuteten Beweiserleichterungen (vgl. BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 48 – ROCHER-Kugel) zu Gunsten eines beweisbelasteten Löschungsantragstellers in angemessener Weise begegnet werden könnte. Für den Senat sind beweislastsystemkonforme Korrekturansätze nicht ersichtlich.
Im Rahmen des Eintragungsverfahrens, bei dem kein Löschungsantragsteller beteiligt ist, hat es allein der Markeninhaber in der Hand, ausreichende Materialien zu sammeln und vorzulegen und damit Beweis in Bezug auf Verkehrsdurchsetzungsfragen zu führen. Dieser Bereich liegt allein in der Sphäre des Anmelders bzw. Markeninhabers. Sofern die im Eintragungsverfahren vorgelegten Unterlagen eine Verkehrsdurchsetzung nicht hinreichend belegen, gibt es nach Auffassung des Senats im späteren Löschungsverfahren keinen anerkennenswerten Grund, den Markeninhaber von der Beweislast in Bezug auf die Verkehrsdurchsetzung zu befreien. Auf einen Teil der relevanten Unterlagen und Daten, wie z. B. Umsatzzahlen, Werbeaufwendungen o. Ä., hat ohnehin regelmäßig allein der Markeninhaber Zugriff, so dass nur er über dieses relevante Beweismaterial verfügt und den Versuch einer Nachbesserung in Bezug auf den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung unternehmen kann. Der Löschungsantragsteller wird demgegenüber wegen des zeitlichen Abstands zwischen Markenanmeldung und Löschungsverfahren das Fehlen einer Verkehrsdurchsetzung regelmäßig nicht nachweisen können.
(8) Auch der Umstand, dass der Markeninhaber nach Vorlage von Unterlagen und deren Prüfung durch das DPMA die Eintragung einer Marke als verkehrsdurchgesetzt erreicht hat, rechtfertigt für ihn keine Beweiserleichterung im Löschungsverfahren und insbesondere keine Beweislastumkehr zu Lasten des Löschungsantragstellers. Ausreichende Billigkeitsgesichtspunkte, die für eine andere Beweislastverteilung sprechen, sind nicht gegeben.
Es ist zwar richtig, dass bei unzureichenden Feststellungen im Eintragungsverfahren die aus dem Zeitablauf resultierenden Schwierigkeiten, die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung im Eintragungsverfahren zu beurteilen, den Markeninhaber und den Löschungsantragsteller gleichermaßen treffen (so ein Hauptargument des BGH für eine Beweis- bzw. Feststellungslastumkehr in GRUR 2010, 138 Rn. 48 – ROCHER-Kugel). Dies ist aber kein Gesichtspunkt, der für den Rechtsstandpunkt des Markeninhabers spricht. Fehler und Versäumnisse im Eintragungsverfahren müssen allein den Markeninhaber treffen, denn nur er war an diesem Verfahren beteiligt und hatte es in der Hand, die notwendigen Unterlagen für den Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung in das Verfahren einzuführen, wohingegen der Löschungsantragsteller im Eintragungsverfahren nicht beteiligt war und demzufolge auch keinen Einfluss auf das Verfahren nehmen konnte. Auf den Teilaspekt der Mitwirkungspflicht des Markeninhabers im Eintragungsverfahren ist in der Rechtsprechung bereits zutreffend hingewiesen worden (vgl. BPatG, GRUR 2008, 420, 425, li.Sp. – ROCHER-Kugel).
Das Argument, dass es der Löschungsantragsteller in der Hand habe, den Löschungsantrag zeitnah nach der Eintragung der Marke zu stellen (BGH - ROCHER-Kugel a. a. O.), ist demgegenüber zur Begründung einer Beweislastumkehr nicht geeignet. Abgesehen davon, dass eine solche zeitnahe Antragstellung in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen schon objektiv nicht möglich ist - wie der vorliegende Fall überaus anschaulich zeigt, bei dem der Löschungsantrag frühestens knapp 6 Jahre nach der Anmeldung gestellt werden konnte – geht eine solche Betrachtungsweise an der Lebenswirklichkeit vorbei. Die am Wirtschaftsleben beteiligten Personen verfolgen in aller Regel nicht die Veröffentlichungen des Patentamts in Bezug auf Markeneintragungen unter dem Gesichtspunkt potentiell störender und rechtswidriger Eintragungen. Dazu sind sie auch nicht verpflichtet. Löschungsanträge sind fast immer eine Gegenreaktion auf Abmahnungen oder Verletzungsklagen, wobei die Löschungsantragsteller meist erst aufgrund des gegen sie gerichteten Vorgehens der Markeninhaber von der Existenz der fraglichen Markenrechte Kenntnis erhalten. Demzufolge werden Löschungsanträge erst in einem solchen Zusammenhang und damit häufig erst Jahre nach der Anmeldung gestellt, was sich nicht zum Nachteil der Löschungsantragsteller etwa im Sinne einer Obliegenheitsverletzung auswirken darf, woraus ggfs. die Rechtfertigung für eine Beweis-/Feststellungslastumkehr hergeleitet werden könnte. In diese Richtung geht allerdings die Argumentation des BGH in den bezeichneten Fällen (so auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 563, der sogar von der Möglichkeit einer bewussten „Verzögerungstaktik“ seitens des Löschungsantragstellers ausgeht).
Auch die gesetzliche Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG spricht dafür, dem Markeninhaber die Beweis-/Feststellungslast für die Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt aufzubürden. Denn der Inhaber einer mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke wird durch diese Regelung bereits in der Form außerordentlich stark privilegiert, dass ihm quasi durch Einräumung einer zweiten Chance die Möglichkeit eröffnet wird, durch den Nachweis einer zum Zeitpunkt der Entscheidung erreichten Verkehrsdurchsetzung seine Marke mit der ursprünglichen Priorität zu erhalten (auch darauf hat der 30. Senat des Bundespatentgerichts – ROCHER-Kugel, a. a. O. – bei seinen Billigkeitserwägungen zur Beweislast bereits völlig zutreffend hingewiesen).
Ferner spricht der Sinn und Zweck des Löschungsverfahrens dafür, dem Markeninhaber die Beweis-/Feststellungslast aufzubürden. Der Europäische Gerichtshof betont stets, dass die Vorschriften zu den Schutzhindernissen im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen sind, das darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 - 27 - Chiemsee; GRUR 2003, 604, Rn. 60 - Libertel; GRUR 2004, 674, Tz. 68 - Postkantoor; GRUR 2008, 608, Rn. 55 - EUROHYPO; siehe dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 5, 71 und 303 mit weiteren Nachweisen). So wie das Eintragungsverfahren mit seiner Amtsprüfung die Vermeidung von Fehlmonopolisierungen durch Fehleintragungen bezweckt, dient auch das Löschungsverfahren dem gleichen Zweck, nämlich Fehlmonopolisierungen durch entsprechende Markenlöschungen zu korrigieren. Wie sich aus den vorstehenden dargelegten Argumenten ergibt, wird dieses Ziel durch die Überbürdung der Beweis-/Feststellungslast auf den Löschungsantragsteller nicht selten wesentlich erschwert oder sogar verhindert.
Allein die Eintragung begründet keinen Vertrauensschutz für den Markeninhaber und rechtfertigt deshalb in Bezug auf die Beweis-/Feststellungslast keine andere Beurteilung. Deshalb dürfen nach inzwischen einhelliger Auffassung solche Argumente im Löschungsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, soweit es um Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG geht (st.Rspr., vgl. dazu u. a. BGH, GRUR 2014, 872, Rn. 39 ff. – Gute Laune Drops; BPatG, BlPMZ 2013, 281, 286 f. - Schwimmbad-Isolierbaustein). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb im Rahmen der Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung etwas anderes, nämlich eine vom Regelfall abweichende Beweis-/Feststellungslast gelten soll (siehe EuGH, a. a. O. Rn. 72 – Sparkassen-Rot). In Art. 3 MRRL, der u. a. durch die nationalen Vorschriften der §§ 3, 8, 50, 54 MarkenG umgesetzt worden ist, ist im Einzelnen geregelt, wann und unter welchen Voraussetzungen eine eingetragene Marke wegen fehlender Schutzfähigkeit der Löschung unterliegt. Der Gedanke des Vertrauensschutzes hat in diesen Normen keinen Niederschlag gefunden. Das Markengesetz sieht in § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG lediglich eine zeitliche Grenze von 10 Jahren ab Eintragung der Marke vor, innerhalb der ein Antrag auf Löschung einer eingetragenen Marke gestellt werden kann. Innerhalb dieser Frist muss ein Markeninhaber jederzeit mit Löschungsanträgen rechnen und sich darauf einstellen, wozu auch die Sicherung von Beweisunterlagen in Bezug auf eine im Eintragungsverfahren geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung gehört.
(9) Sofern der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen (vgl. GRUR 2010, 138 Rn. 48 – ROCHER-Kugel; GRUR 2009, 669 Rn. 31 – Post II) § 50 Abs. 1 MarkenG selbst als die beweislastregelnde Vorschrift angesehen haben sollte, in der Form, dass der Löschungsantragsteller sämtliche Löschungsvoraussetzungen zu beweisen hat, also nicht nur das Vorhandensein von Schutzhindernissen, sondern auch das Fehlen des die Schutzhindernisse überwindenden Ausnahmetatbestands nach § 8 Abs. 3 MarkenG, könnte einer solchen denkbaren Argumentation ebenfalls nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass eine solche Auffassung – wie bereits ausgeführt – die Normstruktur der in § 50 Abs. 1 MarkenG in Bezug genommenen Vorschriften unberücksichtigt lässt und die Einflusssphären der Beteiligten mit den sich daraus ergebenden Möglichkeiten der Beweisführung nicht angemessen in Rechnung stellt, hätte dies zur Folge, dass die Löschungsantragsteller in allen Löschungsverfahren die Feststellungslast in Bezug auf das Fehlen der Verkehrsdurchsetzung zu tragen hätten, also auch in Fällen, in denen ein Markeninhaber einer nicht als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Marke eine Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt behauptet. Denn § 50 Abs. 1 MarkenG differenziert nicht danach, ob eine Marke als verkehrsdurchgesetzt nach § 8 Abs. 3 MarkenG oder mangels festgestellter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG eingetragen worden ist. Sofern man unter diesem Gesichtspunkt die Frage der Beweis-/Feststellungslast differenzieren würde, würde man der Prüfung und Eintragung durch das Patentamt eine Bedeutung einräumen, die ihr nicht zukommt. Wie bereits ausgeführt, kann der Markeninhaber allein aus der Eintragungsentscheidung innerhalb der 10-Jahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG keinen Vertrauensschutz in Bezug auf den Fortbestand der Eintragung ableiten, wenn es um Fragen der Schutzfähigkeit geht. Im Übrigen sind die Eintragungsentscheidungen immer nur mit der Erwartung auf eine fehlerfreie Prüfung in Bezug auf Schutzhindernisse und in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 MarkenG durch das Patentamt verbunden, die zwar meist erfüllt, aber – wie die erhebliche Anzahl erfolgreicher Löschungsanträge zeigt – auch in einer durchaus relevanten Anzahl von Fällen enttäuscht wird. Dies geschieht nicht selten auch aufgrund von Gerichtsentscheidungen, die zu einem späteren Zeitpunkt korrigiert werden. Davon gehen auch die Markenrechtsrichtlinie und das Markengesetz aus, die eine Löschung fehlerhaft eingetragener Marken in einem Löschungsverfahren vorsehen, damit ein wettbewerbswidriger Zustand durch fehlerhaft eingeräumte Monopolrechte nicht perpetuiert, sondern korrigiert wird.
(10) Unabhängig von den vorstehend dargestellten Argumenten entspricht die hier vertretene Auffassung zur Beweis- bzw. Feststellungslast auch der inzwischen verbindlichen Vorgabe des EuGH in der Vorabentscheidung vom 19. Juni 2014, die aufgrund der Vorlageentscheidung des 33. Senats vom 8. März 2013 (GRUR 2013, 844 – Sparkassen-Rot) im vorliegenden Verfahren erfolgte (vgl. EuGH, a. a. O. Sparkassen-Rot, Ziffer 3. der Tenorierung, mit der die 3. Vorlagefrage beantwortet worden ist und die darauf bezogenen Argumente des EuGH in Rn. 62 ff., insbesondere Rn. 68 ff.). Die Bindungswirkung der EuGH-Entscheidung für Fallgestaltungen der vorliegenden Art wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt (befürwortend: Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 54 Rn. 24; Harte-Bavendamm/Goldmann, „Zur Verkehrsdurchsetzung abstrakter Farbmarken“, MarkenR 2014, 480, 493; ablehnend: Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 560 – 565). Der Bundesgerichtshof hat sich zu dieser Frage noch nicht abschließend geäußert. Er hat allerdings unter Verweis auf eine Entscheidung (nämlich BGH, GRUR 2014, 483 – test) geäußert, dass er zur Frage, ob der deutsche Gesetzgeber von der Option nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL Gebrauch gemacht habe, abweichend von der Vorgabe in der Vorlageentscheidung im vorliegenden Verfahren, wonach davon kein Gebrauch gemacht worden sei, den gegenteiligen Standpunkt eingenommen habe. Ausgehend davon folgerte er in jüngster Zeit, dass die Bedeutung der Entscheidung „Sparkassen-Rot“ des EuGH für die Feststellungslast bei der Verkehrsdurchsetzung nach deutschem Markenrecht offen sei (vgl. BGH, GRUR 2014, 1101 Rn. 19 - Gelbe Wörterbücher).
Die Vorgabe in der Vorlageentscheidung des 33. Senats vom 8. März 2013 im vorliegenden Verfahren zu Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL ist nach Auffassung des Senats nur teilweise zutreffend. Soweit es um das Eintragungsverfahren geht und um die Beurteilung des § 37 Abs. 2 MarkenG, hält der Senat die Argumentation im Vorlagebeschluss des 33. Senats vom 8. März 2013 im Ergebnis für zutreffend (GRUR 2013, 844, 848 unter dem Gliederungspunkt II. 4. a; a. A. BGH, GRUR 2014, 483 Rn. 22 - test). Danach enthält diese Regelung nach Auffassung des Senats keine durch den nationalen Gesetzgeber ausgeübte Option im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL, weil § 37 Abs. 2 MarkenG nur eine Eintragung mit entsprechender Zeitrangverschiebung ermöglicht, was im Ergebnis einer Rücknahme der Anmeldung und einer Neuanmeldung zwar nicht ganz entspricht, aber doch sehr nahe kommt. Sofern man den Zeitpunkt der Zeitrangverschiebung als den Anmeldetag bzw. als die maßgebliche „Anmeldung“ ansieht, wofür nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 2 MarkenG sehr viel spricht, kann eine solche Regelung auch nicht mehr unter den Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL subsumiert werden. Gleichwohl ist die Vorgabe in der Vorlageentscheidung nicht zutreffend, soweit es um das Löschungsverfahren geht. Insoweit stellt die Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG offensichtlich eine Regelung i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL dar, weil der Markeninhaber seine Marke ohne Zeitrangverschiebung mit dem Zeitrang des ursprünglichen Anmeldetags behält, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag die Schutzhindernisse inzwischen weggefallen sind oder eine Verkehrsdurchsetzung nachgewiesen bzw. festgestellt werden kann.
Die vorstehend erörterten Fragen zu den Vorgaben in der 3. Vorlagefrage spielen aber letztlich für die Frage der Geltung der EuGH-Vorabentscheidung in Bezug auf die Beweis-/Feststellungslast für das Vorliegen der Verkehrsdurchsetzung in diesem Verfahren keine entscheidende Rolle. Der EuGH hat sich unabhängig von den Vorgaben in der Vorlageentscheidung ganz allgemein zur Normstruktur der Vorschriften des Art. 3 Abs. 1 b), c) und d) einerseits und des Art. 3 Abs. 3 der MRRL andererseits, was im umgesetzten deutschen Recht dem Verhältnis von § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 einerseits und § 8 Abs. 3 MarkenG andererseits entspricht, geäußert und damit zur Beweis-/Feststellungslast bei Verkehrsdurchsetzungsfragen ganz allgemein relevante Aussagen getroffen (so auch Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 54 Rn. 24; Harte-Bavendamm/Goldmann, „Zur Verkehrsdurchsetzung abstrakter Farbmarken“, MarkenR 2014, 480, 493). Der Europäische Gerichtshof stellt dabei auch eindeutig fest, dass die Frage der Beweis-/Feststellungslast für die infolge einer Benutzung erworbene Unterscheidungskraft (im Hinblick auf die „Belegung“ dieses Begriffs durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach deutschem Verständnis „Verkehrsdurchsetzung“ gemeint) in einem auf Art. 3 Abs. 1 b), c) oder d) MRRL gestützten Löschungsverfahren keine in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallende Verfahrensbestimmung darstellt (EuGH, GRUR 2014, 316 Rn. 66 – Sparkassen-Rot) und begründet dies mit dem zehnten Erwägungsgrund der MRRL (EuGH, GRUR 2014, 316 Rn. 67 – Sparkassen-Rot). Soweit der E… die Vorgaben in der Vorlageentscheidung des 33. Senats übernimmt und insoweit bei der Beantwortung der 3. Vorlagefrage einschränkend entsprechend ausführt, die Antwort gehe davon aus, dass ein Mitgliedstaat von der in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht habe, ist diese Einschränkung notwendig. Denn im Rahmen von nationalen Regelungen, die von der Befugnis des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL Gebrauch gemacht haben, sind Fallgestaltungen denkbar, in denen es auf die Beweislast zur Frage der Verkehrsdurchsetzung einer als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Marke nicht ankommt. Dies gilt z. B. dann, wenn ein Markeninhaber sich zur Verteidigung gegen einen Löschungsantrag darauf beruft, dass Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG z. B. aufgrund einer Änderung des Sprachgebrauchs zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr bestehen. Genau ein solcher Einwand ist nach der die Befugnis Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL wahrnehmenden deutschen Vorschrift des § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG möglich. Dass der EuGH mit der aus der Vorlagefrage übernommenen Vorgabe darüber hinaus Einschränkungen zur Gültigkeit seiner Aussagen zur Beweislast bei der Frage der Verkehrsdurchsetzung machen wollte, vermag der Senat angesichts der allgemein gehaltenen und auch grundsätzlichen Ausführungen des EuGH nicht zu erkennen. Die Vorgaben in der Vorlageentscheidung des 33. Senats mögen teilweise unzutreffend gewesen sein, gleichwohl enthält die Vorabentscheidung des EuGH die grundlegenden und für die nationalen Gerichte bindenden Erkenntnisse zur Beweislast im Zusammenhang mit Fragen der Verkehrsdurchsetzung, die – wie den vorstehenden Ausführungen unter (1) bis (10) entnommen werden kann – ohne jede Einschränkung auch der Auffassung des erkennenden Senats entsprechen.
f. Dem Löschungsantrag ist der Erfolg auch nicht deshalb zu versagen, weil eine Verkehrsdurchsetzung der originär schutzunfähigen und im Hinblick auf eine vermeintliche Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Anmeldung fehlerhaft eingetragenen Marke nunmehr zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden könnte. Vielmehr sind die eingereichten Gutachten und sonstigen Unterlagen nicht geeignet, eine Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Farbmarke zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (= Schluss der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2015) hinreichend sicher zu belegen, so dass der Löschung der angegriffenen Marke auch § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG nicht entgegensteht.
Das vom Markeninhaber vorgelegte Gutachten der P… GmbH vom 20. Februar 2013 zur „Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen“ ist das letzte vom Markeninhaber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Gutachten mit hinreichend spezifischer Fragestellung und deshalb aus dem Kreis dieser Parteigutachten das unter diesem Gesichtspunkt aussagekräftigste. Die diesem Gutachten zugrundeliegenden Interviews (= Verkehrsbefragung) hat die I… GmbH durchgeführt (vgl. Seite 2 des Gutachtens, 1.4), die bereits das der Eintragung der angegriffenen Marke zugrundeliegende Gutachten vom 24. Januar 2006 erstellt hat. Die Verkehrsbefragung weist bei 1068 Befragten, die laut Gutachten nach einem mathematischen Zufallsverfahren ausgewählt worden sind und einen repräsentativen Kreis aus der Gesamtbevölkerung im Alter von über 14 Jahren darstellen, ein Anteil von 78,4 % der Befragten aus, die angeben, die Farbe „Rot“ im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen schon gesehen zu haben oder die angeben, die Farbe „Rot“ komme ihnen in einem solchen Zusammenhang (irgendwie) bekannt vor. Soweit bei dieser Fragestellung zur Bekanntheit der Farbe „Rot“ der Begriff Finanzdienstleistungen verwendet wird, begegnet dies - wie bereits ausgeführt – keinen Bedenken. Erhebliche methodische Bedenken bestehen aber bei der Frage 1 zur Bekanntheit aus anderen Gründen. Denn hier wird nicht – wie es methodisch einwandfrei wäre – wie folgt gefragt:
„Haben Sie diese Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen schon einmal gesehen?“
Vielmehr wird gefragt:
„Haben Sie die hier abgebildete Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen schon einmal gesehen oder kommt sie Ihnen dabei bekannt vor? Oder ist Ihnen diese Farbe in diesem Zusammenhang bislang noch nicht begegnet?“
Der Nachsatz mit der Alternativvorgabe „oder kommt Sie Ihnen dabei bekannt vor?“ ist methodisch verfehlt, weil er geeignet ist, wegen des leicht insistierenden Charakters auf die Befragten subtilen Druck auszuüben, was erfahrungsgemäß insbesondere bei leicht beeinflussbaren Personen das Ergebnis in Richtung „Bejahung“ der gestellten Frage verfälschen kann. Antworten, die in eine entsprechende Richtung gehen (i. S. v. kommt mir irgendwie bekannt vor), müssen zwar erfasst werden, dürfen aber nur dann gezählt werden, wenn sie ohne entsprechende Vorgabe spontan erfolgen (vgl. dazu DPMA Richtlinie Markenanmeldungen, BlPMZ 2005, 245 ff., 255, 256). Außerdem besteht die Gefahr, dass die Befragten bei der konkreten Formulierung der Alternativvorgabe den notwendigen Bezug zu den maßgeblichen Finanzdienstleistungen verlieren, weil dieser Bezug im Nachsatz nicht durch eine Wiederholung des Begriffs „Finanzdienstleistungen“ verdeutlicht wird, sondern nur relativ schwach allein durch das Wort „dabei“ zum Ausdruck gebracht wird. Es ist davon auszugehen, dass bei einer entsprechenden Vorgabe – auch wenn sie nur alternativ erfolgt – der Prozentsatz der bejahenden Antworten deutlich höher ausfällt als dies bei Spontanantworten ohne eine solche Vorgabe der Fall ist, so dass nach Auffassung des Senats von den insoweit ermittelten 24,4 % ein erheblicher Abzug angebracht ist. Dies wird durch die dem Gutachten des I1… vom 19. Januar 2015 zugrundeliegende Verkehrsbefragung mit vergleichbarer Fragestellung bestätigt. Der Anteil der entsprechenden Spontanantworten belief sich dort nämlich nur auf 17 % (statt der 24,4 % bei der I…-Befragung gemäß P…-Gutachten). Ausgehend davon schätzt der Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung den vorzunehmenden Abzug auf 7 %.
Die Frage 1A, die ergänzend an den Personenkreis gerichtet ist, der die Frage 1 verneint hat, ist methodisch ebenfalls problematisch. Es mag sein, dass eine solche ergänzende Fragestellung u. a. geeignet sein kann, die Bereitschaft der Befragten in Richtung einer engagierteren Mitwirkung zu steigern. Andererseits hat diese Art der nachhakenden Fragestellung u. a. mit der Wendung „oder fällt Ihnen dazu doch etwas ein“ insistierend-suggestiven Charakter. Eine solche ergänzende Fragestellung ist deshalb bei einer demoskopischen Befragung zur Verkehrsdurchsetzung im Rahmen der Ermittlung des Bekanntheitsgrades regelmäßig nicht vorgesehen (vgl. auch die DPMA Richtlinie Markenanmeldungen, BlPMZ 2005, 245 ff., 255, 256). Im Übrigen ist diese Art der Fragestellung auch deshalb problematisch, weil durch die Ergänzung „oder fällt Ihnen dazu doch etwas ein“ am Ende der Frage wiederum der Bezug zu den maßgeblichen „Finanzdienstleistungen“, und damit der für die Frage der markenrechtlichen Verkehrsdurchsetzung notwendige Dienstleistungsbezug, gelockert wird. Ausgehend davon ist durchaus denkbar, dass bei einem Teil der Befragten, die eine Antwort in Richtung der Mitgliedsunternehmen der Markeninhaberin oder anderer Unternehmen gegeben haben (S…, D3…, W1…), hier ein Verständnis nicht im Sinne eines betrieblichen Herkunftshinweises für Dienstleistungen, sondern im Sinne eines Unternehmenskennzeichens gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG im Vordergrund gestanden hat. Für die Möglichkeit eines solchen gelockerten oder sogar entkoppelten Bezugs zu den Finanzdienstleistungen spricht auch, dass im Rahmen dieser ergänzenden Befragung Antworten gegeben worden sind, wie „Fußball“ oder „unschöne Farbe“, bei denen offensichtlich jeglicher Dienstleistungsbezug fehlt. Die bei der Frage 1A ermittelten 3,4 %, die im Sinne der Bekanntheit der Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen zu Gunsten des Markeninhabers gezählt worden sind, müssen deshalb nach Auffassung des Senats unberücksichtigt bleiben.
Demzufolge hätten bei der weiteren Befragung nicht 81,8 % der Ausgangsbefragten, sondern nur gut 70 % weiter befragt werden dürfen. Von den 81,8 % müssen nämlich – wie ausgeführt – 3,4, % komplett und ein deutlicher Anteil der ermittelten 24,4 % , nämlich - wie ausgeführt – 7 % der Befragten, die der Vorgabe „oder kommt sie Ihnen dabei bekannt vor?“ gefolgt sind, abgezogen werden.
Auch gegen die Frage 2 (Frage zum Kennzeichnungsgrad) der I…/P…-Verkehrsbefragung bestehen methodische Bedenken. Mit der Fragestellung nach einem „Geldinstitut“ wird bereits der Kreis der denkbaren Anbieter solcher Dienstleistungen eingeschränkt, wobei die Bezeichnung – wie bereits oben unter e. aa)) ausgeführt ist – Anlass zu Missverständnissen sein kann und die Befragten in Richtung „Sparkassen“ lenken kann.
Methodische Bedenken richten sich zudem gegen die Frage 2A. Dort sind die Personen, die bei der Frage 2 angegeben haben, die Farbe weise auf mehrere Geldinstitute hin, mit einer regelmäßig nicht vorgesehenen Zwischenfrage dahingehend weiter befragt worden, ob sie mit ihrer Antwort „mehrere unterschiedliche Geldinstitute“ oder „verschiedene Zweigstellen von ein und demselben Geldinstitut“ gemeint hätten. Die Vorgabe „verschiedene Zweigstellen von ein und demselben Geldinstitut“ in der Fragestellung hat suggestiven Charakter, was den Aussagewert der erzielten Ergebnisse tendenziell weiter mindert. Ausgehend davon hätten die mit dieser Fragestellung ermittelten 2,1 % der bejahenden Personen nicht dem Personenkreis zugerechnet werden dürfen, die von einem Hinweis auf nur ein Geldinstitut ausgehen, wie dies im Gutachten geschehen ist. Ausgehend davon hätte die Frage 3 (Frage zum Zuordnungsgrad) nicht an 65,3 %, sondern nur an 63,2 % der insgesamt befragten Personen gerichtet werden dürfen. Andererseits hätte die Frage 3A dann unter Hinzurechnung dieser Differenz von 2,1 % nicht nur an 5,9 %, sondern an 8 % der insgesamt befragten Personen gerichtet werden dürfen. Auch die Fragen 3B, 3BB, 3C und 3CC sind methodisch in Frage zu stellen, weil teilweise mehrfach bei dem Personenkreis nachgefragt wird, der aufgrund der früheren Antworten eigentlich schon aus dem Kreis der weiter zu Befragenden ausgeschieden war. Trotz dieser insistierenden Art der Befragung wird der in Frage 3 ermittelte Zuordnungsgrad von 61,9 % im Endergebnis nur um 2,2 % auf 64,1 % gesteigert.
Ausgehend von einem fehlerhaft und deutlich zu hoch ermittelten Bekanntheitsgrad, der nicht sachgerechten Fragestellung bei der Frage 2 im Rahmen der Ermittlung des Kennzeichnungsgrades nach „Geldinstituten“, dem methodisch nicht sauber und zu hoch ermittelten (vorläufigen) Kennzeichnungsgrad von 65,3 % bei Frage 2 statt 63,2 % und der weiteren methodisch problematischen Vorgehensweise durch teilweise mehrfache Nachfragen bei den für die weitere Befragung eigentlich schon „ausgeschiedenen“ Befragungsteilnehmern, ist die Aussagekraft der Verkehrsbefragung und des Gutachtens in Bezug auf den ermittelten Kennzeichnungsgrad von 67,6 % und in Bezug auf den ermittelten Zuordnungsgrad von 64,1 % (im Gutachten als „bereinigter“ Kennzeichnungsgrad bezeichnet) stark eingeschränkt und rechtfertigt schon für sich genommen noch nicht einmal die Feststellung eines Zuordnungsgrades von über 50 %, erst recht nicht von darüber liegenden Prozentsätzen.
Die grundlegenden Bedenken gegenüber der Vorgehensweise bei der Befragung und dem im Gutachten vom 20. Februar 2013 festgestellten Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrad werden durch das von den Löschungsantragstellerinnen in Auftrag gegebene Gutachten des I1… vom 19. Januar 2015, dem laut Gutachten eine bundesweite Repräsentativbefragung von September 2014 zugrunde liegt, insoweit bestätigt, als diese Befragung zu sehr viel niedrigeren Ergebnissen kommt. Darin gaben nur 62 % von insgesamt 1148 befragten Personen über 16 Jahre an, die Farbe „Rot“ im Zusammenhang mit „Dienstleistungen rund um finanzielle Angelegenheiten“ schon gesehen zu haben. 47 % der Befragten gaben an zu wissen, dass die Farbe von (nur) einem Anbieter solcher Dienstleistungen stammt und 45 % der Befragten ordneten die Farbe schließlich dem Markeninhaber bzw. einem seiner Mitgliedsunternehmen zu. Demzufolge ist danach ein die Bejahung einer Verkehrsdurchsetzung ausreichend hoher Zuordnungs- bzw. Durchsetzungsgrad nicht erreicht, weil jedenfalls kein ausreichend großer Teil von mindestens 50 % der Befragten die Farbe als Herkunftshinweis wahrnimmt (vgl. zum notwendigen Mindestdurchsetzungsgrad die ständige Rechtsprechung, u. a. des BGH; vgl. z. B. GRUR 2008, 710 Rn. 26 - VISAGE ; GRUR 2010, 138 Rn. 41 - ROCHER-Kugel; GRUR 2014, 483 Rn. 34 – test und zuletzt WRP 2015, 726 = GRUR 2015, 581 Rn. 42 –Langenscheidt-Gelb; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. § 8 Rn. 630). Anders als der Markeninhaber meint, begegnet die Ermittlung dieses Wertes im Rahmen einer Mehrthemenumfrage aus Sicht des Senats keinen durchgreifenden Bedenken (siehe dazu die Ausführungen unter oben e. aa) vorletzter Absatz). Es wurden mehr als 1000 Personen und damit eine für eine aussagekräftige Stichprobe aus- reichend große Anzahl von Personen befragt (vgl. BGH GRUR GRUR 2014, 483, Rn. 38 – test).
Die bei der Mehrthemenbefragung verwendete Überleitung zu dem hier maßgeblichen neuen Themenkomplex, nämlich
„Zu etwas anderem: Bitte denken Sie jetzt einmal an Dienstleistungen rund um Ihre finanziellen Angelegenheiten wie Kontoführung, Geldautomaten, Kredite, Geldanlagen, usw.“
eignet sich nach Auffassung des Senats und entgegen der Auffassung des Markeninhabers und der von ihm vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahme durchaus zur Einstimmung auf den neuen Themenbereich. Gegen die Formulierung „Ihre“ finanziellen Angelegenheiten bestehen keine Bedenken, da sie lediglich eine persönlichere, gleichwohl sachgerechte Hinführung des Befragten auf einen neuen Themenkomplex bewirkt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Art der Fragestellung das Gutachtensergebnis in der einen oder anderen Richtung beeinflussen könnte. Auch die Art der Themenstellung mit den Worten „Dienstleistungen rund um Ihre finanziellen Angelegenheiten“ mit den Beispielen „Kontoführung, Geldautomaten, Kredite, Geldanlagen, usw.“ ist sachgerecht und wegen der Konkretisierung mit Beispielen vergleichsweise weniger abstrakt und deshalb der Themenstellung „Finanzdienstleistungen“ sogar vorzuziehen. Auf diese „thematische Überleitung“ folgen die neutral gehaltene Frage zur Ermittlung der Bekanntheit der Farbe „Rot“ und die weiteren Fragen zum Kennzeichnungs- und Durchsetzungsgrad, was – wie mehrfach ausgeführt – dem allgemein als fachgerecht anerkannten Vorgehen bei der Verkehrsbefragung entspricht.
In Bezug auf einen Punkt ist bei diesem Gutachten des I1… … vom 19. Januar 2015 allerdings eine Korrektur angebracht. Es ist zu beanstanden, dass bei dem Personenkreis, der bei der Frage zum Kennzeichnungsgrad angegeben hat, dass „mehrere Anbieter“ in Frage kommen, nicht nachgefragt worden ist, welche mehreren Anbieter gemeint sind. Sofern dann zwei oder mehr Anbieter genannt worden wären, die allesamt zu den Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers gehören, hätten diese positiv beim Zuordnungsgrad berücksichtigt werden müssen. Im vorstehend abgehandelten Gutachten der P…- … vom 20. Februar 2013 ist trotz umfangreicher Nachfragen bei diesem Personenkreis insoweit nur eine Steigerung des Zuordnungsgrades um 2,2 % von 61,9 % auf 64,1 % erreicht worden. Ausgehend davon schätzt der Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung den unter diesem Gesichtspunkt im Gutachten „A…“ vorzunehmenden Aufschlag auf 2 %, woraus sich ein realistischer Wert beim Zuordnungsgrad in Höhe von 48 % (46 % + 2 %) ergibt.
Bei der Bewertung der vorstehend abgehandelten Gutachten ist davon auszugehen, dass bei der angegriffenen Farbmarke ein Durchsetzungsgrad von 50 % oder höher zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde (= Schluss der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2015) nicht erreicht worden ist oder zumindest nicht hinreichend eindeutig festgestellt werden kann. Alle vorgelegten weiteren Gutachten liefern keine besseren Erkenntnisse, weil sie bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung weiter zurückliegen (wie z. B. die von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Gutachten des I1…- … aus den Jahren 2010 bis 2013 oder das vom Markeninhaber vorlegte Gutachten der I… GmbH vom 20. Juni 2011) oder weil sie von der Fragestellung her sehr viel weniger geeignet sind, ein für die Frage der Verkehrsdurchsetzung der Farbe „Rot“ für die hier maßgeblichen „Finanz- bzw. Bankdienstleistungen“ brauchbares Ergebnis zu liefern (wie etwa das Gutachten der P… GmbH vom 20. Februar 2013 mit der Fragestellung „Rot (HKS 13) – Verkehrsdurchsetzung dieser Farbe im Zusammenhang mit Dienstleistungen von Geldinstituten“ oder das Gutachten vom 14. Januar 2014 mit der in Bezug auf die zu beurteilenden Dienstleistungen unspezifischen Fragestellung „Rot – Welche Unternehmen werden an dieser Farbe erkannt“).
g. Anders als der Markeninhaber meint, ist es nach Auffassung des Senats ausgeschlossen, dass durch die Erholung weiterer Gutachten, Erkenntnisse gewonnen werden können, die abweichend von den bisherigen Gutachten eine hinreichend sichere Feststellung einer Verkehrsdurchsetzung zum aktuellen Zeitpunkt ermöglichen. Abgesehen davon, dass im Inland die auf diesem Gebiet vornehmlich tätigen und renommierten und für eine weitere Verkehrsbefragung und Gutachtenserstellung in Betracht kommenden Institute, nämlich A…, G1…, I…, und P… mit ihrem eigenen, in Jahrzehnten geschulten und evaluierten Interview-Personal aufgrund der direkten Beauftragung durch die Verfahrensbeteiligten, verbraucht sein dürften und geeignete neutrale Gutachter schon rein tatsächlich sehr schwer zu finden sein dürften, ist durch weitere Gutachten auch kein höherer Erkenntnisgewinn zu erwarten, insbesondere keiner, der abweichend von den bisher vorgelegten Untersuchungen den notwendigen hinreichend brauchbaren Grad an Gewissheit für einen Beweis (vgl. dazu Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 286 Rn. 2) in Bezug auf einen 50 % oder darüber liegenden Zuordnungsgrad und damit eine möglicherweise erreichte Verkehrsdurchsetzung vermitteln könnte. Angesichts der vorliegenden Gutachten, vor allem mit Blick auf das auch in Bezug auf den Erhebungszeitpunkt aussagekräftige Gutachten des I1… … vom 19. Januar 2015, erscheint es ausgeschlossen, dass der notwendige hinreichend brauchbare Grad an Gewissheit in Bezug auf einen Durchsetzungsgrad von 50 % oder darüber erzielt werden kann. Die Beteiligten haben bis zur mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2015 bereits insgesamt 13 Gutachten mit unterschiedlichen Fragestellungen bezogen auf verschiedene Zeitpunkte im Zeitraum von Dezember 2005 bis November 2014 in das Verfahren eingeführt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gutachtensergebnisse regelmäßig Wahrscheinlichkeitswerte darstellen, durch die die Realität ohnehin niemals exakt, sondern bestenfalls näherungsweise abgebildet wird (vgl. Utz, Die demoskopische Befragung als Beweismittel im Markenrecht, 2011, Teil 2 G II. 1 a).
Ausgehend davon würde durch die Erholung eines weiteren Gutachtens den zahlreich vorliegenden Gutachten nur ein weiteres Gutachten hinzugefügt, das einen weiteren Wahrscheinlichkeitswert vermittelt, der in die Gesamtabwägung mit den vorliegenden Gutachten und den dort ermittelten Wahrscheinlichkeitswerten einzubeziehen wäre. Nach Überzeugung des Senats kann ohne Verstoß gegen das Verbot einer vorweggenommenen Beweiswürdigung die Aussage getroffen werden, dass durch die Erholung eines weiteren Gutachtens keine Erkenntnisse denkbar sind, die abweichend von den bisher vorgelegten Untersuchungen den notwendigen hinreichend brauchbaren Grad an Gewissheit in Bezug auf einen Zuordnungsgrad bzw. Verkehrsdurchsetzungsgrad der angegriffenen Farbmarke zum aktuellen Zeitpunkt von 50 % oder darüber verschaffen könnten. Angesichts der weiteren grundsätzlichen Bedenken bei der Fragestellung zum Kennzeichnungsgrad (siehe dazu nachfolgend 3.) ist vielmehr nahezu zwingend zu erwarten, dass bei neutraler, nicht suggestiver Fragestellung die Ergebnisse zum Kennzeichnungsgrad deutlich niedriger ausfallen würden.
Selbst wenn zugunsten des Markeninhabers – wie von ihm vorgetragen – von einer mehr als 40-jährigen Verwendung der Farbe „Rot“ für ihn und/oder seine Mitglieder auf dem Markt ausgegangen wird und darüber hinaus von einer durch Werbemaßnahmen, Kundenstamm und Filialnetz bedingten hohen Präsenz der streitgegenständlichen Farbe auf dem Finanzsektor, reichen jedenfalls Werte von unter 50 % – auch nach der vorzunehmenden Gesamtschau der Einzelumstände – nicht aus, um für die hier maßgebliche konturlose Farbmarke „Rot“ eine Durchsetzung für „Finanzdienstleistungen“ bzw. „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ im Verkehr bejahen zu können (vgl. zum notwendigen Mindestdurchsetzungsgrad von 50 % für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung die ständige Rechtsprechung, u. a. des BGH; vgl. z. B. GRUR 2008, 710 Rn. 26 – VISAGE ; GRUR 2010, 138 Rn. 41 – ROCHER-Kugel; GRUR 2014, 483 Rn. 34 – test und zuletzt WRP 2015, 726 = GRUR 2015, 581 Rn. 42 – Langenscheidt-Gelb; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 630).
Zusammenfassend kann demzufolge festgestellt werden, dass eine Erholung weiterer Gutachten zur Frage der Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke für die beanspruchten Dienstleistungen nicht zu einer Verkehrsdurchsetzung zum aktuellen Zeitpunkt führen kann und deshalb nicht in Betracht kommt.
3. Der Senat hat darüber hinaus grundsätzliche Bedenken in Bezug auf alle vorgelegten Gutachten, soweit es um die Ermittlung des Kennzeichnungsgrades geht, und zwar auch insoweit, als sie weitgehend den Vorgaben in der DPMA Richtlinie Markenanmeldungen folgen. Die in der Richtlinie vorgeschlagene Vergleichsbefragung mit den dort vorgegebenen Antwortmöglichkeiten (vgl. die DPMA Richtlinie Markenanmeldungen, BlPMZ 2005, 245 ff., 255, 256, vgl. nachfolgende Wiedergabe im Wortlaut), die einer Empfehlung der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts folgt (vgl. dazu die Beschlüsse vom 14. Mai 2003 in den Verfahren 29 W (pat) 108/01 = GRUR 2004, 61 – BVerwGE; 29 W (pat) 109/01 – BSGE; 29 W (pat) 111/01 – BGHSt; jeweils unter dem Gliederungspunkt II., 3., 3.3.), ist nach Auffassung des Senats einseitig – und deshalb suggestiv – in Richtung „Unternehmen“ und damit „betrieblicher Herkunftshinweis“ ausgerichtet, so dass die erzielten Ergebnisse zum Kennzeichnungsgrad fehlerhaft deutlich zu hoch ausfallen dürften. Diese grundsätzlichen Bedenken gegen die Art der Fragestellung bestehen eigentlich im Zusammenhang mit allen Zeichen- bzw. Markenformen, also auch bei herkömmlichen Marken wie Wort- und Bildmarken, wiegen aber bei atypischen Marken, etwa abstrakten/konturlosen Farbmarken wie der vorliegend zu beurteilenden Farbmarke „Rot“ besonders schwer. Die Frage zur Ermittlung des Kennzeichnungsgrades hat den Zweck zu eruieren, ob diejenigen Befragten, die zuvor angegeben haben, die Farbe im Zusammenhang mit bestimmten Dienstleistungen zu kennen, diese Farbe darüber hinaus als betriebskennzeichnenden Herkunftshinweis auf irgendein oder auch auf mehrere Unternehmen auffassen oder als etwas ganz anderes auffassen würden. Einer Farbe können in einem Waren- oder Dienstleistungszusammenhang kennzeichen-rechtlich nicht relevante Bedeutungen zukommen, was sogar der Regelfall ist. Angesichts der allgemein auch im Markenrecht anerkannten Erkenntnis, dass die Verbraucher in Farben gewöhnlich nur bloße Gestaltungsmittel sehen, steht bei Farben eine solche Bedeutung regelmäßig im Vordergrund, und zwar auch dann wenn sie von Unternehmen bei der Präsentation von Waren oder beim Angebot von Dienstleistungen verwendet werden. Eine Farbe kann darüber hinaus im Zusammenhang mit verschiedenen Produkten noch weitere Bedeutungen haben, z. B. eine Bedeutung als „Warn-“ oder auch „Kennfarbe“. So müssen z. B. sog. „Schultern“ von Gasflaschen je nach Gas Sorte in einer bestimmten spezifischen Farbe eingefärbt sein. Entsprechende Farben sind auch für Gefahrgutaufkleber verbindlich. Kennfarbkodierungen gibt es auch in anderen Bereichen, wie z. B. bei Elektrosicherungen, bei denen die aufgebrachte Kennfarbe je nach Nennstromstärke variiert. Eine Farbe kann Hinweis auf eine ganze Branche sein. Die Farbe Grün wird branchenspezifisch beispielsweise von vielen verschiedenen Unternehmen verwendet, die Waren oder Dienstleistungen im Bereich der Umwelttechnologie anbieten. Die Farbe „grün“ wird in Anlehnung an die grüne Farbe der GRUR-Zeitschriften auch als Hinweis auf das gesamte Rechtsgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes verwendet und kann somit unter Umständen auch als Hinweis auf entsprechende Rechtsberatungsdienstleistungen verstanden werden. Gerade bei Farben, die – anders als herkömmliche Kennzeichen wie Wort- oder Bildmarken – regelmäßig bloße Gestaltungsmittel sind und auch regelmäßig als solche erfasst werden, erscheint ausgehend von den oben aufgeführten anderen Funktionen, die einer Farbe zukommen können, die Standardfragestellung bei der Ermittlung des Kennzeichnungsgrades, nämlich:
„Ist die Farbe „Rot“ Ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen
- ein Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen oder
- ein Hinweis auf mehrere Unternehmen oder
- gar kein Hinweis auf irgendein Unternehmen,
- oder können Sie dazu nichts sagen?“
suggestiv, weil der Fokus aufgrund der ersten beiden Antwortmöglichkeiten für den Befragten irritierend und gegen den Erfahrungshorizont in Richtung „Unternehmen“ und damit einseitig in Richtung betrieblicher Herkunftshinweis gelenkt wird. Sachgerecht wäre nach Auffassung des Senats eine Fragestellung:
„Ist die Farbe „Rot“ Ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen
- ein übliches (dekoratives) Gestaltungsmittel oder
- eine Kenn- oder Warnfarbe oder
- ein Hinweis auf eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Branchenbereich oder
- ein Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen oder
- ein Hinweis auf mehrere Unternehmen oder
- nichts von dem, was vorstehend aufgeführt ist, sondern ….
- oder können Sie dazu nichts sagen?“
Sofern die aktuell übliche Fragestellung mit der starken Fokussierung auf Unternehmen bereits in den beiden Eingangsfragen und der dadurch erreichten Aufmerksamkeit der Befragten in Richtung betrieblicher Herkunftshinweis gewählt wird, müssten die bei Farben naheliegenden anderen Funktionen bei den weiteren Antwortmöglichkeiten zumindest beispielhaft aufgeführt werden. Allein durch eine solche Konkretisierung würde den Befragten die Antwort in Richtung auf eine von der Sache her unter Umständen durchaus naheliegende Antwort erleichtern und damit der unangemessenen Fokussierung durch die ersten beiden Antwortmöglichkeiten etwas entgegenwirken, zumal schon die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für das Ergebnis hat. Eine solche neutralere und weniger suggestive Vergleichsbefragung könnte etwa folgende Antwortmöglichkeiten zur Auswahl stellen:
„Ist die Farbe „Rot“ Ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen
- ein Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen oder
- ein Hinweis auf mehrere Unternehmen oder
- gar kein Hinweis auf irgendein Unternehmen, sondern
o ein Gestaltungsmittel,
o eine Kenn- oder Warnfarbe,
o ein Branchenhinweis oder
o noch etwas anderes
- oder können Sie dazu nichts sagen?
Die bislang übliche Art der Fragestellung bei der Ermittlung des Kennzeichnungsgrades lässt wichtige und allgemein anerkannte Erkenntnisse der Vernehmungspsychologie im Zusammenhang mit Zeugenbefragungen außer Acht. Danach können Vergleichsbefragungen mit Wahl( vorhalt )fragen, also mit solchen Fragen, die einem Zeugen mehrere Antwortmöglichkeiten wie bei sog. Multiple-Choice-Tests zur Auswahl geben, zwar grundsätzlich in vielen Fällen bei der Zeugeneinvernahme verwertbare Ergebnisse hervorbringen. Es wird aber bei dieser Art der Befragung empfohlen, mindestens drei Wahlvorhalte zu geben. Schon bei nur zwei Wahlvorhalten wird eine gewisse Suggestivwirkung bejaht, weil der Kreis der möglichen Antworten zu sehr eingeengt ist (vgl. dazu z. B. Arntzen, Vernehmungspsychologie – Psychologie der Zeugenvernehmung, 3. Aufl., IV. 2. (Kapitel) „Die gesteuerte Befragung und das Problem der Suggestivfragen“, Seite 32). Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass diese Grundsätze bei einer demoskopischen Verkehrsbefragung in gleicher Weise gelten. Bei der bislang üblichen Fragestellung werden den Befragten nur in den beiden ersten Antwortmöglichkeiten konkrete Vorgaben gemacht, die zudem beide in dieselbe Richtung, nämlich in Richtung „Unternehmenshinweis“ gehen. Sogar bei der dritten Antwortmöglichkeit sind die Wörter „Hinweis auf irgendein Unternehmen“ enthalten, allerdings mit den vorangestellten Wörtern „gar kein“, wobei dem Befragten bei dieser Antwortmöglichkeit keine konkreten Antwortalternativen zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt auch für die vierte Antwortmöglichkeit, die eigentlich nur jene Befragten erfassen kann, die überhaupt nichts sagen können oder wollen. Bei einer Vergleichsbefragung in der üblichen Form ist damit noch nicht einmal die erforderliche Mindestzahl von drei echten und damit anerkennenswerten Wahlvorhalten erfüllt. Im Hinblick auf die Wiederholung der Wörter „Hinweis auf (irgend)ein Unternehmen“ bei drei von vier Wahlvorhalten wird tatsächlich fast jeder Befragte realisieren, welche Antwort der Fragesteller erwartet. Es liegt deshalb auch auf der Hand, dass ein erheblicher Teil der Befragten, die eine Farbe bei einer Ware oder im Zusammenhang mit Dienstleistungen oder Dienstleistungsanbietern eigentlich nur als dekoratives Gestaltungselement wahrnehmen (etwa als Gestaltungselement im Eingangsbereich einer Sparkasse oder beim Geldautomaten) bei einer Vergleichsbefragung ohne konkrete Wahlmöglichkeit „dekoratives Gestaltungselement“ sehr viel stärker geneigt sein wird, den Wahlvorhalt „Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen“ bejahend anzunehmen, als dies bei der hier vorgeschlagenen weniger suggestiven Vergleichsbefragung der Fall sein kann.
Der Senat verkennt nicht, dass die bislang übliche Art der Fragestellung bei der Ermittlung des Kennzeichnungsgrades auf mehrere Entscheidungen des 29. Senats des Bundespatentgerichts zurückgeht, in denen exakt diese Art der Fragestellung empfohlen worden ist (vgl. dazu die Beschlüsse vom 14. Mai 2003 in den Verfahren 29 W (pat) 108/01 = GRUR 2004, 61 – BVerwGE; 29 W (pat) 109/01 – BSGE; 29 W (pat) 111/01 – BGHSt; jeweils unter dem Gliederungspunkt II., 3., 3.3). In diesen drei Entscheidungen wird sogar ausdrücklich die bis zu diesem Zeitpunkt übliche Formulierung der dritten Antwortmöglichkeit
Weisen die Bezeichnungen (dort konkret statt Zeichen, Farbe o. ä),
- nicht auf ein bestimmtes Unternehmen hin, sondern bloß auf eine Sachangabe (z. B. Beschaffenheit, Verwendungszweck, Qualität, örtliche Herkunft usw.?),
beanstandet und empfohlen, diese Teilfrage allgemein verständlicher und gezielter zu formulieren, um größere Klarheit darüber zu gewinnen, ob der Befragte in dem Zeichen einen Unternehmenshinweis sieht oder nicht, wobei dann genau die aktuell übliche und vom DPMA in die Richtlinie Markenanmeldung übernommene und hier als suggestiv beanstandete Formulierung empfohlen wird.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bislang übliche Art der Vergleichsbefragung zur Ermittlung des Kennzeichnungsgrades den Befragten suggestiv nahelegt, das fragliche Zeichen als Unternehmenshinweis zu qualifizieren. Bei einer weniger suggestiven Befragung dürften wesentlich niedrigere Ergebnisse in Bezug auf den Kennzeichnungsgrad zu erwarten sein, was sich dann entsprechend auch auf die Ergebnisse zum Zuordnungsgrad auswirken muss. Bei einer Neugestaltung der Fragestellung zum Kennzeichnungsgrad muss auch ernsthaft die Frage der Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten diskutiert werden, weil auch diese eine Bedeutung hat und das Ergebnis der Verkehrsbefragung beeinflussen kann.
Wie bereits dargelegt wurde, bestehen auch gegen die Verfahrensweise bei der Erholung der Gutachten zur Verkehrsdurchsetzung durch den Anmelder bzw. Markeninhaber erhebliche Bedenken, weil sie weder vom Beibringungs- noch vom Untersuchungsgrundsatz gedeckt ist (siehe dazu im Einzelnen vorstehend 2. e. bb. (1) letzter Absatz), zumal Privatgutachten als Sachverständigenbeweis im zweiseitigen Verfahren nur mit Zustimmung beider Beteiligter verwertbar sind (vgl. BGH, NJW 1993, 2382).
4. Der Senat sieht keinen Anlass der Anregung zu folgen, die mündliche Verhandlung nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 156 ZPO wiederzueröffnen, um weiteren Vortrag zu ermöglichen. Die Verfahrensbeteiligten hatten ausreichend Gelegenheit, sich zu den aufgeworfenen Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Hiervon haben sie umfangreich Gebrauch gemacht. Sämtliche entscheidungserheblichen Gesichtspunkte sind zwischen den Beteiligten schriftsätzlich und in der Diskussion in zwei mündlichen Verhandlungen ausführlich erörtert worden. Aus Sicht des Senats ist die Sache entscheidungsreif, wobei die Entscheidung angesichts des zeitlichen Abstands zur Anmeldung der streitgegenständlichen Marke von aktuell mehr als 13 Jahren auch dringend geboten ist. Der Stand des Markenregisters sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers in einem überschaubaren Zeitrahmen geklärt sein, insbesondere sollten löschungsreife Marken wegen des ihnen gleichwohl innewohnenden Einschüchterungspotentials für die Mitbewerber innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nach Löschungsantragstellung aus dem Register gelöscht werden, insbesondere dann, wenn die 10-Jahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG schon deutlich überschritten ist.
Für weitere Beweiserhebungen besteht kein Anlass (siehe dazu oben unter 2. e. aa. und 2. g.). Soweit der Senat in einem Obiter Dictum (siehe oben unter 3.) grundsätzliche Bedenken gegen die Fragestellung in Verkehrsbefragungen zum Kennzeichnungsgrad und zum Verfahren ganz allgemein äußert, waren diese Überlegungen zwar weder zwischen den Verfahrensbeteiligten diskutiert worden noch Gegenstand der Erörterung in den mündlichen Verhandlungen. Auch wenn diese Gesichtspunkte Bedeutung für künftige Verkehrsdurchsetzungsverfahren haben könnten, bedarf es im vorliegenden Verfahren gleichwohl keiner Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil diese Gesichtspunkte sich nicht entscheidungserheblich auswirken. Ausgehend davon ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch nicht zur Vermeidung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erforderlich.
Der Umstand, dass der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2015 unter verschiedenen Aspekten Bedenken vor allem gegen die Aussagekraft der vom Markeninhaber vorgelegten Gutachten thematisiert hat, die vom 33. Senat im Rahmen der vorangegangenen mündlichen Verhandlung vom 8. März 2013 wohl weit weniger problematisch gesehen worden sind, rechtfertigt ebenfalls nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Alle wesentlichen Gesichtspunkte sind insoweit von den Löschungsantragstellern angesprochen gewesen und in der fünfstündigen mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2015 ausführlich diskutiert worden. Außerdem musste der Markeninhaber damit rechnen, dass bei einem Wechsel in der Zuständigkeit, der durch die Auflösung des 33. Senats des Bundespatentgerichts zum 1. Januar 2014 erzwungen war, sich auch die rechtliche Bewertung bei einem anderen erkennenden Senat verändern kann.
Der Senat hat angesichts der Komplexität der Probleme in tatsächlicher und insbesondere in rechtlicher Hinsicht Verständnis dafür, dass der Markeninhaber die Probleme gerne weiter diskutiert und vertieft hätte, was er auch durch die zahlreich noch nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze zum Ausdruck gebracht hat. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Sache aus Sicht des erkennenden Senats entscheidungsreif ist und angesichts des zeitlichen Abstands zur Anmeldung sowie der Verfahrensdauer eine zügige Entscheidung nunmehr dringend geboten ist, nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt des § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Aus den vorstehenden Erwägungen zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ergibt sich auch, dass im Hinblick auf die Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2015 kein Anlass für einen förmlichen Schriftsatznachlass gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 139 Abs. 5 ZPO für einen der Verfahrensbeteiligten bestand.
Soweit der Markeninhaber nach Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Schriftsätze vom 26. Februar 2015, 20. März 2015, 30. März 2015, 9. April 2015, 23. April 2015 und 4. Mai 2015, u. a. mit einem Ergänzungsgutachten der P… … vom 24. März 2015 eingereicht hat, handelte es sich nicht um vom Senat nachgelassene Schriftsätze gemäß § 139 Abs. 5 ZPO oder § 283 ZPO, so dass diese grundsätzlich unbeachtlich sind, soweit neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind (§ 296a Satz 1 ZPO). Die in diesen Schriftsätzen vorgebrachten rechtlichen Erwägungen hat der Senat bei seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Im Übrigen waren nach Auffassung des Senats in diesen Schriftsätzen und den vorgelegten weiteren Gutachten und sonstigen Unterlagen keine Gesichtspunkte enthalten, die eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 76 Abs. 5 Satz 2 MarkenG (entspricht § 156 Abs. 1 ZPO) erforderlich machen würden.
5. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zugelassen. Im Verfahren sind zahlreiche schwierige Rechtsfragen auch grundsätzlicher Natur i. S. d. § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufgeworfen worden, die zu entscheiden waren. Zudem ist der Senat in einigen wesentlichen Fragen von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und auch anderer Senate des Bundespatentgerichts abgewichen, so dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, aber auch zur Rechtsfortbildung erforderlich ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Von besonderer Bedeutung ist die Frage der Feststellungslast in Bezug auf die Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG bei als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Marken für den Zeitpunkt der Anmeldung. Nach der hier vertretenen Auffassung wirkt sich die Entscheidung in dieser Frage im Kontext mit den sonstigen entschiedenen Teilfragen auch entscheidungserheblich aus. In diesem Zusammenhang spielt die Frage eine Rolle, welcher Maxime das Verfahren unterliegt - Beibringungsgrundsatz oder Untersuchungsgrundsatz -, wenn im Verfahren eine Verkehrsdurchsetzung geltend gemacht wird. Außerdem sind mit den Fragestellungen in den Verkehrsbefragungen, die den demoskopischen Gutachten zugrunde liegen, zahlreiche rechtliche Probleme aufgeworfen, die auch einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen.
Sofern der Rechtsbeschwerdesenat des Bundesgerichtshofs im Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Vorlage an den EuGH an seiner Rechtsauffassung festhalten sollte, dass im Verfahren nach dem Markengesetz der Löschungsantragsteller bei als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Marken die Feststellungslast in Bezug auf das Fehlen der Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Anmeldung trägt (so BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 48 - ROCHER-Kugel; GRUR 2009, 669 Rn. 31 - Post II), weil der deutsche Gesetzgeber gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG (oder auch gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) von der Befugnis des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MRRL Gebrauch gemacht habe, müsste im fortzusetzenden Beschwerdeverfahren über die Frage der Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt unter entsprechender Beachtung dieser Rechtsauffassung gemäß § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG neu entschieden bzw. u. U. ergänzend Beweis erhoben werden. In diesem Zusammenhang wäre es für das fortzusetzende Verfahren außerordentlich hilfreich, wenn der Rechtsbeschwerdesenat in seiner Entscheidung mitteilen würde, wie die in der Entscheidung „ROCHER-Kugel“ (BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 48) angedeuteten Beweiserleichterungen zu Gunsten der dann beweisbelasteten Löschungsantragsteller konkret aussehen könnten.
Sofern der zuständige Rechtsbeschwerdesenat des Bundesgerichtshofs im Rechtsbeschwerdeverfahren in der im vorstehenden Absatz abgehandelten Frage zur Feststellungslast der Entscheidung des Senats folgen sollte, nicht aber der Auffassung des Senats, dass für den aktuellen Zeitpunkt durch die Erholung eines weiteren Gutachtens keine Erkenntnisse denkbar sind, die abweichend von den bisher vorgelegten Untersuchungen den notwendigen hinreichend brauchbaren Grad an Gewissheit in Bezug auf einen Zuordnungsgrad bzw. Verkehrsdurchsetzungsgrad der angegriffenen Farbmarke von 50 % oder darüber verschaffen könnten, wäre hierüber wohl im fortzusetzenden Beschwerdeverfahren noch ein auf eine Verkehrsbefragung gestütztes demoskopisches Gutachten zu erholen. In einem solchen Fall wäre es hilfreich, wenn der Rechtsbeschwerdesenat sich zur Verfahrensweise bei der Erholung eines solchen Gutachtens und darüber hinaus auch zu den bislang üblichen und auch in der Richtlinie des DPMA für die Prüfung von Markenanmeldungen empfohlenen Fragestellungen zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung äußern könnte, insbesondere dazu, ob er die nach Auffassung des Senats besonders suggestive Fragestellung bei der Ermittlung des Kennzeichnungsgrades für zulässig und geeignet hält, verwertbare Ergebnisse zu erzielen. Bislang war dieses Problem in den in den letzten Jahren geführten Löschungsrechtsbeschwerdeverfahren – auch vom zuständigen I. Senat des BGH – nicht thematisiert oder aufgegriffen worden.
Schließlich könnten auch Fragen, unter welchen Voraussetzungen bei einer Kollektivmarke eine Verkehrsdurchsetzung anerkannt werden kann, problematisiert werden. Der erkennende Senat hat diese für ihn nicht entscheidungserheblichen Fragen im Vorstehenden nicht ausdrücklich abgehandelt, da er aus anderen Gründen nicht von einer Verkehrsdurchsetzung ausgegangen ist. Sofern der Standpunkt des erkennenden Senats von der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht geteilt wird, könnten diese aber entscheidungserheblich werden, so dass für diesen Fall entsprechende Hinweise des Rechtsbeschwerdegerichts für ein eventuell fortzuführendes Beschwerdeverfahren hilfreich wären. Auch wenn in § 97 Abs. 2 MarkenG pauschal und nur unter dem Vorbehalt anderweitiger Regelungen gemäß §§ 98 – 106 MarkenG auf die Vorschriften für „normale“ Marken verwiesen wird und damit auch auf § 8 Abs. 3 MarkenG, erscheint die Frage der Verkehrsdurchsetzung einer Kollektivmarke nicht unproblematisch. Die Verkehrsdurchsetzung verlangt im Grundsatz ein Verkehrsverständnis dahingehend, dass ein Zeichen sich im Zusammenhang mit bestimmten Waren bzw. Dienstleistungen als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller bzw. einen bestimmten Anbieter durchgesetzt hat. Eine Kollektivmarke wird aber von verschiedenen Herstellern oder Anbietern benutzt, die häufig überhaupt nicht als Einheit wahrgenommen werden. Dies dürfte im vorliegenden Verfahren beim Markeninhaber teilweise in Bezug auf seine Mitgliedsunternehmen gelten, wie z. B. für S… einerseits und für L… oder auch für die D2…-Bank andererseits. Ausgehend davon wäre zu fragen, ob es genügt, wenn bei einer Verkehrsbefragung im Rahmen der Ermittlung des Zuordnungsgrades irgendein Unternehmen genannt wird, das als Mitgliedsunternehmen zum Kreis der Berechtigten des Verbandes i. S. d. § 102 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG gehört.
6. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen nach 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestand kein Anlass.